Elbphilharmonie Magazin – Hoffnung | 2 / 2021

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KOMPONISTENPORTRAIT Alfred Schnittke und die kreisende Zeit

ESSAY

Hoffnung ist der Wille zur Zukunft

Euro 6,50

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Thomas Hampsons »Song of America« Porgy and Bess Hamburg und der Kolonialismus Abenteuer in Afropa

2 | 2021

BLACK MUSIC MATTERS


MODERNE KULTUR IN EINZIGARTIGER GESTALT.

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HERZLICH ­W ILLKOMMEN!

L

iebe Leserin, lieber Leser,

zur Hoffnung gehören Erwartung und Glauben, Geduld und Demut. Demut, weil die eigenen Einfluss­ möglichkeiten auf den Gang der Dinge begrenzt sind. Geduld, weil Hoffnung ein Zustand ist, den man manchmal über lange Zeit aufrechterhalten muss. Glauben, weil das, woran sich Hoffnung heftet, nicht von Gewissheiten bestimmt wird. Und ohne die Erwartung, dass sie sich erfüllen möge, hätte Hoffnung keinen Sinn. »Hoffnung« lautet auch das Motto des diesjährigen Internationalen Musikfests Hamburg, das nun, zum Redaktionsschluss und nach einem kleinen Hoffnungs­ schimmer auf die baldige Wiedereröffnung der Elbphilhar­ monie, der dritten Welle des Coronavirus zum Opfer fällt. Ebenso wie einige weitere Konzerte, die Anlass und Inspiration für Themen und Reportagen in dieser Ausgabe des »Elbphilharmonie Magazins« waren – etwa Ibrahim Maalouf (Seite 66) oder das SFJAZZ Collective (Seite 60). All das wird aufgeschoben, aber sicher nicht aufgehoben. Ein Projekt, das auf jeden Fall stattfinden wird, notfalls auch ohne Publikum im Saal, ist »A Celebration of Black Music« von und mit dem US-Bariton Thomas Hampson. Es gehört zum Zyklus »Song of America«, mit dem Hampson seit Jahrzehnten musikalische Heimat­ kunde mit den Mitteln des Kunstlieds betreibt. Bei diesem

Programm rückt er von der weißen Musikgeschichts­ schreibung totgeschwiegene schwarze Komponisten aus den USA ins Licht. In diesem Magazin gewährt der Sänger Einblicke in seine archivarisch-künstlerische Arbeit, die in Zeiten der »Black Lives Matter«-Bewegung an Aktualität gewinnt (Seite 12). Welches Echo BLM, das große innenpolitische Thema der USA seit 2020, unter den Schwarzen in Europa findet, untersucht Jonathan Fischer in seinem Text über (auch kulturelle) Identitäts­ fragen der Afropäer (Seite 18). Dem seinem eigenen Verständnis nach nicht-russi­ schen Russen Alfred Schnittke, mit Hamburg eng ver­ bunden, wäre der Komponistenschwerpunkt des Musik­ fests gewidmet gewesen. Lutz Lesle würdigt den Künstler, den bis an sein Lebensende ein unerschütterlicher Schaffensmotor antrieb, in einem persönlich geprägten Portrait (Seite 38). Die Elbphilharmonie bleibt, mit einem altmodischen Wort, guter Hoffnung, ihre Gäste – Musikerinnen und Musiker sowie das Publikum – bald wieder bei sich will­ kommen heißen zu können. Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen Ihr Christoph Lieben-Seutter Generalintendant Elbphilharmonie und Laeiszhalle


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STICHWORT »HOFFNUNG«

Es gibt nichts, wozu die Musik nichts zu sagen hätte. VON CLEMENS MATUSCHEK

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E LĪ N A GA R A N Č A

WAS SIE NOCH SAGEN WILL

Die Mezzosopranistin beschreitet neue musikalische Wege. VON SIMON CHLOSTA

I D E N T I TÄT

64 E N G AG E M E N T

WIR SIND FANS VON CLAUDIA SCHILLER

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ABENTEUER IN AFROPA

Schwarze Europäer haben eine eigene kulturelle Perspektive.

W E LT M U S I K

DER MIT DER TROMPETE SINGT

VON JONATHAN FISCHER

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Ibrahim Maalouf verneigt sich vor der größten Sängerin der arabischen Welt. VON STEFAN FRANZEN

G LO S S E

HOFFMA’!

Große, edle Gefühle sind das Schmiermittel unseres Alltags. VON TILL RAETHER

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U M G E H Ö RT

KULTUR–KOLONIALISMUS

Wie geht man heute mit Gershwins »Porgy and Bess« um? VON JULIKA VON WERDER, JULIANE WEIGEL-KRÄMER

30 FOTO S T R E C K E

LICHTBLICKE VON JEWGENI ROPPEL

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ALFRED SCHNITTKE

A LT E M U S I K

IM ANFANG WAR DAS GEWÜRZ

70 M I TA R B E I T E R

RÜCKWÄRTSFAHREN LEICHT GEMACHT

Konzerte stornieren, Geld erstatten: Seit Corona musste der Vertrieb der Elbphilharmonie auch das lernen. VON FRÄNZ KREMER

Das Ensemble Sete Lágrimas folgt Magellans erster Weltumseglung. VON REGINE MÜLLER

54 E I N G E H Ö RT

STERNE, SPUK UND GEISTER

Robert Schumanns späte ­ Chor- und Orchesterwerke VON ALBRECHT SELGE

74 R E P O RTAG E

ZWEIMAL EINFACH ÜBER DEN ATLANTIK

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DER MEISTER DER KREISENDEN ZEIT

JAZZ

Ein Portrait des russisch-deutschjüdischen Komponisten

Das SFJAZZ Collective nimmt sich des Songbooks von Joni Mitchell an.

VON LUTZ LESLE

VON TOM R. SCHULZ

DAS BLAU IM REGENBOGEN

Der Urgroßvater wanderte von Hamburg nach Amerika aus, der Urenkel kehrte zurück. Geplant war beides nicht. VON STEPHAN BARTELS

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­FÖRDERER UND ­SPONSOREN

­IMPRESSUM


12 INTERVIEW

»UND ICH MEINE: ALLE MENSCHEN«

Der Bariton Thomas Hampson im Gespräch über »A Celebration of Black Music« VON BJØRN WOLL

22 S TA DTG E S C H I C H T E

GOLDENE FEHLGRIFFE

Hamburgs Reichtum basiert auf seiner kolonialen Vergangenheit. VON TILL BRIEGLEB

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HOFFNUNG IST DER WILLE ZUR ZUKUNFT

Über die Sehnsucht nach einer Kommunikation ohne Hindernisse VON HERIBERT PRANTL


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E s s ay

HOFFNUNG IST DER WILLE ZUR ZUKUNFT

Aufatmen, frei heraus reden: Über die Sehnsucht nach einer Kommunikation ohne Hindernisse. VON HERIBERT PRANTL FOTOS NAOHIRO MAEDA


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­W

elche Kraft hat die Hoffnung? Darf, kann, muss man Hoffnung haben, um wieder Zukunft zu gewinnen? Man kann die eigene Hoffnungslosigkeit so finster beschreiben, dass die Zukunft vor einem davonläuft. Man kann die Leiden der Zeit in allen Facetten schildern und die Indizien des drohenden Untergangs ausmalen. »Greueln« nannte einst der deutsch-britische Journalist Sebastian Haffner solches Schwelgen in den Furchtbarkeiten der Zeit; er beschrieb es als masochistischen und moralischen Selbstmord. Das Greueln fällt nicht besonders schwer in Zeiten, in denen Corona die Gesellschaften beherrscht und verängstigt. In denen radikal-populistische Autokra­ ten an der Spitze von Staaten stehen. In denen das Gefühl existenzieller Unsicherheit an die Stelle des Fortschritts­ glaubens der Aufklärung tritt. Es ist bitter, wenn das Wort »Zukunft« vom Frohwort zum Drohwort wird. Es gibt keine Zukunft, von der man sagen könnte, dass es sie einfach gibt, dass sie einfach auf uns und über uns kommt. Zukunft ist nichts Festgefügtes, nichts Feststehendes, sie kommt nicht einfach: Es gibt nur eine Zukunft, die sich jeden Augenblick formt – je nach­ dem, welchen Weg ein Mensch, eine Gesellschaft wählt, welche Entscheidungen die Menschen treffen. Das gilt auch in Corona-Zeiten. Daran sollte man denken, wenn die nächste düstere Prognose einem den Mut rauben will. Die Zukunft ist nicht geformt, sie wird geformt – auch von den Maßnahmen, mit denen man auf die Pandemie reagiert. Die Frage ist nicht, welche Zukunft man hat oder erduldet; die Frage ist, welche Zukunft man – auch in katastrophischen Zeiten – haben will und wie man darauf hinlebt und hinarbeitet. DIE HOFFNUNG UND IHRE SCHWESTER

Hoffnung hilft, die Dinge nicht nur zu ertragen, sondern zu tragen, auch die eigentlich unerträglichen. Und wenn man nicht mehr hoffen kann? Was ist, wenn der Hoffnung der Atem ausgeht? Zwar ist Hoffnung etwas Tätiges, aber sie ist keine Sportart, die man trainieren kann. Dann ist man darauf angewiesen, dass Andere für einen hoffen. Und man kann sich anstecken lassen von der Hoffnung Anderer. Die Schwester der Hoffnung ist die Geduld. Geduld ist nichts Passives, sie ist weit davon entfernt, alles zu dulden. Die Geduld gibt die Erwartung nicht auf. Sie ist kein Aufgeben, sondern ein Festhalten. Der Geduldige hält die Erwartungen fest und die Hoffnung hoch. Der Wert der Hoffnung misst sich nicht daran, wie realistisch sie ist, und auch nicht daran, ob sie am Ende von Erfolg gekrönt ist. Nelson Mandela hielt die Hoffnung auf ein anderes Südafrika durch, obwohl wenig dafür sprach in all den Jahren, die er im Gefängnis saß, in denen er alt und älter wurde. Mandela hat Recht behalten mit seiner Hoffnung. Was wäre, wenn er nicht Recht behalten hätte? Wäre er zuschanden geworden an seiner Hoffnung? Hätte er sich am Ende seines Lebens schämen müssen ›


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für die Hoffnung, weil sie eine Illusion war? Gewiss nicht. Hoffnung hält aufrecht, Hoffnung stärkt und kräftigt, auch in bitterster Zeit, auch in der Corona-Zeit. Das Virus nimmt denen, die es überfällt, den Atem. Aber auch der Schutz vor dem Virus beeinträchtigt das Atemholen. Der kollektive Ausdruck ist die Atemmaske, ein Stück Stoff, das das Atmen mühsam macht, das Reden erschwert, die Mimik verdeckt, die Verständigung behin­ dert, und, so beklagen Geschäftsleute und Gastwirte, den Leuten die Lust aufs Ausgehen nimmt. Der Mund­ schutz ist textile Infektionsverhinderung, sein Subtext ist Kommunikationsbehinderung. Er steht nicht nur für mitmenschliche Verantwortung, er steht auch für nicht gelingende Kommunikation in der alltäglichen Begeg­ nung, in der gesellschaftlichen Diskussion, in der Politik und zwischen den Wissenschaften. Die Atemmaske zu tragen, ist Routine geworden, aber nicht zur geliebten. Je länger man sie tragen muss, desto größer der Wunsch nach einem Aufatmen, nach Überwindung der Kom­ munikationsblockaden. Die Sehnsucht nach einem Aufatmen ist gewaltig groß. »I can’t breathe«, skandierten die Menschen, die nach der Tötung von George Floyd auf die Straßen strömten und protestierten. »Ich kann nicht atmen!« Dieser Ausruf hat viele Menschen wohl auch deshalb besonders berührt, weil er mehr ausdrückte als das, was er in dem Moment sagte. Sie haben das Gefühl, manch­ mal keine Luft mehr zu bekommen unter der Glocke von Gewalt, Angst und Corona. Die Gesellschaft braucht in und nach der Pandemie mehr als Gesundheit. Sie braucht Heilung. EIN LIEBENSWÜRDIG-VERLEGENER WUNSCH

»Bleiben Sie gesund!« – dieser kleine Satz ist zur coronaren Verabschiedungsformel geworden. Es ist eine liebens­ würdig-verlegene, eine zuversichtliche Formel in zermür­ bender Zeit, ein guter und frommer Wunsch. Manchmal klingt der Satz nach so vielen Monaten der Pandemie schon arg routiniert, manchmal blitzt darin aber Opti­ mismus auf. Bleiben Sie gesund: Die Hoffnung, dass die Impfungen möglichst bald Wirkung zeigen, steckt auch darin, vielleicht auch die Hoffnung, dass in der NachCorona-Zeit nicht Alles, aber doch vieles wieder so sein wird wie vorher. Manchmal klingt der Satz freilich auch imperativ. Dann steht dahinter ein großes Ausrufezeichen, dann klingt der Wunsch nach Befehl und Beschwörung. Im Augenblick steht die Menschheit da und versteht einander und die Welt nicht mehr. Das Chaos, das die Pandemie geschaffen hat, ist global und beängstigend. Es ist nicht ganz klar, ob die Ungleichheiten und Spaltun­ gen in den Gesellschaften und zwischen den Nationen zunehmen, oder ob die bestehenden Ungleichheiten und Spannungen nur stärker ans Licht kommen. Corona ist wie eine gewaltige globale Sturmflut. Wenn die Wellen heranrollen, vergehen einem Hören und Sehen unter ihrer Gewalt. Wenn die Wellen abflauen, sieht man den Dreck am Ufer liegen, den man sonst nicht sieht, wenn man aufs

blaue Meer blickt, von dem man aber weiß, dass er darin schwimmt. Die Menschheit steht ängstlich und verwirrt da, und es gibt keinen Reset-Knopf. Die alten Krisen werden nicht bewältigt sein, wenn Corona bewältigt ist. Die Gewalt der Corona-Wellen besteht auch darin, dass sie lebens- und überlebenswichtige immaterielle Güter fortspülen, nämlich das Vertrauen und die Hoffnung. Müdigkeit, Pessimismus und Verzweiflung grassieren. Optimismus ist gefragt, also die Fähigkeit, das Beste zu hoffen. Diese Feststellung ist weit entfernt von Ge­ fühligkeit, sie ist Teil dessen, was Sache ist. Optimismus ist die Bedingung für die Möglichkeit von Politik. Damit meine ich nicht jenen falschen Zweckoptimismus, der das Elend elegant überspringt; ein solcher Sprung bringt Enttäuschung und vermehrt die Aggression der Ent­ täuschten. Corona hat Konflikte an die Oberfläche gebracht, sie sichtbar gemacht, pointiert und verschärft. Das ist die Härte des Virus, das ist aber auch sein Ver­ dienst, sofern das Managermantra gilt, dass man in jeder Krise die Chance sehen soll. ›


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­ ptimismus ist gefragt, O ­also die Fähigkeit, ­das Beste zu hoffen. ­Diese Feststellung ist weit entfernt von ­Gefühligkeit.


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WO DIE KULTUR HELFEN KANN

Corona hat Konflikte verschärft. Die Frage nach dem Stellenwert des Rechts auf Leben – sie war schon durch das Sterben der Flüchtlinge im Mittelmeer drängend. Die Fragen nach der Notwendigkeit massiver staatlicher Eingriffe und nach der Rolle des Parlaments dabei – sie waren schon in der Bankenkrise drängend, und sie werden es erst recht in der Klimakrise sein. Die Frage nach der Sammlung und der Nutzung von Daten – sie war schon nach den Enthüllungen von Edward Snowden drängend. So kann man die Fragen weiter aufzählen, und es ist mühsam, furchtbar mühsam, Antworten zu finden. Aber eines ist durch Corona auch deutlich gewor­ den: Welche Antworten auch immer gesucht und gefunden werden, das Suchen und Finden darf kein autoritäres werden, es muss ein demokratisches Suchen und Finden bleiben beziehungsweise werden. Es muss mit dem Wissen einhergehen, dass es immer eine Vielheit von Stimmen und Alternativen, dass es den mühsamen Weg des Hörens, Verstehens und Aushandelns gibt – der nicht dadurch ersetzt werden kann, dass man sich auf »das Volk« oder »die Wissenschaft« beruft, auf »die Vernunft«, auf »die Gesundheit« oder auf »die Alternativlosigkeit«. Im Streit über Corona-Bonds und die Finanzhilfen für Südeuropa, in der Konkurrenz beim Erwerb von Schutzausrüstung, in der Debatte über die Anschaffung und Verteilung des Impfstoffs brechen Traumata auf, die durch eine jahrzehntelange Politik der vermeintlichen Alternativlosigkeit verursacht wurden. Nicht nur die Bekämpfung des Virus ist das Ziel. Auch der Weg dahin ist das Ziel, nämlich dabei die Gesundheit der Demokratie und den gesellschaftlichen Ausgleich zu bewahren. Gesundheit darf man nicht auf die eigene Körper­ lichkeit reduzieren. Dazu gehört auch die Gesundheit der Gesellschaft. Zur Gesundheit, zum Wohlbefinden gehört die Kultur, gehören die Musik, der Film, das Theater. Sie gehören schon deswegen dazu, weil sie Trost und Kraft geben können in der Krankheit; weil sie die Fähigkeit haben, zu heilen. Ein Lockdown der Kultur macht eine Gesellschaft nicht gesund, sondern krank. Der Lockdown der Kultur in Pandemiezeiten ist nicht alternativlos. Hygiene- und Abstandsregeln fügen sich ein in die Kultur. Und wenn und weil das so ist, können die Kultur und das Suchen und Ringen, das ihr innewohnt, dabei helfen, den richtigen Weg aus der Krise zu finden. KEIN ESOTERISCHER SINN, KEINE HÖHERE WEIHE

»Bleiben Sie gesund!« – Was ist eigentlich Gesundheit? Der Wunsch wird einem ja entboten und hinterher­ gerufen, egal ob man kerngesund ist, an Diabetes, Depres­ sion, Bandscheibenvorfall leidet oder gerade in der Chemotherapie steckt. Als bestünde Gesundheit schon darin, frei vom Virus zu sein. Ist Gesundheit die Abwesen­ heit von Krankheit? Oder die Immunität gegen sie? So ein aseptisches Verständnis von Gesundheit kann krank machen, es kann das Leiden derer vergrößern, die nicht geheilt werden können. Gesund ist es, auch mit einer

In der Serie »Passages« (2018) erforscht der japanische Fotograf NAOHIRO MAEDA den Prozess der Trauer, dokumentiert dabei aber nicht nur die Tiefen der Melancholie, sondern auch das Streben nach Leichtigkeit und Ruhe. Die in immer gleichen Proportionen foto­grafierten Horizonte werden für ihn zu imaginären Orten des Trostes.


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Die Kultur und das Suchen und Ringen, das ihr innewohnt, können dabei helfen, den richtigen Weg aus der Krise zu finden.

Krankheit leben zu können, eventuell sogar aus ihr Kraft zur Lebensveränderung zu gewinnen. Das meine ich nicht als wohlfeilen Ratgeberspruch. Das bedeutet nicht, dass man dem Virus, der Krebs­ zelle oder dem Unfall einen esoterischen Sinn oder eine höhere Weihe verleiht. Virus, Krebs oder Unfall sind an sich keine Chance, sie sind kein hintersinniger Fingerzeig und keine moralische Aufgabe. Eine Krankheit beeinträch­ tigt das Leben, eine tödliche Krankheit setzt dem Leben ein Ende. Schmerzen tun weh und machen keinen Helden oder besseren Menschen aus dem Geplagten. Aber es ist eine Illusion, Krankheit und Schmerzen und Viren völlig entkommen, sie völlig verschwinden lassen zu können. Es geht auch darum, sie ins Leben zu integrieren, ins persönliche und in das gesellschaftliche. Zu ihrer Bewältigung ist mehr notwendig, als sie mit Medikamenten und Impfungen zu bekämpfen. Das Ringen um Heilung und Überleben ist dringend geboten; die Suche nach den richtigen Wegen dahin ist unabding­ bar. Notwendig im Sinne von Not wendend sind auch ein gewisses Maß an Akzeptanz, dass das Leben endlich ist, und die Kraft der Hoffnung – also ein gesunder Optimismus, der Bedrohung zum Trotz. Und die Kraft der Hoffnung: Sie wird von der Kultur, vom Theater, von der Musik beflügelt. Dietrich Bonhoeffer, wegen seines Widerstands gegen Hitler im Gefängnis, schrieb über Gesundheit und Optimismus diese Sätze: »Optimismus ist bei den Klugen verpönt. Es ist klüger, pessimistisch zu sein: Vergessen sind die Enttäuschungen, und man steht vor den Menschen nicht blamiert da. Optimismus ist in seinem Wesen keine Ansicht über die gegenwärtige Situation, sondern er ist eine Lebenskraft, eine Kraft der Hoffnung, wo andere resignieren, eine Kraft, den Kopf hochzuhalten, wenn alles fehlzuschlagen scheint, eine Kraft, Rückschläge zu er­ tragen, eine Kraft, die die Zukunft niemals dem Gegner lässt, sondern sie für sich in Anspruch nimmt. Es gibt gewiss auch einen dummen, feigen Optimismus, der ver­ pönt werden muss. Aber den Optimismus als Wille zur Zukunft soll niemand verächtlich machen, auch wenn er hundertmal irrt. Er ist die Gesundheit des Lebens.« Diese Gesundheit des Lebens für die Zeit in und nach Corona wünsche ich uns: Dass die Menschen wieder miteinander reden können, dass die angstbesetzte Pola­ rität der Reaktionen auf Corona einem zuhörenden und diskutierenden Miteinander Platz macht. Hoffnung ist der Wille zur Zukunft. Diese Hoffnung muss wieder Atem bekommen.

HERIBERT PRANTL war 25 Jahre lang Leiter der Redaktionen Innenpolitik und Meinung bei der »Süddeutschen Zeitung« und dort auch Mitglied der Chefredaktion. Heute ist er Kolumnist und Autor der »SZ«. 2017 erschien sein Buch »Die Kraft der Hoffnung: Denkanstöße in schwierigen Zeiten«.


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Musikle xikon

Es gibt nichts, wozu die Musik nichts zu sagen hätte. Diesmal …

­STICHWORT: »HOFFNUNG« VON CLEMENS MATUSCHEK ILLUSTRATIONEN LARS HAMMER

GEORG PHILIPP TELEMANN: L’ESPÉRANCE DE MISSISSIPPI

Nein, eine Amerika-Tournee hat der Barockkomponist, der 46 Jahre lang als Hamburger Generalmusikdirektor wirkte, nie unternommen. Der Titel des Finalsatzes seiner Suite »La Bourse« bezieht sich vielmehr auf den großen Börsencrash des Jahres 1720. Damals hatte der schottische Finanzmanager John Law in Paris eine Privatbank eröffnet und Papiergeld eingeführt. Sein größter Coup hätte seine hoffnungsvoll gestartete »Mississippi-Kompanie« werden sollen, aktiv in den französischen Kolonien des amerikani­ schen Südens, deren Aktienkurs spektakulär durch die Decke schnellte. Doch als sich im Schlamm des Flussbetts partout kein Gold finden ließ, platzte die Blase und halb Frankreich ging bankrott. Telemann verarbeitete das Auf und Ab der Börsenkurse in einer rasanten Orchestersuite, die er der Stadt Frankfurt schenkte. Daraus gelernt hat man, Stichwort Wirecard, allerdings bis heute nichts. RICHARD WAGNER: PARSIFAL

LUIGI DALLAPICCOLA: IL PRIGIONIERO

Nichts anderes als die Hoffnung bleibt dem Häftling, der in Luigi Dallapiccolas 45-minütiger Kurzoper in einem Gefängnis der spanischen Inquisition schmachtet. Ge­ nährt wird sie ausgerechnet durch den Kerkermeister, der von einem Umsturz der politischen Machtverhältnisse raunt und sogar die Zellentür offenstehen lässt. Der Gefangene kann sein Glück kaum fassen und wähnt sich schon in Freiheit, als klar wird: Man spielt nur ein Haseund-Igel-Spielchen mit ihm, die Illusion eines Happy Ends war die letzte, perfideste Form der Folter. Dallapic­ cola war so etwas wie die italienische Antwort auf Arnold Schönberg: Auch er nutzte Zwölftontechnik, kombinierte sie allerdings mit traditioneller Harmonik und einer Art Post-Puccini-Sanglichkeit. So schuf er 1944 einen Meilen­ stein des Expressionismus und zugleich ein eindringliches Manifest gegen Faschismus und Willkürherrschaft.

Zwei sagenumwobene Reliquien symbolisieren die Hoffnung für Richard Wagner beziehungsweise für die Protagonisten seiner letzten und entrücktesten Oper »Parsifal«: der heilige Gral – der Kelch des Letzten Abendmahls – und die Lanze, mit der Jesus am Kreuz verwundet wurde. Auf ihre heilende Wirkung hoffen sowohl die siechen Gralsritter als auch eine rätselhafte Dame, die perfekte Inkarnation männlicher Sexualkom­ plexe. Dummerweise ist die Lanze verschüttgegangen und kann nur von einem »reinen Toren« wiederbeschafft werden, der noch nicht von Geld, Macht und Sex korrumpiert ist (was den Komponis­ ten selbst schon mal aus­ schließt). Diese kunstreligiöse Melange goss Wagner um 1880 in mystisch wabernde Klänge, die selbst den skeptischen Thomas Mann mit ihrer »frommen Verderbtheit und ungeheu­ erlichen Schmerzensaus­ druckskraft« in ihren Bann schlugen: »Eine so furchtbare Ausdruckskraft gibt es wohl in allen Künsten nicht wieder.«


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LUDGER EDELKÖTTER: KLEINES SENFKORN HOFFNUNG

Selbst an der Kirche ging das Zeitalter der Popmusik nicht spurlos vorüber. Wer daheim Bob Dylan, die Beatles oder, Gott bewahre, die Rolling Stones hörte, wollte im Gottesdienst schließlich nicht nur gregorianische Choräle absingen. Und so bewaffneten sich jugendbewegte Kirchenmenschen mit leidlich gestimmten Gitarren und schenkten der Welt das »Neue Geistliche Lied«. Musika­ lisch kennzeichnend ist – neben schlichten Melodien und Akkorden – die großzügige Verwendung der rhythmisch zackigen Synkope, die wohl einen Hauch von Rock ’n’ Roll verströmen soll, in der Praxis die deutschen Texte aber oft in Schluckauf verwandelt. Von der ersten Stunde an dabei war auch Ludger Edelkötter, der ein Gleichnis aus dem Matthäus-Evangelium als Text für seinen NGL-­ Schlager entlehnte. ­Danke für diesen guten Morgen, kleines Senf­ korn, dass du wirst zum Bahau-mee, der uns Scha-ttenn wirft, denn du bist wu-hun-de-herba-har He-herr … EDWARD ELGAR: LAND OF HOPE AND GLORY

Als »Land der Hoffnung und des Ruhmes« würde wohl niemand das heutige, von Corona, Brexit und Boris Johnson gebeutelte Großbritannien bezeichnen. Well, vor 100 Jahren sah die Sache anders aus. Dank der unnachgie­ bigen Queen Victoria beherrschte die Royal Navy die Weltmeere und das Empire den halben Globus. Als 1901 ihr ältester Sohn den Thron bestieg, durfte die Huldigung also gerne etwas üppiger ausfallen. Zu diesem Anlass arrangierte Edward Elgar einen Abschnitt aus seinen beliebten »Pomp and Circumstance«-Märschen, unterlegt mit einem Text des Dichters Arthur Christopher Benson, der sogar noch die Erweiterung des Empire beschwor. Noch vor der Krönung vorge­ stellt, drohte er bald der offiziellen Hymne »God save the King« den Rang abzulau­ fen. Und bis heute singt das Publikum bei der »Last Night of the Proms« selig mit.

EDDY GRANT: GIMME HOPE JO’ANNA

Mit dieser »Jo’anna« ist keine Frau gemeint, von der sich Eddy Grant 1988 womöglich ein Liebeszeichen erhoffte, »before the morning comes«. Vielmehr verbarg sich das südafrikanische Johannesburg hinter der Kurzform – ­verbunden mit der Hoffnung, dass das menschenverach­ tende System der Rassentrennung endlich enden möge. Ein Anliegen, das Grant sein ganzes Leben begleitete: Geboren wurde er 1948 in der damals britischen Kolonie Guyana, in einem der ersten Dörfer, das die früheren Sklaven von ihren Herren zurückgekauft hatten. Später gründete er in London die Band The Equals, die als erste schwarze und weiße Musiker vereinte; er kombinierte Reggae, Rock, Disco und karibischen Calypso und war der erste Nicht-Weiße, der in Europa ein Tonstudio betrieb. Auf die Frage, ob seine Anklage gegen die Apartheid nicht in gar zu fröhliche Klänge gekleidet sei, antwortete er schlagfertig: »Musik ist ein fantastisches Medium – wie Wasser. Du willst eine bittere Pille schlucken? Trink Wasser, und sie wird ganz leicht runtergehen.« JOHANN SEBASTIAN BACH: WEINEN, KLAGEN, SORGEN, ZAGEN

»Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen, Angst und Not sind der Christen Tränenbrot.« Tja, Hoffnung klingt anders als der Eröffnungschor dieser frühen Bach-Kantate. Zumal Bach das Weh und Ach hingebungsvoll mit Seufzerfiguren und schmerzhaften Dissonanzen ausgestaltete. Entstanden 1714 für die Hofkirche von Weimar, reflektiert das Werk aufs Schönste den Kern protestantischen Glaubens: Immer schön duldsam bleiben, denn »nach dem Regen blüht der Segen«, wie in einer folgenden Arie der Tenor tapfer singt. Immerhin stellte ihm der Komponist dabei eine Solotrompete zur Seite, die ihm und allen Gottesdienst­ besuchern mit der hoff­ nungsvollen Melodie von »Jesu bleibet meine Freude« das nötige Durchhaltever­ mögen einbläst.

