K. Gertis/A. Holm · Zur Messung der Wärmeleitfähigkeit feuchter Stoffe
der Messung vorbehandelt und besitzt – bei Lagerung im Labor – im allgemeinen eine Ausgangstemperatur von 20 °C und eine definierte Feuchte. Der Aufbau des Temperaturfeldes in der Messapparatur erfolgt meist sehr viel rascher als derjenige des Feuchtefeldes, weil die Feuchtetransportvorgänge langsamer ablaufen als die thermischen Prozesse. Beide Transporte – der thermische und der hy grische – streben einem stationären Endzustand entgegen, der theoretisch nach unendlich langer Zeit erreicht wird. Eine Wärmeleitfähigkeitsmessung kann in der Praxis aber nicht „ewig“ dauern, sondern muss innerhalb eines handhabbaren Zeitraums beendet sein bzw. abgebrochen werden. In den Normen werden hierfür Abbruchkriterien bei Erreichen von 99 % bzw. 99,9 % des (theoretisch nach unendlich langer Zeit) auftretenden Endwertes λ∞ genannt, was einer Abweichung von 1 % bzw. 1 ‰ entspricht. Da der thermische Einschwingvorgang immer schneller abläuft als der hygrische, ist in der vorliegenden Arbeit für das Ende der Nachrechnung des Messvorganges das hygrische Abbruchkriterium bestimmend. Der thermische Endwert des trockenen Stoffes λ∞,tr ist zudem bekannt, weil hierfür nach Voraussetzung λtr angenommen worden ist. Am Beispiel Porenbeton bedeutet dies: trockener Stoff: λtr,∞ = λtr = 0,1 W/(mK) feuchter Stoff: λf,∞ zunächst unbekannt; wird mit WUFI ermittelt. Man könnte unterstellen, dass die feuchte Probe nach langer Zeit austrocknen würde und λf,∞ den Trockenwert λtr,∞ annähme. Dies tritt nur dann ein, wenn die Randbedingungen bei der Messung eine Austrocknung gestatten. Möglich ist dies gemäß Bild 2 aber nur im Fall B (beidseitige Austrocknung) und – mit langsamerer Trocknungsgeschwindigkeit – in den Fällen A1 und A2 (zur jeweils offenen Seite hin). Fall C schließt eine Trocknung aus. Aber auch wenn eine Trocknung möglich ist, wird – selbst nach unendlich langer Zeit – nicht der Trockenzustand λtr erreicht, sondern nur jener Feuchte-Endwert, der dem hygroskopischen Gleichgewicht bei den vorgegebenen Randbedingungen entspricht. Das ist im –– Fall A1: 0 °C; 50 % r. F. (außen) –– Fall A2: 20 °C; 50 % r. F. (innen) –– Fall B: 0 °C (außen); 20 °C (innen), jeweils 50 % r. F. Wenn λf,∞ dem hygroskopischen Gleichgewichtszustand unter den gegebenen Randbedingungen entspricht, muss dieser Wert auch jene Wärmeleitfähigkeit verkörpern, bei der alle Feuchteverlagerungsvorgänge zur Ruhe gekommen sind. Der dann noch vorhandene Feuchteeinfluss beruht also ausschließlich auf der Anwesenheit von in Ruhe befindlichen Wassermolekülen im Porengefüge gemäß Buchstabe c) und d) in Abschnitt 3. λf,∞ stellt somit die wirkliche Wärmeleitfähigkeit eines feuchten Stoffes (ohne Verlagerung der Feuchte) dar. Wenn λf,∞ die wirkliche („wahre“) Wärmeleitfähigkeit eines feuchten Materials verkörpert, läge es nahe, den Feuchte-Einflussfaktor F = (λf – λtr)/λtr – statt auf den Trockenwert λtr – auf den Feuchte-Wert λf,∞ zu beziehen. Die Wahl der Bezugsgröße muss deshalb später noch genauer untersucht werden.
Wie in Bild 14 schematisch dargestellt, kann man davon ausgehen, dass der Feucht-Wert der Wärmeleitfähigkeit nach Erreichen eines Maximums wieder abnimmt und sich dem asymptotischen Wert λf,∞ annähert, der geringfügig oberhalb des Trocken-Wertes λtr,∞ = 0,1 W/(mK) verbleibt. Den Trocken-Wert, welcher normgemäß bei 105 °CTrocknung ermittelt worden ist, kann die Feucht-Kurve wegen der anderen End-Randbedingungen aber nicht ganz erreichen. Bild 14 beinhaltet eine schematische, nicht eine mit WUFI berechnete Darstellung. Die bisherige WUFI-Berechnung kann nämlich die Wiederabnahme des λf-Wertes nicht zutreffend beschreiben, weil hierin die Sorptionsenthalpie vernachlässigt wird (vgl. Tabelle 2, unterste Zeile). Der Einfluss der Bindungsenthalpie würde sich aber gerade bei den kurz vor dem Trockenzustand liegenden Niedrig-Feuchten stark auswirken, weil dort die Bindungsenergien kräftig ansteigen (vgl. Bild 5). Man muss sich ferner vergegenwärtigen, dass auch der Trockenwert der Wärmeleitfähigkeit λtr, der einer normgemäß bei 105 °C getrockneten Probe zugeordnet wird, nur dann dem wirklichen Trockenzustand entspricht, wenn im Trocknungsschrank eine relative Luftfeuchte von 0 % vorgehalten wird. Dies geht aus Bild 15 hervor, in dem die bei verschiedenen Temperaturen gemessenen Sorptionsisothermen eingezeichnet sind. Man erkennt, dass der Feuchtegehalt umso kleiner wird, je höher die Temperaturen sind. Dies bedeutet, dass das Material umso stärker austrocknet, je höher die Trocknungstemperatur gewählt wird. Aber selbst bei 105 °C sind – je nach der Feuchte der Umgebungsluft – noch relativ hohe Materialfeuchten vorhanden. Die Materialtrocknung in Trocknungsöfen führt nur dann zu wirklicher Trockenheit, wenn dort getrocknete Luft mit 0 % Feuchte vorhanden ist; sonst kennzeichnet auch der per definitionem festgelegte λtr-Wert kein wirklich trockenes Material. Unter praktischen Trocknungsbedingungen dürfte dies näherungsweise zutreffen, sofern die Belüftung des Trockenschrankes bei Laborbedingungen erfolgt. Bild 15 gilt leider nicht für Porenbeton, sondern für Kartoffelstücke. Für Porenbeton oder für andere interessie-
Bild 14. Schematische Darstellung des zeitlichen Verlaufs der Wärmeleitfähigkeit während der Messung einer feuchten und einer trockenen Probe. Die hier als „trocken“ bezeichnete Probe bleibt trocken; d. h. sie ist in eine Folie eingepackt; andernfalls würde sie aus dem Kühlraum (0 °C/50 % r. F.) geringfügig Feuchte aufnehmen. Fig. 14. Time history scheme of the thermal conductivity; measurement of a humid and a dry sample with the “dry“ sample sealed in foil, otherwise it would marginally absorb moisture from the cold storage (0 °C/50 % RH)
Bauphysik 36 (2014), Heft 1
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