Beton- und Stahlbetonbau 6/12

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H. Sadegh-Azar/H.-G. Hartmann/P. Wörndle · Sicherheitsreserven und Konservativitäten in der normgerechten Erdbebenauslegung von Stahlbetonbauwerken

Bild 3. 3-Schritt-Verfahren bei seismischer Boden-Bauwerk-Wechselwirkung Fig. 3. 3-step method for analysis of seismic soil–structure–interaction

In der Dekonvolution werden mögliche Streuungen der Bodeneigenschaften berücksichtigt. Die resultierenden Ergebnisse werden in der Regel konservativ eingehüllt.

3.2 Boden-Bauwerk-Wechselwirkung Der Vorgang c) Immission und die Bauwerksanalyse sind der eigentliche Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Unter Berücksichtigung der Boden-Bauwerk-Wechselwirkung kann dieses Problem mit einem Gesamtmodell oder in einem 3-Schritt-Verfahren nach Bild 3 berechnet werden: 1. Teilproblem: Kinematische Wechselwirkung Schritt 1: Ermittlung der Bewegung des masselos gedachten Bauwerks, eingebettet im Baugrund 2. Teilproblem: Träge Wechselwirkung Schritt 2 : Ermittlung der Steifigkeit der Gründung und der Energieabstrahlung im Boden (Impedanz der Gründung) Schritt 3: Dynamische Berechnung des Bauwerksmodells auf den Impedanzen und angeregt durch die in Schritt 1 ermittelte Fundamentbewegung Die dynamische Berechnung der Boden-Bauwerk-Wechselwirkung wird im Allgemeinen im Frequenzbereich ausgeführt, um die frequenzabhängige Abstrahlungsdämpfung bestmöglich zu erfassen. In der Praxis werden die beiden Teilprobleme jedoch meist vereinfacht behandelt. Bei der kinematischen Wechselwirkung wird vorausgesetzt, dass das Fundament des masselos angenommenen Bauwerks das Wellenfeld nicht beeinflusst. Es kann dann einfach das Freifeldspektrum als seismische Anregung verwendet werden. Bei der trägen Wechselwirkung werden in der Regel die Abstrahlungsdämpfung und häufig die Nachgiebigkeit der Gründung vernachlässigt, d. h. das Bauwerk wird als starr im Boden eingespannt betrachtet. Letzteres ist zulässig, wenn die Baustruktur im Vergleich zur Grün-

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Beton- und Stahlbetonbau 107 (2012), Heft 6

dungssteifigkeit weich ist oder wenn die maßgeblichen Eigenfrequenzen in den Bereich hoher spektraler Erdbebenanregung (Plateaubereich des Spektrums) fallen. Die Berechnung der Gründungssteifigkeit in der dynamischen Boden-Bauwerk-Wechselwirkung ist nur im einfachen Fall des homogenen elastischen Halbraums analytisch möglich. Lösungen für verschiedene Gründungsformen liegen als Ergebnis von numerischen Berechnungen in tabellarischer Form vor, vergleiche z. B. [2]. Für den in der Praxis üblichen geschichteten Baugrund sind diese Lösungen jedoch häufig zu ungenau. Bei Pfahlgründungen sind weitere Effekte zu beachten, vergleiche z. B. [4]. Für einen geschichteten oder unregelmäßigen Baugrund und Gründungen beliebiger Geometrie werden u. a. die Finite-Element (FEM) oder die Rand-Element-Methode (BEM) verwendet. Die marktüblichen Finite-ElementProgramme sind für diesen Zweck nur bedingt geeignet, da Störungen durch Reflexionen an den künstlichen Modellberandungen vermieden werden müssen. Prinzipiell kann dies durch ein entsprechend großes Modell oder durch am Rand angebrachte Dämpfungselemente erreicht werden. In der Praxis ergibt die erste Methode sehr aufwendige und schlecht handhabbare Berechnungsmodelle; die zweite Methode stößt auf Probleme, da die anzusetzenden Dämpfer vom Einfallswinkel der Wellen, ihrem Typ und ihrer Frequenz abhängig sind. Generell ist die Berechnung im Frequenzbereich vorteilhaft, da die physikalischen Beziehungen eine wesentlich einfachere Form annehmen als im Zeitbereich. In der vorliegenden Untersuchung wird die sogenannte Methode der dünnen Schichten (Thin Layer Method) angewendet.

3.3 Analyse von Bauwerk, Bauteilen und Komponenten Mit den in der Praxis vorrangig angewandten Methoden zur Erdbebenüberprüfung und -bemessung wird mit Beschleunigungsantwortspektren und damit mit Kräften ge-


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