­M DIE PLAYLIST ZUM LEXIKON FINDEN SIE IN DER MEDIATHEK UNTER WWW.ELBPHILHARMONIE.DE / MEDIATHEK


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Intervie w

»UND ICH MEINE: ALLE MENSCHEN«

Von links oben nach rechts unten: Florence Price, Angel Blue, Lawrence Brownlee, B. E. Boykin, Valerie Capers, William Grant Still, Harry T. Burleigh


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Mit seinem Langzeitprojekt »Song of America« will Thomas Hampson die ganze Geschichte des Lieds in den USA darstellen. Das neue Kapitel ist besonders interessant: »A Celebration of Black Music«. VON BJØRN WOLL

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eit bald vier Jahrzehnten steht Thomas Hampson mit den großen Bariton-Partien von Mozart und Verdi auf beinah allen bedeutenden Bühnen dieser Welt. Hinzu kommen Wagner und Strauss, Randständiges wie Hindemiths »Mathis der Maler« sowie Uraufführungen wie »Hadrian« von Rufus Wainwright. Doch mehr noch als die Oper liegt dem einstigen Schüler der legendären Liedsängerin Elisabeth Schwarzkopf das Kunstlied am Herzen. Mit einer fast schon enzyklopä­ dischen Obsession hat er sich – oft mit seinem Lang­zeitKlavierpartner Wolfram Rieger – um das Liedschaffen Mahlers gekümmert, aber auch um die Klassiker Schubert, Schumann und Wolf. Zudem arbeitet sich der 1955 geborene »Botschafter des Liedes« seit Jahren durch die Liedgeschichte seiner US-amerikanischen Heimat, deren unterschiedliche Fa­cetten er in seiner Reihe »Song of America« beleuchtet. Nicht nur als Sänger, sondern auch als leidenschaftlicher Pädagoge und unerschütterlicher Weltverbesserer möchte er eine lebendige und kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte auf diesem künstlerischen Weg anstoßen. 2003 rief er mit der Hampson Foundation eine eigene Stiftung ins Leben, die Angebote an Nachwuchs­ sänger macht, Forschungsprojekte unterstützt sowie Symposien und Gesprächskonzerte veranstaltet. Beim Internationalen Musikfest schreibt Hampson nun die »Song of America«-Reihe mit dem nächsten Kapitel fort: »A Celebration of Black Music«, ein dreiteili­ ges Festival im Festival, ist den weitgehend vergessenen afroamerikanischen Künstlern gewidmet. Dieses Projekt kuratiert er gemeinsam mit der Sängerin Louise Toppin, die an der University of Michigan intensiv über das ­Repertoire afroamerikanischer Komponisten forscht und publiziert. »Vor allem im Lied-Repertoire kann ich sie nur als wandelnde Enzyklopädie bezeichnen«, schwärmt Hampson. Als Dirigent konnte der Solti-Preisträger Roderick Cox gewonnen werden, einer der interessan­ testen Dirigenten der nächsten Generation.

Herr Hampson, mit »A Celebration of Black Music« schwimmen Sie ein bisschen im Fahrwasser der Black-Lives-Matter-Bewegung. Worum geht es Ihnen mit dem Projekt? Natürlich gibt es diesen aktuellen Bezug, aber eigentlich ist es die Fortsetzung meines Projekts »Song of America«. Ähnlich wie die Kapitel zuvor – »Wondrous Free« und »Beyond Liberty« – soll auch der Slogan dieses Kapitels den Inhalt verdeutlichen. Diese Programme basieren auf meinem tiefen Glauben daran, dass klassische Musik und besonders das Liedrepertoire immer auch Zeugnis einer Kultur oder bestimmten Epoche ist. Es gibt einen großen Reichtum an Dichtern und Komponisten, die uns heute erzählen, was es hieß, damals gelebt zu haben. Warum sind Ihnen diese Themen so wichtig? Weil wir damit unsere eigene Geschichte betrachten und reflektieren können – durch die Augen und Ohren der Dichter und Komponisten. Das reiche Repertoire afro­ amerikanischer Komponisten wurde in diesem Kanon total vernachlässigt. Wir sprechen hier nicht von einigen wenigen Ausnahmen, sondern von einem konstanten künstlerischen Wirken, das innerhalb der amerikanischen Kultur nur in einer Art Paralleluniversum zu existieren scheint. Wenn wir zum Beispiel über die amerikanische Musik der 1920er-Jahre sprechen, reden wir über ­Copland und Barber, aber zur gleichen Zeit lebten und komponierten großartige Künstler wie William Grant Still, William Levi Dawson oder Florence B. Price. Dass wir dieses andere Universum so gar nicht kennen, ist eine große geschichtliche Ungerechtigkeit. Haben wir also ein falsches Bild der Musikgeschichte, weil die weiße Kultur diesen Teil ganz bewusst ­ignoriert hat? Total! Mit unserem Festival wollen wir aber nicht den moralischen Zeigefinger heben. Es geht eher um eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangen­ heit mit den Mitteln der Kunst. William Dawson beispiels­ weise hatte 1934 großen Erfolg mit seiner »Negro Folk ›


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Intervie w

Symphony«, er bekam Standing Ovations von einem überwiegend weißen Publikum – und vermutlich war das auch ein Grund, warum das Stück bewusst verdrängt wurde. Das Unrecht, das der afroamerikanischen Gemein­ schaft speziell in den USA geschehen ist, zeigt sich deutlich im Umgang mit ihrer Kunst und Kultur. Und zwar bis heute: Selbst bei Menschen, die sich für die afroamerikanische Kultur einsetzen, entsteht manchmal das Bild, dass sich diese einen berechtigten Platz neben der tatsächlichen amerikanischen Kultur erkämpft hat. Diese Sichtweise lehne ich ab, denn es gibt nur eine gemeinsame amerikanische Kultur. Das müssen wir endlich zur Kenntnis nehmen. Dazu möchten wir mit dem Festival einen Beitrag leisten. Dieses Nebeneinander zeigt sich auch darin, dass man Joseph Bologne, Chevalier de Saint-Georges, der auch ein Geigenlehrer von Marie-Antoinette war, als schwarzen Mozart bezeichnet hat und Samuel Coleridge-Taylor als schwarzen Mahler … Genau, diese Künstler erhielten ihre Berechtigung fälsch­ licherweise erst durch den Vergleich mit weißen Kom­ ponisten. Das wollen wir im Festival auch zeigen, wenn wir etwa Werken von William Grant Still, einem wichtigen Sinfoniker und Liedkomponisten am Anfang des 20. Jahr­ hunderts, Stücke weißer amerikanischer und europäischer Komponisten der gleichen Zeit gegenüberstellen. Damit möchten wir gar nicht werten, sondern vor allem den Reichtum dieses Repertoires und die Wieder­begegnung damit feiern. Welches Bild dieser Zeit vermitteln uns die Werke afroamerikanischer Komponisten? Es ist der Blick der Entrechteten, sozusagen der Außen­ seiter. Und gleichzeitig spricht aus diesen Werken ein großer Stolz, zum Beispiel in den Gedichten von Langston Hughes, der zu einer Ikone der amerikanischen Bürger­ rechtsbewegung wurde. Er war stolz darauf, schwarz zu sein, und auch auf seine afrikanische Herkunft, die weiter zurückreicht als Amerika selbst. In unserer Vergangenheit ist Grauenvolles passiert, und dieser Rassismus muss end­ lich zur Kenntnis genommen werden. Wobei zur Kennt­ nis nehmen noch zu schwach ist: Wir sind es uns und unserer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einfach schuldig. Wir als Amerikaner müssen unsere Herkunft mit all ihrem Rassismus und ihren Ungerechtigkeiten zur Kenntnis nehmen und mit diesem Wissen eine bessere Zukunft gestalten. »Der Mensch ist ein Abgrund«, singt Wozzeck bei Alban Berg – und ich glaube, dass die Künste uns helfen, etwas weniger Abgrund zu sein und mehr Mensch. Mittlerweile sind viele schwarze Künstler in Jazz, Hip-Hop und Pop allgegenwärtig und wahnsinnig erfolgreich. Für den Bereich der klassischen Musik kann man das nicht behaupten. Ist die Klassik ­rassistischer?

Das ist eine berechtigte Frage, die aktuell auch vermehrt gestellt wird. Ich habe es in meiner Karriere selbst erlebt. Als ich einmal in »Le nozze di Figaro« mit der schwarzen Sopranistin Roberta Alexander als Gräfin auf der Bühne stand, gab es Anfeindungen. Mit meinem mittlerweile eher europäisch geprägten Blick auf Amerika registriere ich zwar, dass es Versuche gibt, darauf Antworten zu finden, etwa mit Symposien. Auf der anderen Seite erlebe ich aber genauso, dass es zwar an jedem amerikanischen Opernhaus einen Personalbeauftragten gibt, der sich um Probleme mit Diskriminierung und Chancengleichheit kümmert – aber meines Wissens war kein einziger dieser Verantwortlichen schwarz, zumindest bis vor der BLMBewegung. Das sind heikle und unbequeme Fragen, die wir aber stellen müssen. Warum wird der überwiegende Teil des klassischen Betriebs von Weißen gelenkt? Es ist ein systemisches Problem, das wir nur lösen können, wenn die Entscheidungsträger multikultureller werden. Das lässt sich natürlich nicht von heute auf morgen ändern, aber wir müssen das Problem konsequent und schrittweise angehen. Und das geht nur, wenn wir den Betrieb von innen heraus reformieren. Die Klassik hat also durchaus ein Rassismusproblem? Ich weiß nicht, welche Meinungen und Gefühle die Menschen in ihren Köpfen und Herzen tragen, aber wir können bei genauer Betrachtung der Klassik-Institutionen erkennen, dass schwarze Künstler auf der Bühne und in eigentlich allen Bereichen unserer Branche zu wenig re­präsentiert sind. Das mag das Resultat bewusster oder unbewusster Vorurteile sein oder auch an einem Mangel an Vorstellungskraft liegen. Ich würde jedoch nicht sagen, dass es einen grundlegenden Rassismus gibt. Ich glaube, es ist subtiler als das. Es hat etwas mit gesellschaftlichen Entwicklungen zu tun, beispielsweise mit dem Zugang zu guter Bildung und damit der Chance auf einen Studien­ platz. Gerade in Amerika – und vor allem für Farbige – ist es auch eine finanzielle Frage, sich kulturelle Bildung überhaupt leisten zu können. In den USA ist es schwer, über Rassismus zu diskutieren, ohne sich mit ökono­ mischer Ungerechtigkeit auseinanderzusetzen. Wie erleben Sie als Pädagoge die Chancengleichheit unter jungen Künstlern? Wie schon gesagt, müssen wir zunächst einmal dafür sorgen, dass jeder, der genügend Talent und Bereitschaft für diesen Beruf mitbringt, auch die Chance dazu be­ kommt. In einem zweiten Schritt geht es dann darum, dass denjenigen, die es geschafft haben, aufgrund ihrer Herkunft oder Hautfarbe keine Steine in den Weg gelegt werden. Eine Möglichkeit wären die angesprochenen, möglichst diversen Anlaufstellen in den Personalabteilungen, in denen man sich dann verantwortungsvoll um solche Probleme kümmert. Und generell brauchen wir bei den Intendanten, Hochschulrektoren oder Dirigenten ein Umdenken und Umbesetzen, um Perspektiven zu finden für Probleme, die wir als Weiße oft gar nicht verstehen können. ›


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»Das Unrecht, das der afroamerikanischen Gemeinde geschehen ist, zeigt sich deutlich im Umgang mit ihrer Kunst und Kultur.«

Von links oben nach rechts unten: H. Leslie Adams, William Dawson, George Shirley, Denice Graves, Roderick Cox, Louise Toppin, Margaret Bonds, Pretty Yende

SONG OF AMERICA: A CELEBRATION OF BLACK MUSIC Mi, 26.5., Do, 27.5. und Mo, 31.5.2021 Elbphilharmonie Großer Saal Lawrence Brownlee (Tenor), Thomas Hampson (Bariton), Louise Toppin (Sopran) u. a. Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, Roderick Cox DAS GENAUE PROGRAMM FINDEN SIE UNTER WWW.ELBPHILHARMONIE.DE


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Intervie w

»Man liest immer wieder von der farbigen Sängerin oder dem farbigen Sänger – warum? Schließlich schreibt auch niemand über den weißen Thomas Hampson.«

Gerade für junge Künstler sind Vorbilder wichtig, Idole, an denen sie sich orientieren können. Fehlt es für schwarze Sänger heute an Rollenvorbildern, wie das in der Vergangenheit Marian Anderson, Leontyne Price, George Shirley oder Jessye Norman waren? Das würde ich nicht sagen, es gibt sie nach wie vor. Wenn ich mit jungen schwarzen Sängern spreche, wird Denyce Graves ganz oft als Vorbild genannt. Aber auch in der jüngeren Generation gibt es Leute, die diese Rolle ein­nehmen, Julia Bullock und Lawrence Brownlee zum Beispiel oder Pretty Yende und Angel Blue. Mit Angel sollte ich einmal etwas aus »Porgy and Bess« machen. Ich hatte zuerst Bedenken, das als Weißer zu singen. Aber sie hat darauf bestanden und gesagt: »Ganz im Gegenteil, gerade deshalb musst du es tun.« George Shirley, der erste afroamerikanische Tenor, der an der Metropolitan Opera Hauptrollen gesungen hat, hat in den letzten Jahren immer wieder grundsätzlich festgehalten, dass es mehr eine Frage des Inhalts oder Stils sei denn eine der Haut­ farbe. Natürlich sind Vorbilder wichtig, und viele schwarze Sänger schauen mit Stolz auf ihre Vorgänger. Gleichzeitig müssen wir aber auch eine andere Perspektive anbieten, denn viele meiner farbigen Kollegen wollen nicht wegen ihrer Hautfarbe wahrgenommen werden, sondern für das, was sie tun. In Kritiken liest man zum Beispiel immer wieder von der farbigen Sängerin oder dem farbigen Sänger – warum muss das sein? Schließlich würde auch niemand über den weißen Thomas Hampson schreiben. Hautfarbe und Herkunft dürfen interessant bleiben, sie dürfen aber nicht zu Voreingenommenheit führen. Kontrovers diskutiert wird seit einiger Zeit auch das »Blackfacing«, also dass Darsteller für Rollen wie Otello oder Aida dunkel geschminkt werden. Wie wichtig oder sogar hilfreich sind solche Diskussionen im Prozess einer Veränderung? Wir müssen über solche Dinge sprechen! Vielleicht ist die Kulturbranche jetzt endlich bereit, Sachen anzugehen, die bis vor kurzem noch tabu waren. Als Amerikaner haben wir das Motto »E pluribus unum« – »Aus Vielen Eines«.

Das heißt nun nicht, dass alle gleich werden müssen, sondern dass aus einer Vielfalt heraus eine Gemeinsamkeit entsteht. Da sehe ich einen großen Widerspruch in unserer Kultur: Wenn in der amerikanischen Unabhängigkeits­ erklärung steht, dass alle Menschen gleich sind, was zum Teufel haben wir dann die letzten 250 Jahre getan? Warum hat es bis 1963 gedauert, ehe eine schwarze Frau – unter dem Schutz der Nationalgarde – eine öffentliche Univer­ sität betreten durfte? Und warum gibt es für einen Teil der schwarzen Bevölkerung bis heute enorme Hürden, wenn sie an einer Wahl teilnehmen wollen? In England hat sich vor einigen Jahren das Chineke! Orchestra aus Farbigen formiert. Ist das ein richtiger Schritt, um für mehr Sichtbarkeit zu sorgen, oder wird der Graben dadurch eher noch größer, weil so die weißen Musiker ausgegrenzt werden? Es wäre falsch zu behaupten, das Chineke! Orchestra sei exklusiv für schwarze Menschen. Es gibt eine Reihe weißer Musiker, die regelmäßig mit dem Ensemble spielen. Der wichtige Punkt ist jedoch, dass Inklusion und Vielfalt nicht den Ausschluss weißer Menschen bedeuten. Das wäre in der Tat das Gegenteil des Ziels. Auch in meiner Stiftung gibt es Programme, die sich gezielt an junge, farbige Musiker richten. Ich sehe das als Aufbauphase, als eine Art Zwischenschritt, dass jede Gruppe sich zunächst einmal der eigenen Sache sicher ist, damit sich am Ende alle zusammenfinden können. Auch wenn ich es sehr schade finde, dass dieser Zwischenschritt anscheinend notwendig ist. Am Ende aber muss es um das gemein­ same Ziel gehen. Und so möchte ich auch das Festival in Hamburg verstanden wissen: Afroamerikanische Musik ist amerikanische Musik – und die muss gehört werden. Die Lieder und Gedichte sind wie ein Tagebuch des Menschen, und ich meine ausdrücklich: aller Menschen. Sie haben Hoffnung? Wir sind gerade am Anfang des Weges und haben noch lange nicht all unser Potenzial ausgeschöpft, aber wir sind auf dem richtigen Weg. Ich erlebe das auch in meinen Meisterklassen, wo Sänger verschiedenster Herkunft ver­ treten sind. Dabei ist es völlig egal, welche Hautfarbe sie haben, denn als Künstler müssen sie sich mit dem Kom­ ponisten und dem Dichter auseinandersetzen – es geht ausschließlich um das Kunstwerk. Ob da ein Sänger, der vor dem Publikum steht, ein Schwarzer, ein Weißer oder ein Asiate ist, das ist ab dem zweiten Wort oder dem dritten Ton völlig irrelevant. Was hätte das Eine auch mit dem Anderen zu tun? Gar nichts!


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Ide n t i tät

ABENTEUER IN AFROPA


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Schwarze Europäer setzen der US-geprägten Black-Lives-MatterBewegung ihre eigene kulturelle Perspektive entgegen. VON JONATHAN FISCHER

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s war nur ein kurzer Wortwechsel mit einem Fremden, der den englischen Autor, Fotografen und Fernsehmoderator Johny Pitts veranlasste, seine Identität zu überdenken und sich auf die Suche nach seinen Wurzeln zu machen: In seinem 2013 erschienenen Essay »The 7.30 Train to Frankfurt« erzählt er, wie ihn in seiner Heimatstadt Sheffield ein Passant beim Einkaufen fragte, ob man sich nicht gestern im Abendzug nach Frankfurt begegnet sei. Es war nur eine Verwechslung, vielleicht wegen Pitts’ Afro-Frisur, viel­ leicht auch, weil sich für den Fragenden alle Schwarzen ähnelten. Pitts hätte sich darüber ärgern können. Doch tatsächlich löste die Frage in ihm ein Hochgefühl aus: Wie oft schon hatte man ihn darauf angesprochen, er sehe diesem Gangster-Rapper oder jenem Sport-Star ähnlich – und nun hatte man ihn einfach für einen schwarzen Reisenden gehalten: für jemanden, der gestern in Frank­ furt und heute in Sheffield sein konnte. Für einen ganz normalen Afropäer eben. Pitts, 1987 als Sohn eines afroamerikanischen Soulsängers und einer weißen englischen Northern-SoulLiebhaberin geboren, ringt seitdem mit dem Begriff »afropäisch«. Auf seinem bahnbrechenden Blog »Afro­ pean – Adventures in Black Europe« finden sich dazu Essays, Reiseberichte, Kunst-, Literatur- und Filmkritiken. Stellvertretend für viele andere Afropäer stellt er fest, er fühle sich nirgends so zu Hause wie in Europa: »Hier habe ich schreiben und lesen gelernt, und auch wenn ich nicht immer den richtigen Lesestoff hatte, spreche ich doch Europas Sprachen und pflege einige seiner Bräuche. Und ich erfreue mich an der raffinierten und manchmal ver­ blassten Schönheit seiner alten Architektur, an den gratis zugänglichen Museen und Galerien, die ihre Existenz freilich oft dem Blut und der Mühe verdanken, die schwarze Männer und Frauen ausbeuterischen Imperien opfern mussten.« Vor Kurzem hat Pitts seinen Reisebericht »Afro­ päisch« auch auf deutsch veröffentlicht. Er erforscht darin als Rucksacktourist einen Kontinent, der seine Kultur allzu oft als »weiß« definiert. Aber gibt es nicht auch eine dezidiert schwarze europäische Identität? Teilen die rund 30 Millionen afrikanisch-stämmigen Menschen, die heute in Europa leben, nicht eine Menge gemeinsamer Erfah­

rungen? Hat die erlebte Ausgrenzung, die Rückbesinnung auf die schwarzen Traditionen ihrer Vorfahren wie auch die Adaption europäischer Kultur nicht dazu beigetragen, etwas ganz Eigenständiges zu erschaffen? BESTENFALLS EIN ALBTRAUM

Diese Fragen sind nicht ganz neu. In Deutschland etwa hatte die schwarze US-Schriftstellerin Audre Lorde (1934 – 1992) schon vor fast vier Jahrzehnten die Vision von einer selbstbewussten schwarzen europäischen Kultur geformt. Ursprünglich habe sie Europa »besten­ falls als Albtraum geträumt«, gestand sie in ihrem Essay »The Dream of Europe«. Doch als sie Anfang der Acht­ zigerjahre als Gastdozentin an die Freie Universität Berlin geladen wurde, änderte sich ihre Wahrnehmung. Sie fand hier Afro-Europäer und andere schwarze Europäer, die sie als »Bindestrich-Menschen« bezeichnete. Diese er­ öffneten »Europa die letzte Chance, mit Verschiedenheit kreativ umzugehen, statt vorzugeben, sie existiere nicht«. Lorde ermutigte ihre schwarzen Studenten nicht nur, sich zu organisieren und ihre Geschichten auszutauschen, sondern regte auch die Bildung großer Koalitionen an, etwa zwischen Schwarzen, Migranten, Feministen und der LGBT-Community. Ein Ansatz, den heute die BlackLives-Matter-Bewegung weltweit verfolgt. Spätestens seit den Massendemonstrationen des vergangenen Jahres wirft diese BLM-Bewegung ein neues Schlaglicht auf die Erfahrungen schwarzer Europäer. Wie die Afroamerikaner haben auch sie Rassismus und Ausgrenzung erlebt. Und doch lässt sich ihre Identität nicht einfach durch das Brennglas der US-Geschichte erklären. Erst zaghaft kommt ein öffentlicher Diskurs in Gang, wie sehr der Reichtum Europas auf dem Rücken schwarzer Menschen erwirtschaftet wurde. Genau das sollte sichtbar werden, als BLM-Demons­ tranten auch in europäischen Großstädten die Statuen und Monumente von Kolonialherren und VölkermordVerantwortlichen ins Visier nahmen, in Brüssel etwa die des belgischen Königs Leopold II., in Bristol des Sklaven­ halters Edward Colston (siehe Seite 22). »Wer weiß schon«, fragt Johny Pitts, »wie viel die Sixtinische Kapelle der Sklaverei verdankt, welche afrikanischen Boden­ schätze die Prachtalleen in Paris finanziert haben? Oder haben Sie schon mal über den Zusammenhang von kongolesischen Kakaoplantagen und der berühmten belgischen Schokolade nachgedacht?« Als Pitts seinen Blog ins Leben rief, hatte er »erst eine vage Ahnung, wie sehr die europäische Kultur historisch durch Schwarze beeinflusst wurde«. Dabei musste er nicht lange suchen: Waren da nicht namhafte Schriftsteller wie Alexandre Dumas, der eine schwarze Mutter hatte, oder Alexander Puschkin mit seinem schwarzen Urgroßvater? Und waren nicht schwarze Tän­ zerinnen wie Josephine Baker und afroamerikanische Jazzorchester bereits in den 1920er-Jahren in Paris oder Berlin gefeierte Stars? Umgekehrt hat Europa durch seine Kolonialgeschichte schwarze Identitäten geformt. ›


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Ide n t i tät

Es geht um alle, die sich zugleich als Europäer und doch nicht zugehörig fühlen.

»Afropäisch« könnte da eine neue Art bedeuten, Europa zu sehen. Eine Formel, die all diejenigen miteinschließt, die, um mit den Worten des Schriftstellers Caryl Phillips zu sprechen, »sich zugleich als Europäer und doch nicht zugehörig fühlen«. EINE NEUE ART VON POP

Der Begriff »afropäisch« stammt ursprünglich aus der Musik- und Modeszene. Die belgisch-kongolesische Musikerin Marie Daulne, Frontfrau der Band Zap Mama, hatte ihn in den frühen Neunzigern zusammen mit ihrem Produzenten David Byrne geprägt. »Adventures in Afropea«, nannten sie ihr Album. Das sollte eine neue Art von Pop charakterisieren, die sich nicht einfach vom US-amerikanischen Rhythm ’n’ Blues ableiten lässt, sondern afrikanische Wurzeln mit einer dezidiert euro­ päischen Erfahrung verbindet. Britische Fusion-Projekte wie Soul II Soul machten vor einem Vierteljahrhundert den Anfang – und strahlten dann mit ihrem sogenannten Neo-Soul wiederum nach Afroamerika zurück. Seitdem haben sich auch in Schwe­ den, Deutschland, Frankreich afropäische Pop-Ästhetiken herausgebildet. Als Beispiele seien nur die Sängerinnen Neneh Cherry, Inna Modja, Joy Denalane oder die Rapper MHD, Booba oder Baloji genannt. Afropäisch steht dabei auch für ein neues Selbstbewusstsein. Schwarze Europäer sind nicht mehr gleichbedeutend mit Immigranten. Vielmehr verkörpern Afropäer eine europäische Weltoffen­ heit. Es wäre allerdings ganz falsch, nur die jungen krea­ tiven Vertreter des schwarzen Europa, die Schauspieler, Modemacher, Musiker, Künstler, PR-Agenten, Start-­UpBetreiber unter dem Label »afropäisch« zu feiern. Gehören nicht auch tunesische Studenten, Zimmermädchen mit ghanaischen Wurzeln, aus dem Senegal stammende Türsteher und aus Angola eingewanderte Lagerarbeiter dazu? Pitts stellte auf seiner Reise durch Europa fest, dass die Grautöne in der Erzählung fehlen: hier die reichen und berühmten Sport- und Popstars, dort die Geschichten von Ghettos und illegaler Migration. Afropäisch zu sein, das könnte eine »utopische Alternative« zu den polarisieren­ den Darstellungen Schwarzer im Europa der Gegenwart sein. Pitts bereist deshalb auch die vom kanadischen Autor Doug Sanders »Ankunftsstädte« (»Arrival Cities«) benannten Einwandererviertel. Etwa die Banlieue Clichysous-Bois: Nur 30 Kilometer außerhalb des feinen Stadtzentrums von Paris, wo einst der Jazz, Nina Simone, James Baldwin und Josephine Baker gefeiert wurden,

begegnet er der Kehrseite Europas: jungen Afrikanern, die sich um ihre Zukunft betrogen fühlen, einer Generation, die den Enthusiasmus ihrer nach Frankreich ausgewander­ ten Eltern nicht mehr teilt. Ihr harter Hip-Hop ist Aus­ druck einer afropäischen Erfahrung der düstereren Sorte. Und erinnert an die Ausgrenzungserfahrung Frantz Fanons, dieses großen Theoretikers des Antikolonialismus. Fanon (1925 – 1961), auf der Karibikinsel Martinique geboren und voller Bewunderung für die Kultur der fran­ zösischen Kolonisatoren aufgewachsen, hatte im Zweiten Weltkrieg wie so viele dunkelhäutige Soldaten an der Seite Frankreichs gekämpft. Zwei Drittel der Soldaten der französischen Befreiungsarmee rekrutierten sich aus den afrikanischen und karibischen Kolonien. Doch zur Siegesfeier nach Paris wurden sie nicht eingeladen. Nur Weiße sollten auf den Filmen das gegen den National­ sozialismus siegreiche Frankreich repräsentieren. Ihre schwarzen Kameraden wurden sang- und klanglos in ihre Heimatländer deportiert. Fanon wollte diesen Rassismus nicht akzeptieren. Er studierte in Frankreich Medizin und Philosophie, und er hatte die Idee, das Selbstverständnis der Grande Nation von innen heraus ändern zu können. Am Ende blieb ihm nur die Radikalisierung: Sein Hauptwerk »Die Verdamm­ ten dieser Erde« sagte dem weißen Europa und seiner Kolonialpolitik den Kampf an und sollte viele der afrikani­ schen und afrodiasporischen Befreiungsbewegungen inspirieren. AFROFUTURISMUS FÜR EUROPA

Heute sind viele der Anklagen Fanons nach wie vor aktuell: Besonders in Sozialbausiedlungen wie StockholmRinkeby, in Lissabons kapverdischem Ghetto Cova de Moura oder in Pariser Banlieues wie Clichy-sous-Bois erfahren Europäer mit afrikanischen Wurzeln einen von schleichender Demütigung und Marginalisierung bestimmten Alltag. Gleichzeitig finden sich auch hier optimistische Perspektiven: Gerade die Kulturszene prägt ein kollektives Wissen um den eigenen multiethnischen Reichtum. In Musik, Kunst, Mode und Film bündeln im Europa der Gegenwart somalisch-stämmige Schweden, aus Angola eingewanderte Portugiesen oder Franzosen mit senegalesischen Wurzeln ihre Myriaden von Erfahrungen zu einem gemeinsamen Ausdruck. Als Afropäer schlagen sie eine Brücke von Fanons Erfahrung einer geschlossenen weißen Gesellschaft hin zu einer afrofuturistischen Utopie. »Sie sind«, schreibt Pitts, »zwar stolz auf ihre kulturellen Traditionen, fühlen sich aber dennoch zu Europa gehörig. Sie wollen Europäer sein wie alle anderen.« Warum also nicht die afropäische Kultur als Gegenentwurf zu all den nationalistischen Ideen begreifen, die mit dem Brexit und dem Aufstieg rechts­ extremer Parteien die Gesellschaft spalten? Es sind Afropäer, die uns hybride Geschichten unserer gemein­ samen Heimat erzählen – um alle Europäer, weiße wie schwarze, begreifen zu lassen, wie viel ihr Kontinent afri­ kanischen Einflüssen und Importen zu verdanken hat.


