Berichte DOI: 10.1002/best.201200011
Christoph Hankers Heinz-Günter Schmidt Dirk Matzdorff
Die Großmarkthalle Frankfurt a. M. Historische Konstruktion und Instandsetzung der Tonnenschalen Die denkmalgeschützte Großmarkthalle in Frankfurt am Main stellte zum Zeitpunkt der Fertigstellung im Jahre 1928 den weltweit größten stützenfrei überspannten Hallenbau aus Eisenbeton dar. Das charakteristische Tonnengewölbe der Halle besteht aus 15 nur wenige Zentimeter dicken Tonnenschalen. Realisierbar wurde der Entwurf durch das ZeissDywidag Konstruktionsprinzip in Kombination mit dem Spritzbetonverfahren. Die Großmarkthalle wird in den Neubau für die Europäische Zentralbank (EZB) integriert und infolgedessen instand gesetzt. In diesem Beitrag wird über die historische Konstruktion, das damals wie heute vorteilhafte Spritzbetonverfahren und die derzeitige Instandsetzung der Tonnenschalen berichtet.
1 Einleitung und Baubeschreibung Die Frankfurter Großmarkthalle gilt als „richtungweisender Zweckbau der klassischen Moderne“ und war in den Jahren 1925-1930 „elementarer Bestandteil eines stadtplanerischen Gesamtkonzepts zum „Neuen Bauen“ in Frankfurt“ [1]. Das Bauwerk setzte neue Maßstäbe im Hallenbau und
war mit seinem neuartigen Tragwerk, den in sogenannter Zeiss-Dywidag Bauweise errichteten Tonnenschalen, die weltweit größte stützenfrei überspannte Hallenkonstruktion aus Eisenbeton (Bild 1). Die Verkaufshalle erstreckt sich über eine Grundfläche von 220 m × 50 m und hat eine Höhe von bis zu 23,5 m. An den Enden der Halle befinden sich zwei achtgeschossige Kopfbauten, die jeweils 60 m lang, 18 m breit und 30 m hoch sind. Der westliche Kopfbau diente als Bürogebäude und der östliche als Kühlhaus. Der Lageplan in Bild 2 aus dem Jahre 1928 stellt das Areal der Großmarkthalle mit den Kopfbauten und den seitlichen, zwischenzeitlich rückgebauten Annexbauten dar. Vorgelagert befanden sich überdachte Gleisanlagen und ein weiterer Hallenbau, der von den Ladestraßen „Nord“ und „Süd“ eingerahmt wurde.
2 Historischer Entwurf und Konstruktion Der Entwurf der Großmarkthalle stammt von Martin Elsaesser, der von 1925 bis 1932 Stadtbaudirektor in Frankfurt gewesen ist. Die Kon-
struktion und Berechnung wurde von der Dyckerhoff & Widmann AG durchgeführt. Als bedeutende Ingenieure der Entwicklung des Tonnenschalentragwerks sind hierbei vor allem Franz Dischinger und Ulrich Finsterwalder zu nennen [4]. Ausgeschrieben war der Bau als Stahl-, Holz- oder Eisenbetonkonstruktion, wobei sich die kostengünstigere und effizientere Eisenbetonkonstruktion durchgesetzt hat. Hallenlängsschnitt und Ansicht sind in Bild 3 dargestellt. Vor Baubeginn wurden die theoretischen Überlegungen zu dem neuartigen Tragwerk anhand eines Modells überprüft. Im Maßstab 1:3 wurde eine Tonnenschale auf dem Gelände der Frankfurter Großmarkthalle erbaut und belastet. Anhand der Testresultate konnte festgestellt werden, dass „… der Gesamteindruck des Verhaltens der Probetonne […] während des gesamten Verlaufes der Belastungsversuche ein ganz vorzüglicher war“ [5]. Bild 4 zeigt eine Draufsicht auf die Tonnenschalen. Das Hallendach setzt sich aus drei Abschnitten à fünf Tonnenschalen zusammen, die jeweils eine Spannweite von 14,10 m mal 36,90 m haben. Durch eine
Bild 1. Nordansicht der Großmarkthalle; links: Aufnahme aus dem Jahr 1928 [2]; rechts: Aufnahme vor dem Umbau
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© 2012 Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Beton- und Stahlbetonbau 107 (2012), Heft 6