European Forum for Urban Security
Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Anmerkungen der Redaktion: In dieser Veröffentlichung haben wir im Interesse einer besseren Lesbarkeit davon abgesehen, gender-sensible Sprache (z.B. Repräsentant/in oder Abgeordnete*r) zu verwenden. Efus ist jedoch überzeugt dass Geschlechtergerechtigkeit systematisch und durchgängig mitgedacht werden muss und vertritt diesen Ansatz in all seinen Aktivitäten. Wir benutzen die Abkürzung LSBT (Lesbisch, Schwul, Bi- und Transsexuell) um alle nicht-heterosexuellen und nicht cis-geschlechtlichen Gruppen (einschließlich Transgender, Queer, genderqueer, Intersexe sowie pansexuell, androgyn und asexuell identifizierte Personen) und Ihre Unterstützer zu bezeichnen. Diese Publikation wird durch das Europäische Forum für Urbane Sicherheit (Efus) veröffentlicht und ist das Ergebnis des Projekts „Just and Safe Cities for All“, das zwischen 2015 und 2017 durchgeführt wurde. Sie wurde von den Projektmanagern Pilar de la Torre und Moritz Konradi unter der Leitung von Elizabeth Johnston, Geschäftsführerin, und Carla Napolano, stellvertretende Geschäftsführerin, mit Unterstützung von Sarah Martin, Praktikantin, sowie der Projektpartner verfasst. Verwendung und Vervielfältigung sind gebührenfrei, sofern sie nicht zu kommerziellen Zwecken erfolgen und die Quelle genannt wird. Lektorat: Nathalie Bourgeois Übersetzung: Brita Pohl Layout: Marie Aumont, micheletmichel.com Druck: Cloître Imprimeurs, Saint-Thonan - Frankreich ISBN: 978 – 2 -913181 – 59 – 5 Hinterlegung des Pflichtexemplars: November 2017 Europäisches Forum für Urbane Sicherheit 10, rue des Montiboeufs 75020 Paris - France Tel: +33 (0)1 40 64 49 00 contact@efus.eu - www.efus.eu
Dieses Projekt wurde durch die finanzielle Unterstützung der Europäischen Union im Rahmen des Programms Rechte, Gleichstellung und Unionsbürgerschaft (REC) ermöglicht. Diese Publikation wurde mit finanzieller Unterstützung des Programms Rechte, Gleichstellung und Unionsbürgerschaft (REC) der Europäischen Union erstellt. Die Verantwortung für die Inhalte dieser Publikation liegt allein bei den Autoren, sie bringt nicht die Meinung der Europäischen Kommission zum Ausdruck.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Danksagung
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Das Projekt Just and Safer Cities for All konnte dank des Engagements von Vertreter folgender Partnerinstitutionen durchgeführt werden – Forum Italiano per la Sicurezza Urbana (FISU) – Italien, Forum belge pour la Prévention et la Sécurité Urbaine (FBPSU) – Belgien, Fórum Español para la Prevención y la Seguridad Urbana (FEPSU) – Spanien, Forum français pour la Sécurité Urbaine (FFSU) – Frankreich, Institut für Konfliktforschung (IKF) – Österreich, Associação Portuguesa de Apoio à Vítima (APAV) – Portugal, UFUQ – Deutschland, Uniwersytet Jagielloński w Krakowie – Polen, die mit ihrem Fachwissen zu unterschiedlichen Teile des Projekts sowie dem Entwurf dieses Handbuchs beigetragen haben. Wir danken ihnen für die Großzügigkeit, mit der sie ihr Wissen und ihre Erfahrungen geteilt und damit zum Erfolg des Projekts beigetragen haben. Zudem möchten wir den Vertretern der 130 Institutionen, Projekte und Initiativen danken, die dem Aufruf gefolgt sind, lokale Ansätze zur Bekämpfung und Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene beizusteuern. Ihre unermüdliche Arbeit gegen Hass und Intoleranz und für sozialen Zusammenhalt und ein friedliches Zusammenleben in ganz Europa ist wahrhaft inspirierend. Wir möchten auch allen Teilnehmenden an den vielen Veranstaltungen, Treffen und Diskussionen danken, die im Rahmen des Projekts organisiert wurden – ihre wertvollen Beiträge hatten großen Einfluss auf die Ideen, die in dieser Publikation formuliert werden. Weiterer Dank gilt der Europäischen Kommission für ihre finanzielle Unterstützung, ohne die weder Projekt noch Publikation möglich gewesen wären.
Projektpartnerinnen Sara Filippini und Gian-Guido Nobili, Forum Italiano per la Sicurezza Urbana (FISU) – Italien; Laetitia Nolet und Tony Versaevel, Forum belge pour la Prévention et la Sécurité Urbaine (FBPSU) – Belgien; Gemma Pinyol und Josep Lahosa, Fórum Español para la Prevención y
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la Seguridad Urbana (FEPSU) – Spanien; Myassa Djebara und Camille Jannel, Forum français pour la Sécurité Urbaine (FFSU) – Frankreich; Helga Amesberger und Birgitt Haller, Institut für Konfliktforschung (IKF) – Österreich; Rui Nunes Costa und Mafalda Valério, Associação Portuguesa de Apoio à Vítima (APAV) – Portugal; Götz Nordbruch, Mariam Puvogel und Sindyan Qasem, UFUQ – Deutschland; Katarzyna Jurzak, Uniwersytet Jagielloński w Krakowie – Polen.
Weitere Mitwirkende Christina Aigner und Thomas Weninger (Österreichischer Städtebund, Österreich), Shams Asadi, Peter Florianschütz, Thomas Hie, Dr. Michael Häupl und Angela Schwarz (Stadt Wien, Österreich), Wolfgang Bogensberger, Petra Polgar und Dagmar Weingärtner (Vertretung der Europäischen Kommission, Österreich), Patrick Charlier (Interföderales Zentrum für Chancengleichheit, UNIA, Belgien), Marc Coester (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, Deutschland), Jon Garland (University of Surrey, Vereinigtes Königreich), Katrin Gleirscher (Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie Wien, Österreich), Francesc Guillen Lasierra und Àngels Vila Muntal (Generalitat de Catalunya), Gertraud Kremsner (Universität Wien, Österreich), Josep Lahosa und Anabel Rodriguez (Ajuntament de Barcelona), Giuditta Lembo (Regione Molise, Italien), Erich Marks (Landespräventionsrat Niedersachsen, Deutschland), David Martin (Policía Municipal de Madrid, Spanien), Niraj Nathwani, Geraldine Guille und Anna Szczodry (EU-Grundrechteagentur, FRA), Larry Olomofe (OSZE-Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte, ODIHR), Anna Rau (Deutsch-Europäisches Forum für Urbane Sicherheit, Deutschland), Claudia Schäfer (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit, ZARA, Österreich), Gerald Schöpfer (European Commission Against Racism and Intolerance, ECRI), Hans-Georg Schuhmacher (Stadt Mannheim, Deutschland), Gabriela Sonnleitner (magdas Wien, Österreich), James Tate und Natasha Plummer (MOPAC London, Vereinigtes Königreich).
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Inhaltsverzeichnis
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Vorwort.......................................................................... S. 8 Einleitung.....................................................................S. 10 Teil 1: Diskriminierende Gewalt, Hasskriminalität und Intoleranz – Phänomene und Gegenstrategien.............................S. 13 1.1 Was ist diskriminierende Gewalt? Konzepte und Phänomene............................................................ S. 14 1.2 Europäische Strategien gegen diskriminierende Gewalt.......... S. 21 1.3 Diskriminierende Gewalt und urbane Sicherheit – die Bedeutung von Gegenmaßnahmen auf lokaler Ebene............. S. 30
Teil 2: Lokale Ansätze zur Prävention und Bekämpfung von diskriminierender Gewalt – Kompendium vielversprechender Praxisbeispiele..p. 39 2.1 Wissensproduktion................................................................ S. 41 2.2. Sensibilisierung..................................................................... S. 60 2.3 Empowerment........................................................................ S. 82 2.4 Gezielte Prävention............................................................... S. 100 2.5 Opferhilfe.............................................................................. S. 120 2.6 Transversale Strategien......................................................... S. 137
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Teil 3: Empfehlungen für lokale Akteure.......................S. 154 3.1 Verbesserung der Datenlage durch gezielte Sicherheitsaudits........................................................................ S. 156 3.2 Bewältigung des Problems der Dunkelziffer.......................... S. 157 3.3 Bereitstellung von lokalen und niedrigschwelligen Opferhilfeangeboten................................................................... S. 158 3.4 Lokale und regionale Behörden in federführender Rolle in Präventionsnetzwerken.................................................. S. 159 3.5 Eine sichtbare Rolle für lokale und regionale Mandatsträger............................................................................ S. 160 3.6 Schulung von Mitarbeitern mit Bevölkerungskontakt und anderen Akteuren auf lokaler und regionaler Ebene............. S. 161 3.7 Kooperation mit Strafverfolgungsbehörden .......................... S. 162 3.8 Diversität und Sensibilisierung innerhalb lokaler und regionaler Verwaltungen...................................................... S. 164 3.9 Förderung von frühzeitiger Prävention / Primärprävention........................................................................ S. 165 3.10 Kooperation und Austausch mit der nationalen und europäischen Regierungsebene........................................... S. 166 3.11 Kooperation mit lokalen und regionalen Medien................ S. 167
Literaturverzeichnis.................................................. S. 169
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Vorwort
>>>>>>>>>>>>>>>>> Diskriminierende Gewalttaten – die sich gegen eine Person richten, weil diese wegen ihrer tatsächlichen oder angenommenen Zugehörigkeit zu einer Gruppe mit bestimmten Eigenschaften wie etwa ihrer ethnischen Herkunft, Religion, Geschlechtsidentität oder sexuellen Orientierung oder auch einer Behinderung, des Alters, der Sprache oder wegen Obdachlosigkeit abgelehnt wird – unterscheiden sich von anderen Delikten. Sie haben nicht nur verheerende Auswirkungen auf die körperliche und geistige Gesundheit der Opfer selbst, sondern vermitteln auch eine Botschaft an ganze Identitäts- und Bevölkerungsgruppen, bedrohen sie mit Gewalt und stellen ihr Recht auf gesellschaftliche Teilhabe infrage. Sie verbreiten Angst und Feindseligkeit weit über den kommunalen Kontext hinaus, und selbst scheinbar isolierte Taten können zu Eskalation, Spannungen und Konflikten in größerem Maßstab führen. Außerdem bedroht diskriminierende Gewalt direkt die Grundwerte von Demokratie, sozialem Zusammenhalt und öffentlicher Sicherheit, die in der Charta der Grund- und Menschenrechte der Europäischen Union zum Ausdruck gebracht werden. Damit wirkt sie sich auf vielen unterschiedlichen Ebenen besonders verheerend aus. Dennoch wurde dieses Problem bisher in kommunalen Kriminalpräventionsstrategien nicht immer vordringlich behandelt. Diskriminierung als solche wird von Sicherheitsfachleuten nicht systematisch bekämpft, da häufig angenommen wird, sie läge im Zuständigkeitsbereich anderer Abteilungen. Efus und seine Mitglieder wollen diese Diskussion auf neue Grundlagen stellen. Efus Ziel ist es, die Sicherheit und das Sicherheitsgefühl aller gesellschaftlichen Gruppen durch einen ausgewogenen Ansatz aus Prävention, Sanktionen und gesellschaftlichem Zusammenhalt zu verbessern. Wir betonen daher schon immer, dass nicht nur die Bedürfnisse und Meinungen der Mehrheit, sondern auch jene von Minderheiten und marginalisierten Gruppen einzubeziehen sind. Wir sind der Meinung, dass für eine inklusive und holistische
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Betrachtung von urbaner Sicherheit Strategien gegen diskriminierende Gewalt im Zentrum urbaner Sicherheitsagenden stehen müssen. Im Rahmen des Projekts Just and Safer Cities for All gründete Efus ein Konsortium aus Partnerorganisationen in ganz Europa, die gemeinsame große Kompetenz besitzen. Efus war in den kollektiven Anstrengungen des Konsortiums federführend, den Austausch von vielversprechenden Praxisbeispielen zu fördern und Empfehlungen für lokale Strategien gegen diskriminierende Gewalt zu entwickeln. Das Ziel dieser Publikation besteht darin, bei lokalen und regionalen Behörden das Problembewusstsein zu erhöhen und sie im Kampf gegen diskriminierende Gewalt auf lokaler und regionaler Ebene zu unterstützen. Sie untersucht den aktuellen Stand lokaler Strategien gegen Hass und Intoleranz, bietet ein reiches Kompendium an vielversprechenden Praxisbeispielen, die in ganz Europa implementiert und erprobt werden, und legt Empfehlungen vor, wie künftige Strategien zu diesem Zweck entwickelt werden können. Damit hofft Efus, ein wirkungsvolles Instrument im Kampf gegen Gewalt und Diskriminierung in ganz Europa sowie für unser gemeinsames Anliegen vorzulegen, gerechte und sicherere Städte für alle zu schaffen.
Elizabeth Johnston Geschäftsführerin
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Einleitung
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Diskriminierende Gewalt und Hasskriminalität stellen für urbane Sicherheitspolitiken dringliche Probleme dar.1 Die Mitglieder von Efus beschäftigen sich seit Langem mit den negativen Auswirkungen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, Sexismus und LSBT-Feindlichkeit, Gewalt gegen Menschen mit Behinderung oder Obdachlose, gegen Muslime, Jüdinnen und Juden und Roma und Sinti sowie andere Gruppen, die mit Hass und Intoleranz konfrontiert sind. Anlässlich formeller und informeller Efus-Aktivitäten sprachen europäische Lokalbehörden dieses Problem vielfach an und schlugen vor, sich damit im Rahmen eines europäischen Kooperationsprojekts auseinanderzusetzen. Ihre kommunalen Dienste und ihr Personal vor Ort sind tagtäglich mit den Konsequenzen diskriminierender Gewalt konfrontiert. Sie sind die ersten, die mit denjenigen in Kontakt kommen, die wegen gruppenbezogener Persönlichkeitsmerkmale angegriffen werden, und ringen oft darum, angemessene Antworten auf ihr Leid, ihre Verluste und ihre berechtigte Wut zu finden. Efus initiierte mit Unterstützung der Europäischen Kommission im Rahmen des Programms Rechte, Gleichstellung und Unionsbürgerschaft „Just and Safer Cities for All“, ein europäisches Projekt zum Thema diskriminierende Gewalt. Von September 2015 bis Dezember 2017 organisierte das Konsortium folgende Aktivitäten:
Eine europaweite Ausschreibung um Praxisbeispiele für „Prävention und Bekämpfung von diskriminierenden Gewalttaten“ zu sammeln. Auf sie folgten mehr als 130 Einreichungen von Kommunen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, privaten Initiativen und Forschungs1- Die statistische Messung der Prävalenz von diskriminierender Gewalt und die Feststellung von zu- oder abnehmenden Tendenzen derartiger Phänomene ist nach wie vor ein komplexes und oft problematisches Unterfangen. Während viele wichtige Untersuchungen auf eine Zunahme der Fälle von diskriminierender Gewalt in Europa in den vergangenen 5–10 Jahren hinweisen, sind diese Entwicklungen nicht einheitlich und dürfen nicht verallgemeinert werden. Kapitel 1.1 bietet einen Überblick über diese Daten.
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institutionen aus ganz Europa, die ihre Aktivitäten vorstellten und Erfahrungen teilten. Das Projektkonsortium wählte daraus fünfzig Praxisbeispiele aus, die in Teil 2 dieser Publikation vorgestellt werden.
Ein europäisches Seminar mit dem Titel „Prävention von vorurteilsmotivierter Gewalt auf lokaler Ebene“, das im März 2017 in Wien stattfand und zu dem mehr als 100 Teilnehmende beitrugen.
Alle am Projekt beteiligten Partnerorganisationen führten an ihren jeweiligen Standorten lokale Aktivitäten gegen diskriminierende Gewalt durch, z.B. Videoprojekte für Jugendliche, entwickelten Online-Trainings, Schulungsveranstaltungen oder Ratgeber für Vertreter von Kommunalverwaltungen.
Einen internationalen Diskussionsprozess zur Entwicklung von Empfehlungen für lokale und regionale Behörden.
Ein
Disseminationsseminar im Rahmen der internationalen Efus-Konferenz „Security, Democracy & Cities“ im November 2017.
Diese Publikation ist nicht das Resultat der Arbeit des Projektkonsortiums allein. Viele Fachleute und Praktiker aus ganz Europa und aus einem breiten Spektrum an Berufsfeldern wirkten mit und trugen zur Entwicklung der Inhalte bei. Bei vielen Gelegenheiten im Rahmen der umfangreichen Projektaktivitäten beschäftigten sie sich mit drei Hauptfragen: Welchen Herausforderungen stehen wir in unseren Bemühungen zur Prävention und Bekämpfung von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene gegenüber? Welche Art von Aktivitäten sollte lokal gegen solche Phänomene umgesetzt werden? Und worin besteht bzw. sollte die Rolle der Kommunen bei derartigen Bemühungen bestehen? Diese Publikation besteht aus drei Teilen. Der erste Teil bietet eine Einführung in das Thema. Es grenzt den Begriff der diskriminierenden Gewalt von den Konzepten Hasskriminalität und Vorurteilskriminalität ab und skizziert den Ansatz von Efus. Zudem stellt es die wichtigsten Strategien europäischer Institutionen in Bezug auf dieses Problem vor und argumentiert in der Bekämpfung von diskriminierender Gewalt für evidenzbasierte, ausgewogene Strategien auf lokaler Ebene.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Der zweite Teil präsentiert eine Auswahl an vielversprechenden Praxisbeispielen aus ganz Europa, die gegen diskriminierende Gewalt vorgehen. Er ist weder vollständig noch erschöpfend, sondern präsentiert eine Auswahl, die inspirierend wirken und lokale und regionale Behörden in ihren Bemühungen auf lokaler Ebene unterstützen kann, ihre Strategien auszubauen. Diese Praxisbeispiele unterteilen sich in sechs Kategorien: Wissensproduktion, Sensibilisierung, Empowerment, gezielte Prävention, Opferhilfe und transversale Strategien. Dieser systematische Zugang ermöglicht einen übergreifenden und inklusiven Überblick über eine Vielzahl von Aktivitäten, Strategien und Maßnahmen, die auf lokaler Ebene umgesetzt werden können.
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Der dritte Teil enthält Empfehlungen, die sich an lokale und regionale Behörden richten. Sie wurden im Laufe vieler Diskussionen zwischen den Projektpartnern, in Vorstands- und Mitgliederversammlungen von Efus, mit Fachleuten, Wissenschaftlern und Praktikern, die an den vielen Projektaktivitäten beteiligt waren, sowie mit Teilnehmenden an den Veranstaltungen, die das Projekt in ganz Europa organisierte, insbesondere Vertreter von Kommunen und Regionalbehörden, nationalen und europäischen Institutionen und zivilgesellschaftlichen Organisationen, entwickelt und ausgestaltet. Alle Beteiligten teilten großzügig ihre Einsichten und ihr Fachwissen. Diese Empfehlungen sollen lokale Aktivitäten gegen diskriminierende Gewalt unterstützten, die Arbeit von Kommunen, die in diesem Feld bereits aktiv sind, bereichern, und jene inspirieren, die neue Projekte initiieren.
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Teil 1
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Diskriminierende Gewalt, Hasskriminalität und Intoleranz – Phänomene und Gegenstrategien
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
1.1 Was ist diskriminierende Gewalt? Konzepte und Phänomene
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Durch diskriminierende Einstellungen motivierte Gewaltphänomene Durch Intoleranz, Hass oder andere diskriminierende Einstellungen motivierte Gewalt ist in ganz Europa eine alltägliche Realität. Die Suche nach statistischen Daten zu diesem Thema ist ein komplexes Unterfangen: Die verfügbaren Zahlen müssen gründlich geprüft und in ihrer Bedeutung vorsichtig abgewogen werden, um nicht Ängste und das Gefühl von Unsicherheit in den betroffenen Gruppen und der Gesamtbevölkerung zu verschärfen.2 Dennoch unterstreichen viele neuere Forschungsergebnisse das Ausmaß des Problems und weisen auf beunruhigende Entwicklungen hin, die hier und jetzt unsere Aufmerksamkeit verdienen. Offizielle Daten für das Jahrzehnt 2005–2015 zeigen in der Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten ein hohes Maß an antisemitischer Gewalt (siehe FRA 2016: 23ff). In Frankreich gab es 2015 eine signifikante Zahl von antimuslimischen Taten und Drohungen, wobei die Zahl der Anzeigen von derartigen Taten im Vergleich zum vorhergehenden Jahr um 223% anstieg (siehe CNCDH 2016: 10). Das britische Innenministerium registriert seit 2013 jedes Jahr eine große Anzahl von rassistischen Taten, wobei im Juli 2016 im Kontext des Brexit-Referendums und der begleitenden Kampagne ein Höchstwert erreicht wurde (siehe Home Office 2016: 16ff). In Deutschland registrierte das Bundeskriminalamt 2016 einen dramatischen Anstieg an politisch motivierten Straftaten gegen Asylsuchende (siehe BKA 2017: 9f). Große Studien, die von der Grundrechteagentur der EU (FRA) durchgeführt wurden, belegen ein beunruhigendes Ausmaß von durch Antiziganismus, LSBT-feindliche Vorurteile oder Sexismus und Frauenfeindlichkeit motivierter Gewalt. 2008 berichteten 18% der Sinti und Roma, die von 2- Zu den Herausforderungen der Datensammlung und -evaluierung bezüglich solcher Vorkommnisse, siehe ODIHR 2005: 21ff sowie Perry 2010: 351ff.
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der Agentur befragt wurden, dass sie innerhalb der vorhergehenden 12 Monate Opfer rassistisch motivierter Hassdelikte gewesen seien (siehe FRA 2009: 9). 2013 berichteten mehr als 25% der LSBT-Personen, die im Rahmen einer großen Umfrage interviewt wurden, dass sie in den fünf der Studie vorausgehenden Jahren aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität eine oder mehrere Gewalttaten erlebt hätten oder mit Gewalt bedroht worden seien (siehe FRA 2014a: 56). 2014 ergab eine EU-weite Studie über Gewalt gegen Frauen, dass jede dritte Frau nach ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlebt hatte (siehe FRA 2014b: 27). Diese hier versammelten Ergebnisse mögen auf den ersten Blick eklektisch oder sogar unzusammenhängend erscheinen. Sie beziehen sich nicht nur auf eine Vielzahl an Orten und nationalen Kontexten, sondern auch auf eine breite Vielfalt an Phänomenen: Gewalt gegen religiöse Gruppen, aufgrund ethnischer Herkunft, Migration oder Flüchtlingsstatus, sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität. Bei eingehender Betrachtung jedoch werden bedeutende Gemeinsamkeiten zwischen ihnen und ähnlichen, wenn auch weniger erforschten Formen von gruppenbezogener Gewalt3 erkennbar. Die Opfer werden gezielt angegriffen, weil sie als Mitglieder von sozialen oder Bevölkerungsgruppen angesehen werden, die als ‚anders’‚ ‚abweichend‘ oder ‚minderwertig’ gesehen und in der Folge diskriminiert werden, die Abwertungen, Ausschluss oder Marginalisierung ausgesetzt sind. Weil die oben beschriebenen Phänomene so eng mit gesellschaftlichen Diskriminierungsdynamiken zusammenhängen, fasst Efus sie begrifflich als diskriminierende Gewalt.
Die Interaktion von Diskriminierung und Gewalt Der Terminus diskriminierende Gewalt ist nicht selbsterklärend. Er kombiniert die Begriffe Gewalt und Diskriminierung, die beide in sich komplex sind und der Definition bedürfen. Eine häufige und weithin anerkannte Definition versteht Gewalt als „vorsätzliche, angedrohte oder tatsächliche Anwendung von körperlichem Zwang oder physischer Kraft gegen sich selbst, eine andere Person oder gegen eine Gruppe oder Bevölkerungsgruppe, die 3- Z.B. gegen Menschen mit Behinderung, ältere Personen, Obdachlose oder Sexarbeiterinnen. Praxisbeispiele von Maßnahmen gegen Gewalt gegenüber diesen Gruppen finden sich in Teil 2 dieser Publikation.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
zu Verletzung, Tod, körperlichen Beeinträchtigungen, Fehlentwicklungen oder Deprivation führt oder mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen kann“ (WHO 2002: 5). Indem nicht nur körperlicher Zwang sondern auch Machtbeziehungen inkludiert werden, umfasst diese Definition neben offensichtlicheren Formen von körperlichem oder sexuellem Missbrauch auch Vernachlässigung und Formen von Unterlassung, Bedrohung, Belästigung, Mobbing, Einschüchterung und psychologischer Beeinträchtigung. Ein international anerkanntes Verständnis von Diskriminierung kann dem Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung von jeder Form von Rassendiskriminierung entnommen werden und umfasst „jede [...] Unterscheidung, Ausschließung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Genießen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird“ (ICERD, Artikel 1). Der Begriff diskriminierende Gewalt verbindet somit diese beiden Begriffe, um alle Formen gewalttätigen Verhaltens zu beschreiben und zu problematisieren, die sich aufgrund von Identitätsmerkmalen gegen Menschen richten, die sie zum Gegenstand sozialer Diskriminierungsdynamiken machen. Er umfasst Phänomene von Sexismus und geschlechtsspezifischer Gewalt, Rassismus, Islamophobie und antimuslimischem Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit, LSBT-Feindlichkeit, Homophobie und Transphobie, behindertenfeindlicher Gewalt und Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen, Altersdiskriminierung, Antiziganismus und Gewalt gegen Roma und Sinti, Gewalt gegen obdachlose Menschen, gegen Migrantinnen und Migranten, Flüchtlinge und Asylsuchende sowie gegen Sexarbeiterinnen.4 Die Täter sind bei diskriminierender Gewalt durch Voreingenommenheit, Vorurteil, Intoleranz oder ihren Hass auf diese Gruppen motiviert. Obwohl es sich dabei um individuelle Motivationen handelt und die Täter für ihre Handlungen volle Verantwortung übernehmen müssen, können sie nicht von breiteren gesellschaftlichen Diskriminierungsdynamiken getrennt betrachtet werden, die den Hintergrund bilden, vor dem sie als kohärentes Phänomen verstehbar
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4- Diese Auflistung ist nicht vollständig und jede Zusammenstellung von Gruppen, die von Diskriminierung und zugehörigen Formen von Gewalt betroffen sind, ist ein heikles, wenn auch notwendiges Unterfangen. Während nur durch die Benennung der Betroffenen ihre Viktimisierung sichtbar gemacht werden kann, übergehen derartige Listen immer andere Opfer, deren Unsichtbarkeit damit bekräftigt wird. Eine eingehende Analyse dieses Problem findet sich bei Garland/ Hodkinson 2014: 613ff.
werden, das für Sicherheitsstrategien von größter Bedeutung ist. Diskriminierende Gewalttaten haben schwerwiegende negative Folgen, die auf drei Ebenen wirken. Erstens können sie verheerende Auswirkungen auf die körperliche und geistige Gesundheit von Opfern, Zeugen sowie Partnern, Freundeskreis und Familien der Opfer haben. Studien haben gezeigt, dass diskriminierende Gewalttaten häufig von extremer Brutalität geprägt sind und für die Opfer besonders folgenreich sein können (siehe Kees et al. 2016: 19ff). Zweitens kommt eine starke und potentiell folgenschwere symbolische Ebene hinzu – es handelt sich um Identitätsdelikte (siehe Schneider 2009: 298f). Sie zielen darauf ab, eine ganze soziale Gruppe, Bevölkerungsgruppe oder Kohorte mit Gewalt und Ausschluss zu bedrohen und einzuschüchtern, und stellen damit deren Grundrechte ebenso wie ihre öffentliche Teilhabe in Frage und konfrontieren sie mit einer Botschaft von Hass und Ablehnung – und folglich können sie auch als Botschaftsdelikte verstanden werden (siehe ODIHR 2009a: 19ff). Drittens vermitteln sie weit über den lokalen, regionalen und sogar nationalen Kontext hinaus Angst und Feindseligkeit. Sie schüren Polarisierungs- und Radikalisierungsprozesse, die zu gewalttätigem Extremismus führen können5. Sie tragen das Potential in sich, bereits vorhandene Spannungen zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen zu verstärken, und erhöhen damit das Risiko von Gewaltausbrüchen und Konflikten zwischen Gruppen. Sobald diese drei Dimensionen verstanden und eingehend analysiert sind, wird deutlich, dass diskriminierende Gewalt nicht nur eine individuelle Bedrohung für die Betroffenen ist, sondern auch erhebliche nachteilige Auswirkungen auf friedliche Koexistenz, Rechtsstaatlichkeit, gesellschaftliche Ordnung und Zusammenhalt hat und das Gleichheitsprinzip in Frage stellt.
Hasskriminalität und diskriminierende Gewalt Da es keine allgemein akzeptierte Definition von diskriminierender Gewalt gibt, kann es sinnvoll sein, sie mit dem bekannteren Konzept Hasskriminalität zu vergleichen und davon abzugrenzen. Hasskriminalität wird in Kriminologie, Kriminalistik und Kriminalpolitik seit den 1990er-Jahren 5- Das Efus-Projekt LIAISE (Local Institutions Against Extremism) hob diese Verbindungen zwischen Diskriminierung, Stigmatisierung und Mangel an sozialem Zusammenhalt einerseits und Radikaliserungsprozessen andererseits hervor, die zu gewalttätigem Extremismus führen. Siehe Efus 2017: 32ff.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
insbesondere in der angelsächsischen Welt breiter diskutiert. Eine vielzitierte akademische Definition legte die kanadische Kriminologin und Expertin für Hassdelikte Barbara Perry vor: „Hassdelikte [...] umfassen Handlungen von Gewalt und Einschüchterung und richten sich gewöhnlich gegen bereits stigmatisierte und marginalisierte Gruppen. Als solche sind sie ein Macht- und Unterdrückungsmechanismus, der beabsichtigt, die prekären Hierarchien zu bekräftigen, die eine gegebene gesellschaftliche Ordnung kennzeichnen. Sie versuchen, gleichzeitig die bedrohte (reale oder imaginierte) Hegemonie der Gruppe des Täters/ der Täterin und die ‚angemessene’ untergeordnete Identität der Gruppe des Opfers wiederherzustellen. Sie sind ein Mittel, sowohl das Ich als auch den Anderen auf eine Weise zu markieren, durch die ihre ‚richtigen’ relativen Positionen erneut hergestellt werden, wie sie von breiteren Ideologien und Mustern der gesellschaftlichen und politischen Ungleichheit vorgegeben und reproduziert werden.“ (Perry 2001: 10) Perrys Definition verortet das Phänomen Hasskriminalität eindeutig in breiteren gesellschaftlichen Macht- und Unterwerfungsprozessen, in Unterscheidungen zwischen Ich und dem Anderen oder In- und Out-Gruppen, sowie in Ungleichheits-, Hierarchisierungs- und Stigmatisierungsdynamiken. Diese Definition erfasst einen großen Teil der Prozesse und Phänomene, mit welchen sich diese Publikation befassen will, verengt sie jedoch begrifflich auf hassmotivierte Straftaten – und vernachlässigt damit alle Arten von Angriffen, die nicht durch geltendes Strafrecht abgedeckt sind, ebenso wie die große Bandbreite an Beweggründen für Diskriminierung, die sich nicht mit der extremen Emotion decken, die mit dem Begriff Hass beschrieben wird (siehe Chakraborty/Garland 2009: 4ff). Ebenso häufig wird die praxisorientiertere Definition zitiert, die das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verwendet, die ausführt, Hassdelikte seien ... kriminelle Handlungen, die durch Voreingenommenheit oder Vorurteile gegenüber bestimmten Personengruppen motiviert sind. Ein Hassdelikt weist daher immer zwei Bestandteile auf: Es ist eine Handlung, die ein
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strafrechtliches Delikt darstellt; und bei der Begehung des Delikts handelt der Täter/ die Täterin aufgrund von Vorurteil oder Voreingenommenheit.“ (ODIHR 2009b: 15) Diese Definition von Hasskriminalität ist prägnant und praxisorientiert. Auf der Ebene der Phänomene bleibt sie bei der engen Fokussierung auf strafrechtlich relevante Handlungen, die durch das Strafgesetz abgedeckt sind. Auf der Ebene der Motivation erweitert sie den konzeptionellen Rahmen und schließt andere Formen von gruppenbasierter Abwertung wie Vorurteil oder Voreingenommenheit ein. Sie bildet eine gemeinsame Grundlage für die Diskussion und Koordination der Strategien gegen Hassdelikte in den OSZE-Mitgliedsstaaten, die eine Harmonisierung ihrer gesetzlichen Maßnahmen, d.h. die Aufnahme von Hasskriminalitäts-Paragraphen in die nationalen Strafgesetzbücher, anstreben. Diese dienen dazu, derartigen Handlungen eindeutig jegliche Legitimität abzusprechen, eine Straffreiheit der Täter auszuschließen und das Strafmaß für jene zu erhöhen, die offensichtlich von Voreingenommenheit, Vorurteil oder Hass motiviert waren, und dadurch die strafrechtliche wie auch symbolische Macht des Strafgesetzes zu erweitern, die Grundrechte der Opfer von Hassdelikten zu schützen (siehe ODIHR 2009a: 21ff). Während das Konzept Hasskriminalität und die Diskussionen darum sowohl in akademischen wie auch in praxisorientierten Kreisen einen wichtigen Bezugspunkt für jede Diskussion der in dieser Publikation angesprochenen Phänomene darstellen, hat sich Efus entschieden, in seiner eigenen Arbeit den alternativen Begriff diskriminierende Gewalt zu verwenden.
Konzeptualisierung von diskriminierender Gewalt Die Entscheidung von Efus, den Begriff diskriminierende Gewalt zu verwenden, beruht auf einigen konzeptuellen Überlegungen. Zunächst ist es äußerst wichtig, die Zusammenhänge zwischen diskriminierender Gewalt, die als durch Hass, Intoleranz oder Vorurteil motivierte Handlung definiert ist, und weiter gefassten gesellschaftlichen Dynamiken von Diskriminierung, sozialer Exklusion, Marginalisierung und
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Ausgrenzung gegenüber betroffenen Gruppen zu betonen. Gewalt entsteht nie in einem Vakuum, sondern wird nur vor dem Hintergrund größerer gesellschaftlicher Machtprozesse und der Errichtung einer gesellschaftlichen Ordnung verständlich (siehe Arendt 1970: 53ff). Der Begriff diskriminierende Gewalt spiegelt diese Zusammenhänge wider. Zweitens vermeidet das Konzept, indem es den Begriff Gewalt anstelle von Delikt oder Kriminalität verwendet, die Beschränkung des Geltungsbereichs auf strafrechtlich relevante Handlungen. Während eine enge Ausrichtung auf strafrechtlich relevante Aktivitäten für die Entwicklung von Gesetzgebungsstrategien auf nationaler oder supranationaler Ebene angezeigt sein mag, besteht auf lokaler Ebene keine Notwendigkeit zu einer derartigen Einschränkung. Hier müssen alle Verhaltensweisen in Betracht gezogen werden, die den sozialen Zusammenhalt und die friedliche Koexistenz von lokalen Bevölkerungsgruppen und Gemeinschaften bedrohen und die Sicherheit der Bevölkerung auf kommunaler und regionaler Ebene gefährden. Alle Formen von Gewalt, die in der oben zitierten Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) abgedeckt werden, gleichgültig, ob sie strafrechtlich relevant sind oder nicht, müssen in der urbanen Sicherheitspolitik berücksichtigt werden, um die Sicherheit unserer Städte zu erhalten. Schließlich zeigt die Forschung durchwegs, dass sogenannte ‚niederschwellige’ Handlungen wie Beschimpfungen und Belästigungen, die möglicherweise keine strafbare Handlung darstellen, die am weitesten verbreiteten Formen von diskriminierender Gewalt sind (siehe u.a. Hall 2013: 63ff). Drittens vermeidet das Konzept den Begriff Hass selbst auf der Wortebene und bezieht sich stattdessen auf diskriminierende Motivationen. Der Begriff Diskriminierung ist bedeutend breiter gefasst als Hass und kann als Überbegriff für unterschiedliche Arten von feindseligen Einstellungen fungieren, darunter Voreingenommenheit, Vorurteil, Hass, Intoleranz, Erniedrigung, Ausgrenzung, Marginalisierung, Exklusion. Zudem schafft es eine enge sprachliche Verbindung zu den Begriffen, die die tatsächlich abgedeckten Phänomene beschreiben, etwa Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Homophobie, Behindertenfeindlichkeit etc., die für das Verständnis von diskriminierender Gewalt zentral sind. In Anlehnung an diese Überlegungen schlägt Efus die folgende Arbeitsdefinition von diskriminierender Gewalt vor:
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>>>>> Eine diskriminierende Gewalthandlung ist ein Ereignis, das das Opfer, ein Zeuge / eine Zeugin oder eine andere beteiligte Person als durch Vorurteil, Intoleranz, Voreingenommenheit oder Hass motiviert wahrnimmt, unabhängig davon, ob es durch eine geltende Strafrechtsnorm erfasst wird oder nicht.