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Die Fotografin EMILIE RÉGNIER, 1984 in Kanada als Tochter einer weißen Kanadierin und eines farbigen Haitianers geboren und in Zentral- und Westafrika aufgewachsen, untersucht in vielen ihrer Arbeiten ihre eigene Geschichte und ihr vielfältiges Erbe – so auch in der Fotoserie »How do you love me« aus dem Jahr 2017. »Als eine Person gemischter Rasse verkörpert man die Kollision zweier Welten«, sagt sie. »Aber man kann diese Welten auch konsolidieren. Ich bin weiß und schwarz, ich bin kanadisch und haitisch.«


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S ta d t g e s ch i ch t e

GOLDENE ­F E H L GRIFFE Hamburgs Reichtum basiert wesentlich auf seiner kolonialen Vergangenheit. Für die differenzierte Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels sorgt nicht zuletzt die Kultur. VON TILL BRIEGLEB


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BLM-Demonstranten stürzen die Statue von Edward Colston (Bristol, Juni 2020).

B

ereits 15 Jahre, bevor in Bristol die Statue des Sklavenhändlers Edward Colston im Zuge der BlackLives-Matter-Proteste des vergan­ genen Sommers in ein Hafenbecken geworfen wurde, hatte Hamburg einen Erweckungsmoment. 2006 stell­ te der Bezirk Wandsbek am dortigen Marktplatz eine Büste von Heinrich Carl von Schimmelmann (1724 –  1782) auf. Genau wie Colston ein Jahrhundert zuvor war auch Schimmelmann an seinem Wohnort ein sogenannter Wohltäter, der sich in der Kultur und der Armenfürsorge verdient machte. Sein Geld aller­ dings verdiente der deutsch-dänische Kaufmann mit Sklavenhandel und -ausbeutung auf seinen Plantagen in der Karibik, wo ein grausames Regime fürchterlicher Körperstrafen herrschte. Bereits kurz nach seiner Auf­ stellung in unmittelbarer Nähe des denkmalgeschützten SchimmelmannMausoleums – eines klassizistischen Tempelchens, in dem der Menschen­ schinder unter der Allegorie der Frömmigkeit ruht –, begannen Proteste gegen die neue Ehrung. Die Büste wurde mit roter Farbe über­ gossen; die Künstlerin Hannimari Jokinen, eine langjährige Aktivistin für die Aufarbeitung der kolonialen

Geschichte Hamburgs, lud Passanten ein, mit ihren Körperumrissen auf dem Boden die Enge eines Sklaven­ schiffs nachzubilden. 2008 wurde Schimmelmanns Büste dann reuig wieder abmontiert. Die damalige Kultursenatorin Karin von Welck, die den goldenen Fehlgriff feierlich eingeweiht hatte, gab anlässlich der Kritik zu Protokoll, »Schimmelmann aus der Geschichts­ schreibung Wandsbeks zu entfernen, würde bedeuten, historische Fakten auszublenden, indem man sie ver­ drängt«. Diese Haltung hat inzwischen erheblich an Kredit verloren. Obwohl die Senatorin 2006 auch die Meinung vertrat, »eine Diskussion um die Rolle Hamburgs oder um Hamburger Persönlichkeiten in der Ära des deutschen Kolonialismus kann nicht maßgeblich von der Kulturbehörde geführt werden«, existiert seit 2014 genau so eine Selbstverpflichtung des Senats. Die koloniale Vergangenheit soll mit einem breiten Erinnerungs­ konzept aufgearbeitet werden. Federführung: die Kulturbehörde. VERTUSCHTE LOKALGESCHICHTE

Leider blieb auch diese politische Anerkennung von Verantwortung lange ein Lippenbekenntnis, dem kaum Taten folgten. Zwar wurde 2014 an der Universität die kleine ›

Die politische Anerkennung von Verantwortung blieb lange ein Lippenbekenntnis.

Der Hamburger Kaufmann und Sklavenhändler Heinrich Carl von Schimmelmann (um 1773)


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S ta d t g e s ch i ch t e

Die Bismarck-Statue im Altonaer Schleepark (Juni 2020)

Die Schimmelmann­ straße in Marienthal und der Woermanns­ weg in Ohlsdorf werden wohl nicht mehr lange so heißen.

Otto von Bismarck leitet eine Sitzung auf der Kongokonferenz in Berlin (1884 / 85).

Forschungsstelle »Hamburgs (post-) koloniales Erbe« eingerichtet, die seither wertvolle Wissens- und Debattenbeiträge liefert. Aber für die öffentliche Sichtbarkeit kolonialer Spuren und die Bewusstmachung anderer Perspektiven auf die Realität des Hamburger Welthandels sorgten weiterhin vor allem Initiativen der Zivilgesellschaft. Seit den Achtzigern setzen sich Gruppen in Hamburg dafür ein, die Vertuschung der lokalen Geschichte, so sie die Ausbeutung anderer Länder zum Gewinn der Kaufleute betrifft, zu beenden. Am engagiertesten tritt hier der Arbeitskreis Hamburg Postkolonial auf, in dem auch Hannimari Jokinen aktiv ist. Doch erst der aktuelle Kultur­ senator Carsten Brosda hat mit seinem Amtsantritt vor vier Jahren damit begonnen, die Diskussion über die belasteten Fundamente des Hamburger Reichtums von Staats­ seite her auch aktiv zu gestalten. Er initiierte einen offenen Runden Tisch, aus dem sich 2019 ein Expertenbeirat bildete, der dem Senat kurz vor Weihnachten 2020 schließlich ein Positionspapier übergab. Darin geht es um eine umfängliche Neubewer­ tung des Hamburger und dänischen Seehandels, so dieser von Altona aus stattfand, und darum, das Wissen über das dabei verübte Unrecht in der Gesellschaft zu verankern, vom Schulunterricht bis zum Straßen­ schild.

Dieser Vorschlag für eine gesellschaft­ liche Neupositionierung zur Kolonial­ geschichte wird nun intern von allen Hamburger Behörden bearbeitet. Das wird wieder dauern. Aber bei den Straßennamen ist man schon einen Schritt weiter. Im September 2020 installierte das Staatsarchiv Hamburg eine Projektstelle, die innerhalb eines Jahres die »Fachstrategie zur Umbe­ nennung kolonial belasteter Straßen­ namen« entwickeln soll. Wenn diese im Herbst dann endlich vorliegt, könnte es allerdings kniffelig werden. Denn dann geht’s an die Kauf­ mannsehre. WÜRDIGE WEGE?

Dass die Schimmelmannstraße in Marienthal neu benannt werden muss, darüber wird man sich 2021 vermutlich ohne großen Streit einigen können. Und auch bei der Umbenen­ nung von Woermannsweg und Woermannsstieg in Ohlsdorf, wie es die dortige Bezirksversammlung erstmals 2010 vergeblich beim Senat beantragte, dürfte inzwischen Einig­ keit herrschen: War der Reeder Adolph Woermann (1847 – 1911) doch einer der maßgeblichen Betreiber deutscher Kolonialpolitik, nahm 1884 / 85 an der berüchtigten Kongo­ konferenz in Berlin teil, wo Otto von Bismarck die nordischen Großmächte einlud, Afrika unter sich aufzuteilen. Und Woermann verschiffte auf seiner Afrika-Linie die Soldaten in die Kolonie Deutsch-Südwestafrika (das heutige Namibia), wo diese zwischen 1904 und 1908 mit größter Brutalität den Widerstand der Herero und Nama gegen das deutsche Unrechts­ regime niederschlugen – ein Völker­ mord mit 70.000 Toten. Doch was ist mit der Godeffroy­ straße in Blankenese? Die Hamburger Reeder, die reichsten ihrer Zeit, hatten in Ozeanien ein Handelspos­ ten- und Plantagensystem aufgebaut, das keineswegs nur durch Überre­ dungskunst entstanden war. 1861 wurde am Alten Wandrahm dann das Museum Godeffroy gegründet, in dem unter anderem die sterblichen Überreste von »Eingeborenen SüdseeInsulanern« begafft werden konnten.


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Nicht jeder Lebende soll seinen Körper freiwillig für dieses schaurige Vergnügen in Hamburg hergegeben haben, wie die Forschung herausfand. Noch komplizierter gestaltet es sich mit Würdigungen wie der Stockmeyerstraße, denn dabei handelt es sich um die Erinnerung an die Manufakturdynastie Meyer, die ab 1836 in Hamburg zunächst Spazier-, Schirm- und Peitschenstöcke herstell­ te. Das dafür notwendige Material – Elfenbein, Kautschuk, Tropen­hölzer – bezogen die Meyers aus diversen Kolonien, wo die Rohstoffe durch Versklavung und brutale Disziplinie­ rung der dortigen Bevölkerung ge­ wonnen wurden. Besonders grausam waren die Arbeitsbedingungen bei der Gewinnung der Gummimasse Kautschuk, der Geschäftsgrundlage für Heinrich Adolph Meyers und Conrad Poppenhusens GummiwarenImperium, etwa der New-York Ham­ burger Gummiwaren-Compagnie in Harburg und Barmbek. Auch eine Poppenhusenstraße gibt es in Ham­ burg, am Bahnhof Barmbek, wo in einem ehemaligen Fabrikgebäude des Unternehmers das Museum der Arbeit residiert.

hat, profitierte ökonomisch von diesen Verhältnissen.« Aber Brosda warnt auch vor zu pauschalen Verurteilungen, wie sie im postkolonialen Diskurs der letzten Jahre lauter wurden: »Wenn wir des­ wegen jede Beteiligung am Welthandel schon als verbrecherischen Akt ver­ stehen, endet die Diskussion in einer Sackgasse. Ich plädiere deshalb dafür, sich das konkrete Handeln jedes Einzelnen anzusehen und zu überprü­ fen, inwieweit verantwortliches Ver­halten innerhalb der damaligen Wirtschaftsrealität vorhanden war. Dafür braucht es Kriterien, um zu entscheiden, ob kontextualisiert oder sogar umbenannt werden soll.«

KAUFMANNSEHRE UND -UNEHRE

Die Frage, ob diese Industriellen weiter im öffentlichen Raum geehrt werden sollten, ist vom heutigen Standpunkt aus natürlich nicht un­ brisant, denn auch das Ansehen gegenwärtiger Wirtschaftsführer steht ja oft in gewissem Kontrast zu den Arbeitsbedingungen in fernen Ländern, durch die sie ihren Reich­ tum generieren. Carsten Brosda, der die dämmernden Diskussionen um Ehre und Unehre Hamburger Kaufleute höchstamtlich moderieren muss, versucht deshalb mit klaren Ansagen einen vernünftigen histo­ rischen Rahmen zu setzen: »Spätes­ tens seit dem 17. Jahrhundert ist Welt­handel kolonial überprägt. Und jeder, der in diesem Handels­ geflecht unterwegs gewesen ist, hatte es mit massiv asymmetrischen Machtverhältnissen und kolonialer Ausbeutung zu tun. Selbst wer sich nicht direkt an Verbrechen beteiligt

Die Fertigungshalle der Elfenbeinfabrik von Heinrich Adolph Meyer in Barmbek (um 1910)

Auch beim jüngst aufgekommenen Streit um das Bismarck-Denkmal im Alten Elbpark ist Brosda kein Freund des Dynamits. Den »Eisernen Kanz­ ler«, der nicht nur während der Kongokonferenz eine entscheidende Rolle bei der Etablierung des deut­ schen Kolonialsystems spielte, würde mancher Aktivist gerne wegsprengen. Brosda favorisiert eine Kontextuali­ sierung. ›

Pauschale Verurteilungen, wie sie im post­ kolonialen Diskurs immer lauter werden, führen in die Sackgasse.


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S ta d t g e s ch i ch t e

Die Bismarck-Statue im Alten Elbpark mit der Installation »Capricorn Two« des Wiener Künstlerkollektivs Steinbrener /  Dempf & Huber (Mai 2015)

Die konkreten Verhandlungen bei Restitutionsfragen sind oft gar nicht so konfrontativ.

Eine Bronzeplatte aus Benin (16. oder 17. Jhd.)

NICHT ZWANGSLÄUFIG UNRECHT

In diesem Aufruf zu differenzierter Betrachtung folgt ihm auch Barbara Plankensteiner, die Direktorin des ehemaligen Völkerkundemuseums, das jetzt »Markk« heißt, Museum am Rothenbaum für Kulturen und Künste der Welt. Denn auch in den Debatten um ethnologische Samm­ lungen, die größtenteils im kolonialen Zeitalter aufgebaut wurden, sind die Museen mit Maximalforderungen konfrontiert, die Plankensteiner, selbst eine Afrikaexpertin, vernünftig zu relativieren versucht: »Unter Kolonialem Erbe werden insgesamt Bestände aus der Zeit des Kolonialis­ mus zusammengefasst. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass alles unrecht­ mäßig erworben wurde, aber doch, dass es ein Machtgefälle gab«, sagt sie. Viele Objekte seien durch Seefahrer in die Sammlung gekommen, die diese als Souvenirs erworben haben, von Händlern und Künstlern, die damit ihren Lebensunterhalt verdien­ ten. Die konkreten Verhandlungspo­ sitionen in Restitutionsstreitigkeiten seien denn auch oft weit weniger kon­ frontativ, als es die Berichterstattung gelegentlich vermuten lässt. Vor allem in dem spektakulären Fall der »Benin-Bronzen« – womit weit gefasst alle Gegenstände gemeint sind, die

1897 nach der brutalen Plünderung des Königreichs Benin durch briti­ sche Truppen nach Europa kamen – gebe es zwischen den Fachleuten in Europa und Nigeria wenig Konflikt­ stoff. »Unsere Gesprächspartner in Nigeria betonen die Wichtigkeit, dass ein Teil dieses Erbes in der Welt bleibt, weil diese Objekte auch viele falsche Vorstellungen von Afrika brechen können. In welcher Form das geschieht, ist Teil von Aushandlun­ gen«, sagt Plankensteiner. Von vielem, was aus dem großen Königreich über die Jahrzehnte in die Sammlung am Rothenbaum kam, hätten die Archive in Nigeria selbst genug. Freilich handelt es sich bei manchen Objekte tatsächlich zweifels­ frei um Raubkunst, etwa bei den drei bedeutenden Bronzen aus Benin, die im Museum für Kunst und Gewerbe aufbewahrt werden. Gegen deren Rückgabe bestehen aber keine poli­tischen Einwände. Wie man die Restitution regelt, ob die Büsten etwa als Dauerleihgaben in Hamburg ver­ bleiben können, das ist eine Frage juristischer Absprachen, die natürlich viel zu lange dauern. Um grundsätzlich über die Provenienz und Regeln der Rückgabe Klarheit zu schaffen, wurde 2020 am Markk eine internationale Forschungsstelle gegründet, die


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eine Datenbank über alle Objekte aus Benin erarbeiten wird. Rund 100 Museen weltweit wirken an dieser Erfassung mit, selbst wenn das even­ tuell bedeutet, dass sie ihren »Besitz« verlieren. Viele nationale Gesetz­ gebungen betrachten das unrecht­ mäßige Erbe der Kolonialzeit noch rein rechtlich als unveräußerliche Kulturgüter. Die Offenheit für die Rückgabe sei aber inzwischen prinzipiell gegeben. VERÄNDERTE PERSPEKTIVEN

Allerdings hapert es bei der Aufarbei­ tung des blinden Flecks Kolonialis­ mus immer noch an der Beteiligung jener Gruppen und Experten, die verwandtschaftliche und historische Verbindungen zu den Opfern des Kolonial­regimes haben. Tahir Della, Sprecher der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland, sieht eine nach wie vor weit verbreitete Abwehr­ haltung in Institutionen, die Beteili­ gung der Zivilgesellschaft im Prozess der kommunalen Aufarbeitung zu ermöglichen, und zwar bereits im Vorfeld von Entscheidungen. »Kolonialismus wird in Deutsch­ land immer noch nicht als Unrechts­ system in seiner Gänze wahrgenom­ men«, sagt Della. Um das zu ändern und zu zeigen, dass die damals etablierte Geschichtsauffassung und ihr Menschenbild Auswirkungen bis heute haben, müssen die Hintergrün­ de unter Beteiligung jener Menschen erklärt werden, die noch immer unter den Spätfolgen leiden: Rassismus,

Ausgrenzung, Diskriminierung, deren Wurzeln in der europäischen Geistes­ geschichte liegen. Wie diese Beteiligung die Perspektive verändern kann, das hat jüngst die Ausstellung »Grenzenlos. Kolonialismus, Industrie und Wider­ stand« im Museum der Arbeit gezeigt. Ursprünglich von den Hauskuratoren geplant als gut gemeinte Erzählung über einige Rohstoffe, die seit dem 19. Jahrhundert in Hamburg gehan­ delt und verarbeitet wurden, sollte damit der historische Zusammenhang zwischen Wohlstandswaren und den brutalen Bedingungen ihrer Erzeu­ gung in Afrika und Asien aufgezeigt werden. Doch durch die Diskussion mit Vertretern der schwarzen Gemein­ schaften veränderte sich der Parcours deutlich hin zur Gegenwart. Man konsultierte die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland und Aktivisten von Hamburg Postkolonial und holte mit Christopher Nixon einen Kurator für koloniale Vergan­ genheit und postkoloniale Gegenwart ins Team. »Die Ausstellung wurde so zu einem Prozess«, sagt Nixon, »in dessen Verlauf auch die europäische Ideengeschichte seit der Aufklärung mit ihren rassistischen Zuschreibun­ gen einfloss, die Verbindung von Kapitalismus und Kolonialismus, und schließlich die Geschichte des Widerstands.« Widerstandskämpfer gegen koloniale Tyrannei sowie Kritiker des Rassismus in den westlichen Ländern geleiten als Figuren durch

die Ausstellung. Im Finale versam­ meln sie sich als Chor vor dem gestürzten Denkmal des Sklaven­ händlers und Kolonialkommandanten Hans Dominik (1870 – 1910), dem »Schrecken von Kamerun«, nach dem noch immer ein Weg in Jenfeld benannt ist. Chico Mendes, James Baldwin, Madame Nwanyeruwa, May Ayim, aber auch namenlose Wider­ ständler wie »der Kautschuksammler« triumphieren hier durch Menschlich­ keit und Klugheit über den Vertreter der deutschen Kolonialwirtschaft. Der erfolgreiche Prozess der Zusammenarbeit und Annäherung, gesteht Museumsleiterin Rita Müller, verlief allerdings nicht reibungslos. Diese Erwartung konfliktreicher Debatten mag Angst in vielen Insti­ tutionen auslösen und die immer noch fehlende Selbstverständlichkeit erklären, an dem Thema gemeinsam zu arbeiten. Müller allerdings ist entschlossen: »Wir müssen uns weiter öffnen, diverser werden und die Zivilgesellschaft stärker in unsere Arbeit einbinden.« Auch Carsten Brosda sieht darin die kommende Aufgabe: »Viele Einrichtungen unserer Stadt sind im Inneren immer noch geradezu dramatisch wenig vielfältig.« Deshalb verlangt er von seinen Subventions­ empfängern, dass sie »sich neu in der Gesellschaft verankern. Das gelingt nur, wenn sie die Vielfalt der Stadt­ gesellschaft in ihre Einrichtungen holen, damit sie dort selbst Programm machen.«

Die Ausstellung »Grenzenlos. Kolonialismus, Industrie und Widerstand« im Hamburger Museum der Arbeit (bis 18. Juli 2021)


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u m g eh ö r t

KULTUR – Weiße Männer schreiben eine Oper über Schwarze: Geht das ohne Stereotype? Kann man George Gershwins »Porgy and Bess« heutzutage überhaupt noch aufführen? Und wenn ja: wie? AUFGEZEICHNET VON JULIKA VON WERDER, JULIANE WEIGEL-KRÄMER

ALAN GILBERT: MUSIKALISCHE LEITUNG

Über »Porgy and Bess« nachzudenken, finde ich immer beunruhigend, da ich glaube, dass die Kontroverse, die das Werk anstößt, verständlich und auch unbedingt erforder­ lich ist. Die Oper verwendet Rassen-Stereotype und zeigt ein verzerrtes und schablonenhaftes Bild der Charaktere. Die Aussagen, die Gershwin über die farbige Gemeinde in der Oper macht, sind beschränkt und kulturell unsensibel. Heutzutage würden sie nicht mehr toleriert werden – und das wäre richtig so. Und doch: Jedes Mal, wenn ich das Stück dirigiere – und ich glaube, vielen Zuhörern geht es genauso –, fühle ich mich erhoben und auf einer zutiefst menschlichen Ebene berührt. Es steckt etwas Universelles und Wichtiges in dieser Geschichte, das uns alle anspricht. Ich bin mittlerweile an dem Punkt, dass ich mich den Forderungen, die Oper abzusetzen, klar widersetze. »Porgy and Bess« ist ein geniales Werk. Ja, geschrieben von Autoren, deren Weltsicht bedauer­ lich unterentwickelt war – aber dennoch wert, aufge­ führt zu werden. Unabdingbar für mich ist eine offene und schonungslose Diskussion, die die Aufführungen begleitet. Wir müssen uns den Rassenfragen stellen und die Kontroverse nutzen: als Gelegenheit zu lernen. Und wir sollten weiterhin die unglaubliche künstlerische Leistung würdigen, die »Porgy and Bess« darstellt.

GOLDA SCHULTZ: DARSTELLERIN CLARA

Müssen wir uns diese Frage nicht bei den meisten klassi­ schen Opern stellen? In vielen beliebten Werken gehört Frauenfeindlichkeit zum traurigen Alltag, und dennoch werden sie immer wieder aufgeführt – allerdings auch kontextualisiert. Ebenso sollten wir »Porgy und Bess« in den richtigen Zu­ sammenhang setzen. Liebe Intendanten, nehmen Sie Opern von schwarzen Komponisten ins Programm auf: »Champion« von Terence Blanchard, »Treemoni­ sha« von Scott Joplin oder die Werke des Chevalier de Saint-Georges. Geben Sie Kompositionen in Auftrag, die unsere Musikgeschichte in einem aus­ gewogeneren Licht zeigen! Bilden Sie unsere Lebens­ erfahrungen in all ihrer Vielfalt ab! Lassen Sie schwar­ ze Autoren und Autorinnen über schwarze Figuren schreiben! Die wunderschöne Musik und die zeitlose Liebesgeschichte, die »Porgy und Bess« ausmachen, sollten wir weiterhin wertschätzen und genießen. Auch ihren gesellschaftlichen Beitrag müssen wir anerken­ nen: Die Oper holte den Jazz aus den verrauchten Hinterzimmern auf die große Bühne und damit auch die Menschen, denen wir diese glorreiche Kultur zu verdanken haben. Menschen, die aus ihrem Schmerz heraus etwas unendlich Wertvolles schufen – und ihrer Hoffnung eine Stimme verliehen, die noch heute ­nachhallt.

LOUISA MULLER: INSZENIERUNG

In der Oper arbeiten wir ständig mit historischen Stücken, die wir immer wieder neu interpretieren. Gerade bei Stücken wie »Porgy and Bess« müssen wir dabei mit problematischen Darstellungen von Rasse oder Geschlecht umgehen. Ich finde allerdings, dass die Frage, ob man diese Werke trotzdem zeigen darf, falsch gestellt ist. Es geht nicht darum, das Stück entweder aus falsch ver­standenem Respekt kritiklos aufzuführen oder es ganz vom Spielplan zu streichen. Stattdessen sollte man seine Schwächen offen anspre­ chen und versuchen, sie zu überwinden. Das ge­ schieht, indem wir die Charaktere nicht als Stereotype zeigen, sondern als echte Men­ schen, die eine bewegende Geschichte von Liebe, Leid und Erlösung erzählen.


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LESTER LYNCH: DARSTELLER CROWN

»Porgy and Bess« ist ein ergreifendes Stück über Liebe und den Traum von einem besseren Leben. Die Frage, wie wir mit den rassistischen Einstellungen darin heute umgehen sollen, finde ich nicht ganz fair. Gershwin wollte die Afroamerikaner feiern und die Geschichte der realen Person Samuel Smalls (Porgy) erzählen. Er hat viele Monate in Charleston verbracht, um die Kultur dort besser zu verstehen. Meiner Meinung nach muss das Problem von Rassismus nicht im Theater gelöst werden, sondern in politischen Sitzungsräumen. Systemischen Rassismus gibt es überall in Amerika. Er ist scheinbar unauflöslich mit unserer Demokratie verwachsen. Das allerdings ist nichts, was Gershwin zu verant­ worten hat, sondern ein Thema für die Regierung und die Bevölkerung von heute.

PORGY AND BESS Fr, 21.5. und Sa, 22.5.2021 Elbphilharmonie Großer Saal »Porgy and Bess«: Oper von George Gershwin (1935) nach dem Roman von DuBose Heyward

MICHAEL HUNT: KÜNSTLERISCHER LEITER CAPE TOWN OPERA

Man kommt um die Tatsache nicht herum, dass »Porgy and Bess« von Weißen geschrie­ ben wurde; allerdings waren sie keine Rassisten. Als er die Oper schrieb, lebte Gershwin in South Carolina, dem Zentrum der Gullah-Tradition. Er griff in dem Stück viele Aspekte dieser Tradition auf und machte sie zugänglich. Das Problem heutzutage ist eher eines, das auch viele Broadway-Musicals haben: Die originale Produktion wird zum Denkmal gemacht, und neue, vielleicht relevantere Interpretationen sind nicht gestattet. Unsere Verantwortung heute liegt darin, unsere Vergangenheit zu nutzen, um unsere Gegenwart zu verbessern. Veränderung passiert nur schrittweise, und das Werk auf die richtige Art zu ehren, ist eine gute Art, Black Lives Matter zu ehren.

KOLONIALISMUS ELIZABETH LLEWELLYN: ­DARSTELLERIN BESS

Die gleiche Frage könnte man auch in Bezug auf Shakespeare stellen, der wohl keine persönliche Bezie­ hung zu Schwarzen oder Juden hatte und dennoch Meisterwerke wie »Othello« oder »Der Kaufmann von Venedig« schrieb. Sollen etwa Weiße nur über Weiße schreiben, Asiaten nur über Asiaten und so weiter? Ich bin eine schwarze Frau und bin in England geboren. Daher bin ich sicher anders geprägt als viele Schwarze, die in Amerika leben. Disqualifiziert mich das schon, Bess zu singen? Für mich erzählt »Porgy and Bess« eine Geschichte über Menschen – Menschen, die in einer bestimmten Zeit lebten. Es geht um mensch­liche Themen wie Angst und Wut, Gemeinschaft und Lust, Mut und Vergebung. Betrachtet die Menschen doch einfach als Menschen, und lasst euch von dieser bewegenden Geschichte berühren.

CHAUNCEY PACKER: DARSTELLER SPORTING LIFE

Als Interpret von heute bin ich da zwiegespalten: Der Wert des Stücks liegt in seinen zutiefst mensch­ lichen Themen: Gemeinschaft, Liebe, Hoffnung. Gleichzeitig öffnet die verzerrte Darstellung einer ganzen Bevölkerungsgruppe der Diskriminierung Tür und Tor. Vielleicht ist es an der Zeit, »Porgy and Bess« mit neuen Augen zu betrachten: Warum sind Men­ schen in unserer Gesellschaft weniger wert, weil sie nicht reich und mächtig sind? Warum sind ihre Geschichten weniger relevant? Kann es uns mit Hilfe der Kunst gelingen, diese Geschichten auch zu unseren zu machen? Sollten wir ein Meisterwerk wie »Porgy and Bess« einfach aus dem Repertoire streichen – ein Werk, das uns so viel Hoffnung schenkt und zugleich Klassen­und Rassenkonflikte klar benennt? Ich sage: Nein! Lasst uns alle uns zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, um als Gesellschaft zu wachsen.


