J. Bäumer/K.-H. Lorenz-Kierakiewitz/J. Arnold · Die Stadtkirche St. Michael zu Jena – Untersuchung zur Verbesserung der raumakustischen Qualität
Bild 6. Geglättete ETC je Oktavband für Messpfad S1-M15 (links) und S3-M14 (rechts) mit einer Energielücke in dem für die Verständlichkeit (Sprache sowie Musik) relevanten Bereich Fig. 6. Smoothed ETC per octave band for measuring path S1-M15 (left) and S3-M14 (right) showing an energy gap in a frequency range relevant for intelligibility and clarity
ten. Ausgehend von einem Maximum bei 500 Hz fällt die Nachhallzeit im unbesetzten Zustand in Richtung der tiefen Frequenzen etwas ab. Für den Zustand mit Besetzungssimulation (ca. 600 Personen) ergibt sich ein etwas gleichmäßigerer Verlauf über die Frequenzen bis zur 500-HzOktave mit zu hohen Frequenzen abnehmenden Nachhallzeitwerten. Die Auswertung der aus den Raumimpulsantwortmessungen ermittelten Energie-Zeit-Kriterien zeigt ebenfalls in Abhängigkeit der untersuchten Quellpositionen, dass die im Rahmen der Literaturrecherche ermittelten Empfehlungen für diese Kriterien nicht eingehalten werden. Die Werte der für die natürliche Sprachverständlichkeit ermittelten Indikatoren sowie der für Musik relevanten Parameter (z. B. Klarheitsmaß C80) spiegeln die seitens der Gemeinde genannten Probleme hinsichtlich der Verständlichkeit sowie des undeutlichen „mulmigen“ Klangs wider (aktuell wird die Sprachverständlichkeit in der Kirche bei Bedarf über eine neu installierte elektroakustische Beschallungsanlage hergestellt). Als eine Ursache für Verständlichkeits- und Klangprobleme konnte anhand der ausgewerteten ETC’s (Energy Time Curve) ein Fehlen früher Reflexionen ermittelt werden (s. Beispiele in Bild 6). Dieses Fehlen früher Reflexionen konnte für nahezu den gesamten für Besucher relevanten Raumbereich festgestellt werden. Die Auswertung der Raumimpulsantworten bezüglich der Reflexionsstrukturen des Raumes ergab zudem für alle gemessenen Quellpositionen subjektiv hörbare echoartige Effekte, welche ebenfalls auf fehlende frühe Reflexionen und die daraus resultierenden Energielücken zurückzuführen sind. Diese echoartigen Effekte ließen sich beim Abhören der Raumimpulsantworten erkennen, können aber beim Musikhören je nach transientem Charakter der Musik mehr oder weniger stark hörbar sein. Für Messungen mit einer unidirektionalen Schallquelle sowie für Messungen mit einer omnidirektionalen Schallquelle an der Quellposition S3 im Chor konnten zudem für einige Messpfade als subjektiv deutlich hörbar eingestufte Echoeffekte festgestellt werden (s. Bild 7). Die Ursache für einige dieser Echoeffekte ist in Reflexionen an der schallreflektierenden vertikalen Wand des unter der
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Bauphysik 39 (2017), Heft 1
Bild 7. Beispiel für einen typischen Echoeffekt: ETC des Messpfades S1-M8 in Breitbanddarstellung Fig. 7. Example of a typical echo effect: ETC of measuring path S1-M8 in broad band view
Orgelempore neu eingebauten Stuhllagers begründet, welche parallel zur Querachse des Raumes verläuft (s. Bild 2).
7 Entwicklung des Rechenmodells Zur Beurteilung der Wirkung möglicher Verbesserungsmaßnahmen bezüglich der Nachhallzeit wurden in einem ersten Schritt mit Hilfe eines dreidimensionalen Computermodells (erstellt in SketchUp, Versionen 6 und 2015, s. Bild 8) das Raumvolumen und die geometrischen Flächen des Kirchenraumes ermittelt, welche mit den jeweiligen Schallabsorptionsgraden in die anschließenden statistischen Berechnungen der Nachhallzeit eingingen. Vor Durchführung dieser Berechnungen erfolgte jedoch zunächst eine Überprüfung, ob ein statistisches Rechenmodell nach der Sabine’schen Diffusfeldtheorie im vorliegenden Fall angewendet werden konnte. Die Überprüfung der Anwendbarkeit dieser Theorie erfolgte auf Basis der durchgeführten Messungen der Schallpegelabnahme mit zunehmendem Abstand von der Quelle. Der Vergleich der Messergebnisse mit dem aus der Sabine’schen Theorie abgeleiteten und von V. M. A. Peutz und J. van der