Diese Definition schließt auch Phänomene wie die in den einleitenden Absätzen dieses Kapitels beschriebenen ein. Sie ermöglicht eine umfassende Analyse und Betrachtung ihrer politischen Bedeutung und der daraus folgenden Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit – was tendenziell ausgeschlossen wird, wenn derartige Phänomene entweder als Hasskriminalität verstanden und daraufhin direkt an die Strafverfolgungsbehörden delegiert werden, oder begrifflich als Diskriminierung gefasst und folglich an Gleichbehandlungs- oder Antidiskriminierungsstellen abgegeben werden. Und zuletzt ermöglicht sie eine breite Anerkennung und Würdigung von Vorgehensweisen, Initiativen und Projekten, die an vielen Orten in ganz Europa entwickelt und durchgeführt werden, um diese Phänomene zu konterkarieren und allen Formen von diskriminierender Gewalt zu begegnen und sie zurück zu drängen. Maßnahmen zur Produktion und Dissemination von Wissen in Bezug auf dieses Thema, zur Sensibilisierung von unterschiedlichen Zielgruppen, zum Empowerment von Betroffenengruppen, zur gezielten Prävention, zur Unterstützung von Opfern oder zur Entwicklung multidimensionaler Gegenstrategien spielen eine wichtige Rolle und werden in Teil 2 dieser Publikation detaillierter betrachtet.
1.2 Europäische Strategien gegen diskriminierende Gewalt
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Der politische und rechtliche Rahmen gegen diskriminierende Gewalt in Europa Diskriminierende Gewalt muss in einer europäischen Perspektive be-
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
trachtet werden. Die zentrale Idee des europäischen Projekts ist die Überzeugung, dass Unterschiede und Vielfalt eine inhärente Bedingung des Lebens auf diesem Kontinent sind. Die Vielfalt an kulturellen, nationalen und ethnischen Identitäten, Sprachen, Traditionen und Regierungsformen bereichert das europäische Erbe. Indem sie für Partikularinteressen und kriegerische Vorhaben ausgenutzt wurden, boten diese Unterschiede die Grundlage für häufige und blutige Kriege und für die dunkelsten Phasen der europäischen Geschichte. Die europäische Einigung wurde nach dem zweiten Weltkrieg gegen derartige Missbräuche mit dem Ziel eingeleitet, dauerhaften Frieden und Stabilität zu ermöglichen. Ein zentraler Ausdruck dieser Idee ist die Gründung des Europarats (CoE) im Jahr 1949 und die Verabschiedung der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch seine 47 Mitgliedsstaaten. Der Europarat hat die Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und gesellschaftlicher Entwicklung in ganz Europa zum Ziel. Die Konvention definiert eine Liste von Menschenrechten und verpflichtet die Mitgliedsstaaten dazu, sie in ihrer nationalen Gesetzgebung zu gewährleisten. Artikel 14 der Konvention garantiert den „Genuß der in dieser Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten [...] ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status“6. In Bezug auf die Europäische Union (EU) galten rechtliche Diskriminierungsverbote bis 2000 nur im Kontext der Beschäftigung (siehe FRA 2010: 15ff). Zivilgesellschaftlicher Aktivismus und Lobbying durch Interessenvereinigungen führten zu einer signifikanten Stärkung des Prinzips der Nicht-Diskriminierung im europäischen Recht, besonders in den Richtlinien zu Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf und zu Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft sowie der Erklärung der EU-Grundrechtecharta im Jahr 2000, 6- Europäische Menschenrechtskonvention, Artikel 14 Diskriminierungsverbot: Der Genuß der in dieser Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten.
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die Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit und Solidarität als unteilbare, allgemeine Rechte festschreibt. Eben damals wurde „In Vielfalt geeint“ zum Motto der EU. Artikel 21 der EU-Charta verbietet jegliche Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, genetischer Merkmale, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung. Als der Vertrag von Lissabon 2009 in Kraft trat, wurde diese Charta für EU-Einrichtungen und Mitgliedsstaaten bei der Implementierung von Unionsrecht rechtsverbindlich.7 Spezifischer in Hinblick auf das Thema der diskriminierenden Gewalt verabschiedete die EU bereits 1996 die Gemeinsame Maßnahme 96/44 3/JHA betreffend die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, die 2008 durch den Rahmenbeschluss (2008/913/JHA) zur Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit durch strafrechtliche Maßnahmen ersetzt wurde, die die Notwendigkeit einer weiteren Annäherung der Rechtsvorschriften und Regelungen der EU-Mitgliedsstaaten sowie der Überwindung von Hindernissen für eine effiziente justizielle Zusammenarbeit anspricht, die hauptsächlich durch divergierende Rechtsansätze in den Mitgliedsstaaten verursacht werden. Neben der Definition von Delikten im Zusammenhang mit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit verpflichtet dieser Rahmenbeschluss die Mitgliedsstaaten dazu zu gewährleisten, dass rassistische und fremdenfeindliche Beweggründe als erschwerender Umstand gelten, oder dass die Gerichte derartige Beweggründe bei der Festlegung des Strafmaßes für jedes andere Delikt berücksichtigen können. Zudem verpflichtet der Rahmenbeschluss die Mitgliedsstaaten dazu, durch angemessene Maßnahmen sicherzustellen, dass auch LSBT-Personen diesen Schutz genießen, wie einige Mitgliedsstaaten es bereits getan haben (siehe FRA 2014: 16). Darüber hinaus verpflichtet die Opferschutzrichtlinie (2012/29/EU) die Mitgliedsstaaten dazu, die Bedürfnisse von Opfern von Hassdelikten zu begutachten und entsprechende Unterstützungsangebote vorzuhalten sowie Polizei- und Strafvollzugsbeamte im Umgang mit Opfern zu schulen.
7- Ausnahmeprotokolle wurden für das Vereinigte Königreich, Polen und die Tschechische Republik verhandelt.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Dieser rechtliche Rahmen auf EU-Ebene hat direkte Auswirkungen auf die nationalen Gesetzgebungen. Ein Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen in den Mitgliedsländern zeigt, dass Rechtslage und Anerkennung von Hassdelikten und diskriminierender Gewalt stark variieren: in einigen Ländern sind sie überhaupt nicht im Strafgesetz vorhanden; andere bieten nur einigen Gruppen rechtlichen Schutz.8 Die EU kann mit Hilfe der sogenannten Verstoßverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof Mitgliedsstaaten zwingen, die Verpflichtungen der EU-Gesetzgebung zu erfüllen, und die Europäische Kommission hat ihre Entschlossenheit erklärt, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass die Taten einer extremistischen Minderheit dazu benutzt werden, in der EU Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz zu verbreiten. Dieser kurze Überblick über den europäischen Rechtsrahmen zeigt, dass die supranationalen europäischen Institutionen zu einer treibenden Kraft für Nicht-Diskriminierung und den Schutz der Menschenrechte geworden sind. Diese Haltung blieb jedoch nicht unwidersprochen.
Diskriminierende Gewalt in der europäischen Perspektive In den vergangenen Jahren führte eine Reihe von Ereignissen auf dem gesamten Kontinent zu zunehmenden Spannungen im gesellschaftlichen und sozialen Klima, was wiederum Beunruhigung bezüglich des Ausmaßes und der Art von Fällen von diskriminierender Gewalt ausgelöst hat, wie die Beispiele im vorigen Kapitel zeigen. Unter den Entwicklungen, die den Hintergrund dieser aktuellen Situation bilden, sind etwa der Finanzcrash von 2008 und die darauffolgend in vielen Mitgliedsstaaten durchgeführten Austeritätsmaßnahmen, die mit harten Kürzungen im Sozialbereich und steigenden Arbeitslosenraten besonders unter jungen Menschen einhergingen; die steigende Zahl von Migranten, die aus globalen Kriegsgebieten im Mittleren Osten, vor der Verfolgung durch totalitäre Regime in der ganzen Welt oder vor extremer wirtschaftlicher Entbehrung in Regionen wie dem subsaharischen Afrika nach Europa flüchten; die verstärkte Mobilisierung durch rechtsextreme und/oder po8- Detaillierte Information über diese nationalen rechtlichen Rahmenbedingungen findet sich in der ODIHR-Datenbank über Gesetze in Bezug auf Hassdelikte in der OSZE-Region: www.legislationline.org/topics/subtopic/79/topic.
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pulistische Bewegungen in vielen Ländern Europas, die für nationalistische Ausgrenzung und Vorurteile gegenüber all jenen stehen, die als „andersartig“ betrachtet werden; abnehmende Legitimität und öffentliche Unterstützung der europäischen Institutionen in vielen Mitgliedsstaaten, besonders in Osteuropa und dem Vereinigten Königreich, deren spektakulärste Auswirkung der Brexit ist; und ein Ansteigen der öffentlichen Beunruhigung wegen des islamistischen Terrors in Europa, in deren Folge die EU darum bemüht ist, ihre Antiterror-Maßnahmen zu verstärken. Andererseits haben eine größere Bevölkerungsmobilität, steigende Bildungsniveaus und allgemeine Globalisierungsprozesse zu einem stärkeren Bewusstsein für Diskriminierung und Intoleranz geführt. Um die Zusammenarbeit und Koordination zu intensivieren und Hassdelikte und Hate Speech besser verhindern und bekämpfen zu können, gründete die Europäische Kommission 2016 die Hochrangige Gruppe zu Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und anderen Formen der Intoleranz. In ihrer Rede bei der Gründungssitzung der Gruppe bezeichnete die EU-Kommissarin Věra Jourová die aktuelle Situation als „noch nie dagewesene gesellschaftliche Herausforderung für Europa“ (Jourová 2016). Die Hochrangige Gruppe besteht aus Instanzen der Mitgliedsstaaten, dem Europaparlament, zivilgesellschaftlichen Organisationen, Vertretern marginalisierter Bevölkerungsgruppen, der EU-Agentur für Grundrechte (FRA) sowie relevanten internationalen Einrichtungen wie der European Commission Against Racism and Intolerance (ECRI), dem Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) und dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR). Sie soll helfen, die Synergien zwischen allen Beteiligten und Betroffenen zu maximieren und Antworten entwickeln, wie wirksam gegen alle Formen von Rassismus und Intoleranz vorgegangen werden kann.
Die Ansätze europäischer Institutionen und Organisationen gegen diskriminierende Gewalt Drei länderübergreifende Institutionen sind auf europäischer Ebene die treibenden Kräfte im Kampf gegen diskriminierende Gewalt, Intoleranz und Hasskriminalität. Da ihr Ansatz und ihre Aktivitäten einen maßgeblichen Rahmen und eine reiche Quelle von Unterstützung und Information
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
für handelnde Personen auf lokaler Ebene bieten, werden sie hier vorgestellt und kurz beschrieben. Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) ist das EU-Expertisezentrum für Grundrechte. Sie wurde 2007 eingerichtet, um EU-Institutionen und Mitgliedsstaaten unabhängige, evidenzbasierte Hilfestellung und Fachwissen zu Grundrechtsthemen zu bieten. Die Agentur arbeitet zu unterschiedlichen Themen, die für die Bekämpfung von diskriminierender Gewalt relevant sind, insbesondere:
Zugang zur Justiz für Verbrechensopfer, u.a. Entschädigungen für Opfer;
Integration von Roma, Kinderrechte; Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, genetischer Merkmale, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, politischer oder anderer Anschauungen, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Eigentums, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung;
Einwanderung und Integration von Migranten, Visa und Grenzkontrollen sowie Asyl;
Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und damit verbundene Intoleranz. Um diskriminierende Gewalt wirksam zu bekämpfen, müssen Taten sichtbarer gemacht werden, die Täter zur Verantwortung gezogen und ihre Opfer unterstützt werden. Die Opferschutzrichtlinie (Richtlinie 2012/29/EU) verpflichtet die Mitgliedsstaaten dazu, die Opfer von Hassdelikten bei ihrem ersten Kontakt mit der Polizei zu identifizieren, um ihnen angemessene Informationen anzubieten, damit sie ihre Opferrechte einfordern können, wobei ihren spezifischen Bedürfnissen und ihrer persönlichen Situation Rechnung getragen werden muss. Eine Vielzahl an Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verpflichtet die Länder dazu, die voreingenommenen Einstellungen hinter Straftaten zu ‚demaskieren’. Zusätzlich zeigen die Forschungen von FRA durchgängig, dass es weiterhin große Diskrepanzen bezüglich der Art gibt, wie Mitgliedsländer Daten zu Hassdelikten aufnehmen und sammeln. Das führt dazu, dass viele Hassdelikte weiterhin nicht erfasst
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und verfolgt werden und daher unsichtbar bleiben. Zudem entwickelte die Agentur unter dem Titel „Joining up Fundamental Rights“9 ein Instrumentarium, das Kommunen und regionalen und nationalen Behörden praktische Instrumente und Methoden für die Einbindung der Grundrechte in die Gestaltung der Politik, die Bereitstellung von Diensten und die Verwaltungspraxis bietet. Im Jahr 2014 richtete die FRA eine Arbeitsgruppe zur Verbesserung des Berichtwesens und der Datensammlung zu Hassdelikten in der EU ein, an der alle 28 Mitgliedsstaaten sowie relevante internationale Institutionen beteiligt sind. Das Hauptergebnis der Arbeitsgruppe ist ein Praxiskompendium10 zur Bekämpfung von Hasskriminalität, das sich zum Ziel setzt, den Austausch und Transfer von wirksamen Strategien auf europäischer Ebene zu erleichtern.11 Im Jahr 2016 lud die Europäische Kommission die Agentur zur Teilnahme an ihrer Hochrangigen Gruppe zum Kampf gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und anderen Formen der Intoleranz ein und forderte FRA außerdem auf, eine Untergruppe zu koordinieren, die der Hochrangigen Gruppe Bericht erstattet und daran arbeiten wird, Methoden zur Datenerfassung und -sammlung über Hassdelikte zu entwickeln. Über die anfängliche Zweijahresperiode (2017–2018) ist das Ziel der Untergruppe, gemeinsame Kernelemente für eine Methode vorzuschlagen, mit der Daten über das Vorkommen von Hassdelikten erfasst und gesammelt werden können, wodurch die Vergleichbarkeit der Daten in allen Mitgliedsstaaten verbessert werden soll. Sie soll weit genug entwickelt sein, um von den Mitgliedsstaaten getestet und wenn nötig an ihre nationale Situation angepasst werden zu können. Der Europarat richtete seine Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI), ein unabhängiges Gremium von 47 Experten aus allen Mitgliedsstaaten des Rates, im Jahr 1993 ein. ECRIs ursprüngliche Aufgabe ist die Beobachtung von und Berichterstattung über Probleme bezüglich Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Intoleranz und Diskriminierung etwa aufgrund der „Rasse“, der nationalen/ethnischen Herkunft, der Hautfarbe, der Staatsbürgerschaft, der Religion und der Sprache (rassistische Diskriminierung), sowie das Erarbeiten von Empfehlungen an die Mitgliedsstaaten. Seit 2013 umfasst das Mandat 9-Siehe: www.fra.europa.eu/en/joinedup/home 10- Siehe: www.fra.europa.eu/en/theme/hate-crime/compendium-practices 11- Die Arbeit von Efus zum Thema diskriminierende Gewalt orientiert sich am Zugang der FRA, und während des Projekts „Just and Safer Cities for All“ fand ein intensiver Austausch statt.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
der Organisation auch Diskriminierung und Intoleranz gegen lesbische, schwule, bi- und transsexuelle Personen (LSBT). ECRI hat die Aufgabe, die politischen, gesetzgeberischen und gesellschaftlichen Maßnahmen, die Mitgliedsstaaten im Kampf gegen Rassismus, rassistische Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Intoleranz treffen, sowie deren Wirksamkeit zu evaluieren. Zudem schlägt sie weitere Maßnahmen vor und formuliert allgemeine Politikempfehlungen an Mitgliedsstaaten. Am bekanntesten ist ECRI für seine länderbezogene Berichterstattung12, die im Fünfjahresrhythmus gemeinsam mit staatlichen Behörden, Nichtregierungsstrukturen und -initiativen sowie Verbindungsbeamten etc. die politischen Maßnahmen der Mitgliedsstaaten zur Bekämpfung und Prävention von rassistischer Diskriminierung und Intoleranz untersucht. Die Ergebnisse der ECRI werden zusammen mit Empfehlungen darüber, wie jedes einzelne Land mit den identifizierten Problemen umgehen sollte, in maßgeblichen Länderberichten publiziert. Das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa hat die Aufgabe, den Mitgliedsstaaten der Organisation sowie der Zivilgesellschaft Unterstützung, Hilfestellung und Fachwissen zu bieten, um Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Toleranz und Nicht-Diskriminierung zu fördern. Das Büro, das 1990 ursprünglich mit dem Mandat eingerichtet wurde, freie Wahlen zu unterstützen, spielt heute eine wichtige Rolle im Kampf gegen Intoleranz, Diskriminierung, Hass und damit verbundene Formen von Gewalt und Kriminalität. Der Fokus seiner Arbeit ist die Bekämpfung von Hassdelikten durch gezieltes Ansprechen unterschiedlicher Ebenen, z.B. durch die Ermutigung von Regierungen, Gegenstrategien zu entwickeln und sie in Bildungsmaßnahmen, Strafverfolgung und Sozialpolitik zu integrieren, ihre Berichtssysteme für die Erfassung von Hassdelikten zu verbessern und zu harmonisieren, das Strafrecht so zu novellieren, dass es den Ernst von vorurteilsmotivierten Vorfällen widerspiegelt, und Exekutivbehörden sowie zivilgesellschaftliche Initiativen darin zu schulen, Hassdelikte zu beobachten, Opfer zu unterstützen und gute Beziehungen zwischen Bevölkerungsgruppen und Gemeinschaften zu fördern.
12- Siehe: www.coe.int/t/dghl/monitoring/ecri/activities/countrybycountry_en.asp
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Über sein Tolerance and Non-Discrimination Information System (TANDIS) sammelt das ODIHR Daten über hassmotivierte Vorfälle von offiziellen staatlichen Behörden und zivilgesellschaftlichen Organisationen, kompiliert sie und stellt sie im Internet zur Verfügung.13 Zudem bietet es auf eigenen Länderseiten kompakte Informationen zu nationalen Rechtslagen bezüglich Hasskriminalität sowie Aktionspläne, Berichte und andere Dokumente, und publiziert weithin anerkannte Leitfäden und Merkblätter zur Förderung von Strategien gegen Hasskriminalität.
Diskriminierende Gewalt als Priorität für die urbane Sicherheitspolitik in Europa Länderübergreifende Initiativen wie jene der Europäischen Union, des Europarats und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und ihre jeweiligen mit dem Kampf gegen Diskriminierung und damit verbundenen Gewaltformen beauftragten Organe bieten damit wichtige Rahmenbedingungen für die Bekämpfung von Diskriminierung. Allerdings muss mehr getan werden, damit diese Initiativen vor Ort spürbare Wirkungen zeigen und ihren Zweck erreichen, gefährdete Menschen vor Angriffen auf so private und wertvolle Aspekte ihrer Persönlichkeit wie ihre ethnische Identität, sexuelle Orientierung oder Behinderung zu schützen. Abgesehen von Top-Down-Initiativen besteht der Bedarf nach Bottom-Up-Aktivitäten auf lokaler Ebene, die den Schaden, den diskriminierende Gewalt weiten Teilen der Bevölkerung zufügt, erkennen und begrenzen. Die Koordination von Maßnahmen, die auf unterschiedlichen Regierungsebenen – von der kommunalen und regionalen über die nationale bis zur europäischen und internationalen Ebene – und von unterschiedlichen Beteiligten getroffen werden, muss intensiviert werden. Der Austausch zwischen Akteuren auf lokaler Ebene in ganz Europa und die Vernetzung mit Vertretern nationaler und internationaler Organe müssen verbessert werden. Das Hauptaugenmerk der vorliegenden Publikation liegt auf der Entwicklung, Umsetzung und Evaluierung von derartigen lokalen Initiativen gegen diskriminierende Gewalt sowie ihrer Interaktion und Kooperation mit anderen Akteuren. Um sie geht es im nächsten Kapitel. 13- Siehe: www.tandis.odihr.pl
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
1.3 Diskriminierende Gewalt und urbane Sicherheit – die Bedeutung von Gegenmaßnahmen auf lokaler Ebene
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Europäische Städte als Diversitätshotspots Städte und Ballungsräume verkörpern den symbolträchtigen Gedanken der Einheit in Vielfalt: Sie sind Schmelztiegel, ziehen unterschiedliche Gruppen wie Migranten, sexuelle Minderheiten, religiöse Gemeinschaften, Obdachlose, Ausgewanderte und ganz allgemein Menschen aus allen Gesellschaftsschichten an, die sich mit der einheimischen Bevölkerung mischen und selbst dort heimisch werden. Sie beherbergen immer mehr Menschen aus unterschiedlichen Generationen, mit unterschiedlicher Herkunft, verschiedenen ethnischen Hintergründen, Geschlechtsidentitäten und sexuellen Orientierungen, Religionen, sozialem und wirtschaftlichem Status etc., die Wege finden, Gemeinschaften aufzubauen und sich auszudrücken, die nur im urbanen Umfeld vorkommen. Zunehmende Urbanisierung und Migration in die Städte mögen die offensichtlichsten Gründe für die Diversifizierung von urbanen Bevölkerungen sein, diese Entwicklung sollte jedoch in einem umfassenderen Sinne verstanden werden. Sozioökonomische Differenzierung, räumliche Segregation und eine postmoderne Fragmentierung der Identitäten tragen ebenfalls zu derartigen Prozessen bei. Menschen gehören nicht nur einer, sondern diversen Kategorien wie Rasse, Klasse, Geschlecht und anderen Identitätsmarkern an. Zudem werden derartige Zuschreibungen immer fließender und instabiler. Die Gesamtheit dieser Prozesse wurde begrifflich als „Hyper-Diversifizierung“ urbaner Räume gefasst und wird weithin als Grundbedingung des urbanen Lebens in unserer Zeit und als Stärke anerkannt, die eine große Bandbreite an Potentialen für positive sozioökonomische Entwicklungen mit sich bringt.14 Die vermehrte Diversifizierung urbaner Bevölkerungen und Gemeinschaften, die in europäischen Städten zusammenleben, verläuft jedoch
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14- Das Konzept der Hyper-Diversität wurde im Forschungsprojekt „DiverCities – Governing Urban Diversities“ beschrieben, das zum Ziel hatte, einen Überblick über derartige Prozesse sowie innovative politische Maßnahmen zu schaffen, die sich mit den dadurch bewirkten gesellschaftlichen Veränderungen auseinandersetzen. Siehe Tasan-Kok et al. 2017: 8ff.
nicht immer reibungslos und friedlich. Die heterogene Zusammensetzung der urbanen Gesellschaft kann auch zum Nährboden für Spannungen und Konflikte werden. Zudem kann das rasante Wachstum der Städte in Europa zu einer Verschärfung intoleranter und diskriminierender Verhaltensweisen führen, die wiederum zu gewalttätigen und strafbaren Handlungen eskalieren können, wodurch der soziale Zusammenhalt gefährdet und Ruhe und Sicherheit von einzelnen Menschen, Gemeinschaften und der Bürgerschaft im Allgemeinen beeinträchtigt werden. Der Umgang mit Vielfalt ist daher eine Herausforderung von stetig wachsender Bedeutung für Regierungen. Nicht-Diskriminierung muss in Entscheidungsprozessen auf sämtlichen Ebenen der öffentlichen Ordnung an zentraler Stelle berücksichtigt werden. Wenn kein positiver Umgang mit Diversität gefunden wird, kann das sowohl für Minderheiten als auch für die Gesellschaft insgesamt zu Exklusion und Gefährdung führen. Die Voraussetzung dafür, die Bedeutung dieser Verflechtung in vollem Umfang zu erfassen, ist die Einsicht, dass diskriminierende Gewalt nicht nur Vorfälle bezeichnet, die von Tätern verübt werden, die radikalen Gruppen angehören oder eindeutig extremistische Haltungen vertreten. Im Gegenteil, die verbreitetste und daher möglicherweise bedrohlichste Form von diskriminierender Gewalt kann viel eher den Anschein ganz gewöhnlicher, alltäglicher Erfahrungen haben: „die niederschwellige Gewalt von eingeschlagenen Fenstern, Exkrementen im Briefkasten, nächtlichem Klopfen an der Tür, und die Rempler, Tritte und Schläge, die dem Vorbeigehenden auf dem Bürgersteig verpasst werden“ (McClintock 2005: 5). Während hinterfragt werden kann, ob derartige Phänomene mit „niederschwellig“ richtig beschrieben sind, sind sie doch in vielen urbanen Umgebungen in gewissem Maße zur Normalität geworden (siehe Iganski 2008: 23ff). Solche „unbedeutenden“ Vorfälle werden tendenziell trivialisiert und ziehen häufig keine Reaktion der Polizei oder anderer Behörden oder Institutionen nach sich. Dennoch können sie anderen Mitgliedern der betroffenen Bevölkerungsgruppen ein ausgeprägtes Gefühl von Unsicherheit, Misstrauen und Angst einflößen, die tatsächlich psychologisch so stark beeinträchtigt werden können, als wären sie selbst unmittelbar betroffen (siehe ODIHR 2009b: 17), und können daher auf sozialen Zusammenhalt und öffentliche Gesundheit schwerwiegende negative Auswirkungen haben.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
In öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussionen war viel von urbanen Kriminalitätshotspots oder sogenannten „No-go-Areas“ die Rede, in denen die öffentliche Sicherheit besonders bedroht ist. Während die Thematisierung von derartigen Zonen Angst generiert und die Sicherheitswahrnehmung der Öffentlichkeit in Gebieten, denen dieses Etikett anhaftet, stark beeinträchtigt, fehlt meist eine tiefergehende Analyse, welche Delikte in derartigen Zonen häufig und welche sozialen Gruppen davon betroffen sind oder Gefahr laufen, ihre Opfer zu werden. Die Forschung über die geographische Verteilung von Hasskriminalität und diskriminierender Gewalt weist auf ethnische Homogenität und wirtschaftliche Benachteiligung oder Armut als Faktoren hin, die eine Konzentration von Risikosituationen für marginalisierte Gruppen, etwa fremdenfeindliche Angriffe, homophobe oder LSBT-feindliche Vorfälle, sexuelle Belästigung oder Missbrauch, oder antisemitische Gewalt, begünstigen können (siehe Iganski 2008: 45ff). Derartige räumliche Dynamiken sollten durch lokale Sicherheitsaudits und Erhebungen weiter untersucht werden, um die entsprechende Anpassung von lokalen und regionalen Präventionsstrategien zu ermöglichen.
Diskriminierende Gewalt als Herausforderung für die urbane Sicherheitspolitik Die vorhergehenden Kapitel und Absätze zeigen, dass diskriminierende Gewalt zweifellos und eindeutig ein Sicherheitsproblem darstellt. Dennoch stehen Maßnahmen zur Sicherung der friedlichen Koexistenz zwischen diversen Bevölkerungsgruppen und die Bekämpfung und Prävention von Diskriminierung auf der Agenda der Sicherheitspolitik von europäischen Städten oft nicht an erster Stelle. Traditionell sind lokale Dienste, die mit dem Thema Diskriminierung beauftragt sind, den Verwaltungsabteilungen für Bildung, Wohnen, Beschäftigung, kulturelle Aktivitäten, Geschlechtergleichstellung oder anderen Sozialprogrammen zugeordnet, nicht den Sicherheitsabteilungen (siehe Crowley 2015: 11f). Diese Zuordnung von Zuständigkeitsbereichen wird weithin akzeptiert, da Diskriminierung und damit zusammenhängende Gewaltformen in allen diesen Sphären des gesellschaftlichen Lebens vorkommen und von den entsprechenden Verwaltungsabteilungen bearbeitet werden müssen. Nichtsdestotrotz haben Diskriminierung, Hass und Intoleranz auf die öffentliche Sicherheit
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ebenso einen Einfluss wie auf das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung. Diese Verknüpfung muss weiter untersucht werden, um besser aufzuzeigen, warum urbane Sicherheitskräfte in die Bekämpfung von diskriminierender Gewalt involviert werden sollten und wie lokale und regionale Strategien sich dieses Themas annehmen können. Die Schnittstellen von Diversifizierung, Diskriminierung und Sicherheit wurden bisher überwiegend aus dem Blickwinkel von Risiken und Bedrohungen betrachtet. Zum Beispiel wurden die medial stark vermittelten islamistischen Terroranschläge, die zuletzt viele europäische Städte getroffen haben, von einigen Politikern und Medienkanälen als Folge von Immigration und Flüchtlingszustrom aus Regionen dargestellt, die von Bürgerkriegen und militärischen Konflikten zerrissen werden. Dies trug dazu bei, dass Migranten, Geflüchtete und Asylsuchende, insbesondere Muslime, als potentielle Bedrohung wahrgenommen werden (siehe u.a. Nunziata 2015: 697ff). Hinzu kommt der verbreitete, durch wissenschaftliche Erkenntnisse jedoch nicht zu rechtfertigende Glaube, dass die Kriminalitätsraten unter eingewanderten Bevölkerungsgruppen höher seien, durch den diskriminierende Polizeipraktiken wie Racial Profiling scheinbar legitimiert werden. Auch die Gegenwart anderer marginalisierter Gruppen wie etwa Roma oder Obdachloser in den Stadtzentren wird oft als Bedrohung der urbanen Sicherheit wahrgenommen. Eine vermehrte Diversifizierung stellt die urbane Sicherheit vor Herausforderungen, denen mit angemessenen Maßnahmen begegnet werden muss. Diversifizierung sollte jedoch nicht ausschließlich als Bedrohung oder Risiko betrachtet werden. Eine solche Sichtweise ist einseitig und unproduktiv. Sie stigmatisiert Gruppen, die bereits marginalisiert und von Diskriminierung betroffen sind. Zu suggerieren, solche Gruppen stünden mit Delinquenz und Kriminalität in Verbindung, während es für eine derartige Assoziation keinerlei wissenschaftliche Grundlage gibt, kann ihren Ausschluss verschärfen und verschafft jenen zusätzliche Legitimation, die ihnen gegenüber Intoleranz und Hass predigen. Folglich ist ein anderes Denken über Diversität und urbane Sicherheit notwendig. Dieses Denken sollte sich auf das Kernaxiom von urbaner Sicherheit als öffentliches Gut stützen, das sich auf die Achtung der Grundrechte und die Teilhabe einer breiten Vielfalt von Einzelpersonen und gesellschaftlichen Gruppen gründet (siehe dazu Efus 2012: 7ff).
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Europäische Städte sind bestrebt, die Existenz von öffentlichen Räumen zu erhalten und zu entwickeln, die sich vielfältige Bevölkerungsgruppen teilen. Die Schaffung von sozialen Bindungen und Zusammenhalt ist eine Priorität: Sicherheitspolitik hat nicht zum Ziel, die Bürgerinnen und Bürger einander zu entfremden, sondern vielmehr gemeinsame Räume zu schaffen, in denen die Sicherheit aller gewährleistet ist. Diskriminierende Gewalt droht, die Teilhabe der betroffenen Gruppen an der Entwicklung solcher öffentlicher Räume ebenso zu verhindern wie die Ausübung der Freiheiten, die sie bieten. Wenn Mitglieder dieser Gruppen davon ausgehen müssen, dass sie riskieren, aufgrund ihrer Identität belästigt, beleidigt oder angegriffen zu werden, Opfer diskriminierender Vorfälle zu werden, wenn sie in der Öffentlichkeit sichtbar werden und sich an öffentlichen Diskussionen und Angelegenheiten beteiligen, geht ihr Beitrag verloren. Gesellschaftliche Partizipation beschränkt sich dann auf diejenigen, die der gesellschaftlichen Mehrheit angehören, und deren Interessen in der Öffentlichkeit ohnehin bereits repräsentiert sind. Nur urbane Sicherheitsmaßnahmen, die die Rechte von Frauen, von ethnischen, religiösen und sexuellen Minderheiten, von Menschen mit Behinderungen und Obdachlosen und die Rechte anderer Gruppen, die von Marginalisierung und diskriminierender Gewalt betroffen sind, respektieren, fördern und schützen, können Engagement und Partizipation dieser Gruppen ermöglichen (siehe Efus 2007: 4ff). Da die Prävention von diskriminierender Gewalt, Hass und Intoleranz für derartige Gruppen zentrale Anliegen darstellen und der Schutz vor derartigen Phänomenen eine Voraussetzung ihres Wohlergehens, ihrer Integration und ihrer Partizipation an gesellschaftlichen Prozessen ist, müssen diese Themen integraler Teil urbaner Sicherheitsstrategien sein.