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LICHT BLICKE


Im Spiel mit Licht und Schatten, Spiegelungen und verschiedenen Farbfolien will unser Fotograf den Genius Loci der Elbphilharmonie visualisieren, die Lebendigkeit und die Energie dieses Ortes sichtbar machen. Und nicht zufällig wird in seinen atmosphärisch verdichteten, emotional aufgeladenen Aufnahmen auch augenfällig, dass Licht das eigen­t­liche Element der Fotografie und zugleich das stärkste Symbol der Hoffnung ist. FOTOS JEWGENI ROPPEL



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ZEIT

DER MEISTER

DER KREISENDEN


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Alfred Schnittkes Musik ist drei Kulturkreisen und vielen Epochen verbunden, bietet überraschende Begegnungen und trügerische Anklänge des Vertrauten. Das Musikfest widmet ihm ein Portrait. VON LUTZ LESLE

V

on der Danziger Leninwerft ausgehend, hatte sich 1980 in Polen eine Streikwelle ausgebreitet, die Anfang September die Zulassung der Gewerkschaft Solidarność erzwang. Wenige Tage danach erklang beim Festival Warschauer Herbst – der damals einzigen, von Moskau argwöhnisch beäugten Hör­ bühne zeitgenössischer Musik aus Ost und West hinter dem Eisernen Vorhang – das Violinkonzert eines Kompo­ nisten aus der Sowjetunion, der mir allenfalls namentlich bekannt war. Und dies auch nur, weil das Hamburger ­Musikverlagshaus Sikorski, das die im eigenen Land um Anerkennung ringenden russischen Komponisten in der »freien Welt« vertrat, ihn bereits als Hoffnungsträger ausgespäht hatte. Da die Reise sowjetischer Ensembles selbst in sozia­ listische Länder von bestimmten Genehmigungs­verfahren abhing, konnten die Polen von Glück sagen, dass das angekündigte Orchester des Moskauer Konservatoriums tatsächlich eintraf und ein Stück mitbrachte, das im Jahr zuvor daselbst uraufgeführt worden war: das Konzert für Violine und Kammerorchester Nr. 3 von Alfred Schnittke. Mit dem Widmungsträger Oleg Kagan als Solisten berei­ teten die Russen dem (wie ich damals schrieb) »nicht übermäßig spröden Werk, das die Sphären russisch-ortho­ doxer Kirchenmusik, deutsch-romantischer ›Waldmusik‹ und nicht-serieller Zwölftonthematik changierend zusam­ menführt«, seine begeistert aufgenommene polnische Erstaufführung. Natürlich hatten sich die Russen zur Dramaturgie des Konzertprogramms etwas gedacht: Schnittkes neuem Violinkonzert stellte man die Kammermusik Nr. 2 von

Paul Hindemith voran und beschloss den Abend mit Alban Bergs Kammerkonzert. Von eben dieser Entourage hatte sich Schnittke bei der Entwicklung seines Klangkonzepts leiten lassen. Die Programmfolge kennzeichnete also den »sowjetischen« Komponisten – 1934 geboren in Engels (damals Hauptstadt der Wolgadeutschen Unionsrepublik), der Vater aus Frankfurt am Main zugewanderter Journalist lettisch-jüdischer Abstammung, die Mutter Wolgadeutsche katholischen Glaubens – als Geisteserben deutsch-öster­ reichischer Musikkultur: kommt doch Hindemiths Kammermusik (1924) der polyphonen Satz­kunst Johann Sebastian Bachs ebenso nah wie Bergs Kammerkonzert (1923 – 1925) dem ästhetischen Selbstverständ­nis der Zweiten Wiener Schule um Arnold Schönberg. Schnittke selbst erklärte, es sei ihm vor allem um »das Gegenspiel des Tonalen und Atonalen« gegangen. Doch machte er auch andere Einflüsse geltend, einerseits die altslawische Kirchenmusik, anderseits die deutsche Romantik. In dieser Beziehungsvielfalt offenbart sich ein durchgehender Wesenszug seiner Musik: ihre »innere Programmatik« oder geistige Botschaft. Dem heterogenen kulturellen Bindegewebe seiner familiären Herkunft ent­springend, führt sie mehr oder minder kenntliche Symbole, Anspielungen, Klangcharaktere, Chiffren und Namenszeichen mit sich – Adern tönenden Meinens und Bedeutens, die Schnittkes Idee eines Zusammen­ wirkens unterschiedlicher Orte und Zeiten in ein und demselben Werk befördern. Verschiedene Arten geistlichen Gesangs verbindet er ebenso wie Tonfälle unterschied­ licher Epochen, Stilhöhen und Sozialsphären. ›


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Auch wenn er sich 1982 in Wien katholisch taufen ließ, galt ihm der Glaube mehr als alle Konfessionen. »Es gibt den glücklichen Punkt, wo sich alle treffen«, versicherte er mir. »Geht man über die Erde, so zeigen sich räumliche Widersprüche. Fliegt man über sie hin, verschwinden sie. So ist es auch mit dem Glauben.« Darum habe er in der Vierten verschiedene »Glaubens-Töne« schichtweise miteinander verbunden. So ließe sich geradezu von einer ökumenischen Sinfonie sprechen, folgerte ich unwider­ sprochen. DREIFACH HEIMATLOS

Mit John Neumeier bei Proben zu »Peer Gynt« (Staatsoper Hamburg, 1989)

DIE ÖKUMENE DER STILE

Um diese Mannigfaltigkeit zu bannen, entwickelte und kultivierte Schnittke seine polystilistische Schreibart: ein Miteinander divergenter Stilebenen, Triviales inbegriffen, ein parodistisch anmutendes Umspringen zwischen Nähe und Ferne, Höhe und Tiefe, Dichte und Auszehrung. All dem liegt die Vorstellung einer kreisenden Zeit zu­ grunde, die Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges verschmilzt. Ein Gedanke, der sich mit dem »kugelge­ staltigen« Zeitbegriff des Komponistenkollegen Bernd Alois Zimmermann (1918 – 1970) berührt. Wobei sich dessen pluralistische Technik von Schnittkes Schreibweise insofern unterscheidet, als jener mit Collage und Montage arbeitet, während dieser verschiedene Zeit- und Personal­ stile nacheinander anklingen lässt. Wie im Concerto grosso Nr. 3 aus dem fünffachen Jubiläumsjahr 1985, das ­Heinrich Schütz, Johann Sebastian Bach, Georg Friedrich Händel, Domenico Scarlatti und Alban Berg feierte. Als ich Schnittke im Oktober 1986, ein Jahr nach seinem ersten schweren Schlaganfall an der kaukasischen Schwarzmeerküste, im Hamburger Hotel »Vier Jahres­ zeiten« wiedertraf (so nobel beherbergte die Verlagsgruppe Sikorski ihren Schützling), begründete er die poly­ stilistische Anlage seiner Sinfonie Nr. 4 für Solisten und Kammerorchester mit der Absicht, die drei »Spielarten« des Christentums – das Katholische, das Orthodoxe und das Protestantische – mit dem ursprünglichen jüdi­ schen Tempelgesang zusammenzuführen. Entsprechend verknüpfte er Elemente des altrussischen »Zeichenge­ sangs«, der Gregorianik, des lutherischen Chorals und des Synagogalgesangs. Wobei es ihm darauf ankam, eher das Verbindende der liturgischen Traditionen hörbar zu machen als das Trennende.

Fragt man sich nach dem Lebensgefühl Schnittkes, so kommt einem unwillkürlich die »Weltverlorenheit« Gustav Mahlers (der auch zum Katholizismus übertrat) in den Sinn: »Ich bin dreifach heimatlos«, so Mahler, »als Böhme unter den Österreichern, als Österreicher unter den Deutschen und als Jude in der ganzen Welt.« Wiewohl drei Kulturkreisen verbunden – dem deutschen, russischen und jüdischen –, fühlte sich auch Schnittke in tiefster Seele heimatlos: »Das unberechtigte Mitempfinden ist mein Schicksal – nirgends habe ich ein natürliches Heimatrecht.« Als der Dirigent Gerd Albrecht in einem Gesprächskonzert das »endlose Adagio« in Schnittkes Epilogmusik zu John Neumeiers Ballett »Peer Gynt« würdigte und den Komponisten mit der Wendung »Herr Schnittke, Sie als Russe …« anredete, bekam er zu ­hören: »Ich bin kein Russe. Ich bin ein heimatloser Jude, ein jüdischer Niemand.« So wundert es nicht, dass Schnittke Mahlers Tonwelt als wesensverwandt empfand. Ihre Anspielungen, ihre unerwarteten Brüche, Umwege und Mehrdeutigkeiten, ihre Aufbrüche materialer Einheit sowie die irritierende Nachbarschaft von Tragik und Trivialität finden sich gleichermaßen bei ihm. »Von allen Komponisten der ver­ gangenen Epochen spüre ich die engste Verwandtschaft mit Mahler«, äußerte er im Rückblick auf seine »Jahre der Unbekanntheit«. Neben dem deutschen Erbteil, flankiert von Bach und Mahler, zeigen sich in Schnittkes Musik aber auch Spuren seiner russischen Umwelt – nicht zuletzt in Reminiszenzen an Dmitri Schostakowitsch, der gespal­ tenen Vaterfigur vieler unbotmäßiger Tonkünstler im Sowjetstaat, und dessen Hang zur motorisch verzerrten Groteske. Zu Bach und Schostakowitsch bekannte sich Schnittke ganz ausdrücklich, indem er etlichen seiner Werke die Ton-Monogramme B-A-C-H und D-Es-C-H einprägte. DIE ZÜCHTUNG VON ZWITTERN

Ein halbes Jahr nach unserem Gespräch an der Binnen­ alster weilte Schnittke abermals in Hamburg, um der Einstudierung des Balletts »Peer Gynt« und seiner Ballett­ musik beizuwohnen. Am Rande der Proben brachte ich das Gespräch auf die Erfahrungen seiner jungen Jahre, als es, eingeschnürt in ästhetische Reglements, schier ums Überleben ging. Damals habe er viel Filmmusik ›


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»Das unberechtigte Mitempfinden ist mein Schicksal – nirgends habe ich ein natürliches Heimatrecht.«

Vor sowjetischen Theaterplakaten (um 1982)

Mit Mstislav Rostropowitsch und seiner Frau Irina (Amsterdam 1992)

Mit Studenten in der Hamburger Musikhochschule (1990)


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»Von allen Komponisten der Vergangenheit spüre ich die engste Verwandtschaft mit Mahler.«

geschrieben, erinnerte er sich, und mit so bekannten Regisseuren wie Alexander Mitta, Larissa Schepitko oder Elem Klimow zusammengearbeitet. »Aus Not, gewiss.« Doch habe das durchaus sein Gutes gehabt, »sah ich mich doch genötigt, vom hohen Ross meiner anfänglichen Doktrin herunterzusteigen«: Musik, so hatte er einst gemeint, dürfe sich nicht mit (über sie hinausweisenden) Inhalten einlassen, Tonfälle unterschiedlicher Zeiten und Weltgegenden aufnehmen, gar mit »niederen Idiomen« beflecken. Inzwischen sei für ihn aber sogar die Grenze zwischen religiöser und weltlicher Musik fließend. So wie etwa in der Sinfonie Nr. 2 für Kammerchor und Orchester von 1979: »Sie ist zugleich eine Messe. Zwei verschiedene Klangebenen treffen sich gewissermaßen in einer gemeinsamen Mission. Die Messe-Musik ist zitiert, da stammt jeder Ton aus dem gregorianischen Repertoire.« Zur Idee dieser Sinfonie, deren Beiname auf die Kirche St. Florian in Linz (die geistliche Wiege Anton Bruckners) verweist, bemerkte Schnittke in einem späteren Gespräch: »Es ging mir um die Kopplung zweier extrem verschiede­ ner Formen: den Zusammenprall des ewigen Glaubens­ abbilds der Messe, die gleichsam schon immer da war, mit der sehr viel jüngeren, dem Wandel unterworfenen und nach neuen Gestaltungsmöglichkeiten suchenden Sinfonie. Ohne sich eigentlich zu treffen, bestehen sie gleichzeitig nebeneinander.« Da es Schnittke immer wieder reizte, Gattungszwit­ ter zu züchten, um Wechselwirkungen unterschiedlicher Formen und Klangmilieus in ein und demselben Stück zu erzeugen, fällt es manchmal schwer, ein Werk einhellig einem Genre zuzuordnen. So ließen sich fast alle Concerti grossi auch als Instrumentalkonzerte ansprechen. Im Concerto grosso Nr. 1 (1977) spielen der Cembalist, der Pianist und die beiden Geiger eine Doppelrolle, indem sie als Konzertsolisten wie auch »gruppenführend« auf­ treten. Das Concerto grosso Nr. 5 (1991) wirkt wie ein veritables Violinkonzert. Das Concerto grosso Nr. 6 (1993) gibt sich im ersten Satz als Klavierkonzert, im zweiten Satz als Violinkonzert und im dritten Satz als Doppel­ konzert für Violine und Klavier. Das Concerto grosso Nr. 4 (1988) bezeichnete Schnittke zugleich als Sinfonie Nr. 5: »Das Stück beginnt als Concerto grosso und endet als Sinfonie.« DAS GEFÜHL DES JAHRHUNDERTS

Für immer unvergesslich ist mir die große Retrospektive, die das Stockholmer Konzerthaus Alfred Schnittke im Oktober 1989 ausrichtete, und während der buchstäblich alles Kopf stand, was in der schwedischen Metropole einen Hörsinn besaß für eine mit erheblichen »Unterwas­ serteilen« ausgerüstete Musik (wie Schnittke sie nannte). Niemand hätte sich einen derartigen Publikumserfolg träumen lassen: An zehn Tagen mehr als vierzig Werkauf­ führungen und jeden Tag mehr Publikum – da blühten die Spekulationen über die musikalischen Verführungs­ strategien eines Komponisten, der (sichtbar vom Schlag­ anfall gezeichnet) als Leidensmann, gerührt, ungläubig


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fast, die Ehrerbietungen, um nicht zu sagen Liebeser­ klärungen der Stockholmer entgegennahm. Und selbst der konservativste Konzerthörer ahnte: Im Werden und Vergehen des Musikstroms, im Wechsel stilistischer Höhenlagen, im trügerischen, oft sehnsuchtsvoll-schwer­ mütigen Anklang vertrauter Töne brach sich das Daseins­ gefühl des zu Ende gehenden Jahrhunderts. FIEBERHAFTER SCHAFFENSDRUCK

In den letzten acht Jahren seines Lebens, die er unter den Fittichen des Verlagsimperiums Sikorski in Hamburg zu­brachte, stand Alfred Schnittke unter enormem Schaffens­­druck (der ihm für seinen Lehrauftrag an der Musikhochschule kaum Zeit ließ). Mitten in der Arbeit an seiner ersten Oper »Leben mit einem Idioten«, die sich zwischen die wieder aufgenommene Beschäftigung mit der Faust-Figur schob, während ihn die Wiener Staatsoper auch noch mit einem Bühnenprojekt über den Renais­ sance­komponisten Gesualdo da Venosa bedrängte, streckte ihn im Sommer 1991 ein zweiter schwerer Gehirnschlag nieder. Wieder gelang es, den Patienten zu retten. In der Hansestadt (die ihn 1992 mit dem Bach-Preis ehrte türmte er in fieberhaft gesteigertem Schaffenstempo zwischen Herbst 1991 und Frühjahr 1994 ein schierun­glaub­liches Spätwerk von mehr als zwei Dutzend Kompositionen auf, darunter drei Opern und drei Sinfonien (die Nummern 6 bis 8), acht Orchesterwerke (darunter das Concerto grosso Nr. 6), Kammermusik, Chöre und Lieder. Dann ereilten ihn ein dritter und vierter Schlaganfall. Von den drei Opern war einzig der ersten, »Leben mit einem Idioten« nach einer grotesk-absurden Erzählung von Viktor Jerofejew (UA Amsterdam 1992), ein durch­ schlagender Erfolg beschieden. Schnittkes Stilgemenge überzieht wie eine zweite Haut die verkappte Lenin-Satire, in der eine »Kommunalka« (Wohn- und Wahngemein­ schaft der Sowjetzeit) einen Schwachsinnigen aufnimmt, der sich als mordender Dämon entpuppt. Das Opern­ projekt über den Eifersuchtsmörder und chromatisch zerknirschten Madrigalkomponisten »Gesualdo« (UA Wien 1995) stand von vornherein unter einem Unstern. Zwar fesselte Schnittke das Sujet – die Verstrickung des Künst­ lers mit dem Bösen –, doch kam es immer wieder zu Un­ stimmigkeiten mit dem Librettisten. Trotz Ergänzungen von fremder Hand wirkt die Partitur ziemlich leergefegt. Eher einem Flickenteppich ähnelt die »Historia« des Zauberers und Schwarzkünstlers Johann Faust, der sich dem Teufel verschrieb (UA Hamburg 1995, Dirigent Gerd Albrecht), wiewohl das Libretto hautnah am alt­ deutschen Textoriginal, dem Volksbuch von Johann Spies (1587), bleibt und der Musik mehr Möglichkeiten »moralischer« Schattierung gibt als die Gesualdo-Vor­ lage. Sei es der langen künstlerischen Inkubationszeit geschuldet oder dem körperlichen Verfall des Komponis­ ten – »so richtig los« geht die Oper erst im dritten Akt, dem er seine Faust-Kantate »Seid nüchtern und wachet …« von 1983 einfügte.

Am 3. August 1998 gab sein zerrütteter Körper auf. Obwohl er Bundesbürger und Katholik geworden war, wurde Schnittke nach Moskau überführt, in einer ­russisch-orthodoxen Kirche aufgebahrt und auf dem Prominentenfriedhof am Neujungfrauen-Kloster bei­ gesetzt. Nach seinem Hinscheiden wurde es allmählich still um ihn und sein Vermächtnis. Höchste Zeit für ein Wiederhören. Und eine Neueinschätzung seines Lebenswerks.

LUTZ LESLE, 1934 in Cuxhaven geboren, lebt als Musikwissenschaftler, Autor und Publizist in Ahrensburg.

KLAVIERWERKE Mi, 5.5.2021 Elbphilharmonie Kleiner Saal Alexander Melnikow (Klavier) Alfred Schnittke: Impro­visation und Fuge, Sonate Nr. 3, Fünf Aphorismen für Klavier, Drei Fragmente für Cembalo sowie Werke von Gubaidulina, Denisov und Tchemberdji KLAVIERKONZERT Do, 6.5.2021 Elbphilharmonie Großer Saal Russische National­ philharmonie, Vladimir Spivakov Ivan Bessonov (Klavier) Alfred Schnittke: Konzert für Klavier und Streich­orchester sowie Werke von Kancheli und Schostakowitsch ORCHESTER Di, 11.5.2021 Elbphilharmonie Großer Saal MDR-Sinfonieorchester, Dennis Russell Davies Thomas Hampson (Bariton) Alfred Schnittke: Trio (bearb. für Streichorchester von Yuri Bashmet) sowie Werke von Adams und Schubert / Berio

KAMMERMUSIK Fr, 14.5.2021 Elbphilharmonie Kleiner Saal Karol Szymanowski Quartet Michail Lifits (Klavier) Alfred Schnittke: Streichquartett Nr. 3, Suite im alten Stil, Klavierquartett nach einem Fragment Gustav Mahlers, Klavierquintett sowie Mahlers Klavier­ quartettsatz a-Moll FAUST-KANTATE Sa, 15.5.2021 Elbphilharmonie Großer Saal Symphoniker Hamburg, Sylvain Cambreling Tora Augestad (Mezzosopran) Akiko Suwanai (Violine) Alfred Schnittke: Seid nüchtern und wachet /Historia von Dr. Johann Fausten sowie ein Violinkonzert von Lampson


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­ AS SIE NOCH ­ W ­SAGEN WILL Das Publikum liebt Elˉna Garanč a für den großen Auftritt. Nun beschreitet die lettische Mezzosopranistin neue musikalische Wege – in der intimsten Form des Kommunizierens. VON SIMON CHLOSTA

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en größten Erfolg haben die höchsten Noten – so lautet ein ungeschriebenes Gesetz der Klassik­ branche. Deswegen bringt gerade die Geige Stars vom Schlage einer Anne-Sophie Mutter hervor, verdienen Sopranistinnen wie Anna Netrebko die höchsten Gagen, sind Tenöre berühmter als Bässe. Das liegt wohl am Glanz und an der Brillanz der hohen Töne, die wiederum auf ihre Interpreten abfärben. Und natür­ lich am Repertoire, das für diese Lage schlicht am meisten bereithält.

Garanča hat es geschafft, ein ungeschriebenes Gesetz der Klassikbranche auszuhebeln. Eine, die es geschafft hat, dieses Gesetz auszuhebeln, ist Elˉna Garanč a. Ihr Name fällt in einem Atemzug mit glamourösen Opernstars wie Jonas Kaufmann oder eben Anna Netrebko, und wenn sie auf dem Besetzungszettel steht, kommt das Publikum allein ihretwegen. Das ist für eine Mezzosopranistin, für die in der Oper meist nur die Rolle der »Seconda Donna« vorgesehen ist, schon sehr außergewöhnlich. »Ich sehe meine Erfolge als die Früchte meiner harten Arbeit«, beschreibt es die Sängerin selbst in ihrer Biografie »Zwischen den Welten«. Der Titel ist eine An­ spielung auf ihre Herkunft, denn aufgewachsen ist ­­Elˉna Garanč a gewissermaßen zwischen Kunst und Kuhstall. Als Tochter eines Chordirigenten und einer Gesangs­ lehrerin wird sie 1976 im lettischen Riga geboren. Neben

dem musikalischen Elternhaus prägt sie vor allem der Bauernhof ihrer Großeltern, wo sie an den Wochenenden zusammen mit ihrem Bruder den Stall ausmistet, die Schweine füttert und beweist, dass sie anpacken kann. Noch heute bezeichnet sie sich augenzwinkernd als die »beste melkende Sängerin«. Die Kühe legen denn auch den Grundstein zu Garanč as Bühnenkarriere: »Ich habe ihnen kleine Dialoge oder Lieder vorgespielt, die ich in Riga im Theater gehört hatte. Sie waren mein erstes Publikum.« Zunächst strebt Garanč a an, Schauspielerin zu werden. Als das nicht klappt, denkt sie über das Musical nach, ehe sie sich doch für den klassischen Gesang entscheidet – anfangs gegen den Rat ihrer Mutter, die später an der lettischen Musik­ akademie zu ihrer strengen Gesangslehrerin wird. »Viel­ leicht aber haben mich gerade diese Zweifel angespornt, meine Sängerkarriere doch nicht aufzugeben. Es war dieses ›trotzdem‹, das mich antrieb.« Ihren Werdegang bezeichnet Garanč a heute als »eine Perlenkette, bei der ich eine Perle nach der anderen mit Sorgsamkeit und viel Ehrgeiz aufgefädelt habe«. Und in der Tat: Nach dem Studium erhält sie 1998 ihre erste Fest­ anstellung am Staatstheater im thüringischen Meiningen, von wo aus sie vier Jahre später nach Frankfurt am Main wechselt. 2003 wird sie in das Ensemble der Wiener Staatsoper aufgenommen und tritt bei den Salzburger Festspielen auf. Dort schafft sie ausgerechnet in der wenig glamourösen Hosenrolle des Annio in Mozarts »La clemenza di Tito« den Durchbruch und überzeugt mit Kurzhaarperücke und starker Stimme. 2006 unterzeichnet sie einen Exklusivvertrag mit dem Label Deutsche Grammophon und wird ein Jahr später bei der Echo-­ Klassik-Verleihung erstmals zur besten Sängerin gekürt. ›


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Spätestens von nun an stehen ihr sämtliche Türen offen: Garanč a wird zum Dauergast auf den großen Bühnen in London, Paris und New York, wo sie besonders mit ihrer ausdrucksstarken Interpretation der Carmen brilliert, die zu ihrer Paraderolle wird. Heute ist Elˉna Garanč a in ihrer Stimmlage nahezu konkurrenzlos. Ihr Timbre wird oft als warm und edel beschrieben, als kraftvoll und klar. Zackige Koloraturen sind nicht ihre Sache, stattdessen liegen ihr besonders die großen Bögen, was sie von einer Stimmakrobatin wie Cecilia Bartoli – ebenfalls Mezzo – deutlich unterscheidet. Auch ihre Erscheinung ist ein andere, sie wirkt oft kon­ trolliert und ein wenig distanziert. Manche unterstellen ihr eine gewisse nordische Kühle, doch das täuscht. Sie selbst sagt von sich, dass sie bei Auftritten nur eine professionelle Maske trage. »Das ist gewissermaßen mein Markenzei­ chen. Eigentlich bin ich aber sehr schüchtern, auch wenn die Leute das nicht glauben. Und man darf nicht verges­ sen: Auf der Bühne bin ich mit hohen Schuhen 1,82 Meter groß, also kein kleines Mädchen, das über die Bühne hüpft. Vielleicht wirkt das auf manche eben wie eine aristo­ kratisch-elegante Distanz.« Abseits des Konzertgeschehens hat sie jedoch nichts von ihrer Bodenständigkeit verloren, und wie in Kindheits­ tagen sucht sie noch immer die Natur – zum Beispiel an ihrem Zweitwohnsitz in Málaga, wo sie zusammen mit ihrem Ehemann, dem Dirigenten Mark Chichon, und den beiden Töchtern die Hälfte des Jahres verbringt und im Garten Gemüse anbaut.

sich darauf Liedern von Johannes Brahms und Robert Schumann, die sie seit ihrer Kindheit begleiten. »Ich war bisher aber noch nie richtig bereit, sie auch aufzuneh­ men. Ich habe die deutsche Liedtradition ja nicht im Blut, aber gerade in der aktuellen Corona-Situation, in der dieses ganze wahnsinnige Getriebe auf null herunter­ gefahren ist, lernen wir uns selbst neu kennen. Und so kam die Idee: Das Lied muss jetzt einfach in die Welt hin­ausgeschickt werden.« Nun präsentiert sie mit ihrem Klavierbegleiter Malcolm Martineau noch weitere Facetten ihres Reper­ toires in dieser »intimsten Form des Kommunizierens«, wie Garanč a den Liederabend nennt: mit Werken von Richard Strauss und Sergej Rachmaninow. Und sie ergänzt diese um einige spanische Lieder und Zarzuelas, der spanischen Form der Operette – als Hommage an ihre zweite Heimat und um sich auch einmal von einer eher leichten Seite zu zeigen. Und noch auf eine weitere Premiere bereitet sich Garanč a derzeit vor: An der Wiener Staatsoper, ihrem einstigen Stammhaus, steht ihr szenisches Wagner-Debüt bevor. Im Musikdrama »Parsifal« wird sie neben Jonas Kaufmann in der Titelrolle die geheimnisvolle Kundry verkörpern. Deren Part kommt nicht nur stimmlich einem Marathon gleich; auch darstellerisch fordert die komplexe Figur viel: erst als Verführerin, dann als Ver­ fluchte und am Ende als Erlöste. Eine interessante Herausforderung für Garanč a: »Ich versuche, in meinen Interpretationen nie an der Oberfläche der Figur zu bleiben, sondern Fantasien zu entwickeln. Das gilt auch für die Carmen, die nicht unbedingt ein Vamp und eine Verführerin sein muss. So wie Kundry, bei der ja auch große Verzweiflung im Spiel ist.« Für die Sängerin ist der Schritt wohlüberlegt und soll – vorerst – einmalig bleiben, denn: »Wenn ich mich jetzt vollkommen auf Wagner einlasse, bin ich in zehn Jahren erledigt. Nicht stimmlich, sondern was mein anderes Repertoire betrifft. Es gibt im französi­ schen und italienischen Fach viel, was ich noch machen will. Und einmal Kundry, immer Kundry!« Vorerst muss man sich also noch nicht von Garanč as geschmei­ diger Stimme verabschieden, ob in der Oper oder im Lied. Wenn das vom Lockdown ausgebremste Konzert­ leben doch nur endlich wieder weiterginge: »Ich kann nicht nur fürs Mikrofon singen, ich brauche das Publi­ kum.«

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un, mit Mitte 40, betritt Garanč a noch einmal musikalisches Neuland – und das gleich in doppelter Hinsicht. »Ein Großteil meiner Karriere ist schon vorbei«, gesteht sie sich ein, »und deswegen überlegt man sich: Wohin mit mir selbst, wohin mit meiner Stimme, was will ich noch sagen?« So war es durchaus eine kleine Über­ raschung, als sie im vergangenen Herbst ihr erstes Lieder­ album präsentierte. In perfektem Deutsch, das sie seit den frühen Meininger Tagen beherrscht, widmet sie

LIEDERABEND So, 9.5.2021 Elbphilharmonie Großer Saal El ̄ na Garanča (Mezzosopran) Malcolm Martineau (Klavier) Lieder von Rachmaninow und Strauss sowie spanische Lieder und Zarzuelas


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Glosse

­HOFFMA’! ­ anchmal merken wir gar nicht, M ­wie die großen, edlen Gefühle in ­Wahrheit das Schmiermittel unserer ­banalsten Alltagshandlungen sind. ­V ON TILL RAETHER ­ILLUSTRATION NADINE REDLICH


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as Einzige, was mich an der Hoffnung stört, ist, wie sie ständig zu etwas Außergewöhnlichem, etwas Erhabenem verklärt wird. Ich glaube, es liegt an diesem alten Cicero-Zitat: »Die Hoff­ nung stirbt zuletzt.« Zwar ist dieser Satz so verbreitet, dass ihn auch der Kunde sagt, der auf die Frage »Haben Sie Kleingeld?« in seiner Geldbörse nach 47 Cent gräbt. Oder die Schuhverkäuferin, die ich frage, ob sie den Schuh hinten vielleicht noch in 45 hat. Aber es schwingt dabei immer mit, dass die Hoffnung zu den letzten Dingen gehört, dass sie die letzte Reserve ist, etwas, das wir nur mobilisieren, wenn alle anderen Ressourcen erschöpft sind. Dabei wird aber völlig übersehen, wie sehr die Hoff­ nung unseren banalsten Alltag zusammenhält, und dass im Grunde alles, was wir tun, auf Hoffnung beruht. Zum Beispiel, wenn man eine der einfachsten und häufigsten menschlichen Interaktionen betrachtet, die zwischen einer pünktlichen und einer unpünktlichen Freundin, die sich verabreden. Die pünktliche Freundin trifft zum vereinbarten Zeitpunkt am Treffpunkt ein, weil sie wider besseres Wissen hofft, dass die Unpünktliche diesmal womöglich doch pünktlich ist. Die Unpünktliche lebt sogar noch mehr von der Hoffnung: Sie bricht zwar zu spät auf, hofft aber, dass sie durch ein Wunder für den Zwanzig-Minuten-Weg diesmal nur zehn braucht, oder dass die Pünktliche sich heute zum ersten Mal im Leben verspätet, oder dass die Pünktliche ihr die Verspätung auch heute wieder verzeihen und die Verabredung nicht platzen lassen wird. Bevor die beiden also einander in die Arme schließen, ist bereits eine unglaubliche Menge Hoffnung eingesetzt worden (diese Anekdote spielt in einem fiktiven Universum, in dem eng verbundene Men­ schen einander bei der Begegnung kurz mit den Ober­ körpern und Armen berühren). Tatsächlich ist fast jede Unternehmung in einer Großstadt nur möglich, wenn man jedes Mal aufs Neue sehr viel Hoffnung aufbringt. Wer sich an eine Bushalte­ stelle etwa in Hamburg stellt, tut dies in der Hoffnung, der Bus käme in etwa zur angegebenen Zeit. Peter Fox hat das unsterbliche Couplet gesungen »Frühschicht schweigt, jeder bleibt für sich / Frust kommt auf, denn der Bus kommt nicht«: Frustration entsteht, wenn ­Hoffnung enttäuscht wird. Und trotzdem stellt man sich das nächste Mal wieder an die Bushaltestelle und hofft, dass es diesmal anders ist. Falls die Hoffnung sich erfüllt, löst sie sich, statt positiv nachzuhallen, leider sofort in ein blitzartiges »Na also« auf. Wohingegen man emotional

länger davon zehrt, wenn man mit zu früh aufgezogener Maske eine Viertelstunde länger als geplant im Regen steht. Noch unmittelbarer lässt sich das Prinzip Alltags­ hoffnung bei der Parkplatzsuche erfahren. Jeder, der in Hamburg mit dem Auto aufbricht und dieses am Zielort nicht in einem Parkhaus oder auf einem Firmenpark­ platz oder im Carport der Schwiegereltern abstellen kann, hofft schon beim Aufbruch inständig und gegen jede, wirklich jede Vernunft, am Ende der Fahrt einen Parkplatz zu finden. Nichts spricht dafür. Außer, dass am Zielort sehr viele andere Menschen offensichtlich bereits einen Parkplatz gefunden haben. Deren Hoffnung hat sich erfüllt, man sieht es daran, dass es keinen freien Parkplatz mehr gibt. Niemand aber kehrt nun um und sagt: »Oh weh, meine Hoffnung wurde enttäuscht«; vielmehr wird die Hoffnung wie von selbst immer stärker, mit jeder Runde um den Block, mit jeder weiteren Radius-Erweite­ rung. Am Ende, wenn der Wagen dann endlich halb auf den Wurzeln eines Straßenbaumes, halb vor einer Einfahrt und einen Kilometer von der Verabredung entfernt steht, hat man diesen Parkplatz nicht gefunden, sondern die Hoffnung hat ihn erzwungen. Aber niemand sagt beim Aussteigen: »Oh, meine Hoffnung wurde erfüllt, wie schön ist es, am Leben und ein Pkw-Halter zu sein«; man sagt nur: »In dieser Gegend findet man keinen Parkplatz.« Im Grunde ein Verrat an der kleinen, großen Hoffnung.

