Die Fügung mittels Universalkeilzinkenstoß (siehe auch [1]) erreicht bei Einsatz eines Zwischenstücks zwar hohe Tragfähigkeiten für negative Biegemomente, kann aber ohne zusätzliche Verstärkungsmaßnahmen nur sehr geringe positive Momente übertragen. Die Herstellung auf der Baustelle ist nur mit erhöhtem Aufwand möglich, da zum Verleimen sowohl kontrollierte klimatische Bedingungen sichergestellt werden müssen als auch leistungsfähige mobile Pressen zum Aufbringen des benötigten Anpressdrucks erforderlich sind. Die Herstellung im Werk ist aufgrund der Transportabmessungen nur für kleinere Rahmentragwerke möglich. Der Anschluss mit einem oder mehreren Stabdübelkreisen ist für positive wie negative Momentenbelastung gleich gut tragfähig und zur Baustellenmontage geeignet. Allerdings bedingt dieser Anschlusstyp eine Ausführung als Zangenkonstruktion. Da Stiel und Riegel orthogonal zueinander stehen, führt das unterschiedliche Quell- und Schwindverhalten des Holzes längs und quer zur Faserrichtung besonders bei hohen Querschnitten und wechselnder Holzfeuchte zu Zwängungen, die die Tragfähigkeit der Verbindung reduzieren und zusätzliche Verstärkungen zur Vermeidung von Spaltversagen erfordern. Es wurden daher im Laufe der Zeit immer wieder neue Verbindungen für biegesteife Rahmenecken entwickelt, die eine höhere Tragfähigkeit und eine einfache Montage ermöglichen sollten. Dabei kamen meist stählerne Verbindungskonstruktionen zum Einsatz, die einen stahlbaumäßigen geschraubten oder geschweißten Anschluss erlauben und über eingeschlitzte Bleche oder eingeklebte Gewindestangen im Holz verankert sind. Beispiele sind unter anderem in [2, 3 und 4] dargestellt. Obwohl diese Verbindungen sehr leistungsfähig sind, ist ein deutlicher Mehraufwand für die Herstellung der Stahleinbauteile und ihre Verankerung im Holzquerschnitt erforderlich. Bei frei liegenden Stahlverbindungen besitzen die Rahmenecken meist keinen Feuerwiderstand, sodass bei Brandbeanspruchung zusätzliche Schutzmaßnahmen erforderlich sind. Am Lehrstuhl für Tragkonstruktionen der RWTH Aachen (Trako) wurden im Rahmen mehrerer Forschungsprojekte biegesteife Rahmenecken entwickelt, die mit selbstbohrenden Vollgewindeschrauben (VGS) gefügt werden können. Die seit 2006 in Kooperation mit dem Institut für Bauforschung Aachen (ibac) und mit Unterstützung der Firma SPAX® International GmbH durchgeführten Projekte zur Verstärkung und Fügung von Brettschichtholzbauteilen basieren auf dem Konzept, selbstbohrende Vollgewindeschrauben nach Art einer Bewehrung im Holz einzusetzen. Die Nutzung der Vollgewindeschrauben als Bewehrungselemente wird durch ihre besonderen Eigenschaften ermöglicht: Das über die gesamte Schraubenlänge durchgehende Gewinde gewährleistet einen kontinuierlichen Verbund mit dem Holz, bei großen verfügbaren Längen bis 1 500 mm. Durch eine Vergütung im Herstellungsprozess werden hohe Stahlfestigkeiten um 1 000 N/mm2 erreicht,
die auch bei kleinen Kernquerschnitten die Übertragung großer Zugkräfte ermöglichen (siehe auch [5, 6, 7]). Darüber hinaus kann durch die spezielle Bohrspitze die Verarbeitung auch bei größeren Durchmessern bis 14 mm ohne Vorbohren erfolgen. Die Schrauben können durch ihre gegenüber dem umgebenden Holz höhere Festigkeit und Steifigkeit vergleichbar einer Bewehrung im Stahlbetonbau zur Übertragung von inneren Kräften im Holzquerschnitt eingesetzt werden. Abweichend vom Stahlbetonbau ergeben sich aufgrund der Anisotropie des natürlichen Werkstoffs Holz jedoch bevorzugte Richtungen zur Anordnung der Bewehrung. Während das Holz parallel zur Faserrichtung eine hohe Zug- und Druckfestigkeit sowie Längssteifigkeit besitzt, wird orthogonal zur Faser nur ein Bruchteil dieser Werte erreicht. Die Vollgewindeschrauben dienen also vor allem zur Verstärkung und Versteifung der Holzquerschnitte bei Querzug-, Querdruck- und Schubbeanspruchung. Bei Bauteilanschlüssen übertragen die Schrauben vorzugsweise axiale Zug- oder Druckkräfte zur Ausnutzung der hohen Stahlfestigkeit, während eine Querbelastung durch den geringen Kernquerschnitt weniger günstig ist. Die geometrische Anordnung und Dimensionierung der Schrauben im Verstärkungsdetail oder Anschlusspunkt kann, auch hier in Anlehnung an den Stahlbetonbau, mithilfe von Stabwerkmodellen erfolgen. Dabei wird der Kraftfluss im Bauteil oder in der Verbindung über ein Stabwerk modelliert. Die einzelnen Stabkräfte werden dann entweder dem Holzquerschnitt oder den als Bewehrung eingebrachten Vollgewindeschrauben zugewiesen. Der innere Kraftfluss kann dabei durch eine gegenüber dem Holz entsprechend steife Schraubenbewehrung auch gezielt kanalisiert und beeinflusst werden.
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Mit Vollgewindeschrauben gefügte biegesteife Rahmenecken im Kurzzeitversuch
Zur Fügung von biegesteifen Rahmenecken mit selbstbohrenden Vollgewindeschrauben wurden am Lehrstuhl für Tragkonstruktionen seit 2006 drei Forschungsprojekte mit Unterstützung der SPAX® International GmbH durchgeführt. In den ersten beiden Projekten, ‚MSB 1’ [8] und ‚MSB 2’ [9], wurden stumpf auf Gehrung gestoßene Rahmenecken mit unterschiedlichen Bewehrungskonfigurationen für positives und negatives Biegemoment entwickelt und im Kurzzeitversuch die Tragfähigkeit ermittelt. Die Schraubenanordnungen basierten prinzipiell auf den in Bild 1 dargestellten Stabwerkmodellen. Im ersten Projekt (‚MSB 1’) wurde für positives wie für negatives Biegemoment eine ähnliche Konfiguration mit jeweils umgekehrtem Vorzeichen der Stabkräfte genutzt. An der Innenecke übertrugen vorgebohrte Gewindestangen mit Normgewinde nach DIN 7998 (1975-02) und 16 mm Durchmesser die diagonalen Zugbzw. Druckkräfte, während an der Außenecke die Kraftübertragung durch gekreuzte Vollgewindeschrauben mit 8 mm Durchmesser erfolgte (Bild 1, links und rechts). Bei positiver Momentenbelastung waren darüber hinaus gehrungsparallele Schrauben zur Aufnahme der QuerBautechnik 91 (2014), Heft 1
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C. Koj, M. Trautz: Self-tapping screws as connectors and reinforcements – long-term tests on rigid frame corners in exterior climatic conditions