Die strategische Rolle von lokalen und regionalen Behörden im Kampf gegen diskriminierende Gewalt In ganz Europa wurden im Kampf gegen diskriminierende Gewalt unterschiedliche Gegenmaßnahmen entwickelt. Am verbreitetsten sind gesetzliche und sanktionierende Maßnahmen, die auf verschärfte Strafen für die Täter abzielen. Dazu zählen z.B. die Verankerung von Hassdelikten in den entsprechenden Strafgesetzbüchern, die Verbesserung der Anerkennung
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von vorurteilsbedingten Delikten in der Rechtsprechung von Straf- und Zivilgerichten, und die Koordinierung und Harmonisierung derartiger Gegenmaßnahmen in ganz Europa (siehe Kapitel 1.2). Obwohl diese Bemühungen wichtig sind, da sie potentielle Täter abschrecken und den Opfern eine wichtige Botschaft der Anerkennung und Solidarität vermitteln können, ist ihre Reichweite insofern begrenzt, als Gesetze und ihre Durchsetzung die Wurzeln der Voreingenommenheit nicht ausreichend adressieren und anpacken können. Daher müssen derartige Bemühungen durch lokale und regionale Maßnahmen zur Bekämpfung von Hass, Intoleranz und diskriminierender Gewalt ergänzt werden. Trotz der europäischen und internationalen Dimensionen von diskriminierender Gewalt und Hasskriminalität haben viele der Faktoren, die derartige Phänomene beeinflussen, lokale Komponenten. Lokale Lebensbedingungen, Einfluss von Peergroups, Mangel an sozialem Zusammenhalt oder Distanz gegenüber demokratischen und bürgerlichen Werten, Stigmatisierung von Stadtvierteln etc. – alle diese lokalen Faktoren können die friedliche Koexistenz von Bevölkerungsgruppen in urbanen Gebieten untergraben und Phänomene wie Hass, Intoleranz und Diskriminierung befördern. Zudem sind es wegen ihrer Nähe zur Bevölkerung häufig Kommunen, die als erste mit Anliegen und Forderungen von Bürgerinnen und Bürgern konfrontiert sind: Sie stehen in direktem Kontakt und können Informationen und Orientierungshilfen bieten, sie sind federführend an öffentlichen Diensten und Schlüsselinstitutionen, Organisationen und Initiativen beteiligt, die zur Bereitstellung des öffentlichen Guts urbane Sicherheit beitragen (siehe Efus 2016: 28ff). Eben wegen ihrer Nähe zu den entsprechenden gesellschaftlichen Prozessen sowie ihrer Fähigkeit, Maßnahmen zur Prävention, und Sanktion sowie zur Förderung des sozialen Zusammenhalts zu planen und zu implementieren, können Gemeinden und Regionalbehörden einen einzigartigen und unverzichtbaren Beitrag zur Prävention und Bekämpfung von diskriminierender Gewalt leisten. Obwohl die Kompetenzen von Gemeinden und Regionalbehörden in Sicherheitsfragen sich von EU-Land zu EU-Land unterscheiden, wird die wichtige Rolle, die sie im Kampf gegen Phänomene wie Rassismus und Intoleranz spielen können, zunehmend anerkannt. Zum Beispiel betont der Kongress der Gemeinden und Regionen Europas des Euro-
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parats in seiner Resolution 149 (2003), „Über sozialen Zusammenhalt und Regionen in Europa: Regionalpolitik und Maßnahmen im Sinne des sozialen Zusammenhalts“, dass die Rolle von Lokal- und Regionalregierungen in der Entwicklung des sozialen Zusammenhalts für eine tatsächliche Gewährleistung der allgemeinen Sicherheit und des Minderheitenschutzes sowie des Schutzes von gefährdeten Gruppen unabdingbar ist. In seiner Resolution 296 (2010) bemerkt der Europarat, dass Lokal- und Regionalorgane aufgrund der engen Beziehung zwischen der Bürgerschaft und ihren lokalen Mandatsträgern am besten dazu geeignet sind, Situationen zu evaluieren, in denen der Schutz der Menschenrechte auf dem Spiel steht, und Probleme zu identifizieren und zu handeln, um die Menschen- und Grundrechte ihrer Einwohner zu schützen. In seinem Methodenführer zu diesem Thema führt der Rat den wichtigen Beitrag im Detail aus, den lokale Akteure in dieser Hinsicht leisten können (siehe Europarat 2005: 50ff). Zusätzlich betreiben die Vereinten Nationen im Rahmen ihrer Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) eine Europäische Städtekoalition gegen Rassismus (ECCAR). ECCAR publizierte einen Aktionsplan zur Bekämpfung von Rassismus auf kommunaler Ebene, der Einsätze und Beispiele für Aktionen zu einer großen Bandbreite an Aktivitäten versammelt. Einer der zehn Abschnitte des Aktionsplans zielt darauf ab, „Mechanismen im Umgang mit Hassdelikten und Konfliktmanagement zu unterstützen oder zu etablieren“ (ECCAR 2004: 7) und schlägt drei Handlungsmöglichkeiten auf lokaler Ebene vor: die Einrichtung eines Expertengremiums, das die Kommune berät, den Aufbau einer ressortübergreifenden Gruppe von städtischen Angestellten zur Koordination von Aktivitäten sowie die Einrichtung eines Schulungsangebots für Angestellte in lokalen und regionalen Dienststellen. Diese Vorschläge sind ein guter Ausgangspunkt – lokale Sicherheitsfachleute benötigen jedoch zusätzliches Fachwissen und Empfehlungen darüber, wie sie handeln sollten, um diskriminierende Gewalt zu bekämpfen und zu verhindern. Efus vertritt einen umfassenden und ausgewogenen Ansatz zur Bekämpfung und Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene, der präventive und repressive Maßnahmen und Bemühungen um die ständige Verbesserung des sozialen Zusammenhalts vereint. Dabei muss eine große Bandbreite an Akteuren beteiligt werden und
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die Maßnahmen müssen auf der Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppen beruhen, insbesondere jener Gruppen, die von Phänomenen der Diskriminierung und Intoleranz und damit zusammenhängenden Gewaltformen betroffen sind. Er muss bestehende Ressourcen in anderen Bereichen der Kriminalprävention integrieren und angemessene Kommunikations- und Disseminationswege einbeziehen. Wichtige Aspekte eines derartigen Ansatzes sind unter anderen:
Aufbau von Expertise über lokale Phänomene der diskriminierenden Gewalt durch gezielte, methodische Sicherheitsaudits;
Verbesserung der statistischen Datenlage zu diskriminierender Gewalt und Abbau der Dunkelziffer;
Einrichtung oder Ausbau von lokalen und niedrigschwelligen Hilfsangeboten für Opfer von diskriminierenden Gewalttaten;
Aufbau und Leitung von Präventionsnetzwerken, die sich mit diskriminierender Gewalt auseinandersetzen, und Forcieren des Themas auf den Agenden derartiger Netzwerke;
Definition eines zentralen und sichtbaren Beitrags lokaler und regionaler Mandatsträger in der Bekämpfung von Hass und Intoleranz;
Schulung unterschiedlicher lokaler und regionaler Akteure in der besseren Erkennung von und Reaktion auf diskriminierende Handlungen;
Einleitung oder Verbesserung von Kooperationen mit den Strafverfolgungsbehörden, um präventive und repressive Maßnahmen zu verstärken;
Stärkung von Diversität und Sensibilisierung für Diskriminierung unter den Mitarbeitenden Verwaltungsorgane;
lokaler
und
regionaler
Förderung von Maßnahmen der Früh- und/oder Primärprävention von Vorurteilen und Intoleranz an Schulen und in politischer Bildung;
Pflege von Kooperation und Austausch zum Thema mit der nationalen und europäischen Regierungsebene;
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Kooperation mit lokalen und regionalen Medienkanälen, um die Qualität der Berichterstattung zum Thema zu verbessern. Diese Aspekte werden in Teil 3 weiter ausgeführt, der sich damit beschäftigt, detaillierte Empfehlungen für die Umsetzung von Strategien zur Prävention von diskriminierender Gewalt zu formulieren, die sich speziell an Fachleute und Amtsträger auf lokaler und regionaler Ebene richten. Der folgende Teil 2 präsentiert eine Reihe von bestehenden Praxisbeispielen und bietet einen Überblick über vielversprechende Projekte, die bereits in ganz Europa umgesetzt werden.
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Teil 2
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Lokale Ansätze zur Prävention und Bekämpfung von diskriminierender Gewalt – Kompendium vielversprechender Praxisbeispiele
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Einleitung
>>>>>>>>>>>>>>>> Der folgende Abschnitt versammelt 50 Praxisbeispiele, die zeigen, wie diskriminierender Gewalt auf lokaler und regionaler Ebene entgegengetreten und vorgebeugt werden kann. So sollen lokalen Akteuren in ganz Europa konkrete Beispiele und Inspiration für ihre eigenen Bemühungen an die Hand gegeben werden, Hass und Intoleranz zu begegnen. Die hier vorgestellten Beispiele wurden aus 130 Praxisbeispielen ausgewählt, die Institutionen und Organisationen aus 16 Ländern Europas in Reaktion auf eine Ausschreibung von Efus und seinen Partnern von April 2016 einreichten. Die Ausschreibung erfolgte auf Englisch, Französisch, Italienisch, Polnisch, Deutsch, Portugiesisch und Spanisch, und die Einreichungen mussten bis Dezember 2016 einlangen. Das Projektkonsortium diskutierte und analysierte alle eingesandten Praxisbeispiele eingehend. Der Auswahlprozess zog sich über vier Monate hin. Alle Projektpartner analysierten die Praxisbeispiele mittels eines Evaluierungsformulars, das Efus bereitstellte. Die Evaluierung beruhte auf den Kriterien, die bereits im Ausschreibungstext enthalten waren: Gesamtqualität der Praxis, Relevanz in Bezug auf die gewählten Kategorien, Prioritäten und Aktionsformen, Innovation, Übertragbarkeit, Nachhaltigkeit, Qualität der Partnerschaft, Kosten-Nutzen-Verhältnis, Bürgerbeteiligung und Laufzeit. Ein Vorauswahlverfahren erfolgte über die Internet-Plattform Efus-Network; nach seinem Abschluss wurde eine Shortlist von 70 Praxisbeispielen erstellt. Im März 2017 wurde die Auswahl der 50 Praxisbeispiele im Rahmen eines Projektkoordinationstreffens in Wien getroffen, an dem alle Mitglieder des Projektkonsortiums sowie eine Vertreterin und ein Vertreter der EU-Agentur für Grundrechte (FRA) teilnahmen. Das Konsortium erachtete die hier vorgestellten Praxisbeispiele für sehr geeignet, um erfolgreich gegen diskriminierende Gewalt, Hass und Intoleranz vorzugehen. Sie wurden auch mit dem Ziel ausgewählt,
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die Vielfalt an existierenden Vorgehensweisen darzustellen, darunter Initiativen aus unterschiedlichen europäischen Nationen und Regionen, die von einer Vielzahl unterschiedlicher Akteure durchgeführt werden und eine große Bandbreite an Unterphänomenen bearbeiten, mit vielfältigen Zielgruppen zusammenarbeiten und die unterschiedlichsten Strategien und Taktiken anwenden. Die Sammlung von Praxisbeispielen, die in diesem Abschnitt vorgestellt wird, bietet keinen umfassenden oder erschöpfenden Überblick über in diesem Bereich umgesetzte Initiativen. Obwohl das Projektteam große Anstrengungen unternommen hat, die Projektausschreibung um Praxisbeispiele in ganz Europa so breit wie möglich zu streuen, sind wir uns bewusst, dass viele kleine, lokale Initiativen nicht erreicht wurden oder nicht auf die Ausschreibung reagiert haben. Die Sammlung ist daher nicht repräsentativ. Sie versteht sich insofern als Ergänzung zu anderen Praxiskartierungen, etwa dem Praxisleitfaden der EU-Agentur für Grundrechte zur Bekämpfung von Hasskriminalität. Um die hervorstechendsten und wichtigsten Aktivitäten gegen diskriminierende Gewalt herauszuheben, wurden die folgenden sechs Kategorien entwickelt: Wissensproduktion, Sensibilisierung, Empowerment, gezielte Prävention, Opferhilfe, transversale Strategien. Diese Kategorien dienen dazu, die Praxisbeispiele in den folgenden Kapiteln systematisch zu präsentieren.
2.1 Wissensproduktion
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Um wirksame lokale Antworten auf diskriminierende Gewalt zu entwickeln und umzusetzen und ihre schädlichen Auswirkungen zu verhindern, ist ein solides und umfassendes Wissen über das Phänomen, seine Verteilung und Dynamik sowie seine Konsequenzen und Auswirkungen unabdingbar.15 Das derzeitige Wissen und die Informations-
15- „... wenn wir effizient auf Hasskriminalität reagieren und ihre Auswirkungen abfedern wollen, benötigen wir zunächst aussagekräftige Einsichten in die Verteilung und Dynamik von Hasskriminalität“ (Perry 2010: 267).
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
lage über Gewalttaten, die auf diskriminierenden Haltungen beruhen, sind jedoch weiterhin auf unterschiedlichen Ebenen lückenhaft. Wie die Diskussionen in Kapitel 1.1 zeigt, sind einige heikle Fragen bezüglich Konzepten, Definitionen und Wortwahl weiterhin ungelöst. Zusätzlich sind relevante Daten zur Prävalenz von diskriminierender Gewalt ebenso wie über einzelne Vorfälle weiterhin unvollständig oder fehlen gänzlich. Die offiziellen Daten, die von staatlichen Einrichtungen gesammelt werden, etwa von Strafverfolgungsbehörden, reichen aus unterschiedlichen Gründen nicht aus, um die Bandbreite des Problems darzustellen, insbesondere aufgrund unterschiedlicher rechtlicher Definitionen und Regelungen, mangelnden Bewusstseins z.B. unter Polizeibediensteten, inkohärenter Monitoring-Mechanismen sowie einer signifikanten Dunkelziffer bezüglich der Anzeige. Zusätzlich variiert die Menge an verfügbaren Daten zwischen unterschiedlichen Formen von diskriminierender Gewalt stark: während rassistische oder LSBT-feindliche Vorfälle häufiger beobachtet werden, werden Angriffe auf Menschen mit Behinderungen oder Obdachlose in offiziellen Statistiken weniger oft dokumentiert.16 Daher sind ergänzende Formen der Datensammlung und Wissensproduktion entscheidend, um gegen diskriminierende Gewalt vorzugehen. Lokale und regionale Akteure, Behörden ebenso wie zivilgesellschaftliche Organisationen, können bei der Sammlung solcher ergänzenden Daten eine wichtige Rolle spielen, da sie nahe an den betroffenen lokalen Bevölkerungsgruppen sind und Fälle dokumentieren können. Die in diesem Abschnitt dokumentierten Praxisbeispiele tragen auf unterschiedliche Weise zu dieser Aufgabe bei. Sie dokumentieren einzelne Vorfälle von diskriminierender Gewalt, z.B. durch die Erfassung oder Archivierung von Opfer- und Zeugenaussagen. Sie sammeln derartige Informationen und/oder kompilieren sie in Berichten, die sie öffentlich zur Verfügung stellen oder an Entscheidungsträger und
16- Das Tolerance and Non-Discrimination Information System (TANDIS) des ODIHR ist ein gutes Beispiel dafür, wie von unterschiedlichen Akteuren auf verschiedenen Ebenen gesammelte Daten – OSZE, teilnehmende Staaten, spezialisierte Einrichtungen und andere Organisationen – kombiniert werden können, um zu einer realistischeren Einschätzung der Prävalenz von diskriminierender Gewalt zu gelangen und relevante Beteiligte besser zu befähigen, Maßnahmen dagegen zu entwickeln. Siehe www.hatecrime.osce.org
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andere Fachleute weitergeben. Diese Daten vertiefen das Wissen über das Phänomen, regen zur Entwicklung von Gegenstrategien an und ermöglichen die Verbesserung von bestehenden Mechanismen und Maßnahmen, um künftige Vorfälle zu verhindern.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Brunatna Księga Organisation: Verein Nigdy Więcey - „Nie Wieder“’ Status: Zivilgesellschaftliche Antirassismus-Organisation Gebiet: Nationale Ebene, Polen Hauptfinanzierung: Ehrenamtliche Tätigkeit Webseite & E-Mail: www.nigdywiecej.org/brunatna-ksiega, redakcja@nigdywiecej.org Mission und Ziele Der Verein Nie Wieder widmet sich der Dokumentation von neofaschistischen Taten, die jedes Jahr in Polen verübt werden, und der Sensibilisierung der Öffentlichkeit für dieses Thema, um das Schweigen in Bezug auf Probleme wie Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Land zu brechen und für eine multikulturelle Gesellschaft einzutreten, die Vielfalt respektiert.
Allgemeine Tätigkeit Der Verein Nie Wieder dokumentiert und kategorisiert Delikte in einem „Brunatna Księga“ („Braunbuch“), das er jedes Jahr veröffentlicht. Zusätzlich beteiligt der Verein sich an weiteren Projekten, unter anderem „Rassismus löschen“, „Musik gegen Rassismus“ und „Kicken wir den Rassismus aus den Stadien“. Weiterhin setzte er das Programm „Respect Diversity“ bei der UEFA EURO 2012 um. Seit 1994 veröffentlicht der Verein zu diesen Themen die Zeitschrift NIGDY WIĘCEJ.
Strategien zur Förderung der Wissensproduktion Seit 1987 erstellt der Verein ein jährliches Braunbuch, das in Polen begangene neofaschistische Taten dokumentiert. Es enthält Fälle von Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und Rassismus. Die im Buch dokumentierten Delikte umfassen alles von physischen Gewalttaten oder Attacken bis zu neofaschistischen Treffen und hasserfüllten Graffiti an Wänden.
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Die Ziele des Braunbuchs sind unter anderem die Schaffung eines öffentlichen Problembewusstseins, um öffentliche und andere Einrichtungen zu ermutigen, Präventionspläne zu implementieren; zu Bildungsmedien und wissenschaftlichen Aktivitäten gegen diskriminierendes Verhalten beizutragen; und eine gemeinsame Arbeit von unterschiedlichen Einrichtungen, Bevölkerungsgruppen und NGOs gegen Neofaschismus anzuregen.
Partnerschaften und Netzwerke Der Verein arbeitet vor allem mit den Medien, Minderheitenorganisationen, religiösen Gemeinschaften und Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen zusammen. Er kooperiert zudem mit internationalen Organisationen, darunter der Europarat, die Vereinten Nationen und die OSZE, und beteiligt sich aktiv an den internationalen Netzwerken UNITED for Intercultural Action, Radicalisation Awareness Network (RAN), Football Against Racism in Europe (FARE), Helsinki Citizens’ Assembly (HCA) und Anti-fascist Network for Research and Education (Antifanet).
Ergebnisse und Herausforderungen Inhalte des Braunbuchs wurden von Politikern, Journalisten, Aktivisten und Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen in Stellungnahmen gegen rassistisches und fremdenfeindliches Verhalten zitiert. Das Buch hat zudem ebenso wie andere Maßnahmen, die der Verein Nie Wieder umsetzt, das Problem der rassistischen und fremdenfeindlichen Gewalt sichtbar gemacht. Die Zeitschrift NIGDY WIĘCEJ ist heute als bedeutendste antirassistische Zeitschrift in Zentral- und Osteuropa anerkannt.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Jahresbericht über Rassismus in Spanien Organisation: Federación SOS Racismo Status: Bewegung antirassistischer NGOs Gebiet: Nationale Ebene, Spanien Hauptfinanzierung: Das Projekt beruht auf ehrenamtlicher Arbeit. Gelegentlich gab es Zuschüsse des Ministeriums für Beschäftigung und Soziale Sicherheit sowie des Fonds der Europäischen Union zu Asyl, Migration und Integration. Webseite: www.sosracismomadrid.es/web/blog/category/informe-anual Mission und Ziele SOS Racismo setzt sich zum Ziel, Informationen über Vorfälle und Angriffe im Zusammenhang mit Rassismus, Hasskriminalität, der extremen Rechten und polizeilichem Missbrauch in Spanien zu sammeln und zu analysieren, um ein Problembewusstsein darüber zu schaffen. Seine Zielgruppen sind unter anderem zivilgesellschaftliche Organisationen, Behörden, Opfer und die Wissenschaft.
Allgemeine Tätigkeit Seit 1995 veröffentlicht Federación SOS Racismo einen Jahresbericht, der sich insbesondere auf Themen wie Hate Speech, Lagerunterkünfte für Migranten, die Romabevölkerung, Menschenrechte an den Grenzen Spaniens sowie rassistische und diskriminierende Angriffe in Spanien konzentriert.
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Strategien zur Förderung der Wissensproduktion Strategien sind unter anderem die Zusammenstellung von Informationen für den erwähnten Jahresbericht und seine folgende Veröffentlichung und Verbreitung, um ein Bewusstsein für Rassismus und andere Formen von Diskriminierung in Spanien zu schaffen.
Partnerschaften und Netzwerke Der Jahresbericht wird von der nationalen Federación SOS Racismo gemeinsam mit den acht regionalen SOS Racismo-Organisationen von Aragon, Asturias, Biskaya, Katalonien, Galizien, Gipuzkoa, Madrid und Navarra sowie von ehrenamtlichen Mitarbeitern im ganzen Land produziert. Auch das Forschungs- und Dokumentationszentrum zu Rassismus und Fremdenfeindlichkeit MUGAK ist eine Partnerorganisation.
Ergebnisse und Herausforderungen Der Jahresbericht 2016 enthält 247 rassistische Vorfälle in ganz Spanien und 100 Fälle von Hasskriminalität und macht damit ein Problem deutlich, das in der spanischen Gesellschaft nicht wahrgenommen wird. Der Bericht zeigt, dass im Jahr 2016 28% der Fälle Konflikte und rassistische Angriffe waren, 22% waren Beschwerden über Rassismus in Einrichtungen, 18% bezogen sich auf Fälle im Zusammenhang mit öffentlicher Sicherheit; Verweigerung des Zugangs zu öffentlichen Leistungen und Diensten (12%), Diskriminierung am Arbeitsplatz (10%), Verweigerung des Zugangs zu privaten Dienstleistungen (6%), Probleme mit privaten Wachdiensten (3%) oder Fälle im Zusammenhang mit der extremen Rechten oder Hate Speech (1%).
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
ZARA Status: Zivilgesellschaftlicher Verein nach österreichischem Recht Gebiet: Stadt Wien und Bundesebene, Österreich Hauptfinanzierung & Personal: ZARA hat vier Vollzeitangestellte und sechs ehrenamtlich Mitarbeitende und wird von der Stadt Wien, staatlichen Einrichtungen, der Europäischen Kommission sowie privaten Spendern finanziert. Webseite & E-Mail: www.zara.or.at, office@zara.or.at Mission und Ziele ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit ist eine österreichische antirassistische NGO und wurde 1999 gegründet. Seine Mission besteht darin, Zivilcourage zu fördern und dazu beizutragen, eine Gesellschaft ohne Rassismus aufzubauen, jede Form von Rassismus zu bekämpfen und die rechtliche und tatsächliche Gleichbehandlung aller Menschen in Österreich unabhängig von ihrer Hautfarbe, Sprache, Erscheinung, Religion, Staatsbürgerschaft und/oder Herkunft zu propagieren. ZARAs Mandat beruht auf drei Säulen, nämlich Unterstützung, Empowerment und Information bereitzustellen: Unterstützung für Diskriminierungsopfer, Bewusstseinsbildung durch Information der Öffentlichkeit, und Prävention.
Allgemeine Tätigkeit ZARA betreibt die einzige bundesweite Beratungs-, Informations- und Dokumentationsstelle für Opfer und Zeugen von Rassismus in Österreich und bietet Betroffenen Rechtshilfe. Durch Sensibilisierungs- und Bildungsmaßnahmen für unterschiedliche Zielgruppen, die Organisation von Aktivitäten und die Veröffentlichung von Materialien über Rassismus und verwandte Themen bezweckt ZARA, das öffentliche Bewusstsein für Diskriminierung und Themen im Zusammenhang mit Rassismus zu erhöhen.
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Strategien zur Förderung der Wissensproduktion Seit 2000 veröffentlicht ZARA auf Deutsch und Englisch einen Jahresbericht zu Rassismus in Österreich. Der Bericht bietet qualitative Daten über rassistische Vorfälle in Österreich, erklärt, warum und in welchen Kontexten rassistische Viktimisierung stattfindet, und dokumentiert einzelne Vorfälle. Er ist eine einzigartige und reichhaltige Quelle von Wissen und Information über Diskriminierung und rassistisch motivierte Gewalt in der österreichischen Gesellschaft. Dieses Wissen wird nicht nur über den Bericht selbst, sondern auch über eine große Bandbreite an Informationsmaterialien und Veröffentlichungen, Videoclips, Presseaussendungen, Newslettern, öffentlichen Diskussionen und gezielten Kampagnen besonders während der Parlamentswahlkämpfe verbreitet.
Partnerschaften und Netzwerke ZARA kooperiert mit einem breiten Spektrum an Institutionen und Initiativen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene und ist gut vernetzt. Es ist Mitglied von mehreren Netzwerken, unter anderem der Civic Solidarity Platform, dem International Network Against Cyber Hate (INACH), dem Netzwerk Soziale Verantwortung (NeSoVe) sowie UNITED for Intercultural Action.
Ergebnisse und Herausforderungen ZARAs Berichte und Informationsbroschüren sind weithin als zuverlässige Daten über rassistische Diskriminierung und Gewalt in Österreich anerkannt und werden viel zitiert. ZARA behandelt jährlich bis zu 1.000 rassistische Vorfälle und berät und unterstützt Hunderte von Opfern. Die größte Herausforderung bleibt weiterhin die tiefe Verwurzelung von Rassismus und diskriminierenden Praktiken in der österreichischen Gesellschaft.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Równi i Bezpieczni Organisation: Verein für juristische Intervention (Stowarzyszenie Interwencji Prawnej, SIP) und Lambda Warschau Status: Der Verein für juristische Intervention ist eine professionelle Non-Profit-Organisation. Lambda Warschau ist eine gemeinnützige Organisation für LSBT-Inklusion. Gebiet: Nationale Ebene, Polen Hauptfinanzierung: Citizens for Democracy, finanziert über den Finanzierungsmechanismus des Europäischen Wirtschaftsraums, implementiert durch Mittel der Stefan Batory-Stiftung Webseiten: www.interwencjaprawna.pl/en, www.lambdawarszawa.org Mission und Ziele Der Verein für juristische Intervention, eine Organisation, die soziale Exklusion bekämpft, indem sie Menschen, deren Freiheiten und Rechte bedroht oder missachtet werden, unentgeltliche juristische Beratung bietet, ist für das Gesamtprojekt verantwortlich. Lambda Warschau, Polens älteste LSBT-Organisation, die sich darum bemüht, eine positive Wahrnehmung schwuler und lesbischer Identität zu schaffen und gesellschaftliche Toleranz gegenüber sexuellen Minderheiten aufzubauen, ist für die Koordination der Arbeit der Koalition gegen Hassdelikte und diskriminierende Gewalt zuständig. Beide Organisationen bieten Opfern Rechtsbeistand.
Allgemeine Tätigkeit Diese beiden Organisationen sind federführend im Projekt „Równi i Bezpieczni“ („Gleichberechtigt und Sicher“), das bestrebt ist, Gesetzgeber, Gerichte und Polizei für rassistisch, nationalistisch und LSBT-feindlich motivierte Delikte zu sensibilisieren. Das Projekt soll zudem durch Erfahrungsaustausch die Kooperation zwischen Organisationen verbessern, die sich am Kampf gegen hass- und vorurteilsmotivierte Verbrechen beteiligen.
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Strategien zur Förderung der Wissensproduktion Das Projekt organisiert Tagungen und Unterstützung für Organisationen, die gegen hass- und vorurteilsmotivierte Delikte vorgehen, bietet Rechtsberatung für Opfer von Hassdelikten, entsendet in Fällen von hass- und vorurteilsmotivierten Delikten Rechtsexperten zu den Gerichtsverfahren und beteiligt sich aktiv an Konferenzen, Tagungen mit Entscheidungsträgern und der Begutachtung von relevanten politischen, behördlichen und juristischen Dokumenten.
Partnerschaften und Netzwerke Offizielle Partner: Verein für juristische Intervention und Lambda Warschau Assoziierte Partner: Mitglieder der Koalition gegen Hasskriminalität
Ergebnisse und Herausforderungen Die Koalition gegen Hasskriminalität hat acht öffentliche Tagungen organisiert; 70 Menschen erhielten in Fällen von Hasskriminalität Rechtsbeistand, und Anwälte aus beiden Organisationen nahmen an sieben Gerichtsverfahren teil. Im Allgemeinen kann festgestellt werden, dass polnischen Entscheidungsträger sich der Konsequenzen von vorurteilsmotivierten Delikten heute stärker bewusst sind und vermehrt mit Organisationen zusammenarbeiten, die gegen Hass und vorurteilsmotivierte Delikte auftreten. Das Projekt muss ausgeweitet werden, um Opfer erreichen zu können, die außerhalb der Großstädte leben.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Beobachtungsstelle Hatento Organisation: RAIS Fundación Status: Zivilgesellschaftliche Organisation Gebiet: Nationale Ebene, Spanien Hauptfinanzierung: Zunächst finanziert durch den Finanzierungsmechanismus des Europäischen Wirtschaftsraums (EEA Grants). Derzeit finanziert über spanische Gelder und Eigenmittel der Stiftung RAIS. Webseite: www.hatento.org/hatento Mission und Ziele 2014 gründete die Stiftung RAIS die Beobachtungsstelle Hatento, eine Gruppierung aus verschiedenen Organisationen zur Unterstützung von Wohnungslosen und Menschenrechtsorganisationen, die ihr Wissen und ihre Ressourcen bündeln wollen, um ein ganzheitlicheres Verständnis von Hassdelikten zu entwickeln, die gegen Menschen verübt werden, die unter extremer sozialer Exklusion leiden. Die Hauptziele der Beobachtungsstelle sind es, das Wissen über die Prävalenz von Hassdelikten und andere diskriminierende Vorfälle gegen Obdachlose zu vergrößern; die Hauptformen der Gewalt zu untersuchen, die Obdachlose erleben und die von Intoleranz und Vorurteilen gegenüber Wohnungslosigkeit motiviert ist; die Faktoren zu analysieren, die Einfluss auf die Gefährdung von Menschen durch Hassdelikte haben könnten und eine Detailanalyse der identifizierten Vorfälle oder Hassdelikte durchzuführen.
Allgemeine Tätigkeit Zur Ermittlung und Analyse von Hassdelikten und Gewaltsituationen, denen Obdachlose in Spanien ausgesetzt sind, sammelt die Beobachtungsstelle Daten über derartige Vorfälle und Delikte. Hatento hat zudem Schulungsprogramme für Fachkräfte entwickelt, Ermittlungsund Interventionswerkzeuge entworfen, Kampagnen durchgeführt, um
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die Öffentlichkeit für Hassdelikte gegen Obdachlose zu sensibilisieren und zu gewährleisten, dass diese auch als solche (an)erkannt werden, und Tagungen organisiert, um die Bevölkerung über das Problem aufzuklären.
Strategien zur Förderung der Wissensproduktion Hatento veröffentlicht Forschungsberichte zum Stand der Hasskriminalität gegen Obdachlose in Spanien. Diese Berichte ermöglichen den Lesenden den Zugang zu spezifischem und zuverlässigem Wissen zum Thema. Sie gehen auf Themen wie das Wesen von Hassvorfällen oder -delikten, die häufigsten Muster und Besonderheiten von Hasskriminalität und diskriminierender Gewalt gegen Obdachlose (z.B. Art der Angreifer, Örtlichkeiten, Tageszeiten etc.) ein. Sie bieten auch Einblicke in die Ausarbeitung von Sicherheits- und Schutzmaßnahmen, gehen wenn möglich auf die Reaktionen von Zeugen ein, und geben an, welche Opfer Hilfe suchen und das Delikt anzeigen.
Partnerschaften und Netzwerke Die Beobachtungsstelle stützt sich auf die Zusammenarbeit vieler Beteiligter. Sie konnte Partnerschaften mit den Vereinen Asociación Zubietxe, Asociación Bokatas, Asociación RAIS Euskadi, UNIJEPOL und Centro de Acogida ASSIS etablieren.
Ergebnisse und Herausforderungen Die Berichte und Kampagnen von Hatento haben sichtbar gemacht, welchen von Intoleranz und Vorurteilen motivierten Aggressionen, Erniedrigungen oder Einschüchterungen Obdachlose ausgesetzt sind. Menschen in Gefährdungssituationen, die allgemeine Öffentlichkeit und Institutionen in Spanien sind sich dieses Problems heute stärker bewusst. Die hauptsächliche Herausforderung besteht darin, sicherzustellen, dass Angriffe gegen Obdachlose, die durch Intoleranz und Vorurteil motiviert sind, als Hassdelikte anerkannt werden.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
PUFII Organisationen: Landespräventionsrat Niedersachsen, Deutscher Präventionstag, Deutsch-Europäisches Forum für Urbane Sicherheit Status: Kooperation zwischen einer Landesregierung und zivilgesellschaftlichen Organisationen Gebiet: Landesebene, Deutschland Hauptfinanzierung: Die drei teilnehmenden Organisationen stellen die Finanzierung für Personal (1 Angestellter), ein Büro und Verbrauchsmaterial zur Verfügung. Webseite & E-Mail: www.pufii.de, info@pufii.de Mission und Ziele PUFII - Präventive Unterstützung für Integrations-Initiativen - wurde in Reaktion auf die seit 2015 stark steigende Zahl von Flüchtlingen gegründet, die in Deutschland Asyl suchen. In vielen deutschen Kommunen, die Asylsuchende aufnahmen, gab es feindselige Reaktionen, darunter auch Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und andere Formen von diskriminierender Gewalt. Die Sicherstellung der Integration und friedlichen Koexistenz zwischen etablierten Bevölkerungsgruppen und Neuankömmlingen stellte Kommunen und Regionalbehörden vor große Herausforderungen. PUFII ist bestrebt, Informationsfluss, Netzwerke und Austausch zwischen allen Fachleuten, die im Bereich der Integration arbeiten, zu unterstützen.
Allgemeine Tätigkeit PUFII wird von drei erfahrenen Präventionsorganisationen geleitet und verbindet lokale und regionale Akteure, die zur Prävention von Gewalt und Kriminalität gegen Flüchtlinge und Migranten beitragen, und bietet ihnen auf Landesebene eine Plattform für Netzwerke, Austausch und Informationsweitergabe. Wissen wird gesammelt und über das Internet verbreitet.
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Strategien zur Förderung der Wissensproduktion PUFII bietet eine zentrale Drehscheibe für den Austausch und die Bündelung von Informationen, die allen, die beruflich oder ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe arbeiten, frei zur Verfügung steht, und stellt damit eine wichtige Plattform in einem Bereich zur Verfügung, der in Reaktion auf die rasch steigende Nachfrage sehr schnell gewachsen ist, und dem es dadurch an Koordination und Informationsaustausch gemangelt hatte. Die Plattform bietet unterschiedliche Werkzeuge mit Informationen über Projekte, Veranstaltungen, Finanzierungsmöglichkeiten, Schulungen, rechtliche Information, Leitfäden und Handbücher. Die PUFII-Webseite wird täglich aktualisiert und alle relevanten Informationen über Flüchtlingshilfe werden zusätzlich in einen wöchentlichen Newsletter aufgenommen.
Partnerschaften und Netzwerke PUFII wurde durch eine formelle Partnerschaft der drei Partnerinstitutionen gebildet. Ein informelles Netzwerk mit vielen Beteiligten, die im Bereich Integration/ Flüchtlingshilfe arbeiten, wurde aufgebaut.
Ergebnisse und Herausforderungen Die Online-Publikationen von PUFII und seine Newsletter werden von einer wachsenden Zahl von Fachleuten gelesen, die mit Flüchtlingen arbeiten. Eine Plattform für den Austausch zwischen Akteuren, die einen Beitrag zur Integration von Flüchtlingen und der Prävention von Gewalt gegen Flüchtlinge leisten, wurde geschaffen. Eine zentrale Herausforderung ist die Beschaffung von Mitteln, um die Projektaktivitäten auszuweiten.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Beobachtungsstelle für Gleichberechtigung von Bordeaux Organisation: Stadt Bordeaux Status: Kommune Gebiet: Großraum Bordeaux Hauptfinanzierung: Eigenmittel Webseite & E-Mail: www.bordeaux.fr, i.amicel@mairie-bordeaux.fr Mission und Ziele Im Jahr 2000 initiierte die Stadt Bordeaux eine proaktive Politik gegen Diskriminierung und für Chancengleichheit. Sie ebnete der Gründung des Komitees für Beobachtung und Aktion gegen Diskriminierung und für Chancengleichheit von Bordeaux (Comité bordelais de veille et d’action contre les discriminations et pour l’égalité, COBADE) den Weg. Der letzte Bericht von COBADE verwies auf die Notwendigkeit, erlittene und wahrgenommene Diskriminierungen zahlenmäßig zu erfassen, um sie besser zu verstehen und verhindern zu können. Zu diesem Zweck befürwortete der Bericht die Einrichtung einer Beobachtungsstelle für Gleichberechtigung, deren Zweck eine Bestandsaufnahme von echten oder wahrgenommenen Diskriminierungsfällen, Gewalt oder Belästigung sein sollte.
Allgemeine Tätigkeit Die Beobachtungsstelle für Gleichberechtigung führte unter den Einwohnerinnen und Einwohnern des Großraums Bordeaux eine Umfrage über ihre Wahrnehmungen bezüglich Diskriminierung durch, auf die Fokusgruppen folgten. Der Stadtrat befand es für wichtig, quantitative und qualitative Daten über Diskriminierung zu sammeln, die von Bürgerinnen und Bürgern der Kommune erlitten oder wahrgenommen wurde.
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Strategien zur Förderung der Wissensproduktion Eine der ersten Aktionen im Rahmen dieser Forschungsarbeit war die Erstellung eines Fragebogens im Internet, auf den die Bevölkerung direkt zugreifen konnte, und der im Rahmen der ersten Gleichberechtigungswochen im November 2014 durch den Stadtrat und lokale Vereine verbreitet wurde. Die Ergebnisse wurden im Mai 2015 anlässlich der Eröffnung der Gleichberechtigungs-Generalstände (États généraux de l’Égalité) präsentiert. Diese Veranstaltung versammelte Vereine, Vertreter der Zivilgesellschaft und Gemeinde- und Stadtangestellte, um die Hauptthemen zu diskutieren, die in der Umfrage der Beobachtungsstelle identifiziert worden waren. Zusätzlich wurden abends bewusstseinsbildende Aktivitäten für die Öffentlichkeit organisiert. Am Ende dieses partizipativen Prozesses wurde ein erstes Modell des zukünftigen Plans gegen Diskriminierung präsentiert und von den Teilnehmenden der Gleichberechtigungs-Generalstände verabschiedet. Eine Arbeitsgruppe des Stadtrats von Bordeaux zum Kampf gegen Diskriminierung, die aus freiwilligen Teilnehmenden aus den meisten städtischen Abteilungen bestand, überarbeitete diesen Entwurf.