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or drei, vier Jahren flammte im norddeutschen Raum kurz ein Jugendwort auf, das philosophisch viel­ leicht zu komplex war, um sich auf die Dauer durchzu­ setzen. Kinder der Mittelstufe an Altonaer Schulen fingen an, einander statt »Da kannst du lange warten« oder »Das glaubst du wohl selber nicht« knapp zu sagen: »Hoffma’.« Die Wendung ist zwar einerseits abwertend (»Du willst mir erzählen, deine Eltern lassen dich am Wochenende eine Party machen? Hoffma’!«). Andererseits führt sie bei aller Ironie die Dinge doch auf ihren Kern: Ohne Hoffma’ geht einfach gar nichts, keine menschliche Begegnung, kein Weg durch die Stadt, keine Party. Und wenn wir morgens aufstehen, ist es, ob wir es merken oder nicht, immer das Erste, was wir zu uns selber sagen: Hoffma’. Vielleicht gelingt es mir, das in meiner Ü-40-Welt vom ironischen Kinderwort zur lieb ge­mein­ ten Anfeuerung umzuwidmen. Wundert euch nicht, wenn euch das demnächst einer nachruft, das bin dann ich.

TILL RAETHER, 1969 in Koblenz geboren, arbeitet als freier Journalist und Autor in Hamburg, u. a. für das »SZ-Magazin« und die »Brigitte«Gruppe. Er wuchs in Berlin auf, besuchte die Deutsche Journalistenschule in München und studierte Amerikanistik und Geschichte in Berlin und New Orleans. Seine Kriminalromane um Kommissar Adam Danowski (erschienen bei Rowohlt) spielen in Hamburg.


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I­ M ANFANG WAR ­DAS GEWÜRZ ­ as portugiesische Ensemble Sete Lágrimas D ­folgt mit seinem Programm »Das letzte Schiff« ­dem Seefahrer Ferdinand Magellan bei de­r ­ersten Weltumseglung. ­V ON REGINE MÜLLER


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ie Weltgeschichte ist eng verknüpft mit der Geschichte der Entdeckungen. Zu allen Zeiten sind Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen in unbekannte Gefilde aufgebrochen, mal wurden sie vertrieben, mal fanden sie neue Wege für ihre Waren, mal wollten sie ihre Religion verbreiten, ihre Macht ausdehnen. Oder sie suchten in fernen Ländern nach begehrten Rohstoffen und exotischen Kostbarkeiten. Die mehr oder weniger freiwilligen Begeg­ nungen einander fremder Völker und Kulturen durch solche Exkursionen hatten weitreichende Folgen, denn die neuen Erfahrungen beeinflussten und veränderten beide Seiten: Entdecker und Entdeckte. Und zwar nicht nur deren Speisepläne und soziale Gepflogenheiten, sondern auch kulturelle Äußerungen und Rituale wie Tanz, Musik, Literatur, Theater und bildende Kunst. Phänomene der seit Jahrtausenden andauernden kulturellen Durchmischung, der daraus erwachsenden gegenseitigen Inspiration und fruchtbaren Integration sind immer wieder als Nachweis der einenden und bereichern­ den Kraft von durchlässigen Kulturtechniken bewertet worden, als Beschleuniger der Modernisierung durch fremde Einflüsse. Labels wie »Schmelztiegel der Kulturen« gelten als Gütesiegel besonders vielfältiger Lebenswelten und Kulturszenen. Im Zuge des postkolonialen Diskurses, der auf der Debatten-Agenda gegenwärtig weit oben steht, melden sich jedoch auch kritische Stimmen zu Wort, die den Kulturtransfer nicht als fröhliche und absichtslose Durch­ mischung verstehen, sondern von »kultureller Aneignung« (»cultural appropriation«) sprechen. Diese Kritik an als dominant bezeichneten Kulturen, die sich kulturelle Er­ rungenschaften von Minderheiten aneignen, verweist auf den unbestreitbaren Gewaltzusammenhang jeder Form von entdeckenden Eroberungen, der bis in die unmittel­ bare Gegenwart nachhallt (siehe Seite 22). Tatsächlich sind oft schon die treibenden Kräfte für Entdeckungen ambivalent – wie bei jenem Abenteuer, zu dem am 10. August 1519 der Portugiese Fernão de Magalhães, besser bekannt als Ferdinand Magellan, in Diensten der spanischen Flotte aufbrach. Denn es war keineswegs nur Magellans heroischer Mut, mit der ersten Weltumrundung das Dogma des ptolemäischen Welt­ bildes zu widerlegen, der die Flotte auf ihren riskanten Kurs brachte. Der Beweis, dass die Erde eine Kugel ist, war nur ein Nebeneffekt von Magellans Reise, die eigent­ lich einem handfesten ökonomischen Ziel folgte: Man wollte einen westlichen Seeweg zu den Gewürzinseln im heutigen Indonesien finden und damit das herrschende osmanische Monopol über den Gewürzhandel brechen. In der Frühen Neuzeit wurden Pfeffer, Muskat und Nelken mit Gold aufgewogen. Ferdinand Magellan entdeckt die Meerenge zwischen Atlantik und Pazifik, die später seinen Namen tragen wird.

Sérgio Peixoto und Filipe Faria erforschen die Musik aller Länder, die seit dem 15. Jahrhundert Kontakt mit Portugal hatten. Der Schriftsteller Stefan Zweig hat diesen Zusammenhang in seiner Roman-Biografie »Magellan« (1938) treffend verdichtet: »Hinter den Helden jenes Zeitalters der Ent­ deckungen standen als treibende Kräfte die Händler; auch dieser erste heroische Impuls zur Welteroberung ging aus von sehr irdischen Kräften – im Anfang war das Gewürz.« Und auch wenn in Zweigs Buch die heute als rassistisch empfundenen Klischees seiner Zeit deutlich werden, schildert er doch ganz unverhohlen die Dynamik jedweder Kolonialisierung: »Die ersten portugiesischen Schiffe, die den Tejo hinabsteuerten in die unbekannte Ferne, hatten der Entdeckung gedient, die zweiten suchten noch friedlichen Handel mit den neuerschlosse­ nen Gebieten. Die dritte Flotte wird bereits kriegerisch ausgerüstet – unabänderlich (…) hebt jener dreiteilige Rhythmus an, der das ganze nun beginnende Kolonial­ zeitalter beherrschen wird.« Zweigs Magellan-Buch stützt sich auf die Aufzeich­ nungen des Schriftstellers Antonio Pigafetta, der bei ›


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der Expedition an Bord war und die mehr als drei Jahre dauernde Weltumseglung dokumentierte – eine Reise übrigens, die Magellan selbst nicht überlebte, denn er starb 1521 bei einer Auseinandersetzung mit Eingeborenen der Philippinen. Pigafettas berühmter Reisebericht – ­weitaus nüchterner und unvoreingenommener im Ton als Zweigs Roman – bildet nun den Rahmen für den musik­ literarischen Abend »Das letzte Schiff«, den das portu­ giesische Barockensemble Sete Lágrimas anlässlich von Magellans 500. Todestag kreiert.

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ieses Programm folgt Pigafettas Erzählung und der abenteuerlichen Reiseroute von Sevilla über Argentini­ en und Brasilien bis nach Indien und zu den MolukkenInseln. In Vokal- und Instrumentalstücken erforscht das Ensemble Interpretationsformeln der populären und klassischen Musik vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Das Repertoire reicht dabei vom portugiesischen Fado und iberischen Villancico über brasilianischen Chorinho und kapverdische Mornas bis hin zu traditionellen Liedern aus Timor, Macau, Indien und Brasilien. »Das letzte Schiff« ist Teil eines größeren Projekts mit dem Titel »Diaspora«, dem sich Sete Lágrimas seit 2007 widmen und das sich auf die Musik aller Länder konzent­ riert, die seit dem 15. Jahrhundert Kontakt mit Portugal hatten. »Es geht um Erinnerungen an diese Begegnungen – musikalisch, sprachlich, stilistisch –, die in der Musik dieser Länder und in Portugal überlebt haben«, sagt der Tenor und Ensembleleiter Filipe Faria. »Es geht um Phänomene der gegenseitigen Kontamination, sowohl durch den Export von Modellen, Formen und Inhalten als auch durch deren Rückkehr. Es ist ein riesiges Recher­ che-Unternehmen, das oszilliert zwischen der Heraus­ forderung pulsierender künstlerischer Freiheit und dem Respekt vor den historischen Quellen.« Faria hat das Ensemble 1999 gemeinsam mit dem Tenor Sérgio Peixoto

gegründet, und seitdem kreisen die beiden in immer neuen Bahnen um Dialoge zwischen Alter, zeitgenössi­ scher und klassischer Musik mit jahrhundertealten Traditionen. Häufig bringen sie Musiker unterschiedlichster Hintergründe zusammen, und immer wieder wagen sie einen erfrischend respektlosen Zugriff auf das musika­ lische Roh­material. »Als wir uns vor 22 Jahren erstmals im Gulbenkian-Chor in Lissabon getroffen haben, ent­ deckten wir schnell eine Reihe von stilistischen und ästhetischen Affinitäten«, erinnert sich Faria. »Die Farben unserer Stimmen waren ähnlich, ebenso unsere Musik­ geschmäcker und der Schwerpunkt im Bereich der europäischen Alten Musik. In unserem neu gegründeten Consort beschäftigten wir uns dann zunächst mit dem Repertoire der Renaissance. Doch bald schon wollten wir auch mit eigens für uns und unsere Instrumente ge­schriebenen Auftragswerken eine originelle und direkte Beziehung zu zeitgenössischen Komponisten aufbauen.« Zur »Hoffnung«, dem Motto des Internationalen Musikfests Hamburg, in dessen Rahmen Sete Lágrimas ihr Programm »Das letzte Schiff« präsentieren, sieht Faria durchaus eine enge Verbindung: »Die Reise und ihre kulturellen Begegnungen sind sowohl Schlüssel für als auch Ergebnis von Hoffnung. Die Musik all der Länder und Kulturen, die durch portugiesische Seefahrer wie Magellan in irgendeiner Form Kontakt mit Europa hatten, zeigt das: die ersten Kontakte, die Angst, aber auch die Sehnsucht und die Neugier. Glücklich und traurig zur gleichen Zeit. Die portugiesische Seele wurde zweifellos geprägt von diesen Begegnungen, von der Hoffnung auf bessere Tage und auf die Rückkehr in die Heimat, von den Klängen, Gerüchen und Geschmäckern anderer Länder – und von dieser einzigartigen Erfahrung des ›Ich sehe das zum ersten Mal‹.«

SETE LÁGRIMAS Do, 27.5.2021 Elbphilharmonie Großer Saal »Das letzte Schiff«: eine musikalische Reise von Italien über Brasilien nach Timor – in den Fußstapfen von Magellans Weltumseglung 1519–1522


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STERNE, SPUK

UND GEISTER Eine Kreuz- und Querfahrt ins Unbekannte: Robert Schumanns späte Chor- und Orchesterwerke VON ALBRECHT SELGE ILLUSTRATIONEN SIBIL BALAC


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ieben Sie Schumann? Wenn Sie mit »Ja« antworten, denken Sie sicherlich an seine Klaviermusik – ­welcher musikalische Mensch liebte nicht die »Kinderszenen« oder »Kreisleriana«! Wahr­ scheinlich fallen Ihnen auch seine Lieder ein, etwa die »Dichterliebe«. Und wenn Ihre Schumannliebe noch heißer lodert, auch die Kammermusik, allem voran das wundervolle Klavierquintett. Der Liebeskreis verengt sich, wenn man an Schu­ manns Werke für die großen Säle denkt. Gewiss, das Klavierkonzert (vielleicht das romantischste von allen) ist unverwüstlich (oder aber hinreichend verwüstet, so dass es auch schon wieder egal ist). Und dann sind da noch die vier Sinfonien, die auch ziemlich häufig gespielt werden. Womit ich, ehrlich gesagt, schon öfter gehadert habe: Wie unendlich viel verspricht etwa der magische Beginn der C-Dur-Sinfonie – aber folgt dann nicht immer wieder endloser Leerlauf? Doch es gibt ja viel mehr. Schumann hat eben nicht nur eine unermessliche Menge an Klavierstücken und Liedern geschrieben, in denen auch einiges an Spreu zu finden ist. (Seinen »Albumblättern« wollte er selbst ur­ sprünglich diesen Titel geben, wobei er gewiss poetischere Assoziationen im Sinn hatte als das, was eine digitale Datenbank als Synonyme für »Spreu« auflistet: Abfall, Hausmüll, Kehricht, für die Tonne.) Schwer zu überblicken sind auch Schumanns Werke für Orchester und Chor, zumal jene, die er in seinen letzten Jahren schuf. Insge­ samt schrieb er mehr Oratorien und Kantaten als Sinfo­ nien und Konzerte. Es sind Werke, in denen es ganz fabelhaft geistert und spukt und spiritualisiert. Und es wäre doch jammerschade, wenn diese ganze Märchenwelt für die Tonne wäre. Zeit also für einen forschen Mülltren­ nungsversuch, mit offenen Ohren und liebendem Herzen.

GEISTLICHE MÄRCHENWELTEN UND ANDERE ­B RÜCKENSPRÜNGE

Was entdeckt man da nicht alles! Etwa zwei geistliche Werke, die wir forsch ruhig einmal zu den Märchenwelten zählen können. Wer kennt schon die »Missa sacra« und das »Requiem«, die Ende 1852 entstanden? Gewiss waren diese Stücke auch Versuche Schumanns, den immer tieferen Graben zum katholischen Düsseldorfer Musik­ verein, seinem Arbeitgeber seit 1850, zu überbrücken. Aber vielleicht stand dahinter ebenso der Wunsch, den Abgrund in sich selbst mit einem beherzten Sprung in den Glauben zu überwinden? Jedenfalls waren es ganz vergebliche Versuche, an deren Ende statt beruflichem und seelischem Brückenbau der Sprung von der Ponton­ brücke stand, die Düsseldorf und Oberkassel verband: Am 10. Februar 1854 ging der psychisch kranke Kompo­ nist (bipolar gestört oder auch an den Folgen einer Syphilis-Infektion leidend) in den eiskalten Rhein – ein Suizidversuch, über dessen Details man seine Frau Clara erst nach Roberts Tod 1856 informierte.

Die Witwe bestaunte das »Requiem« – sie hatte es sich nicht von so schöner Wirkung vorgestellt. Aufgeführt wurden beide Werke erst postum. Und da bestaunte die Witwe das »Requiem«: »Ich war über das Werk ganz überrascht, denn ich hatte es mir nicht von so schöner Wirkung vorgestellt.« Musik von eigen­ar­ tiger Friedlichkeit ist dieses unbekannte »Requiem«, ohne Zerrissenheit und Jüngster-Tag-Gedonner, dafür mit einem »Dies irae«, das eher nach juchzend-bizarrem Schluckauf klingt. Die ewige Ruhe ist schon da, und sie steht in weichem Es-Dur. Mutet diese sonderbare Musik wirklich nur als etwas zwanghaft Gesuchtes an, etwas Uneigentliches? Oder ist sie im Gegenteil etwas allzu Eigentliches – nämlich Ausdruck eines flackernden Geistes, der lyrische Ruhe sucht, ja Erlösung ersehnt? Die notorische Erlösungssehnsucht des 19. Jahr­ hunderts suchte sich oft gerade nicht in religiösen Werken Ausdruck, im Gegenteil – man denke nur an Schopen­ hauer und Wagner, die die Musik in den Rang einer Religion hoben. Gerade deshalb ist es interessant, dass der verzweifelnde Romantiker Schumann, gebürtig aus protestantischem Kernland, auf der Zielgeraden ›


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oder ziellosen Ungeraden seines Schaffens ausgerechnet lateinische Kirchenmusik schuf. Hätte es für ihn nicht viel näher gelegen, in den genuin poetischen Welten zu suchen, in denen er lebenslang gewandelt war? Wobei: Eine Oper hatte Schumann ja auch einmal geschrieben, wenige Jahre zuvor, seine einzige. Auch deren Reize können sich dem offenen Ohr enthüllen – sofern man den großen Umwälzer Wagner einmal vergisst. JAMMER ODER HAMMER? EIN OPERN-FLOP, DER VIELLEICHT GAR KEINER IST

Wenn Sie diese Oper, »Genoveva«, lieben, dann lieben Sie Schumann wirklich. Und wenn Sie sie gar nicht kennen, könnten Sie sie vielleicht lieben lernen – anders als das Publikum und die Kritiker bei der Uraufführung 1850 in Leipzig, die wenig begeistert waren. Der bedeutende Schumannforscher Gerd Nauhaus hat allerdings darauf hingewiesen, dass »Genoveva« im 19. Jahrhundert durch­ aus erfolgreich aufgeführt wurde, unter anderem vom Brahms- und Wagnerfreund Hermann Levi in Karlsruhe und dem späteren Wiener Hofoperndirektor Wilhelm Jahn in Wiesbaden – was Nauhaus als Indiz dafür nimmt, dass »mittlere und kleinere Häuser damals wie heute oft weniger voreingenommen und dafür beherzter an un­ gewohnte Stücke herangehen«. Hätte Schumann alle Stoffe veropert, die er ein­ mal erwog, gäbe es aus seiner Feder »Tristan und Isolde«, »Till Eulenspiegel«, den »Korsar« nach Byron, »König Artus« und »Columbus«. Aber auch der mittelalterliche Genoveva-Sagenstoff mit Grafenliebe, hexender Amme und Geisterpantomime im Zauberspiegel war als roman­ tisches Opernsujet keine schlechte Wahl – selbst wenn die Kernhandlung heute befremdlich bis abstoßend wirkt: Eine Gräfin wird aufgrund einer Intrige zu Unrecht des Ehebruchs verdächtigt, ihr Ehemann will sie dafür töten lassen, verschont sie jedoch im letzten Moment, als er von ihrer Unschuld erfährt; im Anschluss an den gerade so vermiedenen Femizid sind beide Eheleute fürchterlich gerührt und vermählen sich erneut. Rückschlüsse auf Roberts Ehe-Ideal und das Leben mit Clara möchte man lieber nicht ziehen. Die Legende der treuen Genoveva von Brabant war damals einfach populär: Zu Schumanns Zeit hatten gerade Ludwig Tieck und Friedrich Hebbel ihre Genoveva-Dramen geschrieben, später widmeten sich noch Wagners Isolde-Muse Mathilde Wesendonck und Jacques Offenbach dem Stoff, ja selbst Marcel Proust denkt in »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« daran zurück. Da ist man verwundert, in großen Opernführern zu lesen, Schumanns Oper kranke vor allem am maladen Libretto aus eigener Feder – zumal sich der Komponist teils wörtlich bei Meister Hebbel bediente. Zugegeben, Ausrufe wie »Oh weh des Scheidens, das er tat!« über­ zeugen weniger, und auch die Verse des in den Krieg ziehenden Chors sind nicht gerade von kleistscher Kraft: »Karl Martell, Karl Martell, tapferer Hammer / Allem Heidenvolk zum Jammer!«

Rückschlüsse auf Schumanns Ehe-Ideal möchte man aus der »Genoveva« lieber nicht ziehen.

Dennoch mag das Problem eher auf der musikalischen Seite liegen. Das Werk ist durchkomponiert, dabei aber, ähnlich wie Schuberts Opern, von liedhaftem Tempera­ ment. Undramatisch ist es allerdings nicht, sondern durchaus wirkungsvoll – wenn man es nicht gerade mit dem »Lohengrin« vergleicht, der drei Monate und drei Tage später im nahen Weimar uraufgeführt wurde und auch in Brabant spielt. (Wenn wir auch Wagner gegen­ über forsch sein wollen, ist die Lohengrin-Handlung ja ebenfalls befremdlich bis abstoßend – nur dass sie sich in den wagnerschen Gesamtwahn organisch einfügt.) Und solange man nicht den Maßstab der exzessiven Bizarrerien von Hector Berlioz anlegt, bietet Schumann mit seiner schwarzmagischen Amme Margarethe eine recht schnittige Hexenmusik. Ergreifend ist auch die Szene der zum Tode verurteilten Genoveva im vierten Akt, mit starker Tendenz ins Frömmelnde – was im Angesicht des Richtschwerts verständlich ist, aber auch an Schumanns Düsseldorfer Verzweiflungsfrömmelei wenige Jahre später gemahnt. Eindringlicher noch als die Hauptfigur ist die


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düstere, dennoch von einem Tenor gesungene Gestalt des verliebten Intriganten Golo, die in der Oper als erste hervortritt – ein zutiefst Unglücklicher, dem alles hoff­ nungslos trüb erscheint und der vergebens fleht: »Frieden, zieh’ in meine Brust!« Er wirkt wie der haltlose Protagonist eines romantischen Liederzyklus, der sich in eine Ritter­ oper verirrt hat. Die Qualität der »Genoveva«-Musik packt einen unmittelbar, wenn sie unpomadig und angeschärft dargeboten wird wie vor einigen Jahren unter Nikolaus Harnoncourt in Zürich – selbst bei farblos-statischer Regie. Es dürfte kein Zufall sein, dass ein Dirigent von Harnoncourts musikalischem Temperament so emp­ fänglich war für die Reize von Schumanns randständigen Werken. Auch John Eliot Gardiner hat viele dieser Chorund Orchesterstücke eingespielt, so wie Simon Rattle mehrere Schumann-Absonderlichkeiten im Repertoire hat. Und davon gibt es noch einige. Die »Genoveva« ist nur die Spitze des romantischen Eisbergs.

matische Höhen gehoben als der irische Nationaldichter Thomas Moore, dessen Epos Schumann als Grundlage diente. Aber der schlagende Erfolg von »Das Paradies und die Peri« hängt wohl an der Schlichtheit und Eingängig­ keit des Sujets – und der Musik: Ausgerechnet dieses Werk mit seiner sanft tönenden Erlösungssuche war Schu­ manns größter Hit zu Lebzeiten, auch wenn ihm heute der Ruch der nervtötenden Schwervermittelbarkeit anhängt. Zuckelt das nicht alles in allzu friedlichem Gleichmaß lyrisch dahin? Dem stehen faszinierende Momente ent­ gegen, in denen man als Hörer den Atem anhält: Etwa wenn inmitten einer bezaubernden Naturschilderung musikalischer Stillstand eintritt – und aus dieser Leere der tödliche Atem der Pestseuche aufsteigt. Simon Rattle jedenfalls hält »Das Paradies und die Peri« für eines der bedeutendsten Chorstücke überhaupt: »The greatest masterpiece that you haven’t heard.« Etwas Geduld ist bei der ersten Annäherung aber sicher von Vorteil. ›

SCHUTZGEIST GOETHE UND EIN UNBEKANNTES ERFOLGSSTÜCK

Vielleicht passen zu einem unsteten Geist wie Schumann andere, offenere Formen doch besser als eine handfeste Oper mit Anfang, Mitte, Schluss. Berlioz hatte kurz zuvor solche fragmentarischen Zwitterwerke geschaffen, etwa »Roméo et Juliette«, worin es Chöre und Soli gibt, aber ausgerechnet die beiden Protagonisten stumm bleiben. Doch während der angeblich so literaturaffine Berlioz in seiner »Damnation de Faust« Goethes Wortlaut souve­ rän ignorierte, ist Schumanns über 16 Jahre sich hinzie­ hende Arbeit an den »Szenen aus Goethes Faust« das ­skrupulöse Dokument einer lebenslangen Goethe-Vereh­ rung. Einer Manie, die etwas von der Anrufung des Großen Schutzgeists hat. Was sind diese »Faustszenen«, die in ihrer über zwei­ stündigen Vollständigkeit erst nach Schumanns Tod ­aufgeführt wurden? Am Ende gelangt man zu einer Genre­ bestimmung wie »Konglomerat zwischen literarischer Kantate, weltlichem Oratorium und überdimensionaler Chor-Sinfonie mit Erlösungsapotheose« (wie es in einer Wiener Rezension vor ein paar Jahren hieß). Auch Schu­ mann hatte sich schon die Frage gestellt, wie solche Sachen wohl zu nennen wären. 1843 gab er seinem ähnlich gearteten Werk »Das Paradies und die Peri« die schlichte Bezeichnung »Dichtung«. Gewiss hätte er auch »Oratori­ um« sagen können, aber der Begriff war ihm zunächst widrig. Denn das Werk sei »nicht für den Betsaal, sondern für heitere Menschen« gedacht. Eine Bemerkung, die einen wiederum an die Betversuche des entsetzlich unheiteren Schumann neun Jahre später denken lässt. Der traurige orientalische Luftgeist Peri, der in drei Anläufen Einlass ins Paradies begehrt, könnte ebenso gut durch die Geisterwelt des zweiten Teils von Goethes »Faust« wuseln, mit der Schumann sich in seinen Szenen vornehmlich auseinandersetzte. Gewiss hätte der oberste Geheimgeist Goethe diese Elfe noch auf andere enig­

Der orientalische Luftgeist Peri, der Einlass ins Paradies begehrt, könnte auch durch Goethes »Faust« wuseln.


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EINE SKELETTHARFE UND ANDERE ENTDECKUNGEN

Eine Harfe aus den Knochen des Liebhabers: »Vom Pagen und der Königstochter« bietet Abgeschmacktheiten vom Feinsten.

