P. Gußmann/D. König/T. Schanz · Die Methode der kinematischen Elemente in der Geotechnik – aktuelle Entwicklungen und Anwendungen
Bild 17. Freie Standhöhe einer Böschung bei rein kohäsivem Boden Fig. 17. Free standing vertical face of a slope in pure cohesive soil
Bild 16. Standsicherheit einer Böschung mit mehreren Bermen: a) möglicher Bruchmechanismus, b) Optimierung Fig. 16. Stability of a slope with several berms: a) one possible failure mechanism, b) optimization
senkrechten Neigung, die dann kontinuierlich flacher wird, bis die Neigung letztlich der des Reibungswinkels entspricht, u. a. haben viele Vulkankegel genau diese Form. (Präzisierung der hier gemachten Voraussetzungen: homogene Böschung; weitere konstruktive Eigenschaften werden außer Acht gelassen; unter Einbeziehung von zu fordernden Teilsicherheiten sind für die Umsetzung die Bemessungsgrößen der Einwirkungen und Widerstände zu verwenden). Dies kann u. a. durch ein Beispiel mit der KEM wie folgt belegt werden: Startet die Böschung vertikal, so kann die freie Standhöhe durch ΔH = λ · c · tan (45° + ϕ′/2)/γ
Bild 18. Schrittweise Entwicklung einer optimierten Böschungsgeometrie für eine Endhöhe von 6 m und eine Standsicherheit von 1 Fig. 18. Stepwise development of an optimized slope geometry for a final height of 6 m and safety factor of 1
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berechnet werden, wobei der Wert für λ, je nach Nachweisverfahren zwischen 2 und 4 liegt. Pastor [23] weist nach, dass der korrekte Wert zwischen 3,64 und 3,83 liegen muss. Bei Annahme einer homogenen Böschung mit den Bodenparametern γ = 20 kN/m3, ϕ′ = 18,5°, c′ = 3,6 kN/m2 und λ = 4 erhält man ΔH = 1,00 m. Der Wert λ = 4 ist identisch zur KEM-Lösung mit einem Element. (Für ϕ′ = 0 und der Elementzahl 4 gemäß Bild 17 ergibt sich mit der KEM der genauere Wert λ = 3,805). Man kann nun in mehreren Stufen mit jeweils um ΔH zunehmender Böschungshöhe gemäß Bild 18 den immer flacher werdenden Polygonzug einer geknickten Böschung berechnen. Dabei wird die jeweils unterste Böschungsneigung zu einem maximalen Wert iteriert, und zwar derart, dass die gewünschte Sicherheit jeweils global in einer Stufe erreicht wird. Im Vergleich zu einer Böschung mit konstanter Neigung (Bild 19) ergibt sich im betrachteten Beispiel eine Materialeinsparung von ca. 31 %.
Bild 19. Optimierte Böschungsgeometrie und vergleichbare Böschung (Sicherheit 1) mit konstanter Böschungsneigung Fig. 19. Optimized slope (a) and equivalent slope (safety factor 1) with constant slope angle (b)
Das Prinzip dieser iterativen Vorgehensweise kann auch mit anderen Nachweisverfahren erfolgreich angewandt werden. Selbst die Auswertung von Böschungstabellen erreicht im Prinzip dasselbe Ziel, allerdings ist der so ermittelte Näherungspolygonzug flacher als der mit der KEM und liegt somit noch weiter auf der sicheren Seite. Auch bei nicht homogenen Böschungen lohnt es sich, ggf. darüber nachzudenken und z. B. mit der KEM zu untersuchen, ob nicht eine mehrfach geknickte Böschungsoberkante wirtschaftlicher sein könnte als eine geradlinige.
geotechnik 39 (2016), Heft 1
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