Partnerschaften und Netzwerke Die Beobachtungsstelle für Gleichberechtigung von Bordeaux besteht aus Wissenschaftlern (Sozial- und Politikwissenschaft, Rechtswissenschaft), Antidiskriminierungsvereinen, die COBADE vertreten, prominenten Persönlichkeiten, lokalen Mandatsträgern und Vertretern der Gemeinde. Das wissenschaftliche Komitee steuert auf vier Ebenen sein Wissen bei: Gesundheit und Behinderung, Geschlechtergleichstellung, LSBT-Themen, und Herkunft und Zugehörigkeit.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Kampf gegen Gewalt gegen Frauen Organisation: Stadt Valence Status: Kommune Gebiet: Stadt Valence, Frankreich Hauptfinanzierung: Die Mittel kommen hauptsächlich aus dem Budget der Kommune selbst. Einige einmalige Aktivitäten werden von Partnern finanziert. Webseite & E-Mail: www.valence.fr/fr/re-decouvrir-la-ville/ville-solidaire/actions-en-faveur-de-l-egalite-entre-les-femmes-et-leshommes.html, bertrand.leost@mairie-valence.fr Mission und Ziele Als Unterzeichner der Europäischen Charta für die Gleichstellung von Männern und Frauen seit 2009 engagiert sich die Stadt Valence (Frankreich) mit diesem Projekt dafür, Gewalt gegen Frauen zu beseitigen und für dieses Problem zu sensibilisieren. Zusätzlich soll das Projekt unter seinen Partnerorganisationen gemeinsame Verfahren und eine gemeinsame Kultur entwickeln, um Opfern bessere Unterstützung bieten zu können.
Allgemeine Tätigkeit Die Stadt Valence betreibt dieses Projekt in enger Zusammenarbeit mit lokalen Betroffenen, die mit weiblichen Gewaltopfern arbeiten. Es führt mit lokalen Vereinen und Einrichtungen Aktivitäten durch, um für das Problem zu sensibilisieren, etwa mit Angestellten im Empfangsbereich der öffentlichen Verwaltung oder auch mit Gesundheitseinrichtungen und Ärztinnen und Ärzten, Apotheken, Schulen und Hochschulen.
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Strategien zur Förderung der Wissensproduktion Das Projekt konzentriert seine Aktivitäten um drei Hauptinterventionsbereiche. Der erste besteht darin, weiblichen Gewaltopfern für 3 Monate geschützte Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Frauen können in diesem Zeitraum auch auf psychologische, administrative und rechtliche Unterstützung zurückgreifen. Die zweite Intervention umfasst die Publikation und Verbreitung einer Informationsbroschüre mit dem Titel Gewaltopfer. Welche Hilfsangebote gibt es? mit praktischen Informationen und Ratschlägen. Der dritte Interventionsbereich betrifft die Organisation öffentlicher Veranstaltungen und Diskussionen mit Vertretern von Einrichtungen und lokalen Vereinen.
Partnerschaften und Netzwerke Der Ansatz des Projekts ist holistisch und ressortübergreifend, um eine große Bandbreite an Vereinen in sein Netzwerk einzubeziehen. Zusätzlich arbeitet es im Management der geschützten Wohnungen mit dem regionalen Zentrum für Information zu Frauen- und Familienrechten (Centre d’Information sur les Droits des Femmes et des Familles, CIDFF) zusammen.
Ergebnisse und Herausforderungen Das Projekt hat sich in der Mobilisierung von Mitwirkenden (insbesondere Notfallmedizinisches Personal) und Öffentlichkeit als erfolgreich erwiesen. Tatsächlich hat sich das Netzwerk von Mitwirkenden verdreifacht, und das Projekt hat über die Stadt Valence hinaus Anerkennung gefunden. Die hauptsächlichen Herausforderungen bestehen im Mangel an genauen Statistiken und der Dunkelziffer in Fällen von Gewalt gegen Frauen, dem Mangel an Hilfe, die Frauen während der Trennung von ihrem Partner zur Verfügung steht, und der Tatsache, dass Opfer nicht wissen, wer helfen kann und welchem Prozedere zu folgen ist.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
2.2. Sensibilisierung
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Neben Wissenslücken ist der Mangel an öffentlichem Bewusstsein für diskriminierende Gewalt und ihre nachteiligen Auswirkungen auf Gesellschaft und öffentliche Sicherheit eine zentrale Herausforderung in der Bekämpfung derartiger Phänomene. Obwohl viele Studien und Umfragen zeigen, dass Diskriminierung und damit zusammenhängende Gewaltformen weit verbreitet sind und zu den Alltagserfahrungen eines großen Teils der Bevölkerung gehören17, wird darüber in den Medien deutlich weniger berichtet, und das Problem ist daher in der öffentlichen Diskussion wesentlich weniger präsent als andere Bedrohungen der urbanen Sicherheit wie Terrorismus oder organisierte Kriminalität. Diskriminierung und Intoleranz scheinen oft als Formen zwischenmenschlichen Verhaltens akzeptiert und normalisiert zu sein. Die Gewalttätigkeit eines derartigen Verhaltens bleibt daher häufig unbemerkt oder erhält nur dann öffentliche Aufmerksamkeit, wenn es um extreme Formen von Misshandlung geht, etwa brutale tätliche Angriffe, die zu schweren Körperverletzungen führen. Infolgedessen bleibt oft eine eindeutige öffentliche Verurteilung von diskriminierender Gewalt ebenso aus wie eine klare Solidaritätsbezeugung mit Opfern oder Risikogruppen. Um gegen derartige Normalisierungs- und Gewöhnungstendenzen vorzugehen, braucht es gezielte Maßnahmen, um das Bewusstsein für die ernsten nachteiligen Auswirkungen von Diskriminierung und damit zusammenhängenden Gewaltformen zu erhöhen. Die Europäische Kommission anerkennt diesen Mangel und ruft zu einer Verstärkung von Sensibilisierungsaktivitäten auf: „Nur ein Drittel der
17- Zum Beispiel zeigt die europaweite LSBT-Umfrage der Agentur für Grundrechte der Europäischen Union (FRA) von 2014, dass 50% der Befragten sich diskriminiert fühlten, etwa 20% hatten in den der Umfrage vorausgehenden 12 Monaten verbale Gewalt und 6% Körperverletzungen erlebt (siehe FRA 2014).
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EU-Bürger ist sich darüber im Klaren, dass sie rechtlichen Schutz vor Diskriminierung genießen. Die Botschaft zu vermitteln, dass Europa Diversität schätzt und Diskriminierung ernst nimmt, ist entscheidend für den Erfolg seiner Maßnahmen gegen Diskriminierung. Die Stärkung des Bewusstseins über Antidiskriminierungsgesetze ist unerlässlich, um zu gewährleisten, dass Rechte bekannt sind und gelebt und verstanden werden.“ (EC 2017). In ganz Europa befassen sich viele kommunale Initiativen auf lokaler Ebene mit diesem Bedarf und tragen dazu bei, das öffentliche Bewusstsein zu schärfen. Sie bieten unterschiedliche Formen von Bildungsoder Schulungsinstrumenten, die Vorurteile, Intoleranz und Diskriminierung behandeln, um das Aufmerksamkeits- und Sensibilitätsniveau für derartige gesellschaftliche Dynamiken zu verstärken. Sie stellen Informationsmaterial wie Broschüren oder Videos bereit und verbreiten sie, oder führen Sensibilisierungskampagnen über diskriminierendes Verhalten und die Notwendigkeit von Solidarität mit marginalisierten Gruppen durch. Sie sprechen eine große Bandbreite von Zielgruppen an: Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte, Journalisten, Mitglieder von Sportvereinen, Politiker, Exekutivorgane und Vertreter der öffentlichen Hand, um nur einige zu nennen.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Vier Schrauben für Zivilcourage Organisation: Kein Platz für Rassismus und Gewalt Status: Zivilgesellschaftliche Initiative Gebiet: Düren, Deutschland Hauptfinanzierung: Aus Eigenmitteln und Spenden finanziert Webseite & E-Mail: www.fussballvereine-gegen-rechts.de, www.facebook.com/4Schrauben, gegen-rechts@arcor.de Mission und Ziele Dieses Projekt soll Rassismus und Gewalt bekämpfen, denen Fußballspieler und ihre Manager und Fans mit Migrationshintergrund ausgesetzt sind, insbesondere in Amateurvereinen.
Allgemeine Tätigkeit Die Initiative gegen Rechts will durch öffentliche Auftritte und Kampagnen Respekt und Kooperation im Fußball fördern, um Gewalt und Rassismus aus Fußball-Veranstaltungen in ganz Deutschland zurückzudrängen. Seit 2011 verleiht die Initiative jedes Jahr an eine Person oder eine Mannschaft im Kreis Düren die Auszeichnung Integration durch Tore. Ihre aktuellen Kampagnen (Mitte 2017) sind Vier Schrauben, Teamfotos gegen Rechts und Wir vermieten nicht an Nazis.
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Sensibilisierungsstrategien Um Team- und Vereinsmitglieder für das Problem Rassismus und Gewalt zu sensibilisieren, verteilt das Projekt an Fußballvereine Schilder mit dem Text ‚Kein Platz für Rassismus und Gewalt’, die an besonders sichtbaren Stellen des Stadions platziert werden (Eingangsbereich, Umkleideräume etc.). Fußballvereine beteiligen sich an der Kampagne, indem sie diese über die lokalen Medien und ihre sozialen Netzwerke verbreiten.
Partnerschaften und Netzwerke Der Deutsche Fußballbund und die Amadeu Antonio-Stiftung, eine NGO, die sich der Stärkung einer demokratischen Zivilgesellschaft und dem Kampf gegen jede Form von Hass und Fanatismus in Deutschland verschrieben hat.
Ergebnisse und Herausforderungen Von vielen Vereinen kam positives Feedback, sie beobachteten eine Verhaltensänderung unter Spielern und Publikum gegenüber Migranten und Ausländern. Mitte 2017 hatten mehr als 855 Amateurvereine an der Kampagne teilgenommen und mehr als 200 weitere Anfragen um Schilder waren bei den Organisatoren eingelangt.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Schulrichtlinien für Gleichbehandlung Organisation: Fundacja na rzecz Różnorodności Społecznej (Stiftung für gesellschaftliche Diversität) Status: Unabhängige Non-Profit-Organisation Gebiet: Warschau, Polen Hauptfinanzierung: Europäischer Fonds zur Integration Drittstaatsangehöriger und EWR-Finanzierungsprogramm “Citizens for Democracy” Webseiten: www.ffrs.org.pl/, www.ffrs.org.pl/aktualne-dzialania/programy Mission und Ziele Die Mission der Stiftung für gesellschaftliche Diversität (FRS nach dem polnischen Akronym) ist es, eine offene, vielfältige Gesellschaft aufzubauen, indem sie interkulturellen Dialog und soziale Integration fördert, Diskriminierung sichtbar macht und ächtet, Wissen schafft und Instrumente zur Stärkung von sozialer Integration und Gleichbehandlung entwickelt. Eine der Kernaktivitäten der Stiftung ist die Leitung eines Programms zur Verbreitung und Förderung von Gleichbehandlungsstandards an Schulen. Das Ziel dabei ist, eine offene Einstellung gegenüber Diversität zu befördern, soziale Integration zu stärken und Diskriminierung an Schulen in ganz Polen öffentlich zu machen.
Allgemeine Tätigkeit Das Programm für Gleichbehandlungsstandards für Schulen soll Stereotype, Vorurteile, Diskriminierung und Gewalt in Schulgemeinschaften abbauen. Das Programm ist eine eindeutige Stellungnahme gegenüber Schulpersonal und Eltern bezüglich der Notwendigkeit, Gleichbehandlungsstandards zu stärken, indem ein Konsultationsund Dialogprozess innerhalb der Schulgemeinschaft (einschließlich Schülern, Lehrkräften, Personal, Eltern, Schulleitungen etc.) eingeleitet wird.
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Sensibilisierungsstrategien Als gemeinschaftsorientierter, dialogbasierter und konsultativer Prozess soll die Gesamtinitiative in jeder teilnehmenden Schule einzigartige Gleichbehandlungsstandards entwickeln und das Bewusstsein für Diskriminierung, gesellschaftliche Diversität und Gleichbehandlung erhöhen. Der Prozess besteht aus interaktiven Methoden wie Schulungssitzungen, Workshops und Meetings, an denen alle Mitglieder der Schulgemeinschaft teilnehmen. Die letztlich in jeder Schule angenommenen Standards sollen einen breiten, intersektionalen Schutz vor Diskriminierung, die Partizipation unterschiedlicher Interessensgruppen innerhalb der Schulgemeinschaft sowie ein langfristiges institutionelles Engagement für Gleichbehandlung gewährleisten.
Partnerschaft und Netzwerke Schirmherrschaft durch das Centre for Education Development, den Ombudsmann und Regierungsbevollmächtigten für Gleichbehandlung. Partnerorganisation: Centre for Education Development.
Ergebnisse und Herausforderungen Das Programm wurde seitens Bildungseinrichtungen und lokalen, regionalen und nationalen Behörden in Polen mit großem Interesse aufgenommen, und es regte weitere Schulen im ganzen Land dazu an, unabhängig von FSD ihre eigenen Gleichbehandlungsstandards zu verabschieden. Die Erweiterung des Programms ist eine Herausforderung, da es sehr individuelle Unterstützung für die teilnehmenden Schulen braucht, um eine gleichbleibende Qualität der Ergebnisse zu sichern. Zudem stellt das derzeitige politische Klima in Polen (seit 2015 stellt eine nationalkonservative Partei die Regierung) für jede Initiative eine schwere Herausforderung dar, die Probleme wie Gleichbehandlung und Diskriminierung zum Thema macht.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Bekämpfung von Hate Speech Organisation: Concordia Status: Non-Profit-Organisation Gebiet: Aquitaine, Frankreich Hauptfinanzierung: Das Projekt wird ausschließlich durch ehrenamtliche Mitarbeit getragen. Webseite & E-Mail: www.concordia.fr/lassociation/regions/ aquitaine, info@concordia.fr Mission und Ziele Concordia ist eine landesweite Nichtregierungs- und Non-Profit-Organisation, die seit 1950 durch interkulturellen Austausch innerhalb von internationalen Freiwilligendienst-Projekten Frieden und interkulturellen Austausch fördert.
Allgemeine Tätigkeit Die Arbeit von Concordia soll die Werte Toleranz und Frieden stärken. Entsprechend unterstützen und verbreiten ehrenamtliche Mitarbeiter die No Hate Speech-Bewegung des Europarats, wobei ihre Zielgruppe insbesondere Kinder und junge Menschen sind.
Sensibilisierungsstrategien Das Projekt „Bekämpfung von Hate Speech“ tritt gegen Hassbotschaften im Internet auf, ein Problem, das in Frankreich noch nicht ausreichend erkannt worden war. Dies erreicht es, indem es Menschen für ihre Unterschiede sensibilisiert, sodass sie diese diskutieren, verstehen und akzeptieren können. Es soll Menschen auch ermutigen, eine Alternative zu Hate Speech und eine Lösung oder Reaktion darauf zu suchen, sowie einen Überblick über die unterschiedlichen Arten von Hate Speech bieten, die im Internet zu finden sind.
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In einer der Strategien des Projekts werden Teilnehmergruppen dazu angeregt, über Beispiele von Hate Speech nachzudenken und mit einer künstlerischen Performance wie Tanz oder Theater eine kreative Antwort oder Lösung zu finden. Sie gestalten die Performance und führen sie vor dem Rest der Gruppe auf. Diese Methode wurde auf einem internationalen Jugendlager getestet. Eine weitere Aktion ist ein Frage-und-Antwort-Brettspiel für Grundschüler, um zu Diskussion und Nachdenken über Unterschiede zwischen Menschen anzuregen. Eine weitere Strategie besteht darin, dass Freiwillige an die Öffentlichkeit gehen, um sie über die Existenz der No Hate Speech-Bewegung zu informieren.
Partnerschaft und Netzwerke Partner der internationalen Jugendlager, einiger Gemeinden (darunter Haux und Paillet), von Horten und der nationalen Delegation des Vereins Concordia.
Ergebnisse und Herausforderungen Auf den Lagern führten die unterschiedlichen Aktivitäten zu lebhaften Diskussionen über die Notwendigkeit, die Bedeutung kultureller Unterschiede anzuerkennen: Jugendliche warfen wichtige Fragen auf, mit denen sie sich sonst möglicherweise nicht auseinandergesetzt hätten, zum Beispiel Homosexualität. Die Hauptschwierigkeit ist der Umgang mit extremen Meinungen; die Rolle der Gesprächsleitung ist für die Steuerung der Diskussion unerlässlich.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Nie lajkuję – reaguję Organisation: FFundacja na rzecz Różnorodności Społecznej (Stiftung für soziale Diversität) Status: Unabhängige Non-Profit-Organisation Gebiet: Warschau, Polen Hauptfinanzierung: Die Maßnahmen wurden im Rahmen des Projekts “Flüchtlinge? Willkommen!”, das von der Stiftung für soziale Diversität implementiert wurde, unter dem Programm Citizens for Democracy durch EWR-Mittel finanziert. Webseite: www.ffrs.org.pl/aktualne-dzialania/ media-w-spoleczenstwie-roznorodnym/nie-lajkuje-reaguje/ Mission und Ziele Die Stiftung für gesellschaftliche Diversität (FRS nach dem polnischen Akronym) strebt die Entwicklung einer offenen, vielfältigen Gesellschaft an, indem sie interkulturellen Dialog und gesellschaftliche Integration fördert, Diskriminierung thematisiert, Wissen schafft und Instrumente entwickelt, die gesellschaftliche Integration und Gleichbehandlung stärken. Das Projekt „Nie lajkuję – reaguję“ („Ich „like“ nicht – ich reagiere“) zielt darauf ab, die zunehmende Dominanz von negativen Botschaften bezüglich Migranten und Flüchtlingen im öffentlichen Diskurs in Polen zu unterbinden, indem es die Fähigkeit der Nutzer von Sozialen Medien verbessert, auf hasserfüllte, vorurteilsbeladene und diskriminierende Kommentare im Internet zu reagieren.
Allgemeine Tätigkeit Diese Initiative zielt darauf ab, eine offene, vielfältige Gesellschaft zu schaffen, die Diskriminierung in Frage stellt und die gesellschaftliche Integration zu einer Zeit verbessert, in der negative und spaltende Rhetorik, Fremdenfeindlichkeit, Islamophobie und Rassismus in Polen im Anstieg begriffen sind.
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Sensibilisierungsstrategien Eine 12-köpfige Arbeitsgruppe aus Vertretern von NGOs, Social Media-Agenturen und der akademischen Welt wurde eingerichtet. Sie entwarf ein Handbuch gegen Hate Speech im Internet mit dem Titel „Ich ‘like’ nicht - ich reagiere! – Bekämpfung von Hate Speech in Sozialen Medien“. Sie wurde in verschiedenen Foren veröffentlicht und bei Vorträgen und Meetings mit Social Media- und PR-Agenturen verbreitet, um ihren Mitarbeitern die notwendigen Fähigkeiten und das Bewusstsein an die Hand zu geben, um auf hasserfüllte Rhetorik im Internet zu reagieren.
Partnerschaften und Netzwerke Strategische Partner: Die Common Space Foundation sowie die Anti-Discrimination Education Association (TEA). Partnerorganisation: Multicultural Centre Warschau. Ein Vertreter von Isobar Polen (der zuvor bei der digitalen Agentur The Digitals gearbeitet hatte) koordinierte die Einbindung von Social Media- und PR-Agenturen in die Initiative.
Ergebnisse und Herausforderungen Verbesserung der Fähigkeit von Mitarbeitern von Social Media-Agenturen, direkt auf Posts und Kommentare zu reagieren, die Stereotype und Vorurteile bestätigen und der Diskriminierung Vorschub leisten. Die größte Herausforderung, die sich der Initiative in Zukunft stellt, ist die Sicherstellung von Finanzmitteln, die es ermöglichen würden, das Projekt in größerem Rahmen zu verbreiten.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Campagne „Stop Cybersexisme” Organisation: Centre Hubertine Auclert Status: Gemeinsames Ressourcenzentrum von NGOs, Gemeinden und Gewerkschaften mit dem Zweck, Geschlechtergleichstellung zu fördern Gebiet: Île-de-France, Frankreich Hauptfinanzierung: Regionalrat und Bildungsministerium Webseiten & E-Mail: www.stop-cybersexisme.com, www.centre-hubertine-auclert.fr, aurelie.latoures@hubertine.fr Mission und Ziele Das Centre Hubertine Auclert trägt zum Kampf gegen geschlechts- und genderbasierte Ungleichheit und Diskriminierung bei und fördert die Gleichbehandlung von Mann und Frau. Das Zentrum hat derzeit 171 Mitglieder: 127 Vereine, 13 Gewerkschaften sowie 31 Gemeinden.
Allgemeine Tätigkeit Entsprechend seiner Arbeit zur Förderung der Geschlechtergleichstellung und angesichts des zunehmenden Sexismus, dem sich Frauen und insbesondere junge Frauen im Internet ausgesetzt sehen (wie das die erste Studie zu genderbasierter Cybergewalt unter Jugendlichen zeigte, die das Zentrum 2015–2016 durchführte), startete das Zentrum ein Projekt, das zum Ziel hat, das Problem publik zu machen und junge Menschen und Erwachsene darüber und über den Umgang damit aufzuklären. Die Kampagne lief 2015 und 2016. Die Kampagne „Stop Cybersexisme“ („Stop Cyberseximus“) soll für den Ernst des Problems Online-Sexismus sensibilisieren und jungen Menschen ihre Verantwortung bei der Nutzung von Sozialen Medien bewusstmachen, derartige gewalttätige Handlungen zu verhindern. Sie will auch Opfern und Zeugen Beratung darüber bieten, wie sie reagieren können.
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Sensibilisierungsstrategien Strategien sind unter anderem der Entwurf und die Verbreitung eines “Starter Kit” für den Kampf gegen Cybersexismus, der aus Postern und Broschüren besteht, die junge Menschen und Erwachsene über das Wesen von Cybersexismus und Möglichkeiten des Umgangs damit informieren. Weitere Aktivitäten sind unter anderem das Schalten von Anzeigen in öffentlichen Verkehrsmitteln, Sozialen Medien und im Fernsehen und ein Angebot von Schulungsprogrammen. Eine vollständige Webseite ging 2017 online.
Partnerschaften und Netzwerke Gestaltung der Kampagne: drei lokale Bildungsbehörden, der Regionalrat der Île de France (Conseil régional d’Île de France), Wissenschaftler, Vereine, die in Schulen arbeiten, sowie Vertreter der Polizei. Bewerbung: Nationales Bildungsministerium, lokale Behörden (Regionalrat, Räte der Départments Val-de-Marne, Val d’Oise und Paris), Verein E-Enfance, Youtuberinnen, Fun Radio, Fernsehsender TF1, M6 und France Ô.
Ergebnisse und Herausforderungen Während der Kampagne erhöhte sich die Verbreitung des Begriffs „Cybersexismus“ stark und wurde auf Twitter 22 Millionen Mal angesehen. Auch Suchergebnisse von Google zeigen das plötzliche Auftauchen des Wortes „Cybersexismus“, das im September 2016 107.000 Treffer ergab (verglichen mit 2.800 im Februar 2015). In vielen Berufsfeldern wurde man daher auf das Thema aufmerksam und präventive Maßnahmen wurden gesetzt. 2016–2017 führte das Zentrum ein Pilotprojekt zur Prävention für 1.500 Schülern an Sekundarschulen in der Region Île-de-France durch. Herausforderungen für die Zukunft bestehen unter anderem darin, durch vom Zentrum gestaltete Schulungen Lehrkräfte und andere Berufsfelder dazu zu befähigen, maßgeschneiderte Präventionsstrategien zu kreieren.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Singular do Plural Organisation: EAPN Portugal (European Anti-Poverty Network) Status: Entwicklungs-NGO Gebiet: National, Portugal Hauptfinanzierung: Nationale Regierung Webseite & E-Mail: www.eapn.pt, geral@eapn.pt Mission und Ziele Das European Anti-Poverty Network (EAPN) ist das größte europäische Netzwerk nationaler, regionaler und lokaler Netzwerke und umfasst NGOs und Basisgruppen ebenso wie europäische Organisationen, die sich im Kampf gegen Armut und soziale Exklusion engagieren. Das EAPN ist der Meinung, dass zum Kampf gegen Diskriminierung auch die Bereitstellung präziser Informationen über Roma und ihre Lebensweise gehören muss, weil Unwissenheit die gegen sie gerichteten Vorurteile und Stereotype stark schürt.
Allgemeine Tätigkeit EAPN-Mitglieder sind in verschiedene Aktivitäten involviert, darunter Bildung und Schulung, Bereitstellung von Diensten und Empowerment von Menschen, die Armut und sozialer Exklusion ausgesetzt sind. „Singular do Plural“ ist Teil der nationalen Kampagne „A Discriminação é Falta de Educação” (Diskriminierung ist Mangel an Bildung), in der sich EAPN Portugal engagiert, die zum Ziel hat, Gleichberechtigung und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern, indem für die Diskriminierung von Roma-Gemeinschaften in Portugal sensibilisiert wird, indem Mythen und negative Stereotype über sie abgebaut werden und gezeigt wird, dass Roma in der portugiesischen Gesellschaft ihren Platz haben.
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Sensibilisierungsstrategien Im Projekt wurde eine Kampagne entwickelt und implementiert, um im ganzen Land Bewusstsein zu schaffen. Dazu gehört ein Buch mit dem Titel „Singular do Plural“ und eine Fotoausstellung, die negative Stereotype über Roma entzaubern sollen. Auf Basis von Interviews präsentieren Ausstellung und Buch 20 Zeugnisse, die unterschiedliche Lebenswege, Wünsche und Erwartungen von 20 Berufsgruppen, 20 Individuen, 20 Roma vorstellen.
Partnerschaften und Netzwerke Staatssekretär für Bürgerschaft und Gleichbehandlung und Hochkommissar für Migration.
Ergebnisse und Herausforderungen Das Bewusstsein der Öffentlichkeit für Diskriminierung gegen Roma-Gemeinschaften wurde gestärkt und viele Aktivitäten wurden sehr positiv aufgenommen. Nach der ersten Präsentation entschied der Staatssekretär für Bürgerschaft und Gleichbehandlung, die Initiative zu unterstützen und eine zweite Auflage der Publikation zur weiteren Dissemination in ganz Portugal zu finanzieren. Die Fotoausstellung war als Wanderausstellung unterwegs, und in den Städten, in denen sie gezeigt wurde, wurden öffentliche Meetings organisiert, um Bewusstsein zu schaffen und auch das Buch zu präsentieren. Die größte Herausforderung besteht darin, in den Medien positive Beachtung zu finden und sie für die Kampagne an Bord zu holen.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Projekt Heartstone Organisation: Heartstone Status: Zivilgesellschaftliche Organisation Gebiet: Landesebene, Vereinigtes Königreich Hauptfinanzierung: Kommunen im gesamten Königreich, Schottische Regierung, Sponsoren aus der Privatwirtschaft, u.a. Delancey und Rolls Royce. Webseite & E-Mail: www.heartstonechandra.com, sitakumari@heartstone.co.uk Mission und Ziele Angesichts vermehrter Hasskriminalität im Vereinigten Königreich nach der Brexit-Entscheidung arbeitet das Heartstone-Projekt daran, in Grund- und Sekundarschulen zu intervenieren, um einen sicheren Ort für sensible Diskussionen zu schaffen, die sich mit Hasskriminalität auseinandersetzen und darüber reflektieren. Das Projekt soll einen Weg für die Arbeit mit unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen ebnen, um über einen von jungen Menschen eigenverantwortlich geführten Zugang einen Umgang mit Hasskriminalität aus der extremen Rechten, religiösem Fundamentalismus oder anderen Formen von Extremismus zu finden.
Allgemeine Tätigkeit Heartstone führt eine Reihe von Aktivitäten und Initiativen durch, um gegen Hasskriminalität im Vereinigten Königreich vorzugehen, unter anderem Arbeit mit Schulen, Schulungen für Lehrkräfte, sowie die Organisation von Ausstellungen für die breite Öffentlichkeit.
Sensibilisierungsstrategien Nachdem sie von Heartstone eine zweistündige Schulung und ein Materialpaket mit Geschichten und Fotos erhalten haben, leiten Lehrkräfte
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in ihren Klassen eine Vielzahl von Aktivitäten zum Thema Hasskriminalität; die Klassen diskutieren darüber und nehmen (unter Verwendung von Materialien, die Heartstone zur Verfügung stellt) an verschiedenen kreativen und praktischen Aktivitäten teil, um sie besser zu verstehen. Sie erstellen Schautafeln und halten Versammlungen ab, um das Bewusstsein darüber in der übrigen Schulgemeinschaft zu erhöhen. Es werden auch Gastsprecher in die Schule eingeladen. Die Schulen werden zu einer großen Heartstone-Ausstellung eingeladen, die im selben Jahr der breiten Öffentlichkeit in der Region präsentiert wird.
Partnerschaften und Netzwerke Kommunen (um Schulen zu gewinnen, Schulungen zu organisieren, den Fortschritt zu beobachten, die Abschlussveranstaltung zu unterstützen), Partner für Zugang zu Fotos (Sonderzugang für Fotostories) und Partner für Veranstaltungsorte, die profilierte Standorte zur Verfügung stellen.
Ergebnisse und Herausforderungen Junge Menschen, besonders von 9–12 Jahren, beweisen ein größeres Bewusstsein für Hasskriminalität. Sie haben positive Interventionen dafür entwickelt, wenn sie darauf stoßen, und haben ein besseres Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein, können besser kommunizieren und damit Opfer und potentielle Opfer unterstützen und Täter hinterfragen. Das Projekt bietet eine praktische, wirksame und langfristige Intervention, die leicht in den schulischen Lehrplan zu integrieren ist. Die Haupthindernisse für den Erfolg sind (1) die Mittelbeschaffung, um ein Projekt zu initiieren; (2) gute Werbung im Zielgebiet, um es auf weitere Schulen auszuweiten und die Erschließung von weiteren Finanzierungsquellen nach der Anbahnung; (3) Herausforderungen in Bezug auf Lehrkräfte – zum Beispiel braucht das Projekt zumindest eine enthusiastische Lehrkraft in jeder Schule, um es zu leiten. Wird diese Lehrkraft krank oder verlässt die Schule aus anderen Gründen, kann das die Weiterführung bedrohen.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Sensibilisierungsakademie Organisation: Servicecenter ÖGS barrierefrei Status: Non-Profit-Organisation Gebiet: Wien, Österreich Hauptfinanzierung: Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Webseite & E-Mail: www.oegsbarrierefrei.at, office@oegsbarrierefrei.at Mission und Ziele Das Hauptziel dieses Projekts ist es, gleiche Chancen und Gleichbehandlung von gehörlosen Menschen in Österreich zu fördern und sicherzustellen, sowie Bewusstsein für ihre Bedürfnisse und für die derzeit vorhandenen Hindernisse und Barrieren zu schaffen, mit denen sie konfrontiert sind. Es soll auch Ängste im Kontakt zwischen hörenden und gehörlosen Menschen abbauen und dazu anregen, die Österreichische Gebärdensprache zu erlernen. Auf Basis der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und auch österreichischen Gesetzen wie dem Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG), dem Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) und der Bundesverfassung (B-VG) ist das Ziel, Diskriminierungen von gehörlosen Menschen zu beseitigen – insbesondere im Berufsleben und in unserer Informationsgesellschaft, um sicherzustellen, dass sie ein selbstbestimmtes Leben führen können.
Allgemeine Tätigkeit Das Servicecenter ÖGS barrierefrei wurde 2005 gegründet und leitet eine Reihe von Projekten und Initiativen, wobei es als Schnittstelle zwischen gehörlosen Menschen und Hörenden auftritt, um Rechtslage und Gleichstellung von Gehörlosen zu verbessern.
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Sensibilisierungsstrategien Die Workshops der Sensibilisierungsakademie umfassen Informationen über Gehörlosigkeit und Österreichische Gebärdensprache. Native Signer lehren einige Zeichen und wichtige Fakten über Gehörlosenkultur und -leben. Diese Workshops richten sich an unterschiedliche Gruppen, unter anderem Jugendliche, Unternehmen und NGOs sowie Personen, die im Gesundheitsbereich arbeiten.
Partnerschaften und Netzwerke Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz sowie die Schulen und Einrichtungen, in denen Workshops abgehalten wurden.
Ergebnisse und Herausforderungen Im Jahr 2015 erreichten die Workshops 1.000 Menschen. Manche Fälle werden noch länger in Erinnerung bleiben, darunter das Beispiel, als die Bundespolizei von Wien und Niederösterreich mehrere gehörlose Mitarbeiter einstellte und Workshops abhielt, um ihre Belegschaft über ihre neuen gehörlosen Kollegen zu informieren. Die größte Herausforderung für die künftige Entwicklung des Programms ist die Finanzierung; wegen steigender Nachfrage werden weitere Mittel benötigt, um die Leistungen auszubauen.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Respect Zone Organisation: Respect Zone Status: Verein Gebiet: gesamtes frankophones Belgien (Phase 1), flämische Region (Phase 2), Belgien Hauptfinanzierung: begrenzte einmalige Mittel aus unterschiedlichen privaten Quellen Webseite & E-Mail: www.respectzone.org Mission und Ziele Respect Zone ermutigt Internetnutzer dazu, sich online respektvoll zu verhalten; während das Projekt die freie Meinungsäußerung gewährleistet, soll es Internetnutzer vor hasserfüllten Kommentaren schützen. Es soll Gewalt anprangern, Diskriminierung bekämpfen und eine Selbstregulierung im Internet fördern, indem es zum Empowerment aller Internetnutzer beiträgt. Bei Respect Zone arbeiten unterschiedliche Fachleute (insbesondere mit Hintergründen in Rechts- und Geschichtswissenschaft), die sich des Problems bewusst sind, das Cybermobbing und die Verbreitung von Hassinhalten im Internet darstellen.
Allgemeine Tätigkeit Im Zentrum der Aktivitäten von Respect Zone steht die Schaffung eines Respect Zone -Labels, das 2014 kreiert wurde. Diese neue Internetinitiative bekämpft übermäßig negative Posts im Internet. Das Respect Zone-Label wird auf der Webseite von Organisationen angezeigt, die seine Prinzipien übernehmen und sich bereit erklären, sie zu befolgen, um Besucher der Seite zu animieren, noch einmal nachzudenken, bevor sie möglicherweise hasserfüllte oder beleidigende Inhalte posten.
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Sensibilisierungsstrategien Schulen, die das Respect Zone-Label übernehmen, führen eine Reihe von Aktivitäten durch und platzieren unter anderem das Logo auf ihrer Webseite, schulen Botschafter zum Thema, hängen Plakate auf, die die Computerräume zu Respect Zone-Bereichen erklären und organisieren Workshops und Konferenzen. Organisationen, die das Respect Zone-Label übernehmen, veranstalten aus diesem Anlass eine offizielle Feier. Auch eine Kommunikationsstrategie auf Facebook, Twitter und LinkedIn soll das Bewusstsein für die Existenz der Respect Zone erhöhen.
Partnerschaften und Netzwerke Folgende Organisationen sind offizielle Partner oder arbeiten informell mit dem Projekt zusammen: UNESCO, französisches Ministerium für Bildung und Forschung, die pädagogische Kampagne #Nonauharcèlement, die Plattform Égalité contre le racisme, Paris Bar, InternetSansCrainte.fr (Safer Internet Day), der Défenseur des Droits der Republik Frankreich, Internationale Beobachtungsstelle für Gewalt an Schulen, Paris Games Week fair, Syndicat des Éditeurs de Logiciels de Loisirs (SELL), SOS Homophobie, International League Against Racism and Anti-Semitism (LICRA).
Ergebnisse und Herausforderungen Im Jahr 2016 beschäftigten sich mehr als 400 Presseaussendungen, 95 Internetartikel, 10 Fernsehsendungen und 9 Radiointerviews mit dem Projekt. Das Bildungsministerium versandte an alle französischsprachigen Schulen in Belgien einen Brief über Respect Zone. Eine aktuelle Herausforderung sind der mangelnde Einsatz von großen Presse- und Internetgruppen ebenso wie zu geringe Personal- und Finanzmittel.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Praxisleitlinien für private Sicherheitsdienste Organisation: Innenministerium, Regierung von Katalonien Status: Regionalregierung Gebiet: Katalonien, Spanien Hauptfinanzierung: Innenministerium – Regierung von Katalonien E-Mails: cristina.secades@gencat.cat bustia.seguretat.privada@gencat.cat Mission und Ziele Das Innenministerium der Regierung von Katalonien leitete über das Generaldirektorat der Sicherheitsverwaltung und im Rahmen seiner integrierten Strategie zur Prävention und Erkennung von Diskriminierungsopfern eine Arbeitsgruppe, die aus Fachleuten, profilierten Einrichtungen und Gewerkschaften im Bereich Sicherheit in Katalonien bestand, darunter auch, wegen seiner Bedeutung für das System der öffentlichen Sicherheit in Katalonien, das private Sicherheitsgewerbe. Dieses Gewerbe, das mehr als 13.900 Fachkräfte beschäftigt, kann eine relevante Rolle bei der Verbesserung von Prävention, Erkennung und Umgang mit Kriminalität aufgrund von Hass und Diskriminierung spielen.