CHORBALLADEN So, 23.5. und Mo, 24.5.2021 Elbphilharmonie Großer Saal Insula Orchestra, Accentus Choir Laurence Equilbey (Leitung) Des Sängers Fluch, Der Page und die Königstochter, Requiem für Mignon, Nachtlied GENOVEVA Sa, 29.5.2021 Elbphilharmonie Großer Saal Helsinki Baroque, Arnold Schönberg Chor, Aapo Häkkinen Genoveva DAS PARADIES UND DIE PERI ist für die Spielzeit 2021 / 22 geplant.

Die »Faustszenen«, »Peri« sowie das goldschnitt-possierli­ che »Der Rose Pilgerfahrt«, in dem ein Blümlein zum Menschen erlöst werden will, sind Schumanns längste Chorwerke. In eine wahre Schatz-(und manchmal auch Rumpel-)Kammer meint man aber zu geraten, wenn man sich durch die kürzeren Gattungsbeiträge wühlt (wobei manche Choralballade auch über eine halbe Stunde dauert). Dafür bietet ein Werk wie »Vom Pagen und der Königstochter« nach Emanuel Geibel, über den schon Thomas Mann sich eindrucksvoll mokierte, Abgeschmacktheiten vom Feinsten – etwa den Bau einer Harfe aus dem Skelett eines ermordeten Liebhabers: »Er macht aus den Fingern die Wirbel gut / Aus dem Brustbein macht er den Bügel.« Und wie populär Ludwig Uhlands »Des Sängers Fluch« einmal war, davon machen wir uns heute, da das Genre der Ballade fast nur mehr Schulstoff ist, keinen Begriff mehr. (Noch in einem der schönsten Kindheitsromane überhaupt, in Marlen Haushofers »Himmel, der nirgendwo endet« von 1966, wird die kindliche Protagonistin Meta von dieser Ballade wohlig tiefenerschauert.) Eine noch größere Hürde unseres Kulturlebens liegt aber wohl darin, dass die im 19. Jahrhundert blühende Kultur der (Männer-)Gesangsvereine, für die viele dieser Werke entstanden, untergegangen ist. Stellt man sich diesen Begegnungen im Konzertsaal, könnte man mit­ unter kopfschüttelnd dasitzen. Doch ebenso sind be­ glückende Entdeckungen möglich. Zwei der für mich schönsten Chorwerke Schumanns entstanden 1849. Das »Requiem für Mignon« ist nicht nur ein weiterer Splitter von Schumanns Goethe-Kult. Hin und her schwingen die trauernden Kinderstimmen in diesem Miniatur-Oratorium – und begegnen schließlich der anrührenden Beschwörung, aus der Verzweiflung ins Leben zurückzukehren. Schwebende, tänzelnde Musik. Kontemplativ und zugleich spannungsvoll pulsierend schließlich ist das »Nachtlied« nach Friedrich Hebbel: zwölf Verse in zwölf Minuten, aus Stille hervorgehend und in Stille zurückkehrend. Dazwischen steht die erschre­ ckende Erkenntnis des eigenen Nichts und die Flucht in den rettenden Schlaf, »den schützenden Kreis«. Verklärte Nacht liegt von Beginn an in der Luft, wenn der Chor Sterne an die Milchstraße streut. Auch Sterne sind Geister.


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­ AS BLAU IM D ­REGENBOGEN Aus der bunten Geschichte San Franciscos ­erwuchs eine der interessantesten ­ ­Jazz-Institutionen der USA. Und der größte ­Stolz des Hauses ist seine Band: ­das SFJAZZ Collective. VON TOM R. SCHULZ


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ehmen wir an, es gäbe eine Landkarte, die Städte von musikhistorischer Bedeutung in entspre­ chenden Farben kennzeichnet. In den USA müsste dann Detroit in Rostrot leuchten (wegen Motown), Minneapolis in Lila (wegen Prince), Memphis in Sandfarbe (wegen Elvis), Seattle in Lehmgrau (wegen Grunge), Nashville in Republikaner-Rot (wegen Country), New Orleans, Chicago und New York, aber auch Kansas und Philadelphia in Indigoblau (wegen Jazz). Und San Francisco? In Regenbogenfarben, natürlich. Nun sind an vielen Häusern in dieser Traumstadt am Pazifischen Ozean sowieso überall Regenbogenfahnen aufgespannt – dies aber nur zum Zeichen der hier schon viel früher als anderswo in den USA gelebten Willkommenskultur gegenüber Homosexuellen. Die Allfarbigkeit auf unserer gedachten musi­ka­ lischen Landkarte aber hätte San Francisco einem frühen popkulturellen Mythos zu verdanken: Scott McKenzie begründete ihn 1967 mit »San Francisco (Be Sure To Wear Flowers In Your Hair)«, einem sehr entspannten Lied, das er mit schmelzender Stimme zu Lagerfeuer­gitarre, Glockenspiel und leisem Sitar-Gezirpe vortrug. Wanderer, so heißt es sinngemäß im Text, wenn du nach San Fran­ cisco gehst, dann steck dir ein paar Blumen ins Haar, zum Zeichen, dass du dazugehörst oder dazugehören willst zu all den jungen Frauen und Männern im Land, die sich die Haare haben lang wachsen lassen und die, statt einer geregelten Arbeit nachzugehen, hier gemächlich durch die Straßen von Haight-Ashbury und die angrenzenden Parks ziehen, stets einen fetten, freundlichen Joint zwischen den Lippen.

Gastfreundlich verglast: das SFJAZZ Center im Herzen San Franciscos

Die Musik zum süßen Rauch inhalierten die Flower-­ Power-Fans vorzugsweise in einem Schuppen an der Geary Street, dem Fillmore West. Bis zu seiner Schließung 1971 war dieser Laden des Impresarios Bill Graham der fabelhafteste Hotspot psychedelischer Rockmusik auf Erden, das Basislager von Bands wie The Grateful Dead oder Jefferson Airplane. Das Grateful-Dead-House in der Ashbury Street, wo die Musiker der Band zeitweilig als Kommune zusammenlebten, ist bis heute ein touristisches Muss für Hippies jeden Alters. Wäre der Mythos weniger mächtig und würde die Farbgebung auf der gedachten Landkarte mehr der musikalischen Gegenwart Rechnung tragen, dann wäre über San Francisco neben dem Regenbogen auch ein starkes Indigoblau zu sehen, das weit in die Bay Area ausstrahlt. Denn in San Francisco, dieser von einer extrem launischen Erde zu einer Art gigantischen Achterbahn modellierten Stadt, steht das einzige freistehende, aus­ schließlich für den Jazz errichtete Kulturzentrum der USA. Ein dreistöckiger 64-Millionen-Dollar-Bau, finan­ ziert ohne einen Cent Staatsknete, mit einer gastfreund­ lichen Glasfassade zur Franklin Street, ebenerdig betretbar und nur ein paar Gehminuten vom Konzerthaus, der Oper und dem Konservatorium entfernt. Diesen HochkulturInstitutionen in der unmittelbaren Nachbarschaft fühlen sich die Macher von SFJAZZ (die Großschreibung von Haus und Institution sei bitte tunlichst zu beachten, mahnt die Presseabteilung vorsorglich an) deutlich stärker verbunden als dem Popkultur-Mythos von einst. Das SFJAZZ Center, 2013 eröffnet, breitet sich mit zwei Konzertsälen, Proberäumen, Administration und ›


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Heller Weinberg: Konzertsaal im Herzen des SFJAZZ Center

Das SFJAZZ Center ist die Erfüllung eines 30 Jahre lang gehegten und beharrlich verfolgten Traums.

Nebenräumen auf einer Fläche von 3.250 Quadratmetern aus und florierte wie verrückt, bis Corona kam. Das Jahresbudget von 20 Millionen Dollar erwirtschaftet man eigenen Angaben zufolge allein über Kartenerlöse (rund 140.000 pro Jahr), Spenden und Mitgliedsbeiträge – 14.000 reguläre Mitglieder hat SFJAZZ, hinzu kommen 15.000 digitale. 74 Vollzeit- und 24 Teilzeitkräfte wuppen ein komplexes Programm mit hohem Education-Anteil. 23.000 Schüler aller Altersgruppen zählt das Institut am Ort und in der Bay Area. Der größte Stolz des Hauses, auch sein wichtigstes Aushängeschild, ist eine Band: das SFJAZZ Collective.

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in Institut für Jazz in den USA, zu dem auch eine Gruppe von Musikern gehört, die den Institutsnamen trägt: Das lässt an »Jazz at Lincoln Center« in New York denken, das schon mehr als 20 Jahre existierte, ehe SFJAZZ sein eigenes Gebäude bekam. Im Lincoln Center aber belegt der Jazz als ein Angebot unter vielen nur einen bescheidenen Teil der Fläche, und bei allem Respekt vor der großen konservatorischen Leistung von Wynton Marsalis, dem Gründer und Spiritus Rector des Instituts und Leiter des jazzweltberühmten Jazz at Lincoln Center Orchestra: Das SFJAZZ Center ist die Erfüllung eines 30 Jahre lang gehegten und beharrlich verfolgten gemein­ wohlorientierten Traums eines einzelnen Aktivisten, dessen Namen außerhalb von San Francisco kein Mensch

kennt: Randall Kline. Im Übrigen hat das SFJAZZ Collective auch keinen festen Leader, sondern arbeitet als Kollektiv. In San Francisco schimmert der Regenbogen halt auch durchs Indigoblau. Randall Kline, Ende 60, aufgewachsen als jüngster von drei Brüdern in einer musisch aufgeschlossenen Familie in Neuengland, ging in den frühen Achtzigern mit seinem Kontrabass nach San Francisco, weil er sich hier auf die Aufnahmeprüfung am Berklee College of Music in Boston vorbereiten wollte. Um etwas Geld zu verdienen und aus Idealismus versuchte er sich nebenbei als JazzVeranstalter, zunächst recht glücklos. Kline blieb trotzdem an der Westküste und zog 1983 sein erstes Festival in San Francisco auf, »Jazz in the City« – zwei Konzerte an zwei Abenden mit jeweils vier stilistisch ganz unterschiedlichen Bands aus der Region. 10.000 Dollar aus einer Kulturtaxe hatte die Stadt ihm zugeschossen, 10.000 weitere Dollar kamen von einem privaten Sponsor. Das Festival wurde ein mittlerer Flop, war aber dennoch ein Anfang. Mit Beharrlichkeit, Flexibilität, Ideenreichtum und einem offensichtlich gewinnenden Wesen gelang es Kline, in den kommenden Jahren und Jahrzehnten in San Francisco zuerst sein Jazzfestival so zu etablieren, dass es zu einem der größten und wichtigsten des Landes wurde, und dazu ein GraswurzelJazzimperium aufzubauen, das mit dem SFJAZZ Center schließlich seinen eigenen, angenehm transparenten und allen zugänglichen Palast bekam. Randall Kline war es auch, der den Saxofonisten Joshua Redman beauftragte, für die Ausgabe 2004 seines SFJAZZ Festivals eine Projekt-Band zusammenzustellen – eine Band der Bandleader, die zudem Bestand haben sollte. Gestählt in etlichen Management-Strategie-Semina­ ren und Businessplan-Meetings, wusste Kline, dass es eines Alleinstellungsmerkmals bedurfte, um eine solche Band langfristig im Wettbewerb mit anderen Formationen


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zu profilieren. Sein Konzept: Jedes Jahr widmet sich das SFJAZZ Collective dem Œuvre eines Jazz-Meisters und ergänzt das Repertoire um neue, eigene Stücke. Das Oktett, das Redman gründete, bestand ein paar Jahre lang in unveränderter Besetzung. Doch auch, als das Personal zu wechseln begann, blieb die Acht als magische Zahl, und immer prägt neben Saxofonen, Trompete, Posaune und Rhythmusgruppe ein Vibrafon den Sound. Das Oktett erarbeitet weiterhin Jahr für Jahr acht Cover­ versionen, alle beteiligen sich als Arrangeure, und jeder steuert etwas Eigenes zum Bandbuch bei. So entstanden Hommagen an Ornette Coleman und John Coltrane, Thelonious Monk und Miles Davis, an Herbie Hancock und McCoy Tyner und viele andere.

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ür die aktuelle Spielzeit wollte sich das Ensemble des Songbooks von Joni Mitchell annehmen. Eigent­ lich hätten die Proben schon im vergangenen Oktober statt­finden sollen, gefolgt von den üblichen vier Gigs im SFJAZZ Center. Wegen Corona fand nichts davon statt. Nun studiert die Band, deren aktuelle Mitglieder kreuz und quer in den USA verstreut leben, notgedrungen über Kommunikationsplattformen die Stücke ein und nimmt

das Material im Frühjahr auf. Den Gesangspart über­ nimmt Lizz Wright, die mit ihrem ungemein voluminösen, tröstenden Südstaaten-Alt eine grundlegend andere Stimmfarbe ins Spiel bringt als Joni Mitchell. Ob das SFJAZZ Collective dann tatsächlich wie vorgesehen am 23. Juni mit diesem Programm in der Elbphilharmonie wird gastieren können? Jedenfalls wäre es eine Wiederkehr: Im November 2018 begeisterte das Ensemble ebendort sein Publikum mit einem Antônio Carlos Jobim gewidmeten Programm. Zu Randall Klines beträchtlichem Erstaunen zeigten sich die als so zuge­ knöpft beleumundeten Hamburger gegenüber den Klängen seines Imports aus San Francisco viel auf­ geschlossener als die kapriziösen Franzosen am Abend zuvor in der Philharmonie de Paris: »Sie haben in ­eurem grandiosen Saal sogar getanzt!«

SFJAZZ COLLECTIVE Mi, 23.6.2021 Elbphilharmonie Großer Saal Lizz Wright (vocals) »Joni Mitchell Tribute«


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WIR SIND FANS Der Sachverständige für Immobilienbewertung Heinz Lehmann und seine Frau Christine Lehmann wissen genau, warum sie sich für die Elbphilharmonie engagieren.

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einz Lehmann: Ich habe mich richtig auf dieses Interview und unser kleines Foto-Shooting im Großen Saal der Elbphilharmonie gefreut! Endlich sind wir wieder einmal hier, wenn auch nur im Rahmen unseres Termins. Unser letzter Kon­zert­ besuch liegt über ein halbes Jahr zurück – eine unvorstell­ bar lange Zeit, und unsere Sehnsucht nach Musikerlebnis­ sen ist groß. Meine Frau und ich sind dem Konzerthaus eng verbunden, wir sind von Anfang an dabei und gehören zu den ersten fünfzig Spendern der Stiftung Elbphilhar­ monie. Ein Teil unserer Motivation ist sicherlich, dass wir Nachbarn sind: Ich habe hier in der HafenCity gebaut. Mir war sofort bewusst, wie belebend sich die Elbphilhar­ monie auf dieses Viertel und die ganze Stadt auswirken würde. Und so ist es gekommen: Hamburg profitiert von diesem Gebäude, die Elbphilharmonie ist ein Besucher­ magnet, der auch viele internationale Gäste anzieht. Wir haben immer an das Projekt geglaubt, auch während der Stillstandphase haben wir noch einmal eine Zuwendung gegeben. Christine Lehmann: Mein Mann kann sehr mitreißend sein und hat mich mit seiner Begeisterung angesteckt. Während der fortgeschrittenen Bauphase schwärmte eine Bekannte, wie toll sie das Projekt findet. Zu diesem Zeit­ punkt war so mancher aufgrund der Bauverzögerungen und gestiegenen Kosten skeptisch geworden. Ich fragte sie, warum sie so ungebrochen positiv sei – und sie erzählte mir von ihrer hörgeschädigten Tochter und dass die Elbphilharmonie auch Musikprojekte für hörgeschädigte Menschen plane. Das hat mich sehr beeindruckt: Hier wird ein Projekt aufgebaut, bei dem an alle gedacht wird. Das Nebeneinander von Exklusivität und Niedrigschwel­ ligkeit gefällt mir. So ist es meinem Mann und mir ein Anliegen, dass auch Menschen, die nicht über ein so hohes Einkommen verfügen, zu erschwinglichen Preisen Konzerte besuchen können. Heinz Lehmann: Ich bin von Beruf Gutachter und habe an etlichen Elbphilharmonie-Baustellenführungen teilgenommen. Auch für die Wohnungen im Gebäude habe ich Gutachten erstellt. Wir waren 2007 bei der Grundsteinlegung dabei, einer der symbolischen Hämmer hat bei uns zu Hause einen Ehrenplatz! Drei Jahre später konnten wir am Richtfest teilnehmen, 2016 waren wir bei der Einweihung der Plaza, und der große Höhepunkt war natürlich das feierliche Eröffnungskonzert am

­­ 11. Januar 2017. Das alles sind unvergessliche Ereignisse, die für die letzten 15 Jahre prägend waren – für uns und für Hamburg. Christine Lehmann: Wir sind mittlerweile begeisterte Konzertgänger. In meinem Elternhaus wurde viel klas­ sische Musik gehört, die meisten Komponisten sagen mir etwas. Trotzdem habe ich in den letzten Jahren viel dazu gelernt. So hatte ich anfangs Vorbehalte gegenüber Zwölf­ tonmusik, heute finde ich auch dieses Genre spannend. In Gesprächen mit anderen habe ich erfahren, dass auch sie sich diese Musik er-hört haben. Ich kann jetzt nach­ vollziehen, wie sie das meinen. Es geht um Vielfalt und das Sich-Einlassen auf Neues. Wenn wir heute unsere Konzert­ auswahl treffen, gehen wir zum einen nach unseren Vor­ lieben, zum anderen wählen wir gezielt Unbekanntes aus, das uns herausfordert. Heinz Lehmann: Jedes Jahr sind für uns die Rising Stars-Konzerte gesetzt. Wir haben diese Reihe bereits besucht, als sie noch in der Laeiszhalle stattfand. Dieses Jahr konnten wir sie zumindest im Konzert-Stream anschauen (verfügbar bis 31.1.2022, Anm.). Es ist immer wieder eine tolle Gelegenheit, außergewöhnliche Nach­ wuchskünstler, die »Stars von morgen«, kennenzulernen. Christine Lehmann: In der Elbphilharmonie sind wir auch zu großen Fans und Förderern der Orgelmusik geworden. Wir sind begeistert von diesem Instrument und von der Titularorganistin Iveta Apkalna. Sie ist so mitreißend und charmant, ihre Begeisterung überträgt sich sofort auch auf uns. Heinz Lehmann: Wir haben eine große Affinität zur HafenCity, auch mein Büro ist nur einen Steinwurf von der Elbphilharmonie entfernt. Während des Lockdowns haben wir im Innenhof mehrere Kammerkonzerte veranstaltet, die Anwohner konnten am Fenster oder auf ihren Balko­ nen zuhören. Obwohl es immer dunkler und kälter wurde, wollten die Musiker gar nicht mehr aufhören, so sehr haben sie es genossen, endlich wieder vor Publikum zu spielen. Christine Lehmann: Ich spiele Klarinette und habe mit einer Freundin »Balkonkonzerte« gegeben. Es lohnt sich immer, etwas Neues auszuprobieren – auch und erst recht jetzt! AUFGEZEICHNET VON CL AUDIA SCHILLER FOTO CHARLOTTE SCHREIBER


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Ibrahim Maalouf verneigt sich mit einer Hommage an Oum Kalthoum vor der größten Sängerin der arabischen Welt. VON STEFAN FRANZEN

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nter all den Instrumenten, die von Europa aus in die Welt der arabischen Musik Eingang fanden, nimmt die Trompete vielleicht die spannendste Rolle ein. Sie hätte diese Rolle allerdings nie in einem solchen Maße ausgefüllt, wäre nicht eines Tages ein junger Libanese auf den Plan getreten. Zwischen euro­ päischer Klassik, arabischer Tradition, französischem Chanson, amerikanischem Jazz und global formuliertem Rock und Pop verströmt Ibrahim Maalouf ein kosmo­ politisches Charisma – und seine Trompete ist dafür das strahlende Werkzeug. Man kann im Internet noch ein über zwanzig Jahre altes Video finden, auf dem das damalige Wunderkind seine glanzvolle Virtuosität in einem barocken Trompeten­ konzert herausschmettert. Ibrahim Maaloufs musikali­ scher Weg war von Anfang an mehrgleisig. 1980 in Beirut geboren, ist seine Kindheit, wie die so vieler Libanesen, geografisch gebrochen: Bedingt durch den Bürgerkrieg verließ die Familie ihre Heimat in Richtung Frankreich, wo sich der junge Exilant auch musikalisch im Spagat zwischen Orient und Okzident übte. Vater Nassim hatte bereits in den Sechzigern eine Trompete mit vier Ven­ tilen entwickelt, mithilfe derer sich die arabischen Viertel­ tonskalen spielen lassen. »Sein Traum war es, dass sich diese Trompete im ganzen arabischen Raum verbreitet«, erinnert sich Maalouf. »Aber für die Hersteller war das zu aufwendig. Bis heute gibt es nur wenige Instrumente dieser Bauart, und ich bin einer der wenigen, die diese Tradition fortführen.« Maalouf wächst aber nicht nur mit diesem speziellen Instrument auf, sondern verfolgt am Pariser Konserva­ torium auch eine Karriere in abendländischer Klassik, wird sogar Meisterschüler der Trompeten-Ikone Maurice André. Daneben fasziniert ihn die Welt des Jazz, und man

findet ihn nicht nur als Solist vor Orchestern, sondern auch auf den Bühnen der Pariser Clubs. Bereits als junger Erwachsener hat Maalouf in vielen musikalischen Welten sicheren Tritt gefasst. »Ich habe das Privileg, mit einem Instrument, das an sich okzidental ist, orientalische Musik zu spielen«, sagt er schon zu Beginn seiner internati­ onalen Laufbahn. »Und deshalb fühle ich mich wirklich wie eine menschliche Brücke. Dazu kommt, dass ich durch die andauernden Reisen zwischen dem Libanon und Frankreich beide Identitäten in mir spüre.« Die festen Bande zu seinem Heimatland und den dortigen Verwandten bleiben bestehen, ebenso wie die starke Verbindung zum Kosmos der arabischen Musik. ›


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Aus diesen verschiedenen Lebenslinien schöpft Maalouf seine individuelle musikalische Sprache – die er in den Jahren 2007 bis 2011 auf einer ambitionierten CD-Trilogie mit den Kapiteln »Diasporas«, »Diachronism« und »Dia­ gnostic« vorstellt. Auf dem programmatisch benannten Debüt »Diasporas« paart er elektronische Beats, Rock- und Jazz-Vokabular mit orientalischen Melodien. Solidarität mit den Communities, die in der Fremde leben, möchte er mit dem Werk ausdrücken und stellt an den Anfang des Albums den Klang einer U-Bahn als Sinnbild des globalen Miteinanders: »Schwarze, Araber, Juden, Christen, Chinesen reisen hier zusammen, und ich stelle mir vor, dass es eine U-Bahn gibt, die den Passagier in zwei Minuten von Paris nach Beirut, dann weiter nach Tokio und New York bringt.« Die Distanzen, die auf dem Erstling überbrückt werden, sind in der Tat beachtlich: Eine Hommage an Vater Nassim mit einem VierteltonBlasorchester stellt er neben eine Verbeugung vor Dizzy Gillespie mit seiner Version von dessen Klassiker »A Night In Tunisia«.

»Oum Kalthoum ist die Stimme, der ich seit meiner frühesten Kindheit am allermeisten zugehört habe.«

»Alf Leila Wa Leila«: Oum Kalthoum (1898–1975) ist die Sängerin der bekanntesten arabischen Liebeshymne.

Die beiden folgenden Alben, »Diachronism« (2009) und »Diagnostic« (2011), erweitert Maalouf um viele weitere Elemente: Man hört ihn erstmals am Klavier, er lässt sich von den Fanfaren des Balkans inspirieren, von brasiliani­ schen Trommel- und kubanischen Salsa-Orchestern, von Heavy Metal und von Michael Jackson. Zwischen zarten Intros und rockigem Klanggewitter faltet sich das Aus­ drucksspektrum auf. Schon im Jahr darauf zog sich Maalouf für seine CD »Wind« ganz auf ein jazziges Idiom in Quintett-Besetzung zurück, das freilich stark mit Orientalismen aufgeladen ist. Das Album – im Auftrag der Cinémathèque française entstanden – ist eine Vertonung von René Clairs Stumm­ film »Die Beute des Windes« (1926). In der bildgewaltigen und geheimnisvollen Geschichte wird ein Pilot durch einen Sturm gezwungen, in einem Park zu landen, und gerät in den Bannkreis der Comtesse des nahen Schlosses. Eine Steilvorlage für Maalouf, der hier musikalisch seinem Idol Miles Davis huldigt und dessen legendärem Soundtrack zu Louis Malles »Fahrstuhl zum Schafott« (1958). »Das ist eine der wenigen Kompositionen, die meine Liebe zur Trompete ganz direkt entzündet haben«, bekennt Maalouf. »Wind« ist Maaloufs erster von vielen Soundtracks – und übrigens auch die erste Zusammenarbeit mit dem New Yorker Drummer Clarence Penn und dem niederlän­ dischen Pianisten Frank Woeste, die beide zu langjährigen Wegbegleitern werden sollten. 2013 dann experimentiert er auf »Illusions« mit Mehrfachbesetzungen und überträgt als Solist vor anderen Trompeten den Antwortgesang des arabischen Lieds in seine Klangwelt. Und für die opulen­ ten Fusionklänge seiner »Levantinischen Symphonie« (2018) wagt er sich auch an Chor und Orchester. Seinen 40. Geburtstag wiederum feierte Maalouf im vergangenen Jahr auf dem Doppelalbum »40 Mélodies« vorwiegend in intimer Zwiesprache mit einer Gitarre – ergänzt freilich um Einladungen an zahlreiche Gäste von Sting über den Bassisten Marcus Miller bis zum Kronos Quartet.

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ls zentrales Album dieses so reichen und vielfältigen Schaffens aber sticht wohl ein Werk aus dem Jahr 2015 heraus – und dass Maalouf dieses Programm immer noch live auf der Bühne präsentiert, zeigt, wie wichtig es ihm ist: »Kalthoum« ist eine ungewöhnliche Hommage an die 1975 verstorbene ägyptische Diva Oum Kalthoum, jene Sängerin, die mit mehr als einer Milliarde glühender Fans die populärste Stimme des Planeten sein dürfte. »Sie ist die Stimme, der ich seit meiner frühesten Kindheit am allermeisten zugehört habe«, erzählt Maalouf. »Aber ich feiere mit diesem Album auch all die Frauen, die den Lauf der Geschichte auf den Kopf gestellt haben und deren künstlerischer Einfluss Auswirkungen bis in unseren Alltag hinein hat. Dafür habe ich eine emblematische Figur gesucht, und in Oum Kalthoum ein wahrhaftes mensch­ liches Monument in der Geschichte des arabischen Volkes gefunden.«


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Maalouf und sein Quintett – zu dem neben den alten Freunden Clarence Penn und Frank Woeste auch der Saxofonist Rick Margitza und der Bassist Scott Colley gehören – adaptieren in einer universellen Jazzsprache über sieben Stücke hinweg die wohl bekannteste Liebes­ hymne der arabischen Welt: Oum Kalthoums »Alf Leila Wa Leila« (»Tausendundeine Nacht«) aus dem Jahr 1969 basiert auf einem Refrain und geradezu epischen Stro­ phen, betörend ausgestaltet im Wechsel zwischen großem Orchester und Stimme. Es zählt zu den großen roman­ tischen Liedern der arabischen Musikgeschichte, und auf alten Konzertaufnahmen kann man erleben, wie die Zuhörer während Kalthoums leidenschaftlich-liebes­ trunkenem Gesang regelrecht in Ekstase geraten. Maaloufs Ensemble überträgt die melismenreichen Vokalpassagen in eine instrumentale Sanglichkeit, Trom­ pete und Saxofone zeichnen die Ornamentik wendig nach. Die orchestrale Opulenz wiederum wird in die komple­ xen Harmonien des Jazz gewandelt. Das Quintett greift einzelne Phrasen heraus und stellt sie in ein anderes Licht, gestaltet die Rhythmik um, gestaltet mithilfe der Jazz­moderne eine neue Dramaturgie dieses klassischen Liebeslieds. Das Saatgut, das Oum Kalthoum seit den 1930erJahren in ihren Liedern ausgebracht hat, ist gerade in dem Jahrzehnt der arabischen Revolutionen reich aufgegangen. Zeitgenössische Künstlerinnen wie die Marokkanerin

Oum El Ghaït, die Tunesierin Emel Mathlouthi, die Ägypterin Dina El Wedidi und die Libanesin Tania Saleh haben mit ihrer Musik den jüngsten Gang der Geschich­ te kritisch begleitet und beeinflusst, und sie alle berufen sich in irgendeiner Weise auf Oum Kalthoum. Auch 45 Jahre nach ihrem Tod ist die eminente Bedeutung dieser Sängerin ungebrochen. Dass sich nun ein Mann aus der Nachfolgegeneration vor ihr und zugleich vor der weiblich geprägten Musik im arabischen Kulturraum verneigt, unterstreicht diese Ausnahmestellung. Und es zeigt einmal mehr die umfassende Offenheit Ibrahim Maaloufs, der weder stilistische noch historische noch geschlechterspezi­ fische Trennlinien kennt.

