Beton- und Stahlbetonbau 6/12

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H. Sadegh-Azar/H.-G. Hartmann/P. Wörndle · Sicherheitsreserven und Konservativitäten in der normgerechten Erdbebenauslegung von Stahlbetonbauwerken

4.3 Sicherheitsreserven durch Abstrahlungsdämpfung im Baugrund (Impedanzen) Ein Bauwerk auf nachgiebiger Gründung wird durch Erdbeben zu Schwingungen angeregt, wobei wiederum Wellen im umgebenden Baugrund erzeugt werden, die das seismische Wellenfeld überlagern. Die durch die Anregung des Bauwerks eingetragene Energie wird auf diese Weise zum großen Teil wieder in die Umgebung abgestrahlt. Dieser Vorgang wird als träge Wechselwirkung bezeichnet und kann in Form einer Impedanzfunktion (vergleiche Bild 3) bzw. der Abstrahlungsdämpfung dargestellt werden. Die Bedeutung dieses Effekts ist vom Bauwerkstyp abhängig und tritt deutlich ausgeprägt bei massigen oder steifen Gebäuden auf, z. B. bei dem steifen Referenzgebäude gemäß Bild 7. Bei einem flexiblen Rahmentragwerk (vergleiche auch flexibles Referenzgebäude gemäß Bild 12) liegen demgegenüber die eigentlichen Reserven in der plastischen Verformbarkeit der Betonquerschnitte, vergleiche Abschn. 4.4. Das steife Referenzgebäude ist etwa 5,5 m tief im Baugrund eingebettet. Hinsichtlich der Gründungssteifigkeit ist die Einbettung jedoch nur eingeschränkt ansetzbar, da Verfüllung und Verdichtung des ehemaligen Ar-

beitsraums in der Regel unkontrolliert erfolgen. Man muss bei Erdbeben mit Sackungen bzw. Spaltbildung zwischen Boden und Kellerwand rechnen. In dynamischen Berechnungen der Abstrahlungsdämpfung wird der Einfluss der Einbettung daher üblicherweise ganz vernachlässigt. Die Einbettung kann jedoch einen signifikanten Einfluss auf die Gründungssteifigkeit und vor allem auf die Dämpfung haben. Im vorliegenden Beispiel soll die Einbettung bis zur halben Tiefe berücksichtigt werden. Es werden in Bild 10 die frequenzabhängigen Impedanzfunktionen (d. h. globale dynamische Steifigkeiten) der als starr idealisierten Gründung mit und ohne Einbettung verglichen. Die Bilder zeigen Real- und Imaginärteil der Impedanzen für Horizontal- und Kippbewegung der Gründung. Die Einbettung erhöht die Horizontalsteifigkeit der Gründung um etwa 25 % und die Kippsteifigkeit um 60 %. Es ist zu berücksichtigen, dass die Vergrößerungsfaktoren mit ihrer Quadratwurzel in die Resonanzfrequenzen des Bauwerks eingehen. Der Vergleich der Impedanzfunktionen zeigt, dass die ohnehin große Abstrahlungsdämpfung durch die größere Kontaktfläche mit dem Baugrund weiter deutlich ansteigt. In Bild 11 ist die frequenzabhängige

Bild 10. Impedanzen der Gründung (horizontal und Kippen) mit und ohne Einbettung (Real- und Imaginärteile) Fig. 10. Impedances of foundation (horizontal and rocking) with and without embedment (Real and imaginary parts)

Bild 11. Dämpfung in der Gründung für Horizontal- und Kippbewegung Fig. 11. Damping of foundation for horizontal and rocking motion

Beton- und Stahlbetonbau 107 (2012), Heft 6

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