Allgemeine Tätigkeit Die Arbeitsgruppe soll zur Professionalisierung des privaten Sicherheitsgewerbes in Katalonien beitragen, das System der öffentlichen Sicherheit in Katalonien verbessern und das Vertrauen der Bürger erhöhen. Die Gruppe entwickelte Praxisleitlinien für private Sicherheitsdienste, ein Dokument mit fünfzehn Punkten, die Regeln und ethische Prinzipien für unterschiedliche Bereiche der privaten Sicherheit festlegen. Verschiedene Aktivitäten werden unternommen, um die Leitlinien umzusetzen und ihre Botschaften zu untermauern.
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Sensibilisierungsstrategien Durch die Entwicklung von Praxisleitlinien bezweckt diese Arbeitsgruppe, Unternehmensrichtlinien für Sicherheitsdienstleister zu etablieren, damit diese sensibel auf Diskriminierungen reagieren, indem bei der Rekrutierung Diversität gefördert und Chancengleichheit ermutigt wird. Zusätzlich soll das Projekt in der Bereitstellung von Sicherheitsdiensten einen beispielhaften Umgang mit Bürgerbeziehungen gewährleisten. Um die bezweckte Prävention zu erreichen, schenken die Leitlinien der Verbreitung von Regeln zu Prävention und Erkennen von und Umgang mit diskriminierenden Vorfällen besondere Aufmerksamkeit. Organisationen, die sich an die Prinzipien der Leitlinien halten, erhalten ein Gütesiegel, das sie bei ihrem Firmenauftritt, auf ihren Briefköpfen, der Webseite etc. verwenden können. Um Mitglied der Leitlinien sein zu können, muss das gesamte Personal, das für private Sicherheitsdienste zuständig ist und seine Dienste in Katalonien anbietet, eine Schulung durch das Sicherheitsinstitut von Katalonien durchlaufen. Diese Schulung umfasst einen Vortrag über Praktiken der Nicht-Diskriminierung.
Partnerschaften und Netzwerke Assoziierte Partner sind das Institut für Öffentliche Sicherheit von Katalonien, die Regionalpolizei von Katalonien (die Mossos d’Esquadra), Vertreter verschiedener Bereiche der privaten Sicherheit sowie die repräsentativsten Verbände privater Sicherheitsunternehmer und privater Sicherheitskräfte sowie Gewerkschaften.
Ergebnisse und Herausforderungen Viele private Sicherheitsunternehmen arbeiten zum Thema Diskriminierung und haben Interesse an der Einführung der Leitlinien geäußert. Die größte Herausforderung ist es, zu erreichen, dass so viele private Sicherheitsanbieter wie möglich die Leitlinien übernehmen.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
2.3 Empowerment
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Das Konzept Empowerment erfasst eine weitere Gruppe von Strategien, die in ganz Europa angewandt werden, um auf lokaler Ebene gegen diskriminierende Gewalt vorzugehen. Der Begriff, der ursprünglich aus der Sozialarbeit kommt, heute jedoch in der Kriminalprävention und der urbanen Sicherheit ebenso bekannt ist, bezieht sich allgemein auf „die Erweiterung der Entscheidungs- und Handlungsfreiheit zur Gestaltung des eigenen Lebens“, er „impliziert die Kontrolle über Ressourcen und Entscheidungen“ (Narayan 2013: 4). Empowerment beschreibt damit einen individuellen oder kollektiven Prozess des Erstarkens und des Gewinnens von größerem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, insbesondere dazu, sein eigenes Leben zu bewältigen und auf seine Rechte einzufordern. Es kann Maßnahmen umfassen, die wirtschaftliche Unabhängigkeit, politische Partizipation oder Bildung fördern. Empowerment ist besonders für Gruppen wichtig, die Intoleranz, Exklusion und Diskriminierung ausgesetzt sind, da diese gesellschaftlichen Dynamiken ernste Auswirkungen auf Betroffene haben, diese z.B. davon abhalten können, sich selbst als wertvolle Mitglieder der Gesellschaft zu erleben, und ihr Selbstvertrauen und ihr Vertrauen in ihre Fähigkeit beeinflussen, ihr Leben zu gestalten und nach den eigenen Vorstellungen zu leben. Die Praxisbeispiele, die in diesem Abschnitt versammelt sind, richten sich an jene gesellschaftlichen Gruppen, die tatsächlich oder potentiell von Diskriminierung und damit zusammenhängenden Gewaltformen betroffen sind – also nicht nur an jene Individuen, die (direkt oder indirekt) viktimisiert wurden, sondern vor allem jene, die von Viktimisierung bedroht sind. Sie sollen das Selbstvertrauen der Mitglieder dieser Gruppen stärken, indem sie ihnen ihr allgemeines Selbstwertgefühl und ihre Würde zurückgeben, die unaufhörlich durch Intoleranz, Hass und damit zusammenhängende Angriffe in Frage gestellt werden. Sie bieten Gelegenheit dazu, andere Fähigkeiten zu entwickeln, etwa in
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den Bereichen Sport, Bildung, Spracherwerb, Berufsausbildung, Medienkompetenz etc., die den Nutzern ein allgemeines Gefühl der eigenen Leistungsfähigkeit verleihen. Dadurch machen sie die Zielgruppen nicht zu passiven Empfängern von Empowerment, sondern beziehen sie aktiv in die vorgeschlagenen Aktivitäten ein, um ihre Partizipation zu fördern. Die unten vorgestellten Praxisbeispiele wenden sich an unterschiedliche Gruppen, die mit den Auswirkungen von diskriminierender Gewalt zu kämpfen haben, unter anderem Flüchtlinge und Asylsuchende, Obdachlose, Menschen mit Behinderungen oder Migrantinnen. Sie verwenden unterschiedliche Methoden und Aktivitäten wie Open Spaces, Medienschulungen oder Gartenprojekte. Sie sind geeignet, ihre Zielgruppen zu empowern, ihre Stärken zu fördern, ihnen zu helfen, schwierige Situation zu meistern und ihr Selbstvertrauen ebenso wie ihr Vertrauen in öffentliche Einrichtungen zu stärken, und damit ihr Risiko einer Viktimisierung zu verringern.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Conclusio Organisation: SPES Zukunftsakademie Status: Verein Gebiet: Oberösterreich Hauptfinanzierung: Spenden und Mitgliedsbeiträge Webseite & E-Mail: www.conclusio-hilft.at, conclusio@spes.co.at Mission und Ziele Die SPES Zukunftsakademie wurde gegründet, um Asylsuchende zu unterstützen und ihre Inklusion in die österreichische Gesellschaft zu fördern, indem ihnen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben ehrenamtliche Tätigkeiten ermöglicht werden.
Allgemeine Tätigkeit SPES konzentriert sich auf potentielle Konfliktfelder in der österreichischen Gesellschaft. Der Verein arbeitet in unterschiedlichen Bereichen, etwa Erwachsenenbildung und lokale und regionale Entwicklung. Er testet und verbreitet innovative Projekte für eine positive, nachhaltige Zukunft, unter anderem „Conclusio“. Mit dem Ziel, Integration, sozialen Zusammenhalt und eine multikulturelle Gesellschaft zu fördern, bringt Conclusio Österreicher und Asylsuchende zusammen, um gemeinsam ehrenamtliche Arbeit zur Förderung von Integration und der Entwicklung von sozialem Zusammenhalt und einer multikulturellen Gesellschaft zu leisten.
Strategien des Empowerments Dieses Projekt soll zum Empowerment von Asylsuchenden beitragen, indem ihnen die Gelegenheit gegeben wird, sich gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung ehrenamtlich an kommunalen Projekten zu beteiligen. Dadurch erhalten die Asylsuchenden die Gelegenheit, ihre Fä-
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higkeiten für ihre neue Gemeinschaft einzusetzen, sich besser in die lokale Bevölkerung zu integrieren und ihre Sprachkenntnisse und ihr soziokulturelles Bewusstsein zu verbessern, während sie auf ihre Asylverfahren warten. Dadurch werden auch Vorurteile von Einheimischen abgebaut, die den positiven Einfluss der Asylsuchenden auf ihre Gemeinde sehen. Das Programm wird in vier Phasen koordiniert:
Informationsveranstaltungen Gründung von Ortsgruppen und Regionalstellen Entwicklung und Planung der Arbeit der Ehrenamtlichen in den Kommunen
Umsetzung
Partnerschaften und Netzwerke Lokale Partner in den Gemeinden (Vereine, politisch oder ehrenamtlich aktive Menschen, Unternehmen und Menschen, die sich für das Projekt interessieren), die Hilfsorganisation Caritas, ein früheres SPES-Projekt (Verein ZeitBank 55+).
Ergebnisse und Herausforderungen Bis zum Herbst 2016 hatten sich in Oberösterreich 20 ehrenamtliche Gruppen mit zirka 600 Mitgliedern gebildet und das Programm breitete sich in benachbarte Bundesländer und über die Grenze nach Baden-Württemberg in Deutschland aus. Asylsuchende reagierten positiv auf das Programm und sagten, dass die Projekte, in denen sie ehrenamtlich arbeiten, ihnen ein Gefühl von Stolz und Empowerment vermitteln und es ihnen ermöglichen, Einheimische zu treffen und sich in die Gemeinschaft zu integrieren.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Welfare dell'aggancio Organisation: Gemeinde Cervia Status: Kommunale Regierung Gebiet: Cervia, Italien Hauptfinanzierung: Staatliche Verordnung und Mittel der Gemeinde Cervia Webseite & E-Mail: www.comunecervia.it Mission und Ziele Die Gemeinde Cervia implementiert ein großes Projekt mit dem Titel Sentinel-Projekt – Engagement Fürsorge, um die Aufnahme und Akzeptanz von Asylsuchenden in der lokalen Gemeinschaft zu verbessern. Die Grundidee ist es, auf den Talenten von Menschen aufzubauen, die keine Fachleute für Sozialarbeit sind, zum Beispiel Hausverwaltern, Frisören oder Sportlehrern, die die Rolle von „Gemeindewächtern“ übernehmen, deren Mission es ist, zwischen den Flüchtlingen und lokalen Unterstützungsdiensten und Fachleuten zu vermitteln.
Allgemeine Tätigkeit Das Projekt besteht darin, die Migranten willkommen zu heißen, Unterkünfte zu finden, sie an die entsprechenden kommunalen Dienste zu verweisen, sie über ihre Rechte und Pflichten zu informieren und ihnen je nach ihren Fähigkeiten ehrenamtliche Arbeiten in der lokalen Gemeinschaft zu vermitteln.
Strategien des Empowerments Als Teil des größeren Sentinel-Projekts versucht das Programm Engagement Fürsorge – Willkommen für Flüchtlinge, Vorurteile gegenüber Flüchtlingen zu abzubauen und ihnen gegenüber eine Kultur der Aufnahmebereitschaft zu entwickeln. Zudem verhindert es, dass Flüchtlinge sich nutzlos oder apathisch fühlen, oder, noch schlimmer,
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kriminell werden, indem ihnen eine Beschäftigung geboten und Sinn vermittelt wird. Schließlich möchte das Projekt ein Protokoll für die Aufnahme von Asylsuchenden entwickeln. Die Idee besteht darin, zum Empowerment von Asylsuchenden beizutragen, indem sie ermutigt werden, ihre Fähigkeiten für ehrenamtliche Tätigkeiten in lokalen Einrichtungen und Kleinunternehmen einzusetzen, zum Beispiel in einer Kantine für schutzbedürftige Personen zu arbeiten, Malerei-, Renovierungs- oder Tischlerarbeiten in öffentlichen oder anderen Gebäuden oder andere Arbeiten, zu denen sie imstande sind, zu erledigen.
Partnerschaften und Netzwerke Partnerorganisationen sind die Sozialkooperative Zerocento und die Kooperative Stem, die den Aufnahmedienst leitet; sie wurden über öffentliche Verfahren identifiziert; sowie Freiwilligenund Sportorganisationen.
Ergebnisse und Herausforderungen Obwohl keine formelle Evaluierung stattfand, weisen empirische Indizien darauf hin, dass die Einwohner von Cervia dank ihres positiven Beitrags zur Gemeinschaft durch ihre Arbeit weniger stereotyp über Asylsuchende denken als vor dem Start des Programms. Man kann auch sagen, dass die Einwohner sich durch das Projekt im Großen und Ganzen sicherer fühlen. Die größten Herausforderungen sind die wachsende Anzahl von Asylsuchenden, die in die Stadt kommen, sowie die weitere Finanzierung.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
GRUND Organisation: Initiative Gemeinschaftsgarten Status: Verein Gebiet: St. Pölten, Österreich Hauptfinanzierung: Crowdfunding-Plattform respekt.net und Fundraising-Veranstaltungen. Das Programm wird ehrenamtlich geführt. Webseiten & E-Mail: www.gartenprojekt.at, www.facebook.com/derGRUND, antoniatitscher@yahoo.de Mission und Ziele Die Hauptziele dieses Projekts sind die Förderung von Inklusion und sozialer Interaktion zwischen Asylsuchenden und Ortsansässigen, die Ermutigung von sinnvollen Aktivitäten im Freien und die Verbesserung des Zugangs zu hochwertigen, günstigen und frischen Nahrungsmitteln.
Allgemeine Tätigkeit Das Programm organisiert verschiedene Initiativen und Veranstaltungen in der lokalen Gemeinde, vor allem rund um einen Garten, der hauptsächlich von Asylsuchenden betreut wird. Die Gärtner (Asylsuchende und Einheimische) haben eine Wiese zu einem blühenden Garten mit Blumen- und Gemüsebeeten gemacht. GRUND ist Mitglied der Niederösterreichischen Gemeinschaftsgärten von „Natur im Garten“, die Gartenworkshops und Vorträge sowie Exkursionen anbieten. Einige Teilnehmende waren an der Planung des Projekts beteiligt. Vor und nach jeder Gartensaison werden Planungs- und Evaluierungstreffen abgehalten.
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Strategien des Empowerments Das Projekt will zum Empowerment von Asylsuchenden beitragen, indem sie eine Parzelle in einem lokalen Gemeinschaftsgarten erhalten, sodass sie ihre eigenen Blumenbeete pflegen und Gemüse anbauen können. Verschiedene weitere Aktivitäten werden organisiert, unter anderem Treffen, um Gartenangelegenheiten zu besprechen, oder Exkursionen; es wird auch einfach miteinander Freizeit verbracht. Die Teilnehmenden verbringen regelmäßig Abende zusammen, an denen sie das Gemüse verkochen, das sie angebaut haben. Die Gartenarbeit ermöglicht den Asylsuchenden eine gewisse Alltagsroutine und soziale Kontakte mit anderen Gärtnern und Besuchern. Dadurch lernen sie auch die Sprache.
Partnerschaften und Netzwerke GRUND arbeitet in enger Zusammenarbeit mit den Vereinen LAMES und Sonnenpark.
Ergebnisse und Herausforderungen Das Projekt läuft erfolgreich seit 2014, und einige Gärtner waren von Anfang an dabei. Das Projekt hat es Asylsuchenden und Einheimischen ermöglicht, sich zu treffen und auszutauschen. Derzeit gibt es 22 Gärtner. Aus Mangel an finanziellen Mitteln wird das Projekt durch ehrenamtliche Arbeit getragen und hat keine Kapazitäten, die wachsende Nachfrage zu erfüllen.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
KAMA Linz Organisation: KAMA Linz Status: Verein Gebiet: Linz, Österreich Hauptfinanzierung: Freiwillige Spenden; das Programm wird von ehrenamtlichen Mitarbeitern getragen. Webseiten: www.kama.or.at/linz, www.facebook.com/kama.linz Mission und Ziele KAMA Linz ist eine Organisation, die Räume schaffen will, in denen Einwohner von Linz und Migranten einander im Geist gegenseitigen Respekts und friedlicher Koexistenz kennenlernen können, um eine positive gesellschaftliche Partizipation zu ermöglichen und jeder Form von Diskriminierung entgegenzutreten.
Allgemeine Tätigkeit Die Aktivitäten umfassen das Angebot von Workshops, die von Asylsuchenden abgehalten werden, Sensibilisierungskampagnen sowie Koordinationsveranstaltungen und Sitzungen, um zu gewährleisten, dass die Organisation kohärent geführt wird.
Strategien für das Empowerment KAMA Linz organisiert Workshops, die von Asylsuchenden und Migrant abgehalten werden, um die Rolle der Migranten /Asylsuchenden von der von Empfängern zu jener von Anbietern von Kursen/ Schulungen (z.B. Kochen, Sprachen, Tanz) zu verschieben. Das ermöglicht es Asylsuchenden und Migranten, sich in ehrenamtlichen Tätigkeiten zu engagieren. Das Ziel ist es, eine Kultur gegenseitigen Respekts zu schaffen und Orte zu bieten, an denen Einheimische und
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Migranten zusammenkommen, Erfahrungen austauschen und am Aufbau einer toleranteren Gesellschaft mit besserem Zusammenhalt arbeiten können. Die Strategie umfasst die Organisation von Workshops, in denen die Teilnehmenden dazu angeregt werden, über die Realität des Alltags von Asylsuchenden nachzudenken, und die Abhaltung eines wöchentlichen „Montagskaffees“, bei dem Kontakte geknüpft werden können. Asylsuchende und Migranten können sich freiwillig dazu melden, Kursleiter zu werden, was ihnen ein Ziel gibt und dazu beiträgt, den Zusammenhalt der Gemeinschaft zu stärken.
Partnerschaften und Netzwerke KAMA Wien, Stadtteilzentrum Auwiesen, Verein Arcobaleno, Jugend& Freizeitverein, Evangelische Gemeinde Urfahr, Jugendzentrum Treffling.
Ergebnisse und Herausforderungen Seit dem Projektstart in Linz 2014 wurden 254 Workshops mit insgesamt 2.159 Teilnehmenden organisiert. Die Reaktionen waren sehr positiv. Besonders schätzen die Teilnehmenden das vermittelte Gefühl von Empowerment sowie den interkulturellen Austausch. Eine der größten Herausforderungen ist die Finanzierung: Das Projekt bräuchte zwei Vollzeitangestellte, insbesondere um die administrativen Aspekte zu bewältigen, die Initiative öffentlich zu machen und ehrenamtliche Mitarbeiter zu schulen.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
La Xixa Fem Comunitat Organisation: La Xixa Theaterverein Status: Non-Profit-Organisation Gebiet: Barcelona, Spanien Hauptfinanzierung: Vor allem aus dem Erasmus+ Programm sowie aus öffentlichen Zuschüssen und Sozialeinrichtungsverträgen unter Mitarbeit von 30 Ehrenamtlichen. Webseite & E-Mail: www.laxixateatre.org, laxixa@laxixateatre.com Mission und Ziele Der Theaterverein La Xixa fördert die Gleichbehandlung ohne Unterschied von Rasse und Geschlecht und die Idee einer vielfältigen, inklusiven Gesellschaft, indem er kulturelle Aktivitäten organisiert, die Menschen aller Altersgruppen und aller möglichen Herkunft offenstehen.
Allgemeine Tätigkeit Der Theaterverein La Xixa organisiert im Rahmen des Gemeinschaftsbildungsprojekts unterschiedliche Aktivitäten im Zusammenhang mit der Erforschung, Entwicklung und Verbreitung von niederschwelligen Bildungsinstrumenten für gesellschaftliche Veränderung durch Theaterarbeit, unter anderem Workshops und Schulungen.
Strategien des Empowerments Der Verein organisiert Workshops für Trainer, um künstlerische Aktionen auf lokaler und internationaler Ebene zu fördern. Das wird durch die Hilfe von ehrenamtlichen Mitarbeitern ermöglicht, die alle Ausbildungen in Fächern wie Sozialwissenschaft, Pädagogik oder Kunst haben. Die Themen, die im Rahmen dieser Aktionen behandelt werden, sind unter anderem Interkulturalität, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Gender und aktive Bürgerschaft.
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Partnerschaften und Netzwerke La Xixa arbeitet mit der Gemeinde- und Regionalverwaltung, Universitäten und unterschiedlichen zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammen. Zudem ist der Verein Mitglied mehrerer Netzwerke, u.a. des Hispanic-American Network of Community Theatre, des International Network of Theatre of the Oppressed, und des Network of Schools for Equality and Non-Discrimination.
Ergebnisse und Herausforderungen Über 10.000 Menschen haben an Präsentationen, Workshops oder Schulungen teilgenommen, die der Verein seit seiner Gründung angeboten hat. Zehn Theater der Unterdrückten-Gruppen wurden in ganz Katalonien gegründet. In den Aktionen und Workshops von La Xixa wurden viele Themen angesprochen, unter anderem kulturelle Diversität und Gender.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Frauen Stärken Frauen Organisation: Polizei Mönchengladbach in Zusammenarbeit mit dem Polizeisportverein Mönchengladbach Status: Kooperation zwischen Polizeikräften und einer zivilgesellschaftlichen Organisation Gebiet: Mönchengladbach, Deutschland Hauptfinanzierung: Es werden keine Finanzmittel/Budgets benötigt (Trainings werden in Räumlichkeiten organisiert, die der Partner zur Verfügung stellt, die benutzten Geräte sind die des Polizeisportvereins). Webseite: www.polizei.nrw.de/moenchengladbach/ artikel__10816.html Mission und Ziele Das Projekt „Frauen stärken Frauen“ wurde gegründet, um Frauen aus aller Welt zu fördern, die in Mönchengladbach leben, ihnen ein Leben ohne Gewalt zu ermöglichen und ihre Integration zu unterstützen. Genauer gesagt bezweckt das Projekt, eine Vertrauensbeziehung zwischen Frauen mit Migrationshintergrund und der lokalen Polizei zu fördern. Die Ziele sind daher, ihr Vertrauen in öffentliche Einrichtungen zu stärken und sie zu ermutigen, am öffentlichen Leben teilzunehmen.
Allgemeine Tätigkeit Die Polizei ist in unterschiedliche Aktivitäten zur Verbesserung der Integration und Stärkung des Vertrauens in die Polizei involviert, unter anderem die Veranstaltung von Trainings für Migrantinnen und die Teilnahme an kulturellen Veranstaltungen, etwa Tagen der offenen Tür in Moscheen und interkulturellen Festen.
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Die am Projekt beteiligten Polizeibeamtinnen sind der Meinung, dass die Rolle der Polizei darin besteht, Inklusion zu fördern, und sie beteiligen sich unter anderem interkulturellen Festen, Ausstellungen, Präsentationen und öffentlichen Veranstaltungen in Moscheen oder an anderen religiösen Orten.
Strategien des Empowerments Trainingssitzungen, in denen Frauen mit Migrationshintergrund lernen, Gefahren- oder Stresssituationen zu erkennen und mit ihnen umzugehen und es zu vermeiden, zum Opfer zu werden, wurden seit 2012 abgehalten. Die Trainings dauern zwei Tage, wobei jede Sitzung zwei bis vier Stunden dauert. Unter anderem setzen sich die Frauen mit Themen wie dem Umgang mit Konfliktsituationen und Grundregeln der Selbstverteidigung auseinander. Abgesehen davon, dass diese Aktivität Frauen stärkt und dazu beiträgt, sie zu schützen, stärkt sie ihr Selbstvertrauen und ihr Vertrauen in die Polizei. Sie vermittelt den Frauen auch das nötige Wissen, um Gefahrensituationen zu erkennen und angemessen zu reagieren, wenn sie mit rassistischer oder fremdenfeindlicher Gewalt konfrontiert sind.
Partnerschaften und Netzwerke Polizeisportverein Mönchengladbach, Integrationsrat der Stadt Mönchengladbach, Integrationsbeauftragte der Stadt Mönchengladbach, Sozialdienst der Evangelischen Kirche (Diakonisches Werk), Familienbildungsstätte, Fachbereich Schule und Sport, Verein SKM Rheydt.
Ergebnisse und Herausforderungen Das Feedback der Teilnehmerinnen war positiv: Sie sagten, dass ihnen das Training geholfen hat, der Polizei mehr zu vertrauen und im Bedarfsfall auf ihre Hilfe zurückzugreifen. In einem speziellen Fall kontaktierte eine ehemalige Teilnehmerin die Polizei zu einem späteren Zeitpunkt, da sie befürchtete, dass ihr Neffe möglicherweise radikalisiert worden sei, wodurch diese eingreifen konnte.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Happy Centre Organisation: Gemeinde Bologna Status: Gemeinde Gebiet: Bologna, Italien Hauptfinanzierung: öffentlich finanziert Webseite & E-Mail: www.piazzagrande.it/, happycenterbolognina@piazzagrande.it Mission und Ziele Das Happy Centre Bologna ist ein gemeinnütziger Dienst der Gemeinde Bologna. Es wurde 2015 lanciert, um Inklusion zu fördern und den Austausch zwischen Obdachlosen und Ortsansässigen zu ermöglichen, um das Problem der Marginalisierung obdachloser Menschen zu bewältigen und ihnen zu helfen, sich in die Gesellschaft zu integrieren.
Allgemeine Tätigkeit Bisher umfassten die Aktivitäten Besuche in Kunstausstellungen, eine Heimwerkerinitiative und Sprachaustausche. Happy Centre soll das Problem der Isolation obdachloser Menschen auf individueller Ebene dadurch bewältigen, dass es ihre soziale Kompetenz stärkt, und auf Gruppen- und Gemeindeebene, indem es den gegenseitigen Respekt fördert. Es bietet auch Projekten einen Ort, die Menschen unterstützen, etwa Kurse, die auf informellen Lehrmethoden aufbauen.
Strategien des Empowerments Tagsüber werden unterschiedliche Aktivitäten angeboten: morgens ist der Zugang auf Menschen beschränkt, die Schwierigkeiten damit haben, mit anderen zu interagieren. Sie können in das Zentrum kommen, um sich zu unterhalten, den Computer zu benutzen, gemeinsam Mittagessen zu machen und sich an Aktivitäten wie der Schachrunde oder der Zeitungslesegruppe zu beteiligen.
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Am Nachmittag steht das Zentrum allen offen, die an einer Aktivität teilnehmen wollen. Es gibt an jedem Wochentag eine spezielle Aktivität, die nach den Bedürfnissen und Wünschen der lokalen Gemeinschaft und der Obdachlosen ausgewählt werden. Jede Aktivität wird von einem Moderator und zwei Freiwilligen pro Gruppe begleitet. Aktivitäten sind zum Beispiel italienisch-englische Konversation; eine Papierrecycling- und Nähgruppe; Tanz und Theater; Computerkurse; musikalische Improvisation; Philosophiekurse und Teamaufbau.
Partnerschaften und Netzwerke Zusammenarbeit mit italienischen und amerikanischen Universitäten (Praktika und akademische Forschung), Sozial- und Kulturorganisationen, Pfadfindergruppen und informellen Gruppen. Das Projekt zentriert sich auch um die lokale Gemeinschaft des Viertels, in dem sich das Zentrum befindet.
Ergebnisse und Herausforderungen Das Zentrum konnte bisher einigen Menschen erfolgreich helfen, die in schwierigen oder schutzbedürftigen Situationen waren und von Sozialeinrichtungen keine Hilfe erhalten hätten. Es gibt ihnen die Möglichkeit, in einer einladenden und freundlichen Umgebung alle möglichen Menschen zu treffen. Herausforderungen sind unter anderem der Platzmangel im Zentrum: Es gibt nur zwei Räume für die Aktivitäten, ein weiterer Raum wäre hilfreich. Eine weitere Herausforderung ist, dass Sozialeinrichtungen nicht immer sehen, wie sehr obdachlose Menschen von den Aktivitäten des Zentrums profitieren können und welche Fähigkeiten sie erwerben.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Medienbüro Organisation: Alpha Nova Status: Soziales Dienstleistungsunternehmen Area: Graz, Österreich Hauptfinanzierung: über das Behindertengesetz des Bundeslands Steiermark Webseite & E-Mail: www.alphanova.at/medienbuero.html, doris.gusel@alphanova.at Mission und Ziele Das Ziel des Vereins Alpha Nova ist es, Menschen zu unterstützen, die aufgrund von Behinderungen oder anderen Umständen benachteiligt sind. Zu diesem Zweck gründete der Verein 1992 die Alpha Nova Betriebsgesellschaft.
Allgemeine Tätigkeit Alpha Nova bietet Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit, an verschiedenen kreativen medienbasierten Aktivitäten teilzunehmen. Sie können zum Beispiel ihre eigenen Sendungen entwerfen, wodurch sie Selbstvertrauen gewinnen können, und eine öffentliche Bühne erhalten, auf der sie sich ausdrücken können.
Strategien des Empowerments Das Projekt Medienbüro soll Menschen mit Behinderungen helfen, ihre Fähigkeiten zu entwickeln, etwa selbständig Entscheidungen zu treffen. Es soll auch die beruflichen Fähigkeiten der Teilnehmenden identifizieren und entwickeln und Stereotype und Vorurteile ihnen gegenüber in der allgemeinen Bevölkerung abbauen.
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Menschen mit Behinderungen werden gestärkt, indem sie die Chance erhalten, eine Reihe kreativer, technologiebasierter und sozialer Kompetenzen zu entwickeln, indem sie ein monatliches Radioprogramm mit dem Titel Unerhört – Radio ohne Barrieren sowie eine Fernsehsendung Unerhört TV entwickeln, aufnehmen und vermarkten. Dadurch erhalten sie zusätzlich eine Plattform, auf der sie in der Öffentlichkeit gehört und gesehen werden, und können ihre Kreativität und ihren Humor einem großen Publikum zeigen.
Partnerschaft und Netzwerke Kooperation mit Radio Helsinki (Graz).
Ergebnisse und Herausforderungen Die Präsenz im Radio, auf YouTube und Facebook schafft ein Gefühl der Inklusion. Das Projekt zeigt, dass Menschen mit Behinderungen sich nicht verstecken müssen. Außerdem gewinnen Menschen mit Behinderungen nicht nur praktische Kenntnisse in der Medienproduktion, sondern lernen auch, in der Öffentlichkeit gehört und gesehen zu werden. Siehe:
www.facebook.com/unerhoertTV www.facebook.com/radi.ounerhort www.youtube.com/user/Unerhoertgehoert Eine große Herausforderung ist die finanzielle Situation. Wegen finanzieller Einschränkungen kann das Projekt derzeit nicht wachsen.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
2.4 Gezielte Prävention
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Präventive Maßnahmen spielen in allen Bereichen der urbanen Sicherheitspolitik eine zentrale strategische Rolle. Allerdings sind Efus und andere Beteiligte der Meinung, dass repressive Reaktionen auf Gewaltund Kriminalitätsphänomene weiterhin zu oft überwiegen. Das betrifft ebenso diskriminierende Gewalt, wo häufig die Implementierung von sogenannten Hassdelikt-Gesetzen, d.h. Strafrechtsreformen, die das Strafmaß für Taten aufgrund diskriminierender Haltungen erhöhen, die internationalen Debatten in Kriminologie und Politik bestimmt. Präventive Maßnahmen können in drei Hauptkategorien eingeordnet werden: primäre oder allgemeine Prävention, sekundäre oder selektive Prävention, und tertiäre oder indizierte Prävention (siehe Brantingham/Faust 1976: 288). Anhand dieses vielbenutzten Schemas kann eine große Bandbreite an Aktivitäten, die im weiteren Sinne Bildungsund Sensibilisierungsinitiativen ebenso umfassen wie spezifische Maßnahmen, um Rückfälle bei einzelnen Opfern oder Tätern vorzubeugen, als Prävention aufgefasst werden. Im Rahmen dieser Publikation wird der Begriff gezielte Prävention benutzt, um Praktiken zu erfassen, die diskriminierende Gewalttaten konkret und fokussiert verhindern sollen. Maßnahmen gezielter Prävention suchen die Orte und Kontexte auf, an denen Vorurteil, Hass und Intoleranz auftreten, arbeiten mit den an der Dynamik von Diskriminierung und Gewalt Beteiligten, und bieten Instrumente, um diese Teufelskreise zu durchbrechen und weniger feindselige, inklusivere Interaktionsformen zu verbreiten. Die Praxisbeispiele in diesem Abschnitt bieten konkrete und spezifische Maßnahmen, um diskriminierende Gewalttaten in unterschiedlichen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu verhindern. Sie arbeiten mit verschiedenen Zielgruppen wie Exekutivorganen, der Presse, Kirchenvertretern, Lehrkräften und Studierenden, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Ehrenamtlichen, und bearbeiten Si-
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tuationen oder Kontexte, die ein spezifisches Risiko der Viktimisierung mit sich bringen, z.B. Nachtleben oder Partyszenen, Sportveranstaltungen etc. Diese Maßnahmen sind häufig genau auf die spezifischen Risiken zugeschnitten, denen unterschiedliche Bevölkerungsgruppen ausgesetzt sind, unter anderem religiöse Gruppen wie muslimische und jüdische Menschen sowie die LSBT-Community, Sexarbeiter oder Menschen mit Behinderung.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Programm „Schlaglicht auf Hasskriminalität” Organisation: AWAZ Cumbria Status: Sozialunternehmen und Gemeindeentwicklungsorganisation Gebiet: Cumbria, Vereinigtes Königreich Hauptfinanzierung: Finanziert durch das Büro Polizei- und Kriminalitätsbeauftragten in Cumbria Webseite & E-Mail: www.awazcumbria.org, aftab@awaz.info Mission und Ziele AWAZ bedeutet in mehreren asiatischen, nahöstlichen und europäischen Sprachen „Stimme“. AWAZ Cumbria unterstützt und stärkt seit 2005 die Stimmen unterrepräsentierter Menschen und marginalisierter Bevölkerungsgruppen. AWAZ möchte erreichen, dass Cumbria einladender und einfühlsamer wird, indem Verbindungen zwischen Bevölkerungsgruppen geschaffen, Gleichbehandlung vorangebracht, Diversität positiv besetzt, Vorurteile in Frage gestellt, die Gemeindeentwicklung gefördert und Integration und Unternehmergeist unterstützt werden.
Allgemeine Aktivitäten Um seine Mission zu erfüllen, organisiert AWAZ Cumbria unterschiedliche Aktivitäten, etwa Anwaltschaft bezüglich politischer Maßnahmen und Eintreten für Menschen, die Rassismus und Diskriminierung erleben; Förderung gemeinnützigen Engagements, Empowerment von Stimmen und Teilnahme an strategischen Konsultationen und lokalen Entscheidungsforen. Die Organisation bietet auch Beratung und Trainings zu Gemeindeentwicklung, Umgang mit Hasskriminalität, Gleichbehandlung, Diversität und Menschenrechten und entwickelt Internetressourcen.
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Strategien der gezielten Prävention Das Programm „Schlaglicht auf Hasskriminalität“ umfasst Aktivitäten zum Umgang mit Vorurteilen, zur Reduktion von Hassdelikten und Vorfällen, die mit Hass in Verbindung stehen, und zur Förderung von guten Beziehungen, indem Einzelnen geholfen wird, über Handlungen und Haltungen nachzudenken, die Menschen aus diversen Bevölkerungsgruppen schaden. Das Projekt soll Einzelpersonen helfen und unterstützen, die Hassdelikte verübt haben oder in dieser Hinsicht gefährdet sind. Es soll sie von ihrem vorurteilsbasierten Verhalten wegführen und ihnen helfen, Feindseligkeit und Hasskriminalität zu verstehen, Diversität und Menschenwürde zu achten, ihre Fähigkeiten und ihr Selbstwertgefühl entwickeln, mit anderen in einer offenen und unterstützenden Umgebung zusammenzuarbeiten und Empathie mit den Opfern und Achtung für die Menschenrechte zu entwickeln. Das Programm erhält Zuweisungen von Organisationen oder Einzelpersonen, die Menschen unterstützen, die hassbezogene Delikte begangen haben oder in dieser Hinsicht gefährdet sind. Sobald die Zuweisung eingelangt ist, trifft sich der Programmkoordinator mit dem oder der zugewiesenen Teilnehmenden, um eine erste Risikoeinschätzung durchzuführen. Sobald der oder die Teilnehmende in das Programm aufgenommen ist, wird ihm oder ihr ein Mentor zugewiesen, sie erhalten die Möglichkeit, eine anerkannte Ausbildung anzufangen oder über Praktika bei Partnerorganisationen Erfahrungen zu sammeln, sie werden dabei unterstützt, auf persönliche Ziele hinzuarbeiten und nach Abschluss des Programms können sie, wenn sie das wollen, die Rolle von Botschaftern für das Programm übernehmen.