KALTHOUM So, 25.4.2021 Elbphilharmonie Großer Saal Ibrahim Maalouf (Trompete), Frank Woeste (Klavier), Clarence Penn (Schlagzeug), Rick Margitza (Saxofon), Scott Colley (Bass)


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­RÜCKWÄRTSFAHREN ­LEICHT GEMACHT Ein Konzert absagen, Karten stornieren, Geld erstatten: Bis zur Corona-Krise war das für den Vertrieb der Elbphilharmonie ­jedes Mal viel Aufwand. Nach einem ­Jahr ist es fast Routine. VON FRÄNZ KREMER FOTOS GESCHE JÄGER

SABRINA JÄHNER: VON DER AUSNAHME ZUR REGEL

Wie kann man tausenden Kunden gleichzeitig ihr Geld zurückerstatten? Das war nur eine der vielen Fragen, die sich im vergangenen Frühjahr in der Elbphilharmonie plötzlich stellten, als wegen der Corona-Pandemie die ersten Veranstaltungen abgesagt wurden. »Für Konzert­ karten gibt es in normalen Zeiten ja kein Rückgaberecht wie für Schuhe aus dem Onlineshop«, erklärt Sabrina Jähner. »Stornieren, Geld erstatten, das waren Dinge, die wir vor Corona nur in wenigen Ausnahmefällen gemacht haben.« Als Mitarbeiterin des Finanz- und Rechnungswesens der Elbphilharmonie prüft Jähner seit 2017 täglich Zahlungs­ flüsse, räumt Daten auf und beschäftigt sich mit dem Webshop des Hauses. Nun steht sie, wie so oft in den letz­ ten Monaten, im Zehner-Konferenzzimmer und lehnt sich an die Glastür. Ein unscheinbarer Besprechungsraum mit einem langen schwarzen Konferenztisch – tatsächlich wurde hier und in den angrenzenden Büros über Monate eine riesige Papier- und Datenschlacht ausgefochten. »Auch Veranstaltungsabsagen gab es vor Corona fast keine«, sagt Jähner. Am 13. März 2020 änderte sich alles: Mehr als tausend Konzerte sind seit diesem Tag in der Elbphilharmonie und der Laeiszhalle abgesagt worden. »Was da über uns hereinbrach, war im System nicht vor­ gesehen.« Um die Absagen zu bearbeiten, wurde ein Rückerstattungsteam zusammengestellt und der Konfe­ renzraum umgebaut: zum »Hauptquartier Stornieren und Erstatten«. Jähner, die zuvor schon an der Schnitt­stelle zwischen Kartenvertrieb und Buchhaltung arbeitete,

koordinierte das neue Team. Bis zu zwölf Kolleginnen und Kollegen waren im Frühsommer für die neuen Auf­ gaben abgestellt. Am großen Besprechungstisch, an dem bis dahin diskutiert, vorausgeplant, Neues entwickelt wurde, ging es jetzt nur noch in die andere Richtung: alles auf Absage. »Bis wir mit dem Team richtig loslegen konnten, vergingen einige anstrengende Wochen«, sagt Jähner. Denn die Elbphilharmonie, das sind in Wirklichkeit viele Akteu­ re: Die Säle werden auch an andere Veranstalter vermietet, und für viele von diesen übernimmt das Haus den Vor­ verkauf. So mussten zunächst Zuständigkeiten geklärt, Prozesse definiert werden. »Vieles war neu, nie dagewesen. Es ging um Haftungsfragen – und natürlich um wahnsin­ nig viel Geld. Diese erste Phase war die schlimmste. Wir sahen die Arbeit und dachten täglich nur: Mit irgendetwas müssen wir jetzt anfangen!«


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TIM DONSBACH: ÄRMEL HOCH UND DURCH

Einer der ersten, die sich meldeten, um im Rückerstat­ tungsteam mitzuarbeiten, war Tim Donsbach. In norma­ len Zeiten sitzt er an einer der Konzertkassen der Elb­ philharmonie oder kümmert sich per Telefon und Mail um Kundenanliegen. Donsbach ist keiner, der sich leicht aus der Ruhe bringen lässt – und so krempelte er auch im Mai die Ärmel hoch und nahm die Berge von Erstat­ tungsformularen in Angriff. »Als der Prozess einmal lief und mehrere Kollegen nur noch damit beschäftigt waren, kamen wir auch schnell voran. Aber es war eben ein ziemliches Volumen.« Zwischendurch ging Donsbach auch für einzelne Tage zurück an die Kassen und arbeitete im Kunden­ service. »Als das mit den Erstattungen anfangs noch so lange dauerte, waren natürlich viele Kunden verärgert, was ja verständlich ist. Wir konnten erstmal nur vertrös­ ten.« Nach den ersten Wochen habe sich die Stimmung dann aber gedreht. »Wir haben ein sehr treues Publikum und speziell mit unseren Abonnenten viele Leute, die uns eng verbunden sind. Und da haben wir auch eine sehr große Solidarität gespürt – viele gute Wünsche sind hereingekommen.« Viele hätten auch erzählt, dass sie das gemeinsame Erlebnis im Konzertsaal vermissen. »Mir ist das sehr nahgegangen«, erzählt Donsbach. Er ist in seiner Freizeit selbst ein überaus passionierter Konzertgänger, hört Klassik ebenso gerne wie Jazz und Weltmusik. »Ich habe auch gemerkt, dass mir etwas Wichtiges fehlt – und es ging mir am Anfang tatsächlich gar nicht gut damit. Insofern war der Job, obwohl alles in die falsche Richtung lief, doch genau richtig. Man spürte die Verbundenheit und merkte noch einmal, dass das, was wir normalerweise anbieten, vielen Leuten viel bedeutet.« ›


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M i ta r be i t e r

»120.000 IBAN-Nummern abtippen – das wäre wirklich eine apokalyptische Vorstellung gewesen.« CARSTEN BLÜM: HANDARBEIT SPAREN

Während Donsbach und seine Mitstreiter die Papierberge abarbeiteten, hielt ihnen Carsten Blüm, dessen Büro direkt gegenüber dem Konferenzzimmer liegt, von Anfang an den Rücken frei: Der Leiter der Abteilung Digitale Prozesse hatte noch vor der ersten Absagewelle ein digi­ tales Formular eingerichtet, mit dem die Kunden ihren Erstattungsantrag online ausfüllen und abschicken konn­ ten. »Das war ein wichtiger Schritt, denn so bekamen wir die Daten direkt ins System und konnten viel Hand­ arbeit sparen.« Über Monate wurde das Formular immer weiter verfeinert und mit neuen Funktionen ausgestattet, etwa mit der Option, den Kartenpreis in einen Hilfs­ fonds für freiberufliche Künstler zu spenden. Für immer mehr Prozesse wurden Automatisierungen eingerichtet. Die Briefe im Erstattungsbüro wurden weniger.

»Diese Datenbank umfasst ja längst nicht alle Fälle, aber allein da sind bis heute über 120.000 Erstattungsanträge drin«, erklärt Blüm. Wären diese Anträge alle per Brief gekommen, hätten sie locker 400 große gelbe Postkisten gefüllt. Aufeinandergestapelt wäre dieser Postkisten-Turm so hoch wie die Elbphilharmonie selbst. »Und dann 120.000 IBAN-Nummern abtippen …« Blüm muss sich auch ein Jahr danach noch an den Kopf fassen. »Das wäre wirklich eine apokalyptische Vorstellung gewesen.« Große Datenmengen, verschiedene Systeme, Schnitt­ stellen – das ist Blüms tägliche Arbeit. Er hat viele Jahre als Programmierer gearbeitet, seit 2018 kümmert er sich in der Elbphilharmonie mit seinem Team um spezialisierte Systeme wie Webshop, Veranstaltungssoftware, Internet­ seite, Kundendatenbank, Ticketsoftware oder das Einlass­ system. Man kann sagen: Blüm hält die Autobahnen in Stand, über die der Datenverkehr fließt. Wenn aber plötz­ lich, wie im Frühjahr, alles stockt und in die entgegen­ gesetzte Richtung drängt, dann müssen die Systeme um­ gerüstet werden. »In unserem Webshop – nur ein kleines Beispiel – konnten wir nicht alle Karten in einem Saal gleichzeitig stornieren, wir haben das bis dahin nicht ge­ braucht. Jetzt musste diese Funktion vom Anbieter des Programms nachprogrammiert werden. Aber im Frühjahr waren wir als Elbphilharmonie nicht die einzigen, die anklopften. Alle in der Veranstaltungsbranche mussten digital aufrüsten und hatten plötzlich sehr dringende Anliegen.«


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KRISTINA EICKHOFF: BLICK NACH VORNE

Und überall waren die Sorgen groß. Das erlebte auch Kristina Eickhoff. Als Mitarbeiterin des Vertriebs ist sie für die Einrichtung und Pflege von Veranstaltungen im Verkaufssystem der Elbphilharmonie zuständig und damit auch Ansprechpartnerin für die vielen externen Veranstal­ ter, die Konzerte in der Elbphilharmonie und der Laeisz­ halle organisieren. »Pro Saison übernehmen wir den Vertrieb für etwa 70 verschiedene Veranstalter«, erklärt Eickhoff. »Die Konzerte des hauseigenen Veranstalters, der HamburgMusik, nehmen einen großen Teil ein. Aber es gibt eben noch viele weitere, teils kleine, private Veranstalter, Stiftungen oder sogar Künstler selbst, die einen Saal mieten. Den Kartenvertrieb über uns können sie als Service dazu buchen.« Fand in den vergangenen Monaten ein Konzert nicht statt, war auch keine Miete fällig, und einige Gebühren konnten erlassen werden. »Aber auf anderen Kosten blieben die Veranstalter sitzen, und das war und ist vor allem für kleinere echt hart.« Der Blick im Vertriebsbüro musste aber immer auch nach vorne gehen. Gleich zu Beginn wurde das »Book now, pay later«-System etabliert, mit dem für geplante Konzerte Bestellungen entgegengenommen wurden: »Das haben wir allen Veranstaltern empfohlen, um im Falle von Absagen Geld und Mühen zu sparen.« Als dann wieder Konzerte mit eingeschränkter Kapazität möglich waren, wurden Corona-kompatible Saalpläne entwickelt, Ver­anstaltungen gedoppelt und zwei Mal am Abend eingerichtet. »Wir hatten ein Vielfaches an Arbeit, da wir immer parallel Konzerte rückabgewickelt und neue – oft mehrmals – eingerichtet haben.«

Doch auch für Eickhoff gab es positive Erlebnisse in der Krise. »Einige Veranstalter haben sich mit sehr schönen Worten bedankt, dass wir sie so gut mitgenommen hätten.« Lichtblicke seien auch die Monate September und Oktober gewesen, als zwischendurch wieder Konzerte möglich waren: »Diese Konzerte unter neuen Bedin­ gungen waren ein riesiger Kraftakt. Aber als im Haus dann alles so reibungslos funktionierte und einfach alle Men­ schen, die kamen, so glücklich wirkten – das war wirklich schön!« Seit 2013 arbeitet Eickhoff für die Elbphilhar­ monie und die Laeiszhalle und sehnt sich nun mehr denn je »nach dem ganz normalen Büroalltag«. Denn bei allem Positiven, das sich aus der Krise entwickelt hat: Jede Absage schmerzt. Neue Konzerte einrichten, Karten verkaufen – das ist das, was Eickhoff genau wie ihre Kolleginnen und Kollegen mit Leidenschaft macht. Hoffentlich bald wieder im ganz normalen Modus.

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ZWEIMAL EINFACH ÜBER DEN ATLANTIK


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Gustav Siegmund fuhr 1866 von Hamburg nach Amerika, um dem Militär zu entgehen. Ein Jahrhundert später kam sein Urenkel zurück, um Deutschland zu verstehen. Bleiben wollten beide nicht – doch für beide kam es anders. VON STEPHAN BARTELS FOTOS FLORIAN THOSS

K

ann schon sein, dass Passagier Nummer 10 auf der Steuerbordseite stand. Dass er an diesem ­ersten Tag im September 1866 auf das grüne Nordufer der Elbe geschaut und dabei das Grummeln aus dem Maschinenraum des Dampfschiffes »Borussia« unter seinen Füßen gespürt hat, den Wind im Gesicht und drei unbetakelte hohe Masten in seinem Rücken. Dass er, keine Viertelstunde nach dem Ablegen von den Landungsbrücken, mit seinen Augen den Elb­ hang durchstreift hat, auf der Suche nach Godeffroy’s Park in Nienstedten und dem Haus darunter, in dem er 20 Jahre zuvor geboren worden, in dem er aufge­ wachsen war, und vor dem vielleicht genau jetzt seine Mutter stand und winkte und – könnte doch wirklich sein – sich vielleicht mit der anderen Hand die Augen trocken tupfte, es war ja eine große Sache, wenn ein Sohn nach Amerika ging. Vielleicht hat Passagier Nummer 10, der Johann Heinrich Gustav mit seinen drei Vornamen und Siegmund mit Nachnamen hieß, auch seinen Vater Christian gese­ hen, Obergärtner in Diensten der berühmten Kaufmanns­ familie Jenisch. Oder Wilhelm, seinen Bruder, 13 Jahre alt und später einmal Kapitän zur See und noch später Hafen­ meister in Hamburg und Erfinder der ersten Schiffsbe­ grüßungsanlage der Welt. Auf jeden Fall, so viel ist sicher, hatte Gustav Siegmund auf diesem Linienschiff der

HAPAG, das zwischen Hamburg und New York pendelte, drei Wochen auf dem Atlantik vor sich. Und eine Zukunft, von der er höchstens den Hauch einer Ahnung hatte. ALLE HABEN SEHR GELACHT

»Er kam hierher mit den Sachen an seinem Leib, ein paar Habseligkeiten wie einer Bibel, einem nahezu meisterhaf­ ten Englisch und einer Grundkenntnis des Spanischen«, schrieb ziemlich genau 99 und ein halbes Jahr später ein Elftklässler an einer Senior High School in Baltimore, Maryland, USA, in einem Aufsatz. Der Junge war 16, sein Name war John William Siegmund, in dem Text ging es um den Mann, der einen ganzen Siegmund-Zweig in den USA eröffnet hatte. Gustav war Johns Urgroßvater, aber auch noch etwas anderes: Dieser Vorfahr, der für ihn in Form von ein paar vergilbten Fotos und Anekdoten voller Patina existierte, war sein Widerhaken in eine Welt, die ihn schon als Kind faszinierte. 1956 hatte John, nicht einmal drei Käse hoch, mit seiner Familie ein paar Monate lang in Europa gelebt, sein Vater war Ingenieur und hatte dabei geholfen, in Spanien ein Dampfkraftwerk zu bauen. Als der Job getan war, schauten sich die Siegmunds noch ein bisschen mehr von der Alten Welt an: Paris, ein Traumziel der Mutter. Danach Stuttgart, wo ein Cousin des Vaters bei der US-Army stationiert war. Und dann Hamburg. ›


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Denn von dort war Gustav aufgebrochen. John war sieben Jahre alt, er traf seine Tante Ida im Stadtteil Hamm und seine fünf Jahre ältere Cousine Gabriele. Er ging mit seiner Familie auf den Friedhof in Nienstedten, wo Gustavs Eltern begraben lagen, zu Gustavs Geburtshaus an dem Park, der früher Godeffroy’s Park hieß und jetzt Hirschpark, er sah auf die Elbe, auf der sein Urgroßvater rechtsrum Richtung New York geschippert war, und er hatte ein eigentümliches Gefühl, von dem er noch nicht wusste, was es bedeutete. »Später«, sagt John Siegmund 64 Jahre danach und schaut auf dieselbe Elbe wie damals, »ist es mir klar geworden: Ich habe schon beim ersten Mal gespürt, dass dieser Ort etwas mit mir zu tun hat, mit meiner eigenen Geschichte.« Und er erzählt die Familien­ anekdote über den einen Satz, den er 1957 in Hamburg gesagt haben soll: »Ich kann mich wirklich nicht dran erinnern, aber ich habe angeblich behauptet: ›Irgendwann komme ich zurück und heirate eine blonde deutsche Frau.‹« Er grinst. »Man hat mir erzählt, dass damals alle sehr gelacht hätten.« LEIDER KEIN APRILSCHERZ

Zum Lachen war Gustav Siegmund nicht gerade zumute, obwohl das Schreiben, das er im Frühjahr 1862 in Händen hielt, mit dem 1. April datiert war. Die Pinneberger Landvogtei kündigte darin an, ihn mustern zu wollen. Sein Heimatdorf Nienstedten gehörte zu Blankenese, das wiederum war Teil des Herzogtums Holstein, und das wur­ de seit bummelig 400 Jahren von den dänischen Königen regiert. Aber in Preußen sah man die Sache mit der Zugehörigkeit anders, schon lange wollten sich Bismarck und sein König Wilhelm Holstein einverleiben. Gustav stand irgendwo dazwischen. »Ich bin Sachse vom Stamm, Plattdeutsch von der Sprache, dänisch von der Staats­ angehörigkeit«, hat er mal gesagt. Aber kämpfen für die Dänen? Und vor allem: jetzt? Er war doch erst 15! Und er war ein großartiger 15-Jähriger. Ging aufs Christianeum, die Altonaer Gelehrtenschule. Beherrschte schnell Fremdsprachen, besonders das Englische lag ihm. War auch einer der Flinkeren, als er nach Hamburg in ein Sportartikelgeschäft ging, als Kaufmann, als Ver­ kaufstalent, als versierter Designer der Artikel. Und als bester Werbeträger: Gustav war stark und fit und das, was man gemeinhin eine Sportskanone nannte. Der Deutsch-Dänische Krieg kam und ging vorbei, Gustav kam drum herum, aber die drohende Einberufung damokelte weiter über ihm, in einer Zeit, in der jederzeit der nächste Krieg ausbrechen konnte. Bis spätestens 1868 müsse er seinen Militärdienst antreten, stand im Brief der Pinneberger Landvogtei. Und ein Schlupfloch: Alternativ könne er bis dahin das Land verlassen. Es war nicht nur die Angst davor, als Soldat auf irgendeinem vermeintlichen Feld der Ehre umzukommen, die Gustav Siegmund aus dem Land trieb. Es war auch der hanseatische Pragmatismus seines Arbeitgebers. In Hamburg konnte sein bester Mann nicht bleiben, aber der sprach perfekt Englisch, hatte ein Empfehlungsschreiben

des legendären Kaufmanns Gottlieb Jenisch in der Tasche, und drüben in Amerika gab es einen ganzen neuen Kontinent, mit dem man Geschäfte machen konnte. Also spendierte der Sportartikelhändler seinem Gustav eine Schiffspassage zweiter Klasse nach New York. So verließ der Sohn des Obergärtners der Nienstedtener Parks nicht ganz freiwillig seine Heimat, an der sein ganzes Herz hing. GOTTES ZWEISPRACHIGER RUF

Als John Siegmund 1967 ins studienreife Alter kam, war auch er ein talentierter Mann mit vielen Interessen. Da war seine Geschichtsbesessenheit – Historiker, das wäre was für ihn gewesen. Oder Arzt. Am Ende aber entschied eine höhere Macht über seine Zukunft. »Ich habe die Berufung von Gott gespürt«, sagt er. Also hat er Theologie studiert, und immerhin: Diese Wahl, die ja irgendwie keine war, hat ihn in letzter Sekunde davor bewahrt, in den Vietnamkrieg eingezogen zu werden. Ein Mann Gottes wollte er also werden, aber nicht irgendwo. Er hatte sich zuvor schon in der deutschen Zionsgemeinde in Baltimore engagiert, da wollte er hin, vielleicht auch in eine andere Kirchengemeinde, in der Deutsch und Englisch als Sprachen nebeneinander standen. John war fasziniert von Stammbäumen, er inhalierte Geschichten von Menschen, er wollte Herkunft begreifen, vor allem seine eigene. »Ich bin kein Zufallsprodukt«, sagt er, »ich komme irgendwo her.« Für das bilinguale Predigen musste John Deutsch lernen, so richtig. »Ich hatte die deutsche Sprache mein Leben lang im Ohr«, sagt er, »ich wusste schon als Kind, was manche Wörter bedeuten, ohne sie ins Eng­lische ­übersetzen zu können.« An seiner Schule war Deutsch als Fremdsprache verboten, ein Kollateralschaden des Zweiten Weltkriegs. An der Uni in Washington D. C. konnte er es als zweites Fach wählen, neben den Religions­ wissenschaften. Am 31. Mai 1975 schließlich setzte er sich in ein Flugzeug nach Hamburg. John machte einen Deutschkurs in Lüneburg. Ging für ein Dreivierteljahr zur Sprachvertiefung und zum Deutschseinsverständnis als Gastvikar nach Bayern, aus­ gerechnet. Lebte in einer Kirchenwohnung in Rosenheim, fünfter Stock, Südlage mit Blick auf den Wendelstein. Er hat es geliebt. Als das von der Kirche organisierte Aus­ tauschjahr vorbei war, hatte er das Gefühl, noch nicht genug gelernt zu haben über dieses Land. Er fragte, ob er bleiben dürfe, nur noch ein bisschen. Die Kirche schickte ihn als Vikar nach Norden, Elsfleth an der Weser wurde für neun Monate seine Basis. Und dann klingelte an einem dämmrigen Spätherbstmittwoch um acht Uhr früh sein Telefon. Dran war Andreas Rüß, ein junger Pastor in Hen­ stedt-Ulzburg. Der hatte sich, gemeinsam mit seinen beiden Brüdern, einen Namen gemacht in Kirchenkreisen: Er hielt in diesen reformistischen Zeiten das konservative Banner der bibeltreuen Lehre hoch, und es hatte sich bis zu ihm herumgesprochen, dass es da diesen noch jüngeren Amerikaner an der Weser gab, der ähnlich dachte. ›


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Historiker, das wäre was für John gewesen. Er ist fasziniert von Stammbäumen, inhaliert Geschichten von Menschen, will Herkunft begreifen. »Ich bin kein Zufallsprodukt«, sagt er, »ich komme irgendwo her.«


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Rüß suchte einen weiteren Pastor für seine Kreuzkirche. John hatte noch nie von Henstedt-Ulzburg gehört, aber irgendwie klang die Sache spannend. Denn tatsächlich, auch sein Leitbild war die buchstabengetreue Auslegung der Bibel, Jesus Christus das Maß all seines Handelns. Und nun war da dieser Job, bei dem er genau das vorleben konnte. Andererseits: Er wollte doch gar nicht hier bleiben. Er wollte zurück nach Amerika. Aber anhören wollte er sich die Sache schon. Das Gespräch mit dem Pastor und dessen Frau war gut, und diese rief danach gleich die Schwester ihres Gatten an. Ich habe einen Mann für dich, sagte sie zu Dorothea Rüß, einer Lehrerin aus dem Lauenburgischen, blond wie ein ganzes Weizenfeld. Bei Johns nächstem Besuch – es war der Erste Advent 1976 – war auch sie dabei. John trat seine Pastorenstelle an, im Januar 1977 waren Dorothea und er verlobt, im Oktober, kurz nach Johns Ordination in Lübeck, heirateten sie, der erste Sohn Johannes wurde nicht lang danach geboren. Eine Liebe im Schnelldurch­ lauf. Und vor allem, das wusste John Siegmund in dem Moment, als er sich in Dorothea verguckte, war es das Ende seiner sorgsam ausgeheckten Pläne. Ihr Name be­ deutet auf Deutsch »Gottes Geschenk«. Er würde vorerst nicht zweisprachiger Pastor in Amerika werden. Er würde in Deutschland bleiben.

ZERSCHMETTERTE PLÄNE

Auch Gustav Siegmund traf irgendwann eine Entschei­ dung für den Rest seines Lebens. Seit gut drei Jahren war er nun als Handlungsreisender in Sachen Sportartikel unterwegs gewesen, er hatte Amerika mehrfach in sämtli­ chen Himmelsrichtungen durchquert, hatte 1869 in New York mit Henriette eine deutsche Frau gefunden und geheiratet, und dann ist 1870 dieser Zug verunglückt. Bei Pittsburgh war das, Gustav auf Dienstreise, er verletzte sich schwer, schwebte lange in Lebensgefahr und lag noch Monate danach mit zerschmetterten Knochen im Bett. Seine Jugend, gepaart mit seiner robusten Sportlerkon­ stitution, habe ihn gerettet, hieß es damals, vielleicht half auch sein unentwegter Optimismus. Es war immer sein Plan gewesen, irgendwann nach Deutschland zurück­ zukehren, aber jetzt, als er mit 24 Jahren in Amerika um ein Haar sein Leben verloren hätte, beschloss er, dass er für immer bleiben würde. 1872 übersiedelte er von New York nach Baltimore, das eine große deutsche Gemeinde hatte. Er fand eine Stellung bei der William Wilkens Company, einer Firma für Pferdehaar, mit dem Matratzen und Sessel und Bahn­ sitze gepolstert wurden. »Seine angenehme und zupa­ ckende Persönlichkeit half ihm entscheidend dabei, einen Platz in der amerikanischen Gesellschaft und Industrie zu finden«, schrieb Gustavs Urenkel John 1966 in seinem Schulaufsatz, und das scheint zu stimmen: Schnell wurde er zur rechten Hand des Seniorchefs, der eigentlich nicht William hieß, sondern Wilhelm, und, natürlich, ein Lands­ mann war. Gustav nutzte seine Position, um im Süd­ westen Baltimores ein ganzes Viertel zu erschließen und zu entwickeln, in dem vor allem die vielen Auswan­derer aus Deutschland ihren Platz fanden. 1878 starb Henriette im Kindbett, auch die Drillinge, die sie bekommen sollte, überlebten nicht. Doch Gustav blieb mit den beiden älteren Söhnen nicht lang allein, nach Ablauf des Trauerjahrs heiratete er Emilie, die aus Hessen stammte, bekam mit ihr zwei Kinder, und war auch sonst nicht untätig: Er wurde in die Zuchthausbe­ hörde Baltimores berufen, ein respektvolles Ehrenamt. Wurde Mitglied der Abzugskanalkommission, noch heute erinnert in Baltimores Altstadt ein Denkmal an seine Verdienste um die Kanalisierung der Stadt. Und als die, kein Scherz, Deutsche Demokratische Partei einen Kandidaten für das Bürgermeisteramt suchte, ließ sich Gustav Siegmund in Gottes Namen aufstellen. Er verlor. Machte gar nichts. Für die Leute, die für ihn ebenso wichtig waren wie er für sie, war er ohnehin längst der ungewählte Bürgermeister West-Baltimores. TRISTESSE UND GOTTES WILLE

Und John Siegmund? Auch er wurde in der Fremde ein geachteter Mann. 37 Jahre lang ist er Pastor geblieben an der Kreuzkirche in Henstedt-Ulzburg, mit Höhen und Tiefen, mit starken, quälenden Zweifeln, ob das der richtige Ort für ihn sei, diese nicht sonderlich aufregende Schlafstadt, von der seine Frau anfangs sagte, hier sähe


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es aus wie in der DDR. Hätte er nicht doch zurückgehen sollen? Oder als Missionar nach Afrika, sein stiller Traum seit … eh und je? Aber Dorothea hatte schon recht, wenn sie sagte, das sei nichts für drei kleine Kinder. Und überhaupt, so befand John William Siegmund in solchen Momenten: Es ist nun einmal Gottes Wille. Beruflich lief es ja auch gut für ihn. Die Kirche insgesamt verlor Mitglieder in rauen Mengen, aber die standfesten konser­ vativen Pastoren in Henstedt-Ulzburg hatten jeden Sonntag ein volles Haus. »Wir Bekennenden gehörten damals wie heute zu einer angefochtenen Gruppe innerhalb der Kirche«, sagt er. Bekennend heißt: Jesus Christus und die Dreieinigkeit Gottes ist für Gläubige wie ihn unanfechtbar, Gottes Wort – die Bibel – kann nicht irren und hat ewige Gültig­ keit, gegen jeden Unglauben, gegen jeden Zeitgeist. Reformierte Kirchenkreise haben andere Worte dafür: Dogmatiker. Ewiggestrige. Fundamentalisten. »Letzteres ist ein Kompliment für mich«, sagt John, »ich habe ja dieses feste, unerschütterliche Fundament.« John war überall dabei. Kein Verein, kein Komitee in der Stadt, in dem er nicht gesessen hätte. Am Anfang war er ein Fremder. Einer, der zwar aussah wie die anderen, aber nicht so sprach. Er kannte Ausgrenzung von zu Hause, er hat in den USA noch Autobahnraststätten gesehen, auf deren Toiletten »Whites Only« stand. Er hat

schon als Schüler schwarzen Kindern aus Baltimores Armenvierteln Lesen und Schreiben beigebracht. Bedingungsloser Antirassismus ist ein Teil seines Fundaments, und als 2013, in seinem letzten Jahr als Pastor, ein magerer, verzweifelter Afghane vor ihm stand, zu Hause verfolgt für seinen christlichen Glauben, von deutschen Behörden zur Abschiebung freigegeben, da hat John ihm Kirchenasyl gewährt. Ihn vor Gericht flammend verteidigt und gesagt, dass ein Land, das demokratisch sein will und ist, eine Heimat sein muss für alle, die guten Willens sind. Der Junge durfte bleiben, und Johns Ein­ treten für seinen Glaubensbruder sprach sich herum. Die Kreuzkirche in Henstedt-Ulzburg wurde zu einem Ma­ gneten für glaubensfeste Christen, die anderswo verfolgt wurden. Die Gemeinde wuchs, einmal mehr. Das war das Abschiedsgeschenk des John William Siegmund an Henstedt-Ulzburg. WAS WIRKLICH WICHTIG IST

Ein kluger Mann hat einmal gesagt, dass es nicht wichtig ist, was die Leute denken, wenn man kommt – wichtig ist, was sie denken, wenn man geht. Von Johann Heinrich Gustav Siegmund hat man in Baltimore eigentlich nur das Beste gedacht. »Selten wird eine Stadt einen Mann aufweisen können, der so selbstlos für ihr Interesse wirkte«, schrieb der deutschsprachige »Baltimore ›


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Correspondent« am 18. Oktober 1921 in seinem Nach­ ruf. Vier Tage zuvor war Gustav im Büro der »Deutschen Gesellschaft von Maryland« zusammengeklappt, mit 75 Jahren. »Dieser Herzschlag, verursacht durch Verdauungs­ störungen, unter denen er in letzter Zeit litt, kam nicht unerwartet«, schrieb der »Correspondent«. Gustav hatte nicht lang vor seinem Tod schon einen Infarkt überstan­ den, aber schonen, sich erholen, das war seine Sache nicht. Er hatte mehr Ehrenämter als andere Finger an beiden Händen, meistens ging es darum, in Not geratenen Mit­ gliedern der großen deutschen Gemeinde unter die Arme zu greifen. Gustav suchte Jobs für deutsche Arbeits­ lose, saß im Vorstand des Waisen- und, so hieß es wirk­ lich, des »Allgemeinen Deutschen Greisenheims«. Er verwaltete den Nachlass seines ehemaligen Arbeitgebers, saß im Rat der deutschsprachigen Zionsgemeinde und förderte deutsche Sprache und Liedgut, wo er nur konnte. Der »Correspondent« brachte die Sache auf den Punkt: »Ein schwerer Verlust hat das Deutschtum Baltimores betroffen, als am vergangenen Freitag Herr Gustav Siegmund, ein Pionier desselben, plötzlich verstarb.« Fast ein halbes Jahrhundert zuvor hatte sich Gustav in Baltimore niedergelassen und sich dort eine neue Heimat gesucht – und dabei ließ die alte ihn nie ganz los, im Gegenteil. Und das hat funktioniert. Doch dann kam

der Erste Weltkrieg, und mit ihm kamen die Ressentiments und der Hass auf alles, was je aus dem Kaiserreich her­ vorgegangen war. Mit 70 verlor Gustav seine Stellung, er konnte das nicht fassen, was hatte er denn falsch gemacht? Vielleicht hatte ihn nicht nur die Verdauung ins Grab gebracht. Vielleicht war es auch die Tatsache, dass sein Lebenswerk auf einmal durch die Brille seiner Herkunft betrachtet wurde. Wenn auch nicht am Tag seiner Be­ erdigung. Über 1.000 Leute waren gekommen, sämtliche Würdenträger der Stadt standen an seinem Sarg. Am Ende würdigten sie einen Mann, der das Beste aus seinem Leben gemacht hatte, für sich und für andere. KAPITÄNSPFEIFE UND KUHHORN

Nun also stehen John und Dorothea dort, wo es für Gustav angefangen hat. »In de Bost« heißt diese Straße in Nienstedten, und unter dem Höhenwanderweg im Hirschpark, von dem aus man Airbus sehen kann und das Mühlenberger Loch und links dahinter die Harburger Berge, stand das Geburtshaus von Gustav Siegmund. Hier hat Gustavs Vater, der Obergärtner, immer das Kuhhorn geblasen, wenn sein zweiter Sohn Wilhelm von seinen Reisen zurückkehrte und auf seiner Kapitänspfeife einen bestimmten Gruß nach oben schickte. »Soll das Vorbild für Willkomm-Höft gewesen sein«, sagt John Siegmund, »das war die erste Schiffsbegrüßungsanlage der Welt.«


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Die Parks, die Elbe, die hübsche Kirche: Schön ist es in Nienstedten, wo einst für Gustav alles angefangen hat. John und seine Frau wären gern dorthin gezogen. Aber noch kann sich der Kreis nicht ganz schließen.

