Heft 25 | Emsblick Haren (März/April 2015)

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StadtgeSpräch

Die Produktion, die in Kooperation zwischen Autor Joop Wösten und dem Filmteam Papstein aus Oldenburg entsteht, wird am 29. April 2015 um 21:00 Uhr im NDR-Fernsehen zu sehen sein.

drei besondere harener Jahre in neuem film Vor rund 70 Jahren wurde aus der beschaulichen kleinen Stadt Haren an der Ems eine polnische Exklave. Am 20. Mai 1945 erhielt der Harener Bürgermeister den Räumungsbefehl. Zwischen dem 21. und 28. Mai mussten 514 Häuser geräumt werden. Nur der Bürgermeister mit seiner Familie, der sich für die Aufrechterhaltung der deutschen Verwaltung und die in umliegenden Dörfern untergebrachten Exil-Harener kümmerte, und die Ordensschwestern im St. Franziskus-Krankenhaus durften in Haren bleiben. Die 1.000 Familien wurden den umliegenden Bauernschaften zugewiesen. Rund 5.000 polnische Bürger wurden in der Kernstadt einquartiert. Die Stadt bekam einen polnischen Bürgermeister und Stadtrat, polnische Straßennamen, Schulen, ein Kino und zwei Theater. Einen neuen Namen bekam die Stadt auch. zunächst hieß sie kurze zeit Lwów, wie Lemberg in der Ukraine. Ab dem 24. Juni 1945 gab der polnische Oberbefehlshaber General Graf Tadeusz Bor-Komorowski der Gemeinde in einer Feierstunde den Namen Maczków, zu Ehren des Kommandeurs der 1. Panzerdivision Stanisław Maczek. Dieser hatte in Schottland den Befehl über das 1. Polnische Korps übernommen. Das Leben in Maczków schien in gewisser Weise „normal“ zu werden. So wurde bald geheiratet. Allein am 12. Juni 1945 verzeichnen die Akten 82 Trauungen. In der zeit bis Sommer 1948 wurden 479 Kinder in Maczków geboren.

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– März/April 2015

Diese Ereignisse jähren sich nun zum 70. Mal. Für den Heimatverein und die Stadt Haren ist dies ein passender Anlass, sich über eine Erinnerungseinrichtung zu dieser zeit Gedanken zu machen. Wie diese Bemühungen aussehen, was an Erinnerungen in der Bevölkerung noch wach ist, welche Umstände damals herrschten, darüber dreht Joop Wösten, Journalist und selbst gebürtiger Harener, für den NDR einen 45-minütigen Dokumentarfilm. Joop Wösten und seiner Crew vom Oldenburger Filmteam Papstein begleiteten zum Beispiel Bürgermeister Honnigfort und Uli Schepers vom Heimatverein ins Sikorski-Archiv nach London. Der Emsblick fragte Joop Wösten, um was es in dem Film geht, was die Herausforderungen und die Anreize waren, diesen Film jetzt zu drehen.

Was ist der anlass und hintergrund dieses films, der am 29. april im ndr-fernsehen zu sehen sein wird? Wösten: Am 8. April 1945 hisste Schwester Kunigunde vom Harener Kirchturm herunter ein weißes Bettlaken. Dieses zeichen bedeutete zwar für Haren das Ende des Krieges, aber nicht das Ende der Betroffenheit. Denn schon zu Pfingsten 1945 begann mit dem Befehl, die Stadt zu räumen, für viele die schlimmste zeit, jedenfalls was die persönliche Betroffenheit anging. Das ist jetzt genau 70 Jahre her. Das, was damals und in den dann folgenden drei Jahren passierte, ist kaum aufgearbeitet. Das versuchen wir, in dem Film darzustellen und zu dokumentieren. Vor allem, was die Harener damals erlebten und heute erinnern. Wir haben daher versucht, die letzten zeitzeugen zu befragen, vor allem aus Haren. Der Film, den es gibt, ist 20 Jahre alt, da kommen aber in erster Linie Polen zu Wort. In Haren wurde über die Maczkowzeit lange kaum gesprochen. Ich denke aber auch, da besteht, auch aus Sicht meiner Generation, ein Bedarf, darüber mehr zu erfahren. Viele wollen wissen, was war damals. In Haren erinnert zurzeit nichts daran.


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