Partnerschaften und Netzwerke Cumbria Reducing Offending Partnership (CROPT), Cumbria Youth Alliance, Carlisle MENCAP, OutREACH Cumbria, und The Heathlands Project.
Ergebnisse und Herausforderungen Das Programm hatte bisher einen positiven Einfluss auf seine Teilnehmenden. Nach erfolgreichem Abschluss erkunden drei Teilnehmende heute Karriereentwicklungsmöglichkeiten und sind sehr daran interessiert, sich in unterschiedlichen gemeinnützigen Initiativen zu engagieren.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Hate Speech Alert Organisation: INTERKULTURALNI PL Status: NGO Gebiet: Landesebene, Polen Hauptfinanzierung: EWR-Mittel. Eine Gruppe von 11 geschulten Ehrenamtlichen arbeitete im Projekt in der Medienbeobachtung. Webseiten & Email: www.hatespeechalert.org.pl, www.facebook. com/HSA.org, www.interkulturalni.pl, interkulturalnipl@gmail.com Mission und Ziele INTERKULTURALNI PL und die Stiftung Dialog-Pheniben arbeiten daran, das Auftreten von Hate Speech in Polen zu reduzieren, und das in einer Zeit, in der die Fremdenfeindlichkeit in Folge der Migrationskrise wächst. Sie arbeiten an der Entwicklung einer offenen und multikulturellen Gesellschaft, indem sie dafür eintreten, das Rechtssystem zu verändern, kulturelle Bildung anbieten und unterschiedliche Kulturen fördern.
Allgemeine Tätigkeit Ein wichtiger Teil ihrer Arbeit ist die Beobachtung von Hate Speech im Internet und in den Medien mit Hilfe von Ehrenamtlichen und durch unterschiedliche Aktivitäten (Workshops, Schulungen, Verfassen von Handbüchern), um Schlüsselgestalten der Öffentlichkeit über die Auswirkungen der öffentlichen Äußerung und Propagierung von hasserfüllter Sprache aufzuklären. Das Projekt hofft, langfristig erreichen zu können, dass Hate Speech weniger vorkommt.
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Strategien der gezielten Prävention Mit einem besonderen Schwerpunkt auf drei Gruppen, die wir als wahrscheinlichste Opfer von Hate Speech in Polen identifiziert haben (muslimische und jüdische Menschen und die LSBT-Community) arbeitet das Projekt daran, Hate Speech zu verhindern, indem es Journalisten und Politiker über die negativen Auswirkungen aufklärt, die die Äußerung hasserfüllter Meinungen auf diese Minderheitsgruppen und auf Meinungen und Verhalten der Bevölkerung insgesamt haben können. Es wurden zwei Handbücher verfasst, die sich jeweils an Journalisten und Politiker richten, veröffentlicht und an Parlamentarier und mehrere hundert Presseorganisationen verteilt, um sie über das Problem zu informieren. Schulungen, Podiumsdiskussionen und Workshops wurden organisiert und Berichte verfasst, um das Bewusstsein darüber breiter zu streuen, wie wichtig es ist, Hass nicht öffentlich zu verbreiten und die öffentliche Meinung dahingehend zu beeinflussen, die Propagierung derartiger Diskurse zu vermeiden.
Partnerschaften und Netzwerke Hauptpartner: Stiftung Dialog-Pheniben
Ergebnisse und Herausforderungen Insgesamt 97 Journalisten und Politiker nahmen an den Workshops teil. Der Verein konnte seine Botschaft auch weiterverbreiten, da er zu vielen Veranstaltungen eingeladen wurde (Fernsehsendungen, Kampagnen gegen Hate Speech). Zudem konnte eine spürbare Verminderung von Hate Speech auf den Social Media-Konten von Politikern festgestellt werden. Ein Defizit des Projekts besteht darin, dass führende Journalisten und Politiker nicht an den Schulungen teilnahmen, auch diejenigen nicht, die besonders dafür bekannt sind, Hate Speech zu äußern.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Together! Organisation: SOS Racismo Gipuzkoa (Spanien), SOS Racisme Catalunya (Spanien), KISA (Zypern), OPU (Tschechische Republik), Camera del Lavoro di Milano (Italien), Lunaria, Università di Roma - Osservatorio sul razzismo e diversità (Italien) Status: EU-Projekt Gebiet: Baskenland und Katalonien (Spanien), Mailand und Rom (Italien), Prag (Tschechische Republik), Zypern. Hauptfinanzierung: EU-Programm für Grundrechte und Bürgerschaft sowie Beiträge von Partnerorganisationen Webseite: www.togetherproject.eu/about/ Mission und Ziele Dieses Projekt zielt darauf ab, die Fähigkeit von Strafverfolgungsbehörden (Law Enforcement Agencies, LEAs) und Zivilgesellschaft zu verbessern, Hasskriminalität in der europäischen Gesellschaft sichtbar zu machen, was den ersten Schritt dazu darstellt, diese Form von Kriminalität zu bekämpfen und sich mit damit im Zusammenhang stehenden Grundrechtsverletzungen auseinanderzusetzen.
Allgemeine Tätigkeit Das Projekt fördert vier primäre Arbeitsfelder: Angebot von Schulungsprogrammen über Hasskriminalität für LEAs, NGOs und kommunale Organisationen; Entwicklung von Datenerfassungstools für NGOs für die Anzeige von Hassdelikten und von Protokollen bei LEAs; Propagierung von Mechanismen des Informationsaustauschs zwischen der Zivilgesellschaft und LEAs in den teilnehmenden Ländern; Verfassen von Länderberichten und eines vergleichenden Berichts über Hasskriminalität auf Grundlage der Daten, die zivilgesellschaftliche Organisationen über das Datenerfassungstool gesammelt haben, sowie die Organisation von internationalen Konferenzen über die Dunkelziffer in Bezug auf Hasskriminalität.
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Strategien der gezielten Prävention Das Projekt wird in vier Phasen durchgeführt: 1) Entwicklung von Schulungsprogramm und -materialien, wobei das Programm 13 Module und eine Kurzversion 10 Module umfasst, die auf Englisch und in den Landessprachen der Projektländer zur Verfügung stehen (Spanisch, Italienisch, Griechisch und Tschechisch); 2) Durchführung der Schulung für Schulungsleiter aus den Partnerorganisationen, um sie zu befähigen, sie mit Angehörigen von Zivilgesellschaft und LEAs in den teilnehmenden Ländern zu reproduzieren und ebenfalls Schulungen für LEAs und NGOs durchzuführen; 3) Verfassen von Länderberichten auf der Grundlage des entwickelten standardisierten Datenerfassungstools; 4) Dissemination der Projektergebnisse über die Webseite des Projekts, eine internationale Konferenz sowie weitere Disseminationsinstrumente.
Partnerschaften und Netzwerke Die überregionale spanische Vereinigung lokaler Polizeichefs und -manager (Unijepol), der katalanische Verein lokaler Polizeipräsidenten und -manager (AAPOLC) und andere staatliche Institutionen.
Ergebnisse und Herausforderungen 501 Angehörige von LEAs und 267 Fachleute aus der Zivilgesellschaft wurden in der Identifizierung und Anzeige von Hassdelikten geschult. Kollaboration und Informationsaustausch zwischen LEAs und Zivilgesellschaft wurden gestärkt und das Projekt machte Hasskriminalität in der europäischen Gesellschaft sichtbarer, indem fünf detaillierte Berichte zum Thema ausgearbeitet wurden.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Ouvre tes yeux Organisation: Verein ALC Status: Zivilgesellschaftliche Organisation Gebiet: Nizza, Frankreich Hauptfinanzierung: Personalkosten werden über das Arbeitsbudget des Lucioles-Zentrums für Unterkunft und gesellschaftliche Wiedereingliederung (Centre d'hébergement et de réinsertion sociale) getragen. Webseite & E-Mail: www.association-alc.net, p.hauvuy@association-alc.org Mission und Ziele Der Verein ALC wurde 1958 gegründet und arbeitet für und mit Menschen, die mit gesellschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sind, die entweder aus der Gesellschaft ausgeschlossen sind oder am Rande der Exklusion stehen. Anfänglich konzentrierte sich ALC auf junge Mädchen, die in Gefahr waren, sich zu prostituieren; im Laufe der Zeit erweiterten sich die Interventionen jedoch auf eine Reihe von anderen Gruppen, von Kleinkindern bis zu Obdachlosen.
Allgemeine Tätigkeit Als Organisation, die sich ständig selbst neu erfindet, hat ALC ein vielfältiges Repertoire an Interventionsmethoden entwickelt, unter anderem persönlicher Austausch, kollektive Aktionen, Hausbesuche, aufsuchende Sozialarbeit, Workshops und Kontakt über das Internet. Das Projekt „Ouvre les yeux“ („Öffne die Augen“) soll Stereotype und Meinungen der Einheimischen im französischen Département Nizza und Alpes Maritimes bezüglich der Themen Prostitution und Menschenhandel bekämpfen und das Gefühl von Ausgrenzung und Diskriminierung unter den Opfern vermindern. Das soll durch Aufklärung der breiten Öffentlichkeit und durch Schulung von Fachleuten über die Identifizierung und den Schutz von Opfern erreicht werden.
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Eine Reihe von Aktivitäten, von einer Konferenz über die Einrichtung einer Arbeitsgruppe bis zu unterschiedlichen Vermittlungs- und Schulungssitzungen, wurde im Rahmen des Projekts etabliert.
Strategien der gezielten Prävention Eine Arbeitsgruppe aus lokalen Vertretern von drei politischen Parteien und der Kommunalregierung der Métropole Nice Côte d’Azur wurde eingerichtet. Ihre Arbeit ermöglichte die Umsetzung verschiedener Aktionen, unter anderem nigerianische Kulturvermittlung, die sich aufgrund der großen Zahl von Mädchen, die in dieser Region in Gefahr sind, sich zu prostituieren, an nigerianische Sexarbeiterinnen richtete, die Schaffung von Verbindungslinien und die Veranstaltung einer Konferenz über Menschenhandel. Andere Sensibilisierungsmaßnahmen zur Realität von Prostitution in der breiten Öffentlichkeit sind unter anderem Vermittlung zwischen Einheimischen und Sexarbeiterinnen, Schulung von Sozialarbeitern und Gesundheitspersonal sowie von Ordnungskräften und Opferhilfsdiensten.
Partnerschaften und Netzwerke Dienststellen der Stadt Nizza (lokales Sicherheits- und Präventionskomitee und lokale Mandatsträger), staatliche Dienste (Frauenrechte und Präfektur), auf Opferhilfe spezialisierte Organisationen, die kommunale Opferanlaufstelle von Nizza, städtische Sicherheitsdienste, Mitglieder der Kommission gegen Gewalt gegen Frauen.
Ergebnisse und Herausforderungen Der Verein erhielt positives Feedback von Fachfremden darüber, wie sehr sich ihre Wahrnehmung von Prostituierten durch das Programm verändert hat. Am 19. Juni 2016 nahmen 200 Menschen an einer Konferenz über Menschenhandel im Mittelmehrraum teil.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Significativo Azul program Organisation: Nationaler Verband sozialer Solidaritätskooperativen (Fenacerci) und Öffentliche Sicherheitspolizei (PSP) Status: Kooperativen und öffentliche Sicherheitspolizei Gebiet: National, Portugal Hauptfinanzierung: Eigenmittel von Fenacerci und PSP Webseite & E-Mail: www.fenacerci.pt, fenacerci@fenacerci.pt, www.psp.pt Mission und Ziele Die Hauptziele dieses Projekts sind die Schulung von Fachleuten, die mit Menschen mit geistiger Behinderung oder in der Rehabilitation arbeiten, sowie der Polizei zur Prävention von Misshandlungen von Menschen mit Behinderungen, um diese zu schützen und zu befähigen, ihre Menschenrechte und Grundfreiheiten auszuüben. Das Projekt soll zusätzlich die Kooperation zwischen Spezialeinrichtungen und der Polizei fördern und die Kommunikations- und Informationskompetenz von Polizeibediensteten verbessern.
Allgemeine Tätigkeit Das Projekt umfasst drei verschiedene Aktivitäten: Schulung, Implementierung und Entwicklung sowie Monitoring. Sie involvieren eine große Bandbreite an Beteiligten und Betroffenen, u.a. Fachleute, die mit Behinderten arbeiten, die Familien von behinderten Menschen und die Polizei.
Strategien der gezielten Prävention In der Schulungsphase des Projekts werden Schulungen für Fachleute durchgeführt, die im Bereich Behinderung und Rehabilitation arbeiten, um sie über den rechtlichen Rahmen zu informieren, innerhalb dessen die Polizei intervenieren kann, über die Abläufe, die sie befolgen
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müssen, um Vergehen gegen Behinderte zu identifizieren und Beweise zu sammeln, und ihnen die effiziente Kommunikation mit der Polizei näherzubringen. Im Implementierungsstadium bewirbt das Projekt die Nutzung des Programms „estou aqui“ (Hier bin ich), das die portugiesische Polizei eingerichtet hat, um gefährdete Erwachsene (und auch Kinder) mit Armbändern auszustatten, die der Polizei die einfache Identifikation von Verwandten oder Betreuer ermöglichen, sollte die Person verwirrt im öffentlichen Raum angetroffen werden. Das Projekt führt auch eine Kampagne durch, um Familien über die Rechte von Menschen mit geistiger Behinderung und das Problem der häuslichen Gewalt zu informieren. Im Implementierungs- und Monitoringstadium werden Foren und Diskussionen zwischen der Polizei und den Fenacerci-Partnerorganisationen organisiert, um das Bewusstsein für die Rechte von geistig behinderten Menschen zu erhöhen und Synergien zu pflegen.
Partnerschaften und Netzwerke Öffentliche Sicherheitspolizei (PSP), Nationaler Verband sozialer Solidaritätskooperativen (Fenacerci), Nationales Rehabilitationsinstitut (INR, I.P.) und Nationale Föderation von Solidaritätseinrichtungen (CNIS).
Ergebnisse und Herausforderungen Das Programm konnte erfolgreich das gesellschaftliche Phänomen der behinderungsbezogenen Gewalt aufdecken. Laut verfügbaren Daten wurden im Jahr 2015 1.351 Polizeibedienstete im Rahmen des Programms geschult und 229 lokale Sensibilisierungssitzungen abgehalten. 2016 wurden 68 Sensibilisierungssitzungen für Fachleute, Menschen mit Behinderungen und ihre Familien und Verwandten veranstaltet. Zusätzlich intervenierte die Polizei in 209 gemeldeten Fällen, die Opfer mit psychischen Problemen und Behinderungen betrafen, und 39 Strafsachen wurden verzeichnet.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Meet2respect Organisation: Leadership Berlin – Netzwerk Verantwortung e.V. Status: NGO / gemeinnütziger Verein nach deutschem Recht Gebiet: Berlin, Deutschland Hauptfinanzierung: Die Kulturverwaltung des Berliner Senats kofinanziert Personalkosten. Die Axel-Springer-Stiftung gewährte eine einmalige Projektfinanzierung. Webseite & E-Mail: www.meet2respect.de, susanne.kappe@meet2respect.de Mission und Ziele Leadership Berlin – Netzwerk Verantwortung e.V. tritt für Diversität, bürgerliches Engagement und die Fähigkeit zu kritischem Denken sowie für eine Kultur von Dialog und Kommunikation ein. Seine primäre Zielgruppe sind Führungskräfte und Entscheidungsträger in öffentlichen Einrichtungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und privaten Unternehmen. Das Projekt meet2respect zielt besonders darauf ab, Dialog, Respekt und Toleranz unter jungen Menschen zu fördern, um religiös motivierte Gewalt und Diskriminierung sowie Misstrauen zwischen verschiedenen religiösen Gruppen zu verhindern.
Allgemeine Tätigkeit Der Verein organisiert und koordiniert eine Vielzahl an Projekten und Aktivitäten zu den Themen Antisemitismus, Homophobie, antimuslimische Vorurteile, Obdachlosigkeit, Flüchtlinge oder Jugendkriminalität. Das Projekt meet2respect tritt für religiöse Toleranz ein, indem es Schulbesuche durch religiöse Führungskräfte unterschiedlicher Glaubensrichtungen, Schulausflüge in Synagogen und Moscheen sowie Fahrradtouren organisiert, an denen Vertreter sowohl des jüdischen als auch des muslimischen Glaubens teilnehmen.
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Strategien der gezielten Prävention Ein entscheidendes Element des Projekts meet2respect ist die Organisation von Schulbesuchen durch Vertreter der christlichen, muslimischen und jüdischen Religion. Schulen mit hauptsächlich muslimischen Schülern beugen präventiv Antisemitismus vor, indem sie von einem Imam und einem Rabbi besucht werden, wobei der Erstere den Letzteren in den Sitzungen unterstützt. Umgekehrt werden Klassen mit nur wenigen oder keinen muslimischen Schülern von Imamen besucht, um den Kontakt zwischen den Schülern und einem Vertreter des Islam zu ermöglichen, um zu versuchen, antimuslimische Vorurteile abzubauen. Bei derartigen Besuchen treten die Religionsvertreter für Respekt unter den Religionen ein und verurteilen Exklusion, Diskriminierung und Gewalt. Andere Strategien, um religiöse Diskriminierung zu verhindern sind unter anderem die bereits erwähnten Besuche in Synagogen und Moscheen und die Tandem-Fahrradtouren, bei denen Rabbis und Imame unterschiedliche religiöse Stätten und Einrichtungen in Berlin mit Tandemrädern abfuhren. Zusätzlich wurden Begegnungen zwischen muslimischen Gemeinden und der LSBT-Community veranstaltet, um Toleranz zu fördern.
Partnerschaft und Netzwerke Assoziierte Partner: Sehitlik-Moschee Berlin, Jüdische Gemeinde Berlin und Chabad Lubawitsch. Informelle Partner: Berufsverband schwuler Führungskräfte Völklinger Kreis, Berliner Missionswerk “Interreligiöser Dialog”, verschiedene Schulen und jüdische, christliche und muslimische Gemeinden.
Ergebnisse und Herausforderungen Fünfundvierzig Schulklassen mit jeweils durchschnittlich 25 Schüler konnten bisher im Rahmen des Projekts von Besuchen von Religionsvertretern profitieren. Das Projekt half jungen Menschen dabei, sich kritisch mit religiösen Stereotypen auseinanderzusetzen, und ermöglichte einigen, die noch nie mit einem Juden oder einem Muslim Kontakt hatten, in einer kontrollierten, positiven Umgebung zum ersten Mal einen solchen zu treffen. Eine Herausforderung ist unter anderem das Misstrauen von Seiten der Lokalbehörden und Schulen gegenüber den muslimischen Beteiligten. Es gibt zudem Probleme mit der Finanzierung; sie wird nur für neue Projekte gewährt, und die Personalkosten sind schwer zu finanzieren.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Glaubensgemeinschaften und Hasskriminalität Organisation: Communities Inc Status: Sozialunternehmen Gebiet: Nottingham, das Vereinigte Königreich Hauptfinanzierung: Finanzielle Unterstützung von Faith Action, Together in Service und gleichwertiger Beitrag aus Eigenmitteln von Communities Inc Webseite & E-Mail: www.communitiesinc.org.uk, shamsher@communitiesinc.org.uk Mission und Ziele Communities Inc ist ein Sozialunternehmen, das von Schwarzen und Menschen mit ethnischem Minderheitenhintergrund geführt wird, und dessen Hauptziel darin besteht, innovative Projekte zu entwickeln, um die Bedürfnisse von Unternehmen, Minderheiten und Organisationen zu erfüllen und damit den gefährdetsten Bevölkerungsgruppen innerhalb der Gesellschaft behilflich zu sein. Es arbeitet daran, marginalisierte Gruppen zu motivieren, ihre Stimme zu erheben und für ihre Bedürfnisse einzutreten, Menschen und Politik zu beeinflussen, um realistische und nachhaltige Lösungen umzusetzen, und kreative Ansätze und Projekte zu entwickeln, die den Kapazitätsaufbau bei Einzelpersonen und Organisationen fördern.
Allgemeine Tätigkeit Der Schwerpunkt von Communities Inc besteht darin, Hindernisse zu beseitigen und Einzelpersonen und Organisationen zu empowern, zu inspirieren und zu ihrer Entfaltung beizutragen. Dazu gehören Kapazitätsaufbau und Projekte und Initiativen, die nachhaltige Integration und partnerschaftliche Arbeit fördern.
Strategien der gezielten Prävention
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Bei diesem Projekt wurden verschiedene Glaubensgruppen dabei unterstützt zu erkunden, wie sie für Botschaften rund um Toleranz, Zusammenhalt und das Hinterfragen von Ungleichheit in Gemeinschaften und an Arbeitsplätzen eintreten können.
Das Projekt „Glaubensgemeinschaften und Hasskriminalität“ soll das Bewusstsein über Hasskriminalität innerhalb der Glaubensgruppen erhöhen, die Glaubensgruppen hinsichtlich dessen beraten, wie sie die Sensibilisierung in Bezug auf Hasskriminalität, Prävention und Unterstützung in ihre Aktivitäten aufnehmen können, und Geschlossenheit und Konsistenz fördern, indem das Engagement der Vertreter vieler unterschiedlicher Glaubensrichtungen gefördert wird. Als Teil dieses Projekts wurde ein Leitfaden für Glaubensgruppen zu Aktionen verfasst, mit denen sie gegen Hasskriminalität auftreten und deren Opfer unterstützen können. Christliche, hinduistische, Sikh-, jüdische und muslimische Glaubensvertreter verfassten Beiträge für den Leitfaden und wurden darüber befragt, wie man für Hasskriminalität sensibilisieren und den Opfern bessere Unterstützung zukommen lassen kann. Um eine größere Wirkung und Unterstützung für die Umsetzung zu erzielen, wurde der Leitfaden über Workshops verbreitet. Mehrere Workshops wurden mit Glaubensvertretern abgehalten. Danach wurde der Leitfaden unter mehr als 400 Glaubensgruppen in Umlauf gebracht.
Partnerschaften und Netzwerke Offizielle Projektpartner waren die acht Glaubensgruppen, die sich am Leitfaden beteiligten, die Diözese Southwell, Nottingham City Homes und Dr. Sanghera (interreligiöse Wissenschaftlerin).
Ergebnisse und Herausforderungen Im Anschluss an das Projekt initiierten einige teilnehmende Glaubensgruppen Aktivitäten zu Hasskriminalität, insbesondere in Hinblick auf die Sensibilisierung ihrer Gemeinde und die Unterstützung von Opfern. Einige Glaubensgruppen und ihre Führungskräfte berichteten, dass sie nun über besseres Wissen verfügen und sich besser imstande fühlen, sich mit Hasskriminalität auseinanderzusetzen. Der veröffentlichte Leitfaden wurde mit einem nationalen Preis für die Prävention von Hasskriminalität ausgezeichnet. Ein Haupthindernis war, dass das Interesse bei jeder Glaubensgruppe anders gelagert war. Dadurch litt die Konsistenz der Botschaften, die das Projekt ursprünglich unter den Glaubensgemeinschaften zu verbreiten gehofft hatte. Der Leitfaden wurde in ganz Nottinghamshire an alle Glaubensgruppen verteilt.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
La Quinzaine de la Diversité Organisation: Netzwerk Bruno@ttitudes, Polizeizone “Polbruno” Status: Örtliche Polizei Gebiet: Lokale Polizeizone – Schaerbeek – Evere – Saint-Josse-tenNoode (Brüssel, Belgien). Hauptfinanzierung: Keine spezifische Finanzierung, die Mitglieder des Netzwerks widmen dem Projekt eine gewisse Arbeitszeit Webseite & E-Mails: www.polbruno.be/, theo.vangasse@polbruno.be, dirprox@polbruno.be Mission und Ziele Bruno@ttitudes ist ein Netzwerk von Ansprechpersonen, das 2008 gegründet wurde, um Diversität zu fördern. Dieses Netzwerk richtet sich an die lokale Polizei im belgischen Großraum Brüssel. Es soll eine Kultur der Diversität fördern und gegen diskriminierende Aussagen und Handlungen eintreten sowie Aktionen gegen Diskriminierung, Rassismus und Homophobie am Arbeitsplatz oder in der Privatsphäre setzen.
Allgemeine Tätigkeit Themen, mit denen sich das Netzwerk auseinandersetzt, sind unter anderem die Sensibilisierung für Diversität, ethische Unternehmenswerte, die Respektierung von Diversität und die Achtung der Menschenrechte im Personalmanagement, insbesondere bei Auswahlverfahren. Informationsmaterial wird regelmäßig veröffentlicht und verbreitet, unter anderem eine Monatszeitschrift. Zusätzlich organisiert das Netzwerk alle zwei Jahre „La Quinzaine de la diversité“ („die Diversitätswochen“).
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Strategien zur gezielten Prävention Die Diversitätswochen bestehen aus zirka 10 Schulungsworkshops für Polizeibedienstete zu Themen wie Nicht-Diskriminierung, Gleichheit und Diversität. Zum Abschluss der zwei Wochen wird eine Pressekonferenz abgehalten.
Partnerschaften und Netzwerke Interföderales Zentrum für Chancengleichheit (UNIA). Organisationen, die zur Teilnahme an den Veranstaltungen im Rahmen der Diversitätswochen eingeladen werden, sind u.a. Fedasil, Rainbowcops, Womenpol, die Bundespolizei und Foyer.
Ergebnisse und Herausforderungen Das Ziel, das Bewusstsein im Polizeistab zu erhöhen, wurde erreicht. Während der zwei bisher organisierten Diversitätswochen (2013 und 2015) nahmen ungefähr 300 lokale Polizeiangestellte an mindestens einem Workshop teil und gaben danach positives Feedback. Einige Workshops mussten aufgrund des großen Andrangs mehrmals wiederholt werden.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Diversitätsmanagement durch die Polizei Organisation: Gemeinde Madrid, Gemeinde Silla, Plattform für Diversitätsmanagement der Polizei Status: Örtliche Polizei Gebiet: Gemeinden Madrid und Silla sowie nationale Ebene, Spanien Hauptfinanzierung: Kommunale Mittel und Unterstützung durch Partner Webseite & E-Mail: Madrid: delitosdeodio@madrid.es, Silla: www.polciaydiversidad.es Plattform: davidgarfellagil@gmail.com Mission und Ziele Die Plattform für Diversitätsmanagement der Polizei wurde 2010 als Treffpunkt zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen, die die Diversität in Spanien repräsentieren, und der Polizei etabliert. Sie soll Veränderungen in polizeilichen Einrichtungen anregen und fördern, um ihre operativen Abläufe zu verbessern und gleiche, nicht-diskriminierende Behandlung für alle, insbesondere für Minderheitsgruppen, zu gewährleisten.
Allgemeine Tätigkeit Die Aktivitäten der Plattform für Diversitätsmanagement der Polizei sind unter anderem Sensibilisierung für die Notwendigkeit, Maßnahmen für das gesellschaftliche Diversitätsmanagement zu entwickeln, Impulse für die Verbesserung der polizeilichen Schulung bezüglich Diversitätsmanagement, die Förderung besserer Beziehungen zwischen öffentlichen Polizeidiensten und Minderheitsgruppen und die Definition von Kriterien für polizeiliche Anhalte- und Durchsuchungspraktiken.
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Die Plattform inspirierte die kommunalen Polizeikräfte von Madrid und Silla (einer Gemeinde in der Region Valencia), lokalen Bevölkerungsgruppen Unterstützung anzubieten und mit ihnen zusammenzuarbeiten, um die Beziehungen zwischen Polizei und Bevölkerung und die Akzeptanz von Diversität zu verbessern.
Strategien der gezielten Prävention In Silla werden im Rahmen des Projekts Polizei und Diversität unterschiedliche Strategien verfolgt, unter anderem Diskussionen und Schulungssitzungen für Studierendengruppen über bürgerliche Werte, die Stärkung des Strafrechts bezüglich Hasskriminalität und Schulungen für die Polizei über einen professionelleren Umgang mit Diversität. In Madrid umfassen die Strategien als Teil der Abteilung für Diversitätsmanagement unter anderem den verstärkten Kontakt zur Zivilgesellschaft, um die Beziehungen zwischen Polizei und Bevölkerung zu verbessern, die Behandlung von Beschwerden über Hassdelikte, die sowohl persönlich als auch in sozialen Netzwerken begangen werden, sowie das Angebot von Betreuung, Schutz und Unterstützung für Opfer von Hassdelikten.
Partnerschaften und Netzwerke Partner der Plattform sind vor allem die Nationale Gewerkschaft lokaler Polizeichefs und Polizeimanager (Unijepol), die Stiftung Romasekretariat (Fundación Secretariado Gitano), die Stiftung RAIS, der Verein schwuler und lesbischer Polizeibeamter (Gaylespol) und die Open Society Justice Initiative (OS). Obwohl es in Silla keine offiziellen Partner gibt, arbeiten die NGOs Movement against Intolerance, Welcome Network und das valencianische islamische Kulturzentrum durchgehend für das Projekt.
Ergebnisse und Herausforderungen In Silla sind Zeichen von Hass (Graffiti, Stereotype, Vorurteile und Hassdelikte) deutlich zurückgegangen; insbesondere bei diskriminierenden Vorfällen gab es einen Rückgang um 79%. Hindernisse, denen das Projekt bisher begegnet ist, sind unter anderem internalisierter Rassismus innerhalb der Polizeikräfte und ein Mangel an wirtschaftlichen Ressourcen.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
2.5 Opferhilfe
>>>>>>>>>>>>>>>>>> Während diskriminierende Gewalt die gesamte Gesellschaft angeht und ihr auf allen Ebenen entgegengetreten werden muss, dürfen einzelne Opfer nicht vergessen werden. Vorfälle wie Beleidigungen, Belästigung, Einschüchterung, Zwang, sexuelle Übergriffe oder Körperverletzung können unterschiedliche Formen von ernsten physischen oder psychischen Schäden verursachen. Menschen werden wegen Merkmalen gezielt angegriffen, die einen integralen Teil ihrer Identität ausmachen und nicht vom Kern ihrer Existenz getrennt werden können, was die Konsequenzen und Auswirkungen dieser Angriffe weiter verschärfen kann (siehe Kees et al. 2016: 19f). Wenn Opfer alleine gelassen werden und keine ausreichende Unterstützung erhalten, kann das ebenso zu Wut und Frustration führen wie zu einem Vertrauensverlust in öffentliche Einrichtungen oder die Gesellschaft insgesamt, eine Verminderung oder den Rückzug aus der Partizipation an kollektiven und gesellschaftlichen Prozessen, oder einen Achtungsverlust in Bezug auf die Normen und Werte einer Gesellschaft, die auf ihre Viktimisierung keine klare und angemessene Antwort gefunden hat. In diesem Kontext ist die Unterstützung jener, die solchen inakzeptablen Übergriffen ausgesetzt sind, auf ihrem Weg zu Gerechtigkeit ein unverzichtbarer Teil der Strategien gegen diskriminierende Gewalt. Benötigt werden Opferhilfeangebote durch qualifizierte Stellen und Organisationen, die zum Beispiel professionelle psychologische und rechtliche Beratung und psychosoziale Unterstützung bieten, den Zugang zu medizinischen Diensten organisieren, in akuten Bedarfsfällen finanzielle Unterstützung gewähren können und Opfer bei der Wahrnehmung ihrer Ansprüche gegenüber Versicherungen unterstützen etc.18
18-Die Notwendigkeit solcher Dienste wird auch auf transnationaler Ebene immer mehr anerkannt. Auf der europäischen Ebene verpflichtet die relativ rezente Opferdirektive (2012/29/ EU) die Mitgliedsstaaten dazu, die Bedürfnisse von Opfern von Hassdelikten zu evaluieren und sie an angemessene Unterstützung sowie angemessen ausgebildete Exekutivkräfte zu verweisen.
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Die in diesem Abschnitt dokumentierten Praxisprojekte kooperieren mit und mobilisieren eine Vielzahl von Diensten, die auf kommunaler und regionaler Ebene angeboten werden, um Opfern von diskriminierender Gewalt und Hassdelikten gut abgestimmte und professionelle Unterstützung zu bieten. Dieses Angebot hat unterschiedliche Zielgruppen, darunter Opfer von LSBT-feindlichen Vorfällen, Frauen und Kinder, die geschlechtsbezogene Gewalt erlitten haben, oder Schülerinnen und Schüler, die durch diskriminierendes Verhalten in der Schule viktimisiert wurden. Diese Dienste werden meist von zivilgesellschaftlichen Organisationen angeboten, die über breites Fachwissen in der psychosozialen Beratung und ein profundes Wissen über die Bedürfnisse ihrer Zielgruppe verfügen. Allerdings können auch kommunale Facheinrichtungen oder Kontaktstellen bei der Polizei derartige Dienste anbieten, an ihnen beteiligt sein oder mit Opferhilfeeinrichtungen zusammenarbeiten.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Anlaufstelle für Diskriminierungsopfer an Schulen Organisation: Life e.V. Status: Non-Profit-Organisation Gebiet: Berlin, Deutschland Hauptfinanzierung: Stiftung Deutsche Klassenlotterie Webseite & E-Mail: www.adas-berlin.de/, yegane@adas-berlin.de Mission und Ziele Life e.V. ist eine unabhängige, nicht gewinnorientierte Organisation, die seit 1988 Dienste in den Bereichen Bildung, Beratung und Netzwerkarbeit anbietet. Dieses Projekt soll zur Nicht-Diskriminierung an Schulen beitragen, indem es den institutionellen Diskriminierungsschutz verbessert. Zusätzlich soll es Schülern, Eltern, Lehrkräften und Schulpersonal helfen, die an Schulen Diskriminierung erfahren, und Schulen dabei unterstützen, Anti-Diskriminierungsregeln zu implementieren.
Allgemeine Tätigkeit Im Zentrum dieses Projekts steht eine Anlaufstelle für Diskriminierungsopfer an Schulen (ADAS) und ein internes Beschwerdemanagementsystem für Schulen, um dem weit verbreiteten Problem der Diskriminierung an deutschen Schulen zu begegnen.
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Strategien der Opferhilfe Das ADAS-Beratungszentrum bietet Opferhilfe für Schüler, Eltern, Schulpersonal oder Dritte, die unter Diskriminierung leiden, indem es unabhängige Beratung und Unterstützung bereitstellt. Es dokumentiert und evaluiert alle Diskriminierungsfälle. Zusätzlich wurden ein internes Beschwerdemanagementsystem für Diskriminierungsfälle sowie Präventivmaßnahmen für Nicht-Diskriminierung und Inklusivität an Schulen sowie Leitfäden für Schulen für den Umgang mit Diskriminierungsfällen entwickelt. Auf Grundlage der Ergebnisse und der im Projekt gesammelten Daten implementiert es zudem Empfehlungen für einen institutionellen Rahmen für das Management von Diskriminierungsbeschwerden, um einen effizienten Umgang mit Diskriminierungsfällen an Schulen zu gewährleisten.
Partnerschaften und Netzwerke Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Schulaufsicht Neukölln, Berliner Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung (LADS), unterschiedliche zivilgesellschaftliche Organisationen aus dem informellen Bildungssektor und Organisationen, die verschiedene Gruppen repräsentieren (LSBT, Migranten, Muslime, Sinti und Roma).