1906 ist Gustav zuletzt hier gewesen, aber begrüßen konn­ te ihn der alte Gärtner mit dem Kuhhorn nicht mehr: Der Sohn aus Baltimore war zur Beerdigung des Vaters über den Atlantik gekommen. Gustavs Urenkel und dessen Frau hatten sehr mit dieser Gegend geliebäugelt, als sein Beruf, nein: seine Berufung 2014 an ihr Ende kam. Zwei der drei Kinder wohnen nicht weit weg von hier, außerdem fünf der demnächst neun Enkel, und schön ist es hier auch, die Elbe, die Parks, die entzückende Kirche. In der hat John seinen ältesten Sohn getraut, und das war für ihn, als hätte sich der Kreis nun endgültig geschlossen, na ja, fast. 200 Jahre Familiengeschichte auf engem Raum, einmal Amerika und wieder zurück inklusive. Und warum nur fast? Weil John und Dorothea dann doch nicht nach Nienstedten gezogen sind. Ist ein teures Pflaster, das konnten sich die beiden nicht leisten, sie woh­ nen jetzt in Volksdorf. Auch das ist hübsch, und vielleicht ist es auch ganz gut, wenn in diesem fast perfekten Kreis noch eine kleine Lücke bleibt. Es werden schließlich noch ein paar Siegmunds nachwachsen.

VON HAMBURG IN DIE WELT Auswanderergeschichten in der BallinStadt Gustav Siegmund war einer von sehr vielen, für die der Hamburger Hafen ganz wörtlich das Tor zur Welt war. Zwischen 1850 und 1939 legten ungefähr fünf Millionen Menschen von hier ab, mit Not und Verfolgung im Nacken, Hoffnung im Gepäck und großen Erwartungen an ein anderes Leben in Amerika. Für viele von ihnen war die Aus­ wandererstadt auf der Veddel ab 1901 die letzte Station in Europa vor der Reise in die neue Welt: Albert Ballin, der Generaldirektor der HAPAG, ließ dort Massenunterkünfte errichten, mit Speisesälen, ordentlichen Waschräumen, einer Kirche und einer Synagoge. Seit 2007 ist die BallinStadt ein Museum, das die Geschichte der Emigra­ tion und Immigration erzählt (und bei dieser Geschichte über Gustav und John Siegmund tatkräftig geholfen hat, danke dafür). Auch andere ungewöhnliche Lebenswege werden in der BallinStadt geschildert. Etwa der von Maksymilian Faktorowicz (1877–1938), einem polnischen Juden, der mit 14 nach Moskau ging, dort als Kosmetiker und Perückenmacher an der Oper Karriere machte, zum kosmetischen Berater der Zarenfamilie aufstieg und trotzdem wegen seines jüdischen Glaubens angefeindet wurde. 1904 reiste Factorowicz über Hamburg nach Amerika aus und wurde zu Max Factor – dem Mann, der als Make-up-Artist in Hollywood den Look des frühen Filmgeschäfts prägte und dessen Produkte heute noch von Filmstars benutzt werden. Max Factors Geschichte ist Teil der Sonderausstellung »321 bis 2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«, die die BallinStadt vom 17. September bis zum 30. Dezember 2021 zeigt. www.ballinstadt.de


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­DIE FÖRDERER UND SPONSOREN DER ­E LBPHILHARMONIE

Große Visionen brauchen ein starkes Fundament. Deswegen ­­unterstützen namhafte Partner aus Wirtschaft, Gesellschaft und Politik die Elbphilharmonie. Gemeinsam bilden sie ein Netzwerk, das die Elbphilharmonie auf dem Weg zu einem Konzerthaus von Weltrang begleitet. So ermöglichen sie ein Konzertprogramm mit einem unverwechselbaren musikalischen Profil, Musikvermittlungsideen für alle Generationen sowie innovative Festivalkonzepte, die ­Maß­stäbe im internationalen Konzertbetrieb setzen.


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­D IE FÖRDERER DER STIFTUNG ELBPHILHARMONIE

SILBER ZUWENDUNGEN AB 10.000 EURO

MÄZENE ZUWENDUNGEN AB 1.000.000 EURO Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut und Prof. Dr. h.c. Hannelore Greve Dr. Michael und Christl Otto Hermann Reemtsma Stiftung Christine und Klaus-Michael Kühne Körber-Stiftung Peter Möhrle Stiftung Familie Dr. Karin Fischer Reederei Claus-Peter Offen (GmbH & Co.) KG Stiftung Maritim Hermann & Milena Ebel Hans-Otto und Engelke Schümann Stiftung Christiane und Klaus E. Oldendorff Dr. Ernst und Nataly Langner PLATIN ZUWENDUNGEN AB 100.000 EURO Ian und Barbara Karan-Stiftung Gebr. Heinemann SE & Co. KG Bernhard Schulte GmbH & Co. KG Deutsche Bank AG M. M. Warburg & CO Hamburg Commercial Bank AG Lilli Driese J. J. Ganzer Stiftung Claus und Annegret Budelmann Berenberg – Privatbankiers seit 1590 Mara und Holger Cassens Stiftung Christa und Albert Büll Christine und Heinz Lehmann Frank und Sigrid Blochmann Else Schnabel Edel Music + Books Dr. Markus Warncke Berit und Rainer Baumgarten Christoph Lohfert Stiftung Eggert Voscherau Hellmut und Kim-Eva Wempe Günter und Lieselotte Powalla Martha Pulvermacher Stiftung Heide + Günther Voigt Gabriele und Peter Schwartzkopff Dr. Anneliese und Dr. Hendrik von Zitzewitz GOLD ZUWENDUNGEN AB 50.000 EURO Rainer Abicht Elbreederei Christa und Peter Potenberg-Christoffersen HERISTO AG Christian Böhm und Sigrid Neutzer

Ärzte am Markt: Dr. Jörg Arnswald, Dr. Hans-Carsten Braun Baden-Württembergische Bank Familie Belling André Boeder Prof. Dr. Hans Jörn Braun Robert Brinks Hans Brökel Stiftung für Wissenschaft und Kultur Herbert Brunner und Manuel Wendl Jürgen und Amrey Burmester Gisela Friederichsen FRoSTA AG Dr. Utz und Dagmar Garbe Susanne und Karl Gernandt Anna-Katrin und Felix Goedhart Adolph Haueisen GbmH Antonius Heuer, Fidelio Cruise Katja Holert und Thomas Nowak Hans-Jochen Holthausen Isabella Hund-Kastner und Ulrich Kastner kmp ingenieursgesellschaft mbH Knott & Partner VDI Jürgen Könnecke Hannelore und Hartmut Krome Christian Kupsch Lions Club Hamburg Elbphilharmonie Joachim Luserke Detlev Meyer Jan Paul Paulsen PJM Investment Akademie GmbH PSD Bank Nord Riedel Communications GmbH & Co. KG Rotary Club Hamburg-Elbe Dr. Gaby Schönhärl-Voss und Claus-Jürgen Voss Melanie und Stefan Wirtgen Witt Handel GmbH Otto Wulff Bauunternehmung GmbH BRONZE ZUWENDUNGEN AB 5.000 EURO Dr. Ute Bavendamm / Prof. Dr. Henning Harte-Bavendamm Marlis u. Franz-Hartwig Betz Stiftung B&O Gebäudetechnik Nord GmbH Rolf Dammers OHG Ilse und Dr. Gerd Eichhorn Ansgar Ellmer, Ellmer Group Deutschland GmbH Hennig Engels Dr. Ralph Geuther Jennifer und Arndt Gossmann Dr. T. Hecke und C. Müller Marga und Erich Helfrich Dr. Michèle Richartz-Heller und Prof. Dr. Martin Heller Korinna Klasen-Bouvatier Chippi Klindworth Dr. Claus und Hannelore Löwe Heimi und Harald Lungershausen Ursel Meyer-Rehfueß und Franz Meyer Georg-Plate-Stiftung Hella und Günter Porth Carmen Radszuweit Colleen B. Rosenblat Rölke Pharma GmbH Hannelore und Albrecht von Eben-Worlée Stiftung


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DIE KURATOREN

DES FREUNDESKREISES ELBPHILHARMONIE + LAEISZHALLE E. V.

Jürgen Abraham | Rolf Abraham | Heike Adam |  Anja Ahlers  |  Margret Alwart  | Karl-Johann Andreae  |  Dr. Michael Bamberg  | Undine Baum  | Rainer und Berit Baumgarten  | Gert Hinnerk Behlmer  |  Michael Behrendt | Robert von Bennigsen | Joachim von Berenberg-Consbruch | Peter Bettinghaus | Marlis und Franz-Hartwig Betz | Ole von Beust | Wolfgang Biedermann | Alexander Birken | Dr. Frank Billand |  Dr. Gottfried von Bismarck  |  Dr. Monika Blankenburg  |  Birgit Bode | Andreas Borcherding | Tim Bosenick | Vicente Vento Bosch | Jochen Brachmann | Gerhard Brackert | Maren Brandes | Verena Brandt | Prof. Dr.­ Hans Jörn Braun | Beatrix Breede | Heiner Brinkhege | Nikolaus Broschek  |  Carolin Bröker  |  Marie Brömmel  | Claus-G. Budelmann  |  Engelbert Büning  | Amrey und Jürgen Burmester | Stefanie Busold | Dr. Christian Cassebaum | Martina Cleven | Dr. Markus Conrad |  Dr. Katja Conradi | Dierk und Dagmar Cordes | Familie Dammann | Carsten Deecke | Jan F. Demuth |  Karl Denkner | Dr.  Peter Dickstein | Heribert Diehl |  Detlef Dinsel | Kurt Dohle | Benjamin Drehkopf | Thomas Drehkopf  | Oliver Drews  | Klaus Driessen  |  Herbert Dürkop  |  Christian Dyckerhoff  |  Hermann Ebel  | Stephanie Egerland  |  Hennig Engels  |  Dr. Michael Ensser  |  Claus Epe  | Norbert Essing  |  Heike und John Feldmann  | Alexandra und Dr. Christian Flach  |  Dr. Peter Figge | Jörg Finck | Gabriele von Foerster |  Dr. Christoph Frankenheim | Dr. Christian Friesecke | Manhard Gerber  |  Birgit Gerlach  |  Dr. Peter Glasmacher  | Prof. Phillipp W. Goltermann  | Inge Groh  | Annegret und Dr. Joachim Guntau | Amelie Guth | Michael Haentjes | Petra Hammelmann  |  Dr. med. Liu Hasselbach  |  Nicola Hasselmann | Jochen Heins | Dr. Christine Heins |  Dr. Michael Heller  |  Dr. Dieter Helmke  |  Jan-Hinnerk Helms  | Rainer Herold  | Gabriele und Henrik Hertz  |  Günter Hess  |  Prof. Dr. Dr. Stefan Hillejan  |  Bärbel Hinck  | Joachim Hipp | Eberhard Hofmann | Dr. Klaus-Stefan Hohenstatt | Christian Hoppenhöft | Prof. Dr. Dr. Klaus J. Hopt | Dr. Stefanie Howaldt | Rolf Hunck | Maria Illies | Dr. Ulrich T. Jäppelt | Dr. Johann Christian Jacobs |  Heike Jahr  |  Martin Freiherr von Jenisch  |  Roland Jung  |  Dr. Klaus Kamlah  | Ian Kiru Karan  |  Tom Kemcke | Klaus Kesting | Prof. Dr. Stefan Kirmße |  Kai-Jacob Klasen  | Renate Kleenworth |

VORSTAND: Christian Dyckerhoff (Vorsitzender), Roger Hönig (Schatzmeister), Henrik Hertz, Bert E. König, Magnus Graf Lambsdorff, Dr. Ulrike Murmann und Irene Schulte-Hillen EHRENMITGLIEDER: Dr. Karin Fischer †, Manhard Gerber, Prof. Dr. Helmut Greve †, Prof. Dr. h. c. Hannelore Greve, Nikolaus H. Schües, Nikolaus W. Schües, Dr. Jochen Stachow, Dr. Michael Otto und Jutta A. Palmer †

Gerd F. Klein  |  Jochen Knees  | Prof. Dr. Irmtraud Koop  | Petrus Koeleman | Bert E. König | Dr. Tiemo Kracht | Susanne Krueger  | Sebastian Krüper  |  Jörg Kuhbier  |  Arndt Kwiatkowski  | Marcie Ann Gräfin Lambsdorff  | Dr. Klaus Landry | Günther Lang | Dirk Lattemann | Per H. Lauke |  Hannelore Lay | Dr. Claus Liesner | Lions Club Hamburg Elbphilharmonie | Dr. Claus Löwe | Prof. Dr. Helgo Magnussen  | Dr. Dieter Markert  | Sybille Doris Markert  |  Franz-Josef Marxen  | Thomas J. C. und Angelika Matzen Stiftung  |  Helmut Meier  | Gunter Mengers  | Axel Meyersiek  |  Erhard Mohnen  | Dr. Thomas Möller | Christian Möller  |  Karin Moojer-Deistler  | Ursula Morawski  | Katrin MorawskiZoepffel | Jan Murmann | Dr. Sven Murmann | Dr. Ulrike Murmann  | Julika und David M. Neumann  |  Michael R. Neumann | Franz Nienborg | Frank Nörenberg | Dr. Ekkehard Nümann  | Dr. Peter Oberthür  | Thilo Oelert  |  Dr. Andreas M. Odefey  |  Dr. Michael Ollmann  |  Dr. Eva-Maria und Dr. Norbert Papst  | Dirk Petersen  |  Dr. Sabine Pfeifer  |  Sabine Gräfin von Pfeil  |  Martin Philippi  | Aenne und Hartmut Pleitz | Bärbel Pokrandt | Hans-Detlef Pries | Karl-Heinz Ramke | Horst Rahe | Dr. Martin Reitz | Ulrich Rietschel |  Ursula Rittstieg | Thimo von Rauchhaupt | Prof. Dr. Hermann Rauhe | Prof. Dr.-Ing. Dr. Ing. E. h. Heinrich Rothert |  Prof. Michael Rutz | Bernd Sager | Siegfried von Saucken | Birgit Schäfer  |  Dieter Scheck  |  Mattias Schmelzer |  Vera Schommartz  | Katja Schmid von Linstow  |  Dr. Hans Ulrich und Gabriele Schmidt  | Nikolaus H. Schües  |  Nikolaus W. Schües | Kathrin Schulte | Gerd Schulte-Hillen |  Prof. Dr. Volker Schumpelick  | Ulrich Schütte  |  Dr. rer. nat. Mojtaba Shamsrizi  |  Dr. Susanne Staar  |  Prof. Dr. Volker Steinkraus  | Wolf O. Storck  | Greta und Walter W. Stork  | Reinhard Stuth  | Ewald Tewes  | Ute Tietz  |  Dr. Jörg Thierfelder | Dr. Jens Thomsen | Tourismusverband Hamburg e. V.  |  John G. Turner und Jerry G. Fischer  |  Resi Tröber-Nowc | Hans Ufer | Dr. Sven-Holger Undritz |  Margarethe Wacker-Frankenberger | Markus Waitschies |  Dr. Markus Warncke | Thomas Weinmann | Marianne Wessel | Dr. Gerhard Wetzel | Erika Wiebecke-Dihlmann |  Dr. Andreas Wiele | Dr. Martin Willich | Ulrich Winkel |  Nina Kathrien Winterling  |  Dr. Andreas Witzig  |  Dr. Thomas Wülfing | Christa Wünsche | Stefan Zuschke Sowie weitere Kuratoren, die nicht genannt werden möchten


F ö r de r e r  85

­E LBPHILHARMONIE CIRCLE DER UNTERNEHMERKREIS DER ELBPHILHARMONIE

Aalernhüs St. Peter Ording ABACUS Asset Management Addleshaw Goddard LLP AHN & SIMROCK Bühnen- und Musikverlag GmbH Allen Overy LLP ARCADIA Beteiligungen Arnold Hertz Immobilien a-tour Architekturführungen Bankhaus DONNER & REUSCHEL Barkassen-Meyer BBS Werbeagentur BC Beach BDV Behrens GmbH BNP Paribas Real Estate BONNING2 GmbH Bornhold Die Einrichter Braun Hamburg British American Tobacco Germany Carl Robert Eckelmann C. A. & W. von der Meden Company Companions DNW Dr. Aschpurwis Gmbh & Co. KG Drawing Room Engel & Völkers AG Engel & Völkers Hamburg Projektvermarktung Esche Schümann Commichau Eventteam GmbH Flughafen Hamburg FRANK-Gruppe Freshfields Bruckhaus Deringer Fortune Hotels Garbe Germela Gerresheim serviert GmbH Groth & Co. GmbH & Co. KG Grundstücksgesellschaft Bergstrasse Hamburg Team Hanse Lounge, The Private Business Club HBB Hanseatische Betreuungs- und Beteiligungs­gesellschaft mbH Hermann Hollmann GmbH & Co. HHLA Hotel Wedina Hamburg Igepa group IK Investment Partners

INP-Holding Iris von Arnim ISA-Traesko GmbH Jäderberg & Cie. JARA HOLDING GmbH Joop! Kesseböhmer Holding KG KLB Handels GmbH Konexus Consulting Group Konzertdirektion Dr. Rudolf Goette GmbH Lehmann Immobilien Lennertz & Co. GmbH loved Lupp + Partner Madison Hotel Malereibetrieb Otto Gerber GmbH Miniatur Wunderland Nordgetreide GmbH & Co. KG Notariat am Gänsemarkt Notariat an den Alsterakaden Otto Dörner GmbH & Co. KG Plath GmbH print-o-tec GmbH Robert C. Spies Gewerbe & Investment Rosenthal Chausseestraße GbR ROXALL Group Schlüter & Maack GmbH Schwind eye-tech-solutions SHP Primaflex GmbH Steinway & Sons Stolle Sanitätshaus GmbH Taylor Wessing The Fontenay Hotel THE STUDIOS Trainingsmanufaktur Dreiklang UBS Europe SE Hamburg Unger Hamburg Vita Apotheke Vladi Private Islands Weischer.Media Worlée Chemie WTS Steuerberatungsgesellschaft Wünsche Handelsgesellschaft Sowie weitere Unternehmen, die nicht genannt werden möchten.

FÖRDERKREIS

INTERNATIONALES MUSIKFEST HAMBURG

Jürgen Abraham Erica Arenhold Ingeborg Prinzessin zu Schleswig-Holstein und Nikolaus Broschek Annegret und Claus-G. Budelmann Christa und Albert Büll Birgit Gerlach Ulrieke Jürs Ernst Peter Komrowski Dr. Udo Kopka und Jeremy Zhijun Zeng Helga und Michael Krämer Sabine und Dr. Klaus Landry Marion Meyenburg

Birgitt und Leif Nilsson Zai und Edgar E. Nordmann Christiane und Dr. Lutz Peters Änne und Hartmut Pleitz Engelke Schümann Martha Pulvermacher Stiftung Margaret und Jochen Spethmann Birgit Steenholdt-Schütt und Hertigk Diefenbach Anja und Dr. Fred Wendt Constanze und Christian Wriedt Sowie weitere Förderer, die nicht genannt werden möchten.


86

F ö r de r e r

SPONSOREN UND FÖRDERSTIFTUNGEN

DIE PARTNER DER ELBPHILHARMONIE

PRINCIPAL SPONSORS

HAUPTFÖRDERER INTERNATIONALES MUSIKFEST HAMBURG

PRODUCT SPONSORS


F ö r de r e r  87

CLASSIC SPONSORS

FÖRDERSTIFTUNGEN


Imp r e s s u m

Die nächste Ausgabe des Elbphilharmonie Magazins erscheint am 6. August 2021.

Herausgeber HamburgMusik gGmbH Geschäftsführer: Christoph Lieben-Seutter (Generalintendant), Jochen Margedant Platz der Deutschen Einheit 4, 20457 Hamburg magazin@elbphilharmonie.de www.elbphilharmonie.de Chefredakteur Carsten Fastner Redaktion Katharina Allmüller, Melanie Kämpermann, Clemens Matuschek, Tom R. Schulz; Gilda Fernández-Wiencken (Bild) Formgebung GROOTHUIS. Gesellschaft der Ideen und Passionen mbH für Kommunikation und Medien, Marketing und Gestaltung; groothuis.de Gestaltung Janina Lentföhr (Leitung), Lars Hammer, Miriam Kunisch, Susan Schulz; Bildredaktion Angela Wahl; Herstellung Katja Hecking, Steffen Meier; Projektleitung Alexander von Oheimb; CvD Rainer Groothuis Beiträge in dieser Ausgabe von Sibel Balac, Stephan Bartels, Till Briegleb, Simon Chlosta, Jonathan Fischer, Stefan Franzen, Lars Hammer, Gesche Jäger, Fränz Kremer, Lutz Lesle, Clemens Matuschek, Regine Müller, Heribert Prantl, Till Raether, Nadine Redlich, Jewgeni Roppel, Claudia Schiller, Charlotte Schreiber, Tom R. Schulz, Albrecht Selge, Florian Thoss, Juliane Weigel-Krämer, Julika von Werder, Bjørn Woll Lithografie Alexander Langenhagen, edelweiß publish, Hamburg Korrektorat Ferdinand Leopold

Druck gutenberg beuys, Feindruckerei GmbH, ­Langenhagen Dieses Magazin wurde klimaneutral auf Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft produziert.

Anzeigenleitung Antje Sievert, Anzeigen Marketingberatung Sponsoring Tel: 040 450 698 03, antje.sievert@kultur-anzeigen.com Vertrieb PressUp GmbH, Hamburg Leserservice  / Abonnement Elbphilharmonie Magazin Leserservice PressUp GmbH Postfach 70 13 11, 22013 Hamburg leserservice@elbphilharmonie.de Tel: 040 386 666 343, Fax: 040 386 666 299 Das Elbphilharmonie Magazin erscheint dreimal jährlich. ­ ild- und Rechtenachweise B Cover: Jewgeni Roppel; S. 1: Michael Zapf; S. 2 linke Spalte: Brigitte Friedrich / Süddeutsche Zeitung Photo, mittlere Spalte: Christoph Köstlin / DG; S. 3 oben rechts: picture alliance / Markus Hoetzel / Shotshop, mitte: Marshall Light Studio, unten: Naohiro Maeda; S. 4-9: Naohiro Maeda; S. 10-11: Lars Hammer; S. 12: von links oben nach rechts unten: Florence Price Papers Addendum (MC 988a) / Special Collections / Uni­ versity of Arkansas Libraries / Fayetteville, Shervin Lainez, Billy Diaz, Leah Roth, Jill Freedman / Getty Images, Music-Images / Alamy Stock Foto, Granger NY / Alamy Stock Foto; S. 13: Jiyang Cheng; S. 15 von links oben nach rechts unten: privat, Rose Library /  Emory University, picture alliance / dpa / Ron Sachs,

WENN / Alamy Stock Foto, Dennis Weber, Romanieo Golphin, Granger NY / Alamy Stock Foto, Dario Acosta; S. 16: Marshall Light Studio; S. 18-21: Émilie Régnier; S.23 oben: picture alliance / REUTERS / Social Media, unten: Lorens Lonberg / Wikipedia; S. 24 oben: picture alliance / dpa / Jonas Klüter, unten: akg-images /  Hermann Lüders; S. 25: SHMH Museum der Arbeit; S. 26 oben: picture alliance / dpa / Christian Charisius, unten: akg-images / bilwissedition; S. 27: Elke Schnei­ der; S. 28 von links oben nach rechts unten: Dario Acosta, Peter Hundert, Eric Melear; S. 29 von links oben nach rechts unten: Rex Lott, TUZ-perm, privat (2); S. 30-37: Jewgeni Roppel; S. 38: ullstein bild – SPUT­ NIK; S. 40: picture-alliance / dpa / Werner Baum; S. 41 oben: Heritage Image Partnership Ltd / Alamy Stock Foto, mitte: Frans Schellekens / Getty Images, unten: picture-alliance / akg-images / Marion Kalter; S. 42: Frans Schellekens / Getty Images; S. 45-46: Christoph Köstlin / DG; S. 48: Nadine Redlich; S. 50: akg-ima­ ges / Science Source; S. 51: Denys Stetsenko; S. 52: Rita Santos; S. 54-58: Sibel Balac; S. 60: Don Dixon; S. 61: Henrik Kam; S. 62: Tim Griffiths; S. 63: Jay Blakesberg; S. 64: Charlotte Schreiber; S. 66: Yann Orhan; S. 67: picture alliance / DALLE APRF / © nickpaulsen; S.68: picture alliance / CPA Media Co. Ltd; S. 69: Getty Ima­ ges / AFP / Valery Hache; S. 70-73: Gesche Jäger; S. 74-81: Florian Thoss; S. 82-87: subman / istockphoto; S. 88: Oliver Viaña

Redaktionsschluss 26. März 2021 Änderungen vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nicht gestattet. Printed in Germany. Alle Rechte vorbehalten. Träger der HamburgMusik gGmbH:



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E T S N R MO DE IN M E DI Z HanseMerkur Private Krankenversicherung HanseMerkur unterstützt seit Jahren zukunftsweisende Technologien und bietet innovative Gesundheitsdienstleistungen an, wie z. B. eine Soforthilfe bei psychischen Belastungen, die Erstellung mobiler Elektro-Kardiogramme, die Beratung auch durch Online-Ärzte und eine Therapie zur Behandlung von Tinnitus. Modernste und digitale Behandlungsmethoden für unsere Versicherten zeigen: Hand in Hand ist HanseMerkur.


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