Beton- und Stahlbetonbau 9/2012

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Ch. Dauberschmidt, S. Vestner, E. von Thermann: Tiefgaragen mit unbeschichteten Stahlbeton-Bodenplatten

die lokale Unterschreitung entweder mit dem dichteren Beton „gegengerechnet“ werden, oder die Bereiche der zu geringen Betondeckung wurden sowieso beschichtet (da im Rinnenbereich oder nahe der Stützenfüße).

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Maßnahmen zur Rissvermeidung

Für den Erfolg des Konzeptes einer unbeschichteten Stahlbeton-Bodenplatte ist entscheidend, dass die Bodenplatte ungerissen ist und bleibt. Denn in Risse dringen Chloride rasch ein und können dort mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Korrosion der Bewehrung führen. Da die Ausführung einer Bodenplatte mit Vorspannung aus wirtschaftlichen, aber auch aus ausführungstechnischen Gründen verworfen wurde, bleibt letztlich nur der Weg, über Verringerung der Zwängungen zu keinem Zeitpunkt die Zugfestigkeit des Betons zu überschreiten. Dabei sind v. a. die beiden Zwangsbeanspruchungen „Abfließen der Hydratationswärme“ (früher Zwang) und „Abkühlung der Bodenplatte im Winter“ (später Zwang) zu berücksichtigen. Zur Vermeidung von Rissen werden u. a. folgende Maßnahmen ergriffen: – Abstimmung zur Geometrie der Bodenplatte im frühen Planungsgeschehen – Einsatz eines Betons mit geringer Hydratationswärmeentwicklung – Abstimmung der Geometrie der Betonierabschnitte – Einbau einer Gleitfolie unter der Bodenplatte – Abstellen der Aufzugsunterfahrten mit Polystyrol – gute und lange Nachbehandlung des Betons – Einsatz eines Betons mit geringem Temperaturausdehnungskoeffizient und moderatem E-Modul Gerade bei der Abstimmung der Geometrie der Bodenplatte ist es erforderlich, einen Fachplaner bereits in den ersten Planungsphasen miteinzubeziehen. Dort bedarf es einer engen Abstimmung mit dem Tragwerksplaner, um eine zwängungsarme Bodenplatte mit wenig Versprüngen und die Ausführung eines hinreichenden Gefälles sicherzustellen, vergleiche Bild 5. Auch durch die Anordnung von Dehnfugen können Zwängungen auf ein beherrschbares Maß reduziert werden. Weiterhin sollte die Auslegung der rissbreitenbeschränkenden Bewehrung frühzeitig im Planungsgeschehen abgestimmt werden. Da eine weitestgehende Rissfreiheit der Bodenplatte angestrebt wird, kann in Abstimmung mit dem Bauherren evtl. durch Erhöhung der zulässigen Rissbreiten die rissbreitenbeschränkende Bewehrung reduziert werden. Damit geht zum einen eine signifikante Einsparung von Bewehrungsstahl einher. Überschreitet die vorhandene Zugspannung im Beton (durch z. B. Zwang) dessen Zugfestigkeit, so entstehen zum anderen wenige, aber dafür breitere Risse. Deren Behandlung wird durch die geringere Gesamtrisslänge wirtschaftlicher. Dem stehen folgende Risiken gegenüber: bei hohen Grundwasserständen kann es bei Rissbildung zu Wassereintritt in das Bauwerk kommen – dieses Risiko kann über Analyse der Grundwasser576

Beton- und Stahlbetonbau 107 (2012), Heft 9

Bild 5

Betonage der Bodenplatte; die wenigen Zwangspunkte sind ebenso zu erkennen wie die Ausführung mit Dreifachwänden im Hintergrund Concreting the ground slab with constrained reduced construction and the erection of prefabricated hollow walls in the background

ganglinien bewertet werden. Ferner zeigen Untersuchungen, dass die Korrosionsrate bei größeren Rissbreiten tendenziell zunimmt. Da aber bei der Bewertung der Korrosionsgefahr in Rissen meist nur die Chloridbelastung herangezogen wird, entsteht durch Minimierung der rechnerischen Rissbreiten, wie in [7] empfohlen, kein wirtschaftlicher Vorteil. Die Erfahrungen aus den betreuten Bauvorhaben zeigen, dass eine rechnerische Rissbreite von wcal = 0,20 mm bis 0,25 mm für den frühen Zwang eine wirtschaftliche Bewehrungsmenge bei gleichzeitig hoher Sicherheit der Wasserundurchlässigkeit bei entstehenden Rissen auch im späten Alter liefert. Durch den Einsatz von Puzzolanen und latent-hydraulischen Bindemitteln zur Gewährleistung eines chloriddichten Betons wird gleichzeitig die Entwicklung der Hydratationswärme entscheidend verringert. Bild 6 zeigt beispielhaft die Hydratationswärmeentwicklung im Inneren der 30 cm dicken Bodenplatte sowie an deren Oberseite. Der maximale Temperaturanstieg im Inneren der Bodenplatte aus Hydratationswärme betrug nur 4,6 °C. Der maximale Temperaturgradient zwischen Bauteilinnerem und der Randzone betrug bei der Hydratation lediglich 2,0 °C. Bei diesen moderaten Temperaturerhöhungen durch die Hydratation ist nicht mit einer Rissbildung aus Abfließen der Hydratationswärme zu rechnen. Dementsprechend wurden auch keine Risse nach Ende der Nachbehandlungsmaßnahmen festgestellt. Der Temperaturausdehnungskoeffizient und der E-Modul des Betons bestimmen maßgeblich die Höhe der Zwangsspannungen bei Temperaturänderungen in verformungsbehinderten Bauteilen im späten Alter. Die verwendeten dolomitischen bzw. quarzitischen Gesteinskörnungen und die verwendeten Bindemittel führen zu einer moderaten rechnerischen Wärmedehnzahl von unter 9 · 10–6 1/K. Der E-Modul ist bei der gewählten Betonrezeptur und der eingesetzten Gesteinskörnung im Bereich der Rechenwerte der DIN 1045-1 zu erwarten.


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