Ergebnisse und Herausforderungen Bisher sind beobachtete Ergebnisse u.a. Sensibilisierung und erhöhte Aktivität an Schulen in Bezug auf alle Formen von Diskriminierung und eine wachsende Offenheit von Bildungsinstitutionen bezüglich ihres Umgangs mit Diskriminierung.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Anwaltschaftsprogramm für Opfer von Hasskriminalität Organisation: Bürgermeisteramt für Polizeiarbeit und Kriminalität (Mayor’s Office for Policing and Crime, MOPAC) Status: Funktionsorgan der Greater London Authority Gebiet: Londoner Gemeinden Westminster und Hackney (das Vereinigte Königreich) Hauptfinanzierung: Fördervertrag für die Bereitstellung eines einjährigen Dienstes in zwei Londoner Gemeinden aus dem Opferleistungsfonds des MOPAC. Webseite: www.london.gov.uk/what-we-do/mayorsoffice-policing-and-crime-mopac/our-strategies/hate-crime Mission und Ziele In seinem Polizei- und Kriminalpräventionsplan legte der Bürgermeister zehn klare Bekenntnisse zur Bekämpfung von Hasskriminalität ab. Darunter sind die Ermutigung von mehr Opfern, sich zu melden, durch Maßnahmen wie Smartphone-Apps und Online-Angeboten zur Anzeige von Hassdelikten, sowie die Ausweitung des Anwaltschaftsprogramms für Opfer von Hasskriminalität auf ganz London. Das Ziel des Anwaltschaftsprogramms für Opfer von Hasskriminalität ist es, den Mangel an Verweisen auf und Zuweisungen an angemessene Unterstützungsangebote für Opfer von Hasskriminalität in London zu beheben, der dazu führen kann, dass das Opfer die Erfahrung nicht überwindet und wiederholt viktimisiert wird, und dass Strafverfahren erfolglos verlaufen, da es Opfern an Unterstützung fehlt und sie sich im Verfahren nicht zurechtfinden.
Allgemeine Tätigkeit
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Seit April 2016 beschäftigt das Pilotprogramm für dieses Projekt Fachkräfte für die direkte und individuelle Unterstützung von Opfern von Hassdelikten an vorderster Linie. Das Programm spricht gezielt Opfer in komplexen Fällen an, die als „gefährdete“ oder „Hochrisikopersonen“ eingestuft werden können.
Strategien der Opferhilfe Das Anwaltschaftsprogramm für Opfer von Hasskriminalität wurde entwickelt, um Opfern mit einem angemessenen Angebot bessere Unterstützung zu bieten. Sie sollen dazu befähigt werden, qualifizierte Entscheidungen zu treffen, sie werden beim treffen persönlicher Sicherheitsvorkehrungen unterstützt um wiederholte Viktimisierung zu vermeiden. Zudem arbeitet das Programm mit Partnerorganisationen zusammen, um das beste Ergebnis für die Opfer zu gewährleisten, unabhängig davon, ob sie eine Strafanzeige erstatten oder von der Einleitung eines Strafverfahrens absehen. Das Pilotprogramm beschäftigt ein Konsortium von Fachkräften namens Community Alliance to Combat Hate (CATCH), das alle Bereiche von Hasskriminalität abdeckt. Das Programm wurde erstellt, um an vorderster Linie einer Anzahl von Fällen von Opfern von Hasskriminalität direkte und individuelle Unterstützung zu bieten. CATCH führte mit Polizei, lokalen Behörden und verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen ein Kommunikations- und Dialogprogramm durch, um den Bekanntheitsgrad des Programms zu erhöhen. Sowohl emotionale als auch praktische Unterstützungssysteme werden ebenso geboten wie Hilfe bei der Orientierung im Strafrechtssystem. Das Programm richtet sich an Opfer, die als „gefährdete“ oder „Hochrisikopersonen“ eingestuft werden können.
Partnerschaften und Netzwerke Das CATCH-Konsortium stellt das Programm über einen Fördervertrag bereit.
Ergebnisse und Herausforderungen Opfer erhalten heute ein Niveau an angemessener, fachspezifischer Unterstützung, das ihnen vor dem Programm nicht zur Verfügung stand. Verbindungsoffiziere für Hasskriminalität der Londoner Metropolitan Police arbeiten heute mit dem Konsortium zusammen, um gemeinsam Opfer zu unterstützen und wiederholte Viktimisierung zu vermeiden.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Zufluchtsort für Frauen und Kinder, die Opfer häuslicher Gewalt sind Organisation: Gemeinde Heraklion Status: Gemeinde Gebiet: Heraklion, Griechenland Hauptfinanzierung: Finanziert über das europäische ESPA-Programm (deckt Personalkosten, Ausstattung und laufende Kosten). Webseite & E-Mail: www.heraklion.gr, filoxenia@heraklion.gr Mission und Ziele Dieses Projekt soll Frauen, die Diskriminierung oder Gewalt erlebt haben, Schutz und Sicherheit bieten. Zusätzlich soll es innerhalb der Gemeinde Heraklion Aufklärungsarbeit über geschlechtsbezogene Gewalt leisten und sie dadurch zurückdrängen.
Allgemeine Tätigkeit Aktivitäten sind unter anderem die Bereitstellung eines Zufluchtsorts, an dem Frauen aus allen Bevölkerungsschichten und ihre Kinder Unterkunft und Unterstützung finden, die häusliche Gewalt oder Diskriminierung erlebt haben oder in Gefahr sind, sie zu erleben. Das Projekt tritt auch gegen geschlechtsbezogene Gewalt auf. Das Frauenhaus kann bis zu 21 Menschen unterbringen und wird von einem Team geführt (Verwaltungsmanagerin, Sozialarbeiterin, Psychologin, Kinderpsychologin, Hausverwaltung und rund um die Uhr Sicherheitskräfte).
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Strategien der Opferhilfe Frauen können bis zu drei Monate lang im Frauenhaus bleiben (bei Bedarf können sie ihren Aufenthalt verlängern). Sie werden beschützt und erhalten über individuelle und Gruppenberatung psychische Unterstützung. Sie erhalten auch Hilfe beim Zugang zu öffentlichen Diensten wie Schulen, Krankenhäuser, Büros der Staatsanwaltschaft und Sozialhilfe, werden über ihre Rechte informiert und erhalten Hilfe bei der Arbeitssuche. Das Personal des Frauenhauses organisiert auch Interventionen, um Diskriminierung und häusliche Gewalt zu verhindern. Informationsmaterial (Flugblätter, Poster etc.) werden in allen kommunalen Dienststellen verteilt, um für häusliche Gewalt zu sensibilisieren. Zusätzlich werden anlässlich des Internationalen Tags zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen (25. November) Kampagnen organisiert, unter anderem die Verteilung von Flugblättern, eine Pressekonferenz und eine Kunstausstellung, deren Motiv die Missbrauchserfahrung von Frauen ist.
Partnerschaften und Netzwerke Die Gemeinde Heraklion und die Region Kreta führen das Projekt durch, das für das Innenministerium durch die Hellenische Agentur für Lokalentwicklung und Regierung abgewickelt wird. Beratungszentren, Frauenhäuser, Notrufe, Sozialdienste, Polizei, Kinderbetreuungsdienste und das Büro des Staatsanwalts sind ebenfalls Teil des Projekts. Es besteht eine formelle Partnerschaft mit einem Krankenhaus.
Ergebnisse und Herausforderungen Das Frauenhaus konnte bisher Frauen helfen, das Gefühl der Kontrolle über ihr Leben wiederzuerlangen. Die meisten Frauen, die das Frauenhaus verlassen haben, zogen danach in eine neue Wohnung. Die meisten arbeitslosen Frauen konnten eine Arbeit finden.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
SAVE Organisation: Casa Delle Donne per Non Subire Violenza (Frauenhaus zur Gewaltvermeidung) Status: Non-Profit-Organisation Gebiet: Bologna, Italien Hauptfinanzierung: Finanziert durch die Gleichbehandlungsstelle der Präsidentschaft des Ministerrats (Büro des Premierministers, italienische Regierung) Webseite: www.casadonne.it Mission und Ziele Casa Delle Donne per Non Subire Violenza ist eine Organisation, die sich auf den Kampf gegen jede Form von geschlechtsbezogener Gewalt in Italien konzentriert. Die Ziele des Projekts SAVE (Sicurezza e accoglienza per Vittime in Emergenza – auf Deutsch: Sicherheit und Aufnahme für Opfer in Notsituationen) sind unter anderem ein Schutzangebot für Frauen und Kinder, die Opfer von Gewalt sind, die Schaffung eines Netzwerks, das sich darauf spezialisiert, Hochrisikoopfer aufzunehmen und ihr Vertrauen in Opferhilfeeinrichtungen zu erhöhen.
Allgemeine Tätigkeit Das Projekt ist Teil einer allgemeinen Strategie, Netzwerke auf der lokalen und nationalen Ebene dazu zu ermutigen, zusammenzuarbeiten, um Frauen und Kinder vor geschlechtsbezogener Gewalt zu schützen. Das übergreifende Ziel ist es, Frauen, die von Gewalt betroffen sind, eine Notzuflucht zu bieten. Zuweisungen erfolgen über die Polizei, Rettungsdienste oder die Notfallfürsorge.
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Strategien der Opferhilfe Casa Delle Donne bietet unterschiedliche Dienste für Frauen, die Opfer geschlechtsbezogener Gewalt geworden sind: das SAVE-Notfallquartier (neun Betten) bietet den Frauen und ihren Kindern vorübergehend Unterkunft. Es gibt zudem mehrere „Zufluchtswohnungen“ (deren Adressen geheim gehalten werden). Das Programm bietet den Frauen außerdem Beratung, Rechtshilfe, Kulturvermittlung und Gruppensitzungen.
Partnerschaften und Netzwerke Das Projekt wurde von der Gemeinde und Provinz Bologna, der Italienischen Frauenunion (Unione Donne in Italia, UDI), den Carabinieri und der Polizei unterstützt.
Ergebnisse und Herausforderungen Zwischen November 2012 und Mitte Juni 2017 nahm das Notfallzentrum SAVE insgesamt 293 Frauen und Kinder auf. Von 142 aufgenommenen Frauen entschieden sich 116, zu bleiben und sich und ihre Kinder vor Gewalt zu schützen. Daher erhielten sie nach dem Verlassen des Frauenhauses Hilfe aus dem Netzwerk, da einige von ihnen in Unterkünfte zogen, die von Casa Delle Donne bereitgestellt wurden, oder in andere in der Gegend verfügbare Wohnungen. Einige kehrten nach Hause zurück, allerdings erst, nachdem sie gegen ihren Partner eine einstweilige Verfügung erwirkt hatten. 26 entschieden sich dafür, eine Aussöhnung mit ihrem Partner zu versuchen.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Smartphone-App zur Anzeige von Hasskriminalität Organisation: Bürgermeisterbüro für Polizeiwesen und Kriminalität (The Mayor of London’s Office for Policing and Crime, MOPAC) Status: Organ der Greater London Authority Gebiet: Polizeibezirk Metropolitan London, das Vereinigte Königreich Hauptfinanzierung: MOPAC-Opferdienstefonds Webseite & E-Mail: Środki służb MOPAC na rzecz ofiar Strona internetowa: www.london.gov.uk Mission und Ziele Das Bürgermeisterbüro für Polizei und Kriminalität (MOPAC) ist für die strategische Aufsicht über die Metropolitan Police, die größte Polizeibehörde des Vereinigten Königreichs, verantwortlich. 2014 veröffentlichte MOPAC „A Hate Crime Strategy for London 2014–2017“ (Eine Strategie gegen Hasskriminalität für London 2014–2017), die erste Strategie zur Bekämpfung aller Formen von Hasskriminalität für London. Der Bürgermeister möchte auf den Errungenschaften dieser Strategie aufbauen, indem er in London einen Null-Toleranz-Ansatz gegen alle Formen von Intoleranz, Extremismus und Hass verankert. MOPAC verfolgt bei seiner Arbeit gegen Hasskriminalität vier Hauptziele: Entwicklung leicht zugänglicher Wege, Hassdelikte anzuzeigen; Verbesserung der Unterstützung für Opfer von Hasskriminalität; Entwicklung ihres Ansatzes gegen Online-Hasskriminalität und Verbesserung der Aufsicht über die strafrechtliche Reaktion auf Hasskriminalität und ihrer Transparenz.
Allgemeine Tätigkeit
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In seinem Polizei- und Kriminalitätsplan legte der Bürgermeister zehn deutliche Bekenntnisse für den Kampf gegen Hasskriminalität ab, unter anderem die Ermutigung von Opfern, sich zu melden, durch Maßnahmen wie Smartphone-Apps und Onlineangebote für die Anzeige von Hassdelikten, und die Ausdehnung des Anwaltschaftsprogramms für Opfer von Hasskriminalität auf ganz London.
Strategien der Opferhilfe Die Anzeige-App für Hassdelikte wurde 2015 in Auftrag gegeben; sie ist gratis und kann auf Apple- oder Androidgeräte geladen werden. Sie ermöglicht es Opfern, Vorfälle unmittelbar zu melden. Die Information geht über einen sicheren Server direkt an die Polizei. Nutzer können Foto- und Videomaterial als Teil ihrer Anzeige hochladen und eine mündliche Aussage oder Aufnahmen des Vorfalls übermitteln. Dadurch ist das Verfahren, die Verübung eines Hassdelikts anzuzeigen, einfach, Beweise können leicht erfasst und gesichert werden, und die Opfer haben sofort Zugang zu Informationen über verfügbare Unterstützungsdienste.
Partnerschaften und Netzwerke Witness Confident, der Entwickler der App, der den Auftrag über einen Fördervertrag erhielt, und Metropolitan Police Service (MPS).
Ergebnisse und Herausforderungen Die anfängliche Zahl von Anzeigen über die App war enttäuschend: 200 Anzeigen wurden im ersten Jahr darüber übermittelt. Die Zahl der Anzeigen stieg nach einem Dialog- und Sensibilisierungsprogramm unter Opfern, unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und Polizeibediensteten. Besonders für wiederholte Opfer erwies die App sich als besonders nützlich. Sie wird verwendet, um alle möglichen Delikte, unter anderem Hassdelikte, zu melden, und Beamte des Metropolitan Police Service äußerten den Wunsch, ihren Einsatz auf Opfer häuslicher Gewalt auszudehnen.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Integriertes Programm zu häuslicher Gewalt Malmö Organisation: Stadt Malmö Status: Gemeinde Gebiet: Malmö, Schweden Hauptfinanzierung: Kommunale Mittel Webseite: www.malmo.se Mission und Ziele Das Gemeindepräsidium von Malmö betraute den Verwaltungsrat des südlichen Zentralbezirks mit der Aufgabe, für die gesamte Kommune ein Aktionsprogramm zur Prävention von Gewalt gegen Frauen zu formulieren. Es wurde betont, dass die jeweiligen Dienststellen auf der Grundlage der Lage und Bedürfnisse von Frauen und Kindern, die Gewalt ausgesetzt sind, ein kooperatives Verfahren entwickeln sollten. Die wichtigsten Ziele sind dabei, Gewalt in intimen Beziehungen sichtbar zu machen und die Unterstützung zu bieten, die Frauen benötigen, um sich sicher zu fühlen, wenn sie diese Gewalt anzeigen.
Allgemeine Tätigkeit Um dieses Hauptziel zu erreichen und Opfer zu unterstützen, werden von den verschiedenen Partnern gemeinsam Informations- und Sensibilisierungsaktivitäten organisiert. Sowohl die viktimisierten Frauen und Kinder als auch die Täter werden über das Problem und über die Existenz von Fachinitiativen informiert. Die Medien spielten in der Verbreitung dieser Informationen eine wichtige Rolle. Wissen in Bezug auf das Problem wurde unterschiedlichen Gruppen durch Besuche in Schulen, Vereinen und Klubs und auch an verschiedenen Arbeitsplätzen vermittelt, die unter anderem Vertretern der Polizei und der Sozialdienste machten. Da 26 % der Bevölkerung von Malmö nicht aus Schweden stammt, stehen Informationsbroschüren in acht Sprachen zur Verfügung.
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Strategien der Opferhilfe Das integrierte Programm gegen häusliche Gewalt wurde auf der Grundlage eines konkreten Bildes von den Bedürfnissen einer Frau entworfen, nachdem sie einen Angriff erlebt hat. Frauen, die Opfer von Angriffen waren, benötigen die Behandlung ihrer Verletzungen (von den Gesundheitsdiensten), Unterstützung bei Anzeige und Strafverfahren und sie benötigen Beratung (bereitgestellt von der Kommune), um ihnen zu ermöglichen, die gewalttätige Beziehung abzubrechen. Das Aktionsprogramm hat die Unterstützung von Entscheidungsträgern und Fachleuten auf mehreren Ebenen: auf der politischen Ebene, unter den beteiligten Managern und unter jenen, die sich mit individuellen Fällen beschäftigen. Das Programm hat seine eigene Steuerungsgruppe, die sich aus Führungskräften aus Sozialdiensten, Polizei, Gesundheitswesen und dem Gefängnis- und Bewährungsdienst zusammensetzt, sowie eine Koordinierungsgruppe, die aus Vertretern der beteiligten Dienststellen besteht.
Partnerschaften und Netzwerke Die Hauptpartner des Integrierten Programms gegen häusliche Gewalt von Malmö sind die Lokalbehörden, die Polizeibehörde und das Gesundheitswesen.
Ergebnisse und Herausforderungen Seit Beginn des Projekts 1996 ist die Zahl der Fälle, in denen eine Frau anzeigt, dass sie von einem männlichen Bekannten angegriffen wurde, um 50 % gestiegen. Ein größerer Prozentsatz dieser Fälle führt zur Strafverfolgung als vor Beginn des Projekts.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
MANEO Organisation: Mann-O-Meter e.V., Berlins schwuler Checkpoint Status: eingetragener Verein Gebiet: Berlin, Deutschland Hauptfinanzierung: teilfinanziert durch die Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, ist von zusätzlicher Finanzierung und Spenden abhängig, um seine breite Palette an Aktivitäten zu finanzieren. Webseite & E-Mail: www.maneo.de/eng, maneo@maneo.de Mission und Ziele MANEO wurde 1990 gegründet, um auf das beunruhigende Ausmaß an homo- und transphoben Vorfällen zu reagieren, gegen Diskriminierung von LSBT-Menschen in Berlin aufzutreten und einen Dialog mit der Berliner Polizei zu eröffnen, um Polizeieinsätze in und die Zugänge zur LSBT-Szene zu verändern. MANEO ist das erfahrenste und bekannteste schwule Anti-Gewalt-Projekt in Deutschland. Seine Mitarbeiter beraten jährlich mehr als 300 Gewaltopfer, dokumentieren LSBT-feindliche Gewalttaten und leisten gewaltpräventive Öffentlichkeitsarbeit.
Allgemeine Tätigkeit MANEO konzentriert sich auf vier Hauptaktivitäten: Opferhilfe für Betroffene von homophober Gewalt, Bereitstellung einer Meldestelle und Dokumentation von Fälle homo- und transphober Gewalt in einem Jahresbericht, Aktionen zur Prävention von homophober Gewalt und das Empowerment von LSBT-Communities in Berlin, um das Engagement für Gleichbehandlung und Nicht-Diskriminierung zu stärken.
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MANEO will Fachkräfte im Strafrechtssystem für homophobe Gewalt und Hasskriminalität sensibilisieren und die Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden und Berlins LSBT-Communities verbessern. Zusätzlich will es die Anzeigebereitschaft bei Betroffenen und damit die Strafverfolgung von homophoben Delikten verbessern, indem es das Vertrauen von LSBT-Menschen in die Dienste der Polizei und der Staatsanwaltschaft fördert.
Strategien der Opferhilfe MANEO bietet Opfern von Gewalt und Diskriminierung professionelle Beratung und Unterstützung. Opfer fühlen sich oft hilflos und den Interessen z.B. der Polizei, des Justizsystems, der Versicherungsunternehmen oder der Medien ausgeliefert. MANEO nimmt die Ängste und Sorgen von Gewaltopfern und Zeugen ernst und bietet ihnen in schwierigen Situationen Hilfe. MANEO tut nichts, was die Betroffenen nicht wollen. Es bietet Beratung bezüglich des Einbringens einer polizeilichen Anzeige und des Strafverfahrens und hilft dabei, mögliche Alternativen zu berücksichtigen. Es vermittelt Kontakte zu erfahrenen Anwälten, Ärztinnen oder Ärzten oder anderen Unterstützungseinrichtungen. Es begleitet Opfer auch zu polizeilichen Einvernahmen und durch die häufig langwierigen Strafverfahren. Das Einbringen einer polizeilichen Anzeige ist keine Bedingung für Beratung und Unterstützung. Die Beratung ist vertraulich und anonym, wenn das gewünscht wird. Unterstützung steht einmalig oder auf langfristiger Grundlage zur Verfügung. MANEO bietet auch Partnern und Verwandten von Betroffenen sowie Tatzeugen Beratung und Unterstützung.
Partnerschaften und Netzwerke Berliner Polizei und Berliner Staatsanwaltschaft; SOS Homophobie (Frankreich), Lambda/ KPH (Polen); The Rainbow Project (Nordirland) und Pink Cross (Schweiz). Formelle Partnerschaft mit mehr als 140 Organisationen und Einrichtungen über das „Berliner Toleranzbündnis“, das MANEO koordiniert.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Ergebnisse und Herausforderungen Das Engagement von MANEO bei den Behörden führte zur Anstellung spezialisierter Verbindungspersonen im Berliner Polizeidienst (1992) und an der Berliner Staatsanwaltschaft (2012). Dieses Modell wurde von der European Commission against Racism and Intolerance (ECRI) ebenso gewürdigt wie von vielen Strafrechtsexperten. Zusätzlich anerkennt die Polizei nun homophobe Hasskriminalität und veröffentlicht seit 2008 Statistiken darüber. Zudem ist das Vertrauen der LSBT-Bevölkerung in die Strafverfolgungsbehörden gestiegen, wie die wachsende Zahl von Anzeigen zeigt.
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2.6 Transversale Strategien
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Diskriminierende Gewalt ist ein komplexes, facettenreiches Phänomen – Gegenstrategien müssen daher ebenso vielseitig sein. Während die in den vorhergehenden Abschnitten vorgestellten Strategien ausgewählt wurden weil sie ein klares, abgegrenztes Ziel formulieren und kohärente und konkrete Maßnahmen vorschlagen, um gezielt gegen diskriminierende Gewalt vorzugehen, bringen die hier vorgestellten Praxisbeispiele andere Vorgehensweisen mit sich. Sie entwickeln weiter gefasste Strategien, formulieren im Kampf gegen Diskriminierung und Gewalt eine Reihe von Zielen und untergeordneten Zielvorgaben und ein entsprechendes Feld an Maßnahmen und Aktivitäten, um diese zu erreichen. Die in diesem Abschnitt vorgestellten Praxisbeispiele berücksichtigen die Einsicht, dass Hass, Intoleranz und diskriminierende Gewalt alle Bereiche der Gesellschaft durchziehen. Sie sind insofern transversal, als sie unterschiedliche Strategien kombinieren, eine Vielzahl von Beteiligten involvieren, und/oder explizit darauf abzielen, Maßnahmen gegen Diskriminierung und diskriminierende Gewalt in vielen unterschiedlichen Bereichen zu implementieren. Zum Beispiel kann eine Stadt das Thema Diskriminierung auf eine Art bearbeiten, die eine Anzahl von Abteilungen und Referaten innerhalb der Stadtverwaltung involviert und damit die unterschiedlichsten Mandatsträger, Verwaltungsbeamte und Techniker an Bord holt. Dadurch werden das praktische Wissen und die Ressourcen ebenso wie die Möglichkeiten der Dissemination vergrößert, die in ihre Strategien einfließen. Oder ein Gemeindezentrum kann, anstatt sich auf einen spezifischen Aspekt zu konzentrieren, einen breiteren, umfassenderen Ansatz wählen und unterschiedliche Maßnahmen zum Empowerment der Gemeinschaft, zur Unterstützung von Opfern und in der Präventionsarbeit wählen. Solche Ansätze können auch Netzwerke mit einer Vielzahl von Beteiligten sein, die von einem Referat innerhalb der Stadtverwaltung oder einer zivilgesellschaftlichen Organisation koordiniert werden.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Berliner Aktionsplan gegen Homo-und-Transphobie Organisation: Berliner Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung (LADS) Status: Regierungsstrategie Gebiet: Berlin, Deutschland Hauptfinanzierung: bei der Einführung (2010) finanziert durch die Stadt Berlin Webseite & E-Mail: www.berlin.de Mission und Ziele Dieser Aktionsplan beruht auf einem Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses; die Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt“ besteht seit 2010. Sie formuliert eine große Bandbreite an Zielen, unter anderem die Bekämpfung von Homophobie und Transphobie, die Verbesserung von Bildung und Aufklärung an Schulen, die Förderung der LSBT-Forschung in Berlin, die vermehrte Teilnahme von LSBT-Organisationen an Beiräten und Gremien, sowie die Stärkung der rechtlichen Gleichstellung in ganz Deutschland.
Allgemeine Tätigkeit Der ursprüngliche Aktionsplan umfasst mehr als 60 Maßnahmen gegen Homo- und Transphobie in sechs Handlungsfeldern. Darunter sind die Vergabe von Forschungsaufträgen, Antigewaltarbeit und die Förderung von internationalem Engagement. Diese Aktivitäten sollen sich an alle Einwohner von Berlin richten, besonders an die LSBT-Community, sowie Angestellte und Schüler fortbilden.
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Strategien gegen diskriminierende Gewalt Maßnahmen im Bereich der Antigewaltarbeit waren unter anderem die Etablierung eines Kontaktbüros für LSBT-Opfer von Hassdelikten bei der Staatsanwaltschaft, die Durchführung einer Multimedia-Kampagne, die sich an die Öffentlichkeit wandte, um das Problembewusstsein zu erhöhen, sowie die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Bundesbehörden (z.B. Staatsanwaltschaften) und Gewaltbekämpfungsprojekten. Forschungsprojekte mit dem Schwerpunkt Gewaltbekämpfung, die als Teil des Projekts in Auftrag gegeben wurden, waren unter anderem Studien, die sich mit Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen und der Akzeptanz von sexueller Vielfalt in Schulen sowie der deutschen Rechtslage in Bezug auf potentielle Diskriminierung auseinandersetzten. Aktivitäten im Bereich internationales Engagement waren unter anderem die Beteiligung an der Gründung des Rainbow City Network 2013, das darauf abzielt, durch den Austausch von Wissen und Erfahrungen Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Genderidentität in Europa auf lokaler Ebene zu bekämpfen. Mehr als 30 europäische Städte sowie Mexico City (Mexiko) und Sao Paulo (Brasilien) sind heute Teil dieses Netzwerks.
Partnerschaften und Netzwerke Land Berlin, Berliner Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung (LADS) an der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, alle anderen Abteilungen des Berliner Senats, LSBT-Communities und NGOs.
Ergebnisse und Herausforderungen Bisher sind die Ergebnisse dieses Aktionsplans unter anderem ein Anstieg der Zahl von Unterstützungsstrukturen, die der LSBT-Community zur Verfügung stehen, sowie eine größere Zahl von Leitfäden und Sensibilisierungsaktivitäten für die Gemeinschaft im Hinblick auf Themen wie Rechte, Zugang zum Arbeitsmarkt und Schutz. Ein Evaluierungsbericht zu den Ergebnissen des Aktionsplans wurde 2012 veröffentlicht und steht auf www.berlin.de zur Verfügung.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Model Integracji Imigrantów Organisation: Rathaus Gdansk Status: Gemeinde Gebiet: Gdansk, Polen Hauptfinanzierung: Finanzieller Beitrag des Rathauses, externe Mittel aus dem Asyl- und Migrationsfonds und anderen Programmen, Spenden und Sponsoring. Webseite: www.gdansk.pl/migracje/ Model-Integracji-Imigrantow,a,61064 Mission und Ziele Dieses Projekt ist die erste Initiative in Polen, die auf städtischer Ebene einen systematischen Ansatz in Bezug auf Einwanderung sucht. Sie soll die Kapazitäten im Migrationsmanagement in allen öffentlichen und sozialen Einrichtungen von Gdansk entwickeln und die Integration und das Wohlergehen von Einwanderern in allen Bereichen des lokalen Lebens verbessern.
Allgemeine Tätigkeit Das Modell für die Integration von Einwanderern (Model Integracji Imigrantów, MII), auf das dieses Programm aufbaut, ist ein Verwaltungsplan für die Implementierung der operativen Programme der Gdansk 2030 Plus-Entwicklungsstrategie. Es nimmt eine große Bandbreite an Handlungsfeldern in den Blick, darunter Bildung, Kultur, Sozialhilfe, Wohnbau, Gewalt- und Diskriminierungsprävention, lokale Bevölkerungsgruppen, Beschäftigung und Gesundheit.
Strategien gegen diskriminierende Gewalt Die im Dokument skizzierten Strategien sind unter anderem die Anpassung von Universitätsstrukturen, um den Bedürfnissen ausländischer Studierender entgegenzukommen, die Einrichtung und Entwicklung eines Netzwerkes von lokalen Integrationsorganisatoren,
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die Einbeziehung von Einwanderern in das kulturelle und gesellschaftliche Leben der Stadt, die Entwicklung und Implementierung von Antidiskriminierungskodizes in kommunalen Einrichtungen, die Entwicklung einer gesellschaftlichen Kampagne für Gleichbehandlung, die Bereitstellung von Praktika und Beschäftigungsprogrammen für Einwanderer und die Bereitstellung von öffentlicher Wohnbeihilfe für Flüchtlinge.
Partnerschaften und Netzwerke Die im Rahmen dieses Programms durchgeführten Aktivitäten involvierten eine Reihe von Akteuren, um Synergien zu schaffen und eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit zu fördern: unterschiedliche Rathausabteilungen, das Kommunale Familienunterstützungszentrum, das Bezirksarbeitsamt, die Kommunale Polizei, das Europäische Solidaritätszentrum, das Einwandererunterstützungszentrum in Gdansk (NGO), das kommunale Kriseninterventionszentrum sowie unterschiedliche Kultur-, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen und regionale/nationale Medien. International ist die aktive Teilnahme von Gdansk im Eurocities Network (von europäischen Städten) eine Gelegenheit, von erfahreneren Städten zu profitieren und Erfahrungen im Bereich Migration auszutauschen.
Ergebnisse und Herausforderungen Ergebnisse des Projekts sind bisher unter anderem eine Zunahme der Zahl von Einwanderern, die aufgrund besserer öffentlicher Dienste eine Verbesserung ihrer sprachlichen Fähigkeiten sowie ihrer sozialen, gesundheitlichen, psychischen und wirtschaftlichen Situation erfahren haben. Es war zudem eine Zunahme an unentgeltlichen Polnisch- und Englischkursen für Einwanderer, an Einrichtungen und Organisationen, die in den Integrationsprozess von Einwanderern involviert sind, und der Zahl von Einwanderern, die begonnen haben, sich in die polnische Gesellschaft zu integrieren, indem sie an im MII vorgeschlagenen Projekten teilgenommen haben, zu verzeichnen.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Mannheimer Bündnis für ein Zusammenleben in Vielfalt Organisation: Mannheimer Bündnis Status: Ein Bündnis von Akteuren und Betroffenen aus der Zivilgesellschaft und wirtschaftlichen, politischen und Verwaltungsinstitutionen, das die Abteilung für Integration des Stadtrats koordiniert. Gebiet: Mannheim, Deutschland Hauptfinanzierung: Einige Projekte werden durch das Bundesprogramm “Demokratie Leben” finanziert (Deutsches Bundesministerium für Soziales, Familien und Jugend) Webseite: www.mannheim.de/de/service-bieten/integrationmigration/mannheimer-buendnis-fuer-ein-zusammenleben-in-vielfalt Mission und Ziele Dieses Projekt soll gegenseitigen Respekt und Zusammenleben in Mannheim fördern und Diskriminierung entgegenwirken. Zusätzlich soll es Netzwerke und die Dissemination von Wissen fördern und die Sichtbarkeit des Engagements gegen Diskriminierung erhöhen.
Allgemeine Tätigkeit Die Aktivitäten des Bündnisses konzentrierten sich auf seine internen Abläufe (durch kontinuierliche Kommunikation zwischen den Partnern) und externe kommunale Akteure und Strukturen (durch freiwillige gemeinsame Aktivitäten). Es fungiert als Plattform, die unterschiedliche Akteure der Mannheimer Zivilgesellschaft zusammenführt.
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Strategien gegen diskriminierende Gewalt Strategien sind unter anderem Kommunikationskampagnen (über Newsletter und eine Bündniswebseite) und verschiedene Treffen zwischen Bündnispartnern, um Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch, die Bereitstellung von Antirassismus- und Antidiskriminierungsberatung und die Veranstaltung von Aktionstagen zu ermöglichen.
Partnerschaften und Netzwerke Projektpartner sind eine Reihe von Organisationen. Alle Bündnispartner sind Unterzeichner der „Mannheimer Erklärung für ein Zusammenleben in Vielfalt“, die gemeinsam verfasst und vom Stadtrat von Mannheim verabschiedet wurde; sie bekennen sich damit zur Förderung der Vielfalt. Das Netzwerk umfasst NGOs, Basisbewegungen, religiöse Gruppen, politische Parteien und einige große Unternehmen.
Ergebnisse und Herausforderungen Bisher nahmen mehr als 100 Institutionen und Organisationen an Veranstaltungen teil, die das Bündnis organisiert hat. Das führte zum Beispiel dazu, dass die Teilnehmenden sich darauf einigten, die Werte der Mannheimer Erklärung zu teilen. Bis zu 20 Projekte werden jedes Jahr von den Bündnispartnern umgesetzt. Mehr als 250 Bündnis- und Netzwerkpartner nahmen an der feierlichen Gründung des Bündnisses teil (den Bündnisaktionstagen „Vielfalt im Quadrat“). Eine bedeutende Herausforderung war die Definition von Umfang und Grenzen der Aktivitäten der einzelnen Bündnismitglieder als Teil des Bündnisses.
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Zentrum für Chancengleichheit Organisation: Stadt Mouscron Status: Gemeinde Gebiet: Mouscron, Belgien Hauptfinanzierung: Finanziert durch die Kommunalverwaltung für die Implementierung von unterschiedlichen Projekten, die Öffentlichkeitsarbeit für das Zentrum sowie die Schulung des Teams. Webseite & E-Mail: www.mouscron.be, egalite@mouscron.be Mission und Ziele Das transversale strategische Programm der Stadt Mouscron beruht auf den Bedürfnissen und Wünschen der Einwohner. Durch ständigen Dialog mit der Bürgerschaft identifizierte der Stadtrat die Hauptprobleme im Zusammenhang mit Diskriminierung: mangelndes Wissen über bestehende Mechanismen, um Diskriminierung (Stereotypen, Vorurteilen) zu begegnen und darüber, wie mit dem Gefühl der Diskriminierung umzugehen ist. Infolge dieser Erkenntnisse etablierte die Stadt Mouscron im Jahr 2007 das Zentrum für Chancengleichheit, das diskriminierendes Verhalten verhindern, das Bewusstsein darüber erhöhen und die Einstellungen von lokalen Behörden und Bürgerschaft verändern soll, um die Integration von Menschen aus anderen Bevölkerungsgruppen und Kulturen zu verbessern.
Allgemeine Tätigkeit Das Zentrum für Chancengleichheit konzentriert sich auf vier Haupthandlungsfelder: den Einwohner zuhören, sie informieren, Vernetzung mit Einrichtungen, die sich mit Diskriminierung auseinandersetzen, und Aufbau von bewusstseinsbildenden Projekten.
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Strategien gegen diskriminierende Gewalt Die Aktivitäten des Zentrums für Chancengleichheit sind unter anderem Workshops, die sich an die Bevölkerung richten und die Begriffe Stereotyp, Vorurteil und Diskriminierung erklären und ihre enge Verbindung aufzeigen. Eine Chancengleichheits-Charta wurde verfasst, um der Kommunalverwaltung Informationen bezüglich des rechtlichen Rahmens im Zusammenhang mit Diskriminierung und Chancengleichheit zur Verfügung zu stellen. Das Zentrum arbeitet mit der Einheit für solidarische Aktion gegen Belästigung (Cellule d’Actions Solidaires contre le Harcèlement, CASH) und dem Alphabetisierungsnetzwerk in Mouscron (Réseau d’Alphabétisation Mouscronnois, RAM) zusammen und hat „Behindertensport“-Aktionen ins Leben gerufen, ein Einwohnerkomitee zur Konfliktvermeidung organisiert, kulturelle Aktivitäten gefördert und ein Netzwerk mit Nachbarkommunen etabliert.
Partnerschaften und Netzwerke Mitglieder der kommunalen Behörden, verschiedene städtische Gemeindedienste, die Antidiskriminierungs-NGO UNIA, das Föderale Institut für die Gleichheit von Frauen und Männern, Vereine, Schulen, das Zentrum für säkulare Aktion Picardie Laïque und verschiedene Gemeinden. Übereinkommen wurden mit CASH und RAM unterzeichnet.
Ergebnisse und Herausforderungen Die Zahl von Anfragen um Information, Unterstützung, Partnerschaft und Kontakt mit Vereinen und Chancengleichheitsprojekten. Viele Anfragen wurden in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Behörden erledigt oder sind noch in Bearbeitung. Eine Herausforderung ist der Zeitmangel, da die Teammitglieder ihre Zeit zwischen der Arbeit zu Chancengleichheit und Jugendprojekten aufteilen müssen.
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Wachsamkeitsnetzwerk und Diskriminierungsbeobachtungsstelle von Villeurbanne Organisation: Stadt Villeurbanne Status: Gemeinde Gebiet: Villeurbanne, Frankreich Hauptfinanzierung: Finanziert durch die Stadt mit staatlicher Kofinanzierung Webseite & E-Mail: www.villeurbanne.fr, joanna@tralalere.com Mission und Ziele 2008 implementierte die Stadt Villeurbanne ein Wachsamkeitsnetzwerk für Gleichbehandlung und Nicht-Diskriminierung, um diskriminierende Situationen zu identifizieren und darauf zu reagieren und Diskriminierungsopfer über ihre Rechte zu informieren und sie an Rechtshilfe zu verweisen. 2010 wurde dieses Projekt durch die Schaffung einer Diskriminierungsbeobachtungsstelle ergänzt, die über potentielle Diskriminierungen, die in der Stadt identifiziert werden, und den Umgang damit berichtet. Es soll Diskriminierung in der Region beobachten, um ihre Ursachen zu identifizieren und Gegenstrategien zu entwickeln. Zusätzlich soll die Beobachtungsstelle Ressourcenstrukturen für Opfer identifizieren.
Allgemeine Tätigkeit Wachsamkeitsnetzwerk und Beobachtungsstelle führen verschiedene Aktivitäten durch, von der Veranstaltung von Schulungssitzungen, der Bereitstellung von Informationswerkzeugen über Diskriminierung bis zur Veröffentlichung von verschiedenen Dokumenten zu diesem Thema.
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Strategien gegen diskriminierende Gewalt Das Netzwerk führte bisher eine Reihe von Aktivitäten durch, um gegen Diskriminierung vorzugehen, unter anderem die Fortbildung von Fachleuten aus Partnerorganisationen über das Netzwerk, die Organisation von regelmäßigen Treffen zwischen Gesprächspartnern und ihren Mitgliedsorganisationen, die Bereitstellung von Informationstools zu Diskriminierung für die Öffentlichkeit, die Etablierung eines Anwalts-Bereitschaftsdienstes, um Diskriminierungsopfer über ihre Rechte zu informieren und zu beraten, und die Produktion eines Informationsleitfadens, der sich an Fachleute und Partner richtet, der bei der rechtlichen Einordnung von Diskriminierungsfällen helfen soll. Die Beobachtungsstelle veröffentlicht und verbreitet einen Jahresbericht. Zusätzlich führte sie 2013 in der Bevölkerung eine Umfrage zu ihren Diskriminierungserfahrungen und ihrem Wissen über Antidiskriminierungsgesetze durch.
Partnerschaft und Netzwerke Das Netzwerk besteht derzeit aus etwa 15 lokalen Organisationen und hat sich zunehmend zu einer Zusammenarbeit zwischen Beschäftigungs- und Wohnbaufachleuten, Fachleuten in Bezug auf soziale Maßnahmen, Rechtsexperten (Juristen, Anwälte, Staatsanwälte), der Polizei und Soziologen entwickelt.
Ergebnisse und Herausforderungen Seit der Gründung des Netzwerks wurden mehr als 500 Diskriminierungsfälle registriert, 200 Fälle wurden von Partnerorganisationen bearbeitet, 200 Fachleute, die in diesem Bereich arbeiten, wurden fortgebildet, und etwa 3.000 Informationsblätter über Diskriminierung werden jährlich von den Partnern in der Öffentlichkeit verbreitet. Menschen, die durch das Netzwerk unterstützt wurden, berichteten, dass sie sich unterstützt fühlten und wieder Selbstbewusstsein sowie Vertrauen in die Institutionen gewonnen haben. Zudem ist Diskriminierung sichtbarer geworden und wird in Villeurbanne eher bestraft. Das Projekt hat den Anstoß zu weiteren Projekten gegeben (unter anderem in Paris, Grenoble und Lyon).
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Sztafeta Szkół / Stop Mowie Nienawiści Organisation: Stadt Wroclaw, Wroclawer Zentrum für gesellschaftliche Entwicklung (Miasto Wrocław, Wrocławskie Centrum Rozwoju Społecznego, WCRS) Status: Verwaltungseinheit der Gemeinde Wroclaw Gebiet: Wroclaw, Polen Hauptfinanzierung: Vollständig durch die Gemeinde Wroclaw finanziert Webseite: www.wielokultury.wroclaw.pl/stopmowienienawisci Mission und Ziele Der Schulstaffellauf „Stop Mowie Nienawiści” („Stop Hate Speech“) wurde im Oktober 2014 ins Leben gerufen und ist ein städtisches Bildungsprojekt. Er richtet sich an Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Schulverwaltung sowie Angestellte. Das Ziel ist es, in der schulischen Gemeinschaft das Bewusstsein für Hate Speech und Manifestationen von Diskriminierung zu erhöhen. Weitere Ziele sind unter anderem die Sensibilisierung für die rechtlichen und psychischen Auswirkungen von Hasskriminalität, sowie die Motivation der Teilnehmenden, aktiv gegen diskriminierendes Verhalten aufzutreten, wenn es ihnen begegnet.
Allgemeine Tätigkeit Das Staffellauf-Projekt umfasst Vorträge, Workshops und aufklärende Ausstellungen, die jeweils auf unterschiedliche Mitglieder einer Schulgemeinschaft zugeschnitten sind.
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Strategien gegen diskriminierende Gewalt Eine Schlüsselstrategie des Projekts sind Vorträge über die Symbole von Hate Speech für Schulangestellte (unter anderem Hakenkreuz und Keltenkreuz), darüber, wie junge Menschen von extremistischen Gruppen verführt werden, und Methoden, um solche Vorkommnisse an Schulen zu verhindern. Für Schüler werden zweistündige interaktive Workshops über „Stereotype-Voreingenommenheit-Diskriminierung“ abgehalten, um sie darüber zu informieren, was ein Stereotyp ist, wie sich Stereotype von Voreingenommenheit unterscheiden, und wie sie zu Diskriminierungen führen können. Diese Aktivitäten werden durch die Möglichkeit ergänzt, eine unentgeltliche Ausstellung zu zeigen, die 10 Bürger von Wroclaw mit multikultureller Herkunft vorstellt, die Gruppen angehören, die häufig diskriminiert werden. Um gegen Diskriminierungen einzutreten, sprechen diese Menschen über ihr Leben und lassen uns an ihren Meinungen teilhaben.
Partnerschaften und Netzwerke Wirtschafts- und Verwaltungsschule (Zespół Szkół Ekonomiczno-Administracyjnych), regionale Vertretung der Europäischen Kommission in Wroclaw, Hilton Ovo Hotel, Sportclub WKS Schlesien, Polizeidienststellenleitung zum Schutz der Menschenrechte, Stadtpolizei Wroclaw, Wroclawer Integrationszentrum und andere Abteilungen der Stadt Wroclaw.
Ergebnisse und Herausforderungen Den Umfragen zufolge, die nach den Vorträgen durchgeführt wurden, sagen 90-100% der Teilnehmenden, dass sie durch das Projekt mehr über die rechtlichen und psychischen Aspekte von Hate Speech erfahren hätten.
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Barcelonas Strategie gegen Gerüchte Organisation: Kommunaler Bürgerschafts- und Diversitätsrechtsdienst – Stadtrat von Barcelona Status: Gemeinde Gebiet: Barcelona, Spanien Hauptfinanzierung: Vollständig durch die Gemeinde finanziert Webseite & E-Mail: www.ajuntament.barcelona.cat/bcnacciointercultural/en/ Mission und Ziele Im Jahr 2010 initiierte die Stadt Barcelona ein Interkulturalitätsprogramm, das darauf abzielt, aus dem multikulturellen Barcelona (d.h. dem Zusammenleben unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen) ein interkulturelles Barcelona zu machen (d.h. ein vielfältiges Barcelona, das sich auf gemeinsamer Basis an der „Stadtentwicklung“ beteiligt). Dieses Programm wurde in Anlehnung an den Interkulturalitätsplan von Barcelona entwickelt und in einem partizipativen Prozess entworfen. Dieser Plan identifizierte „Unwissenheit über andere“, die oft in Angst und Misstrauen umschlägt und sich über Gerüchte und falsche Stereotype ausdrückt, als eines der größten Hindernisse für Interkulturalität.
Allgemeine Tätigkeit Das Interkulturalitätsprogramm von Barcelona generiert seine eigenen Ressourcen für die Stadt, während es mit der Stadt arbeitet, indem es die interkulturellen Aktivitäten von Organisationen, Diensten, Programmen, Einrichtungen, Schulen, Medien usw. unterstützt. Eine seiner derzeitigen Hauptstoßrichtungen ist die Strategie gegen Gerüchte, die sich zum Ziel setzt, Gerüchte, Vorurteile und Stereotype über kulturelle Vielfalt zu zerstreuen und damit rassistische Einstellungen und diskriminierende Praktiken gegenüber bestimmten Gruppen und Gemeinschaften zu verhindern.
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Strategien gegen diskriminierende Gewalt Die Aktivitäten der Strategie gegen Gerüchte können in drei Hauptarbeitsbereiche eingeordnet werden: 1) Sensibilisierung: darunter fällt die Produktion von Informationsmaterialien (Leitfäden, Handbücher, Comics) und Fortbildungen, die sich an Fachleute, gesellschaftliche Akteure oder Teile der Bevölkerung richten, die bereits sensibilisiert sind, sodass sie zu „Agenten gegen Gerüchte“ werden und Stereotype und Gerüchte dekonstruieren können. 2) Kommunikation: Räume öffnen und Veranstaltungen (Workshops, Theaterstücke, Diskussionen etc.) organisieren, um mit lokalen Medien Kontakt aufzunehmen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Diese Arbeit umfasst auch die Dissemination von Informationen, die Gerüchten entgegenwirken oder positive Erfahrungen bieten. 3) Partizipation: Förderung von koordinierter Arbeit mit lokalen Akteure, die am Netzwerk gegen Gerüchte beteiligt sind.
Partnerschaften und Netzwerke Das Netzwerk gegen Gerüchte, das auch von der Gemeinde Barcelona beworben wird, besteht aus fast 1.000 Mitgliedern, darunter Organisationen und Privatpersonen ebenso wie die Gemeinde selbst.
Ergebnisse und Herausforderungen Es gibt bedeutende Veränderungen in Hinblick auf Partizipation, Arbeitsbereiche, Diskurse gegen Gerüchte und Stereotype, sowie die Art, wie die Botschaft vermittelt wird. Mehr als 1.800 Agenten gegen Gerüchte wurden zwischen 2010 und 2015 ausgebildet und im gleichen Zeitraum wurden mehr als 300 Aktivitäten organisiert.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
Prävention von Gewalt und Verbrechen gegen ältere Mitbürger Organisation: Valenciennes Status: Gemeinde Gebiet: Valenciennes, Frankreich Hauptfinanzierung: Eigenmittel Webseite & E-Mail: www.valenciennes.fr, eaznar@ville-valenciennes.fr Mission und Ziele Im Jahr 2010 hatte Valenciennes etwas mehr als 6.000 ältere Mitbürger, 2016 war ihre Zahl auf etwa 8.000 gestiegen. Ältere Mitbürger wurden aufgrund ihrer körperlichen Schwäche oder ihrer Unwissenheit über bestimmte Risiken wie Betrug zu Zielscheiben von Gewalt und Übergriffen und sogar Straftaten, die von nahen Verwandten und Menschen aus dem Freundeskreis oder Betrügern verübt wurden, die sich als Verwandte ausgaben. Diesem gesellschaftlichen Phänomen wird bisher von lokalpolitischen Entscheidungsträgern noch nicht ausreichend Rechnung getragen, doch der Stadtrat von Valenciennes nahm hier eine Vorreiterrolle ein und entschied bereits 2010, die besonderen Sicherheitsbedürfnisse der älteren Bevölkerung in alle relevanten Maßnahmen einzubeziehen.
Allgemeine Tätigkeit Das allgemeine Ziel des Projekts besteht darin, eine für ältere Mitbürgern einladende und rücksichtsvolle Umgebung zu schaffen, damit sie sich nicht isoliert und angreifbar fühlen. Zu diesem Zweck integrierte die Stadt das Konzept der Kriminalprävention in alle Aspekte ihrer Seniorenpolitik. Drei Aktionsbereiche wurden definiert: Identifikation von gefährdeten älteren Mitbürgern, um sie zu schützen; Sensibilisierung unter Senioren, damit sie sich selbst schützen oder bei Bedarf zumindest die relevanten öffentlichen Einrichtungen kontaktieren können; Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von Senioren und Bereitstellung von angemessenen Gegenmaßnahmen.
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Strategien gegen diskriminierende Gewalt Die Aktivitäten erstrecken sich auf das gesamte Gemeindegebiet. In diesem Sinne sind die geplanten Aktivitäten dieses Projekts: 1) Identifikation und Unterstützung von gefährdeten Menschen: Die Abteilung für soziale Mediation, Beamte, die für den Conciergedienst für Senioren verantwortlich sind, und Freiwillige vom Seniorenrat besuchen regelmäßig ältere Einwohner und identifizieren möglicherweise besorgniserregende Situationen. 2) Sensibilisierung: Ältere Mitbürger können eine große Bandbreite an Informationsaktivitäten nutzen, zum Beispiel Schulungen zur Betrugsprävention, zur Prävention von Cyberkriminalität in Form von EDV-Workshops, sowie zur Sicherheit in der Straßenbahn. 3) Die Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse der älteren Bevölkerung in der übergreifenden Sicherheits- und Präventionspolitik der Kommune: Mehrere Arbeitsgruppen geben in Zusammenarbeit mit dem Seniorenrat Empfehlungen in Bezug auf unterschiedliche Aspekte des Alltags von Senioren ab, die in die lokale Kriminalpräventionsstrategie einfließen (oder von ihr beeinflusst werden) könnten.
Partnerschaften und Netzwerke Die Hauptpartner des Projekts sind die Gemeinde Valenciennes und die Caisse Communale d’Action Sociale (Kommunaler Wohlfahrtsfonds oder CCAS), die auch finanziell die größten Beiträge liefern.
Ergebnisse und Herausforderungen Die Evaluierung von einzelnen Aktivitäten hat bisher sehr positive Resultate ergeben. Im Jahr 2015 nutzten etwa 8.000 ältere Mitbürger mindestens einmal einen präventiven Dienst.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
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Teil 3
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Empfehlungen fĂźr lokale Akteure
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Einführung
>>>>>>>>>>>>>> Dieser Abschnitt entwickelt Empfehlungen für Kommunen und Regionen zur Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene. Wie in Teil 1.3 dargestellt wurde kommt lokalen und regionalen Behörden bei dieser Anstrengung eine zentrale Rolle zu: sie können den politischen Rahmen festlegen, angemessene Ressourcen zur Verfügung stellen und die unterschiedlichen Maßnahmen koordinieren, die von all jenen Akteuren implementiert werden, die zu diesen Bemühungen beitragen können. Mit den folgenden Empfehlungen möchte Efus lokale und regionale Behörden in diesen Bemühungen unterstützen und ihnen konkrete Ideen und Vorschläge bieten. Sie sind eines der Hauptergebnisse des Projekts „Just and Safer Cities for All“, das Ergebnis vieler Diskussionen unter den Projektpartnern, Efus-Mitgliedern, Experten, Wissenschaftlern und Fachleuten, die sich an den vielen Projektaktivitäten beteiligten. Trotz der Bemühung eine große Bandbreite an Aspekten abzudecken, die in der Etablierung derartiger Ansätze zu berücksichtigen sind, sind diese Empfehlungen nicht erschöpfend. Auch werden nicht alle Vorschläge für alle lokalen und regionalen Kontexte geeignet sein – die Realitäten von diskriminierender Gewalt ebenso wie rechtliche und administrative Vorschriften, die den Rahmen für das Vorgehen gegen diese Phänomene vorgeben, sind so vielfältig, dass häufig Anpassungen und Revisionen dieser Empfehlungen notwendig sein werden. Efus freut sich darauf, diese Empfehlungen diskutiert und adaptiert zu sehen und Diskussionen mit Behörden und allen anderen Akteuren fortzusetzen, die bereit sind, einen Beitrag dazu zu leisten, auf lokaler Ebene gemeinsam gegen diskriminierende Gewalt vorzugehen und sie zu verhindern.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
3.1 Verbesserung der Datenlage durch gezielte Sicherheitsaudits
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> In vielen Städten und Gemeinden fehlt fundiertes und detailliertes Wissen über diskriminierende Gewalt. Der Mangel an Klarheit über Definitionen und Begriffe ebenso wie über Häufigkeit, Dynamiken, Auswirkungen und räumliche und zeitliche Verteilung von diskriminierenden Gewalttaten innerhalb einer Kommune oder Region ist problematisch, da stabiles Wissen und eine gute Datenlage wichtige Voraussetzungen für eine adäquate Ressourcenzuteilung sowie die Entwicklung von wirksamen Präventionsmaßnahmen sind. Die Verbesserung von Wissen und Evidenz in Bezug auf das Problem ist daher von allergrößter Bedeutung. Um das Wissen über diskriminierende Gewalt zu verbessern und eine Evidenzbasis für die Entwicklung von Präventionsmaßnahmen zu schaffen, empfiehlt Efus lokalen und regionalen Behörden zum Thema diskriminierende Gewalt lokale Sicherheitsaudits und/ oder Umfragen durchzuführen und dabei adäquate Methoden einzusetzen und auf fachkundige Unterstützung zurückzugreifen;19 routinemäßig bestehende Präventionsstrategien auf Grundlage des gewonnenen Wissens und der Evidenz zu überprüfen und zu evaluieren; regelmäßig Daten zu diskriminierender Gewalt im Gemeindegebiet oder der Region zu publizieren, z.B. in einem Jahresbericht; lokale Sicherheitsfachkräfte in der effizienten Datenerhebung und dem Monitoring von diskriminierender Gewalt in ihrem Arbeitsbereich zu schulen.
19- Efus bietet für derartige Audits fachkundige Unterstützung und technische Hilfe an und hat im Rahmen des AUDITS-Projekts Methoden und Instrumente für einen strategischen Zugang zu urbaner Sicherheit entwickelt (siehe Efus 2016).
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3.2 Abbau der Dunkelziffer
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Die hohe Dunkelziffer bei Vorfällen, die durch Hass, Intoleranz oder andere diskriminierende Einstellungen motiviert sind, wurde von vielen Fachleuten als Hauptproblem identifiziert. Viele Umfragen weisen darauf hin, dass Opfer und Zeugen von diskriminierender Gewalt zögern, sich an die Exekutivorgane oder andere öffentliche Institutionen zu wenden, um Taten anzuzeigen. Dieses Zögern kann auf unterschiedlichste individuelle Motive zurückzuführen sein: die Trivialisierung der Viktimisierungserfahrung, Gefühle von Scham oder Selbstvorwürfe im Zusammenhang mit dem Vorfall, oder die Angst, z.B. durch zuständige Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden nicht ernst genommen zu werden. Das Fehlen von Anzeigen zu diskriminierenden Gewalttaten ist in mehreren Hinsichten problematisch: Die Strafverfolgung der Täter bleibt so häufig aus. Das Sammeln von Daten und Wissen über das Wesen, die Verteilung, die Dynamik und Auswirkungen von Hasskriminalität wird erschwert. Und folglich wird die Entwicklung von Präventionsstrategien verhindert. Efus empfiehlt lokalen und regionalen Behörden daher: Kampagnen zu unterstützen oder zu initiieren, die Opfer von diskriminierender Gewalt ermutigen, diese anzuzeigen und mit den zuständigen Strafverfolgungsbehörden Kontakt aufzunehmen; mit lokalen Minderheitengruppen und ihren Vertretern zu kooperieren um Opfer von diskriminierender Gewalt zu empowern, ihren Zugang zu öffentlichen Einrichtungen zu Verbessern und ihr Vertrauen in diese zu stärken; für lokale Polizeikräfte und andere öffentliche Dienste Schulungsangebote über die Bedürfnisse von Opfern von diskriminierender Gewalt sowie über die institutionellen Abläufe anzubieten, die zu befolgen sind, wenn Fälle angezeigt werden; weitere Maßnahmen zu entwickeln, um die Anzeigebereitschaft zu erhöhen, etwa Anzeigen in Fremdsprachen zu ermöglichen.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
3.3 Bereitstellung von lokalen und niedrigschwelligen Opferhilfeangeboten
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Opfer von diskriminierender Gewalt können aufgrund ihrer Viktimisierung in besonders schwierige Situationen geraten. Um die folgenschweren Konsequenzen in Grenzen zu halten, die derartige Vorfälle haben können, ist es entscheidend, dass lokale und regionale Behörden, die in den Augen der Bevölkerung den Staat repräsentieren, den Opfern gegenüber klar ihre Solidarität und Unterstützung signalisieren. Konkret erfahrbar wird diese Unterstützung für Betroffene vor allem durch ein professionelles und leicht zugängliches Angebot der Unterstützung und Beratung, das Hilfestellung bei der Bewältigung der Tatfolgen anbietet. Da lokale und regionale Behörden die Regierungsebene darstellen, die der Bevölkerung am nächsten ist, sind sie in einer guten Position, um zur Bereitstellung von professionellen und niedrigschwelligen Opferbetreuungsangeboten beizutragen. Wir empfehlen Gemeinden und Regionalbehörden, Opfer von diskriminierender Gewalt durch folgende Maßnahmen zu unterstützen: Zusammenarbeit mit lokalen Minderheitengruppen und ihren Vertretern, um niedrigschwellige, barrierefreie20 und professionelle Opferbetreuungsangebote bereitzustellen, die auf die spezifischen Bedürfnisse von Opfern von Rassismus, LSBT-Feindlichkeit, Sexismus, Antisemitismus und anderen Formen von Diskriminierung zugeschnitten sind; Gewährleistung von verfügbarer und niedrigschwelliger psychosozialer, medizinischer und juristischer Unterstützung für Opfer aus allen Bevölkerungsschichten, auch jener, die in Armut leben, obdachlos sind oder mit Behinderungen leben; Zusammenarbeit mit lokalen Minderheitengruppen, um Opfern Zuflucht zu bieten, die vor sexistischer, rassistischer, LSBT-feindlicher Gewalt oder anderen Formen von diskriminierender Gewalt fliehen müssen;
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20- Besonders ist zu berücksichtigen, dass die Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen gewährleistet ist, da sie häufig mit zusätzlichen Herausforderungen konfrontiert sind, wenn sie Unterstützung und Beratung benötigen.
Unterstützung und Koordination von Austausch und Zusammenarbeit zwischen Opferhilfeorganisationen und öffentlichen Einrichtungen wie Strafverfolgungsbehörden, Schulen und Universitäten, Krankenhäusern und Kulturzentren.
3.4 Lokale und regionale Behörden in federführender Rolle in Präventionsnetzwerken
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Gemeinden und Regionalbehörden leiten oft kommunale Kriminalpräventionsnetzwerke oder Gremien, die sich direkt mit einer Vielfalt von Fragen und Themen im Zusammenhang mit urbaner Sicherheit auseinandersetzen. Derartige Netzwerke binden eine große Bandbreite an Akteuren ein, unter anderem Strafvollzugsbehörden, Schulen, Sportund Jugendklubs, Kirchen etc., die zur Gestaltung, Implementierung und Dissemination von Präventionsaktivitäten beitragen können. Diskriminierende Gewalt steht unter den Fragen, die derartige Gremien oder Netzwerke bearbeiten, häufig nicht an prominenter Stelle, da ihnen manchmal die notwendigen Ressourcen oder Fachkenntnisse fehlen oder angenommen wird, dass für dieses Problem andere Abteilungen oder Referate innerhalb der Verwaltung verantwortlich sind. Damit kommunale Kriminalpräventionsnetzwerke in Zukunft einen besseren Beitrag zur Prävention von diskriminierender Gewalt leisten können empfiehlt Efus lokalen und regionalen Behörden: darauf zu drängen, dass diskriminierende Gewalt in die Liste von Themen aufgenommen wird, die von lokalen Präventionsgremien/-netzwerken behandelt werden, und hierzu ausreichende Mittel zur Verfügung zu stellen; Interaktion und Austausch zwischen mit Prävention befassten Stellen und Akteuren einer- und Führungspersönlichkeiten von marginalisierten oder von diskriminierender Gewalt betroffenen
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
lokalen Bevölkerungsgruppen andererseits zu fördern, damit die Bedürfnisse und Anliegen dieser Gruppen in der lokalen Präventionsarbeit besser berücksichtigt werden können; klare Kriterien und Standards zu entwickeln, die Kooperationspartner einzuhalten haben, um eine Zusammenarbeit mit oder Legitimierung von Akteuren in der kommunalen Kriminalprävention zu vermeiden, die Vorurteile und Intoleranz verbreiten.
3.5 Eine sichtbare Rolle für lokale und regionale Mandatsträger
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und andere lokale und regionale Mandatsträger spielen in der Gestaltung von urbanen Sicherheitsmaßnahmen eine wichtige Rolle. Ihre Rolle, sowohl in Krisensituationen als auch in ihrem alltäglichen Management, besteht darin, der Bevölkerung ohne Ansehen ihres ethnischen, kulturellen oder religiösen Hintergrunds, ihrer Geschlechtsidentität oder sexuellen Orientierung, ihrem rechtlichen oder sozioökonomischen Status, einer Behinderung oder Obdachlosigkeit einander näher zu bringen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern. Lokale und regionale Mandatsträger sind dafür zuständig, die Rahmenbedingungen zu gestalten, innerhalb derer lokale Verwaltungen, kommunale Sozialarbeiter, zivilgesellschaftliche Organisationen und andere Akteure arbeiten, um diskriminierender Gewalt entgegenzuwirken. Sie entscheiden über politische Prioritäten, bestimmen Budgetentscheidungen und haben einen wesentlichen Einfluss auf die öffentliche Diskussion. Um Befugnisse und Einfluss von lokalen und regionalen Mandatsträgern im Kampf gegen diskriminierende Gewalt in vollem Umfang zu nutzen empfiehlt Efus: öffentlich eindeutig gegen alle Formen von Diskriminierung und ähnliche Gewaltformen Stellung zu beziehen, besonders unmittelbar
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nach Fällen, die in der Öffentlichkeit stark wahrgenommen wurden, um derartige Taten eindeutig zu delegitimieren und zu ächten; lokale und regionale Koalitionen gegen diskriminierende Gewalt zu leiten und zu koordinieren und ihre breite Anerkennung und Dissemination innerhalb der urbanen Gesellschaft sicherzustellen, und damit die Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen Behörden zu verbessern; zu Gegennarrativ-Kampagnen beizutragen, die klare und attraktive Alternativen zu Vorurteil, Hass und Intoleranz aufzeigen.21
3.6 Schulung von Mitarbeitern mit Bevölkerungskontakt und anderen Akteuren auf lokaler und regionaler Ebene
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Da diskriminierende Gewalt ein komplexes Thema ist, ist die Dissemination von Information und Wissen darüber äußerst wichtig. Dies betrifft nicht nur Erscheinungsformen, Vorkommen und Dynamik von diskriminierenden Handlungen, sondern ebenso die Methoden zu ihrer Bekämpfung. Wissen und Erfahrungen, die im Rahmen bereits implementierter Projekte die zu diesem Thema gesammelt werden, können eine wichtige Inspirationsquelle für künftige Gegenstrategien bieten, wenn sie gesichert und breit geteilt werden. Schulungen und Trainings bieten einen guten Rahmen um Information und Wissen zu einer großen Bandbreite an Phänomenen im Zusammenhang mit Gewalt und Kriminalität weiterzugeben. Besonders wirkungsvoll sind Trainingsmethoden, bei denen die Teilnehmenden Gelegenheit haben, konkrete Verhaltensweisen und Strategien einzuüben, um diskriminierender Gewalt zu begegnen und sie zu verhindern. Drei Berufsgruppen sollten bei Schulungsangeboten unbedingt 21- Zur Bedeutung von Gegennarrativ-Kampagnen für die lokale Prävention einer Radikalisierung, die zu gewalttätigem Extremismus führt, siehe Efus 2017: 87ff. Ebenso entscheidend sind Gegennarrative für die Prävention von diskriminierender Gewalt.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
berücksichtigt werden: Polizeibedienstete, soziale Dienstleister und Fachkräfte im Justizwesen. Während alle diese Gruppen von einer Einführung in Wissensstand und Begriffe profitieren werden, benötigen sie zusätzlich weiterführende Schulungen, die spezifisch auf ihre tagtäglichen beruflichen Aufgaben eingehen. Efus empfiehlt, Schulungen anzubieten, die sich an folgende Gruppen richten: Polizeibedienstete, um sie darauf vorzubereiten, Fälle von diskriminierender Gewalt besser zu identifizieren, sie zu befähigen, den Opfern bessere Unterstützung zukommen zu lassen, und sicherzustellen, dass sie Standards der Menschenrechte und Nicht-Diskriminierung respektieren und für sie eintreten; Mitarbeitende lokaler und regionaler Behörden und Einrichtungen mit direktem Bevölkerungskontakt, etwa Sozialarbeiter, Lehrkräfte und Erzieher sowie medizinisches Fachpersonal, um sie über bestehende Protokolle gegen Hass und Intoleranz und zur Opferhilfe zu informieren; Fachkräfte im Justizwesen, um die effiziente Ermittlung und Strafverfolgung von Hassdelikten und anderen Gewalttaten aufgrund von Diskriminierung zu gewährleisten.
3.7 Kooperation mit Strafverfolgungsbehörden
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Die Strafverfolgungsbehörden spielen eine entscheidende Rolle in der gesellschaftlichen Reaktion auf Hasskriminalität und diskriminierende Gewalt. Tatsächlich sind Polizistinnen und Polizisten gewöhnlich die ersten, die an den Tatort kommen, das Opfer unterstützen und Ermittlungen über den Vorfall anstellen. Staatsanwälte und Richter haben einen wichtigen Anteil daran, diskriminierende Tatmotivationen sowie ihre Auswirkungen auf die Opfer den breiteren gesellschaftlichen Kontext zu erkennen. Sowohl Polizei als auch Justiz sind entscheidend für die Erfassung und Dokumentation von diskriminierender Gewalt
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und erzeugen so Evidenz und Wissen in Bezug auf derartige Phänomene, was eine Voraussetzung für die Entwicklung und Implementierung von wirksamen Gegenstrategien ist (siehe ODIHR 2009b: 27). Efus engagiert sich seit langem für eine enge Zusammenarbeit zwischen lokalen und regionalen Behörden und Strafverfolgungsorganen, die einen wesentlichen Faktor für den integrierten und kooperativen Zugang zu urbaner Sicherheit darstellen. Lokale und regionale Behörden können eine kritische Rolle in der Verbesserung der Beziehungen zwischen Polizei, Justiz und Bevölkerung spielen.22 Um die Strafverfolgungsbehörden besser in Strategien gegen diskriminierende Gewalt einzubinden, empfehlen wir Gemeinden und Regionalbehörden sowie Exekutivorganen: die Etablierung von Ansprechpersonen als Kontaktstellen für Opfer von diskriminierender Gewalt zu prüfen 23; zusammenzuarbeiten, um Austausch und Kommunikation mit lokalen Betroffenengruppen zu intensivieren, z.B. migrantische, LSBT-, Flüchtlings- oder Roma-Gruppen; lokale oder regionale Arbeitsgruppen mit Führungspersönlichkeiten von betroffenen Bevölkerungsgruppen zu etablieren, um regelmäßigen Austausch zu pflegen, die Entwicklung von diskriminierender Gewalt zu beobachten und gemeinsame Gegenstrategien zu entwickeln.
22- Efus tritt für formelle Sicherheitspartnerschaften zwischen Gemeinden und Regionalbehörden und der Polizei ein, für die Integration von Prävention, Verhaltenskodizes und Schulungen für Polizisten, interkommunalen Austausch für Exekutivorgane und Aktionsprogramme, um Kommunikation und Kontakt zwischen Polizeikräften und der Öffentlichkeit, insbesondere jungen Menschen zu fördern (siehe Efus 2012: 21). 23- Einige Städte und Regionen haben bereits derartige Kontaktstellen in ihren Exekutivbehörden oder ihrer Verwaltung etabliert, und sie gelten weithin als gute Praxis; siehe z.B. ECRI 2014: 24f.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
3.8 Diversität und Sensibilisierung innerhalb lokaler und regionaler Verwaltungen
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Gemeinden und Regionalbehörden stellen allen Mitgliedern der lokalen Öffentlichkeit wesentliche öffentliche Dienste zur Verfügung, unabhängig von deren religiöser oder ethnischer Identität, Behinderung oder wirtschaftlichem Status, sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität etc. Um die Anliegen und Bedürfnisse ihrer vielfältigen Öffentlichkeit berücksichtigen zu können, sollte ihre Belegschaft diese Vielfalt wiederspiegeln. Um breites öffentliches Vertrauen in öffentliche Einrichtungen zu ermöglichen, ist es wichtig, dass der öffentliche Dienst für die Diversität der Bevölkerung repräsentativ ist. Nur so kann dem Eindruck entgegengewirkt werden, öffentliche Einrichtungen wären gegenüber Angehörigen bestimmter sozialer Gruppen voreingenommen. In einer Zeit, in der öffentliche Dienste unter zunehmendem Druck und öffentlicher Kritik stehen, sind entschiedene Bemühungen um größere Vielfalt, Repräsentativität und größeres Vertrauen wichtiger als je zuvor. Wir empfehlen lokalen und regionalen Behörden daher: sich darum zu bemühen, weibliches Personal und Personal mit Minderheitshintergrund zu rekrutieren, um innerhalb ihrer Belegschaft die Diversität der Bevölkerung, der sie dienen, besser zu repräsentieren; mit lokalen Bevölkerungsgruppen zusammenzuarbeiten, um zu analysieren, wie ihre Dienste arbeiten und institutionelle Hindernisse zu identifizieren, die bestimmte gesellschaftliche Gruppen am Zugang zu diesen Diensten hindern; mit Forschung und Praxis zu kooperieren, um Programme, Standards und Indikatoren im Hinblick auf Schulungen zu Diversität und diskriminierender Gewalt zu entwickeln, und einzelne Mitglieder ihrer Belegschaft zu internen Diversity-Beauftragten auszubilden.24
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24-Zur Notwendigkeit solcher Schulungen siehe auch Coester 2017: 1f.
3.9 Förderung von frühzeitiger Prävention / Primärprävention
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Um diskriminierende Gewalt zu verhindern, haben sich Sensibilisierungsmaßnahmen und das Vermitteln von kritischem Denken über Diversität, Differenz, Voreingenommenheit und Vorurteile bei Kindern und Jugendlichen als wirksam erwiesen. Um junge Menschen zu erreichen und ihre Widerstandskraft gegen Hass und Intoleranz zu stärken, müssen alle Akteure involviert werden, die an der Erziehung und Bildung von Kindern beteiligt sind. Um die frühzeitige Prävention bzw. Primärprävention von diskriminierender Gewalt zu stärken, empfehlen wir Gemeinden und Regionalbehörden: eine Vermittlerrolle zwischen dem Bildungssystem – vom Kindergarten bis zur Universität – und lokalen Betroffenengruppen und ihren Führungspersönlichkeiten einzunehmen, um bei der Entwicklung und Implementierung von Frühpräventionsprogrammen zu vermitteln; zur Etablierung von Aktionsplänen gegen Hass und Intoleranz in Bildungseinrichtungen beizutragen; die Entwicklung von Programmen zu politischer Bildung und Schulungsmodulen zur Sensibilisierung für Diskriminierung und Vorurteile und zur Förderung der Resilienz gegen Intoleranz und Hass in allen Altersgruppen zu unterstützen.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
3.10 Kooperation und Austausch mit der nationalen und europäischen Regierungsebene
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Efus tritt seit Langem für ein hohes Maß an Koordination zwischen Städten, Regionen und nationalen sowie supranationalen Regierungen und Einrichtungen ein, und betrachtet dies als Schlüsselelement einer effizienten und erfolgreichen Politik zur Verbesserung der urbanen Sicherheit (siehe Efus 2012: 46ff).25 Die Interaktion zwischen den verschiedenen Regierungsebenen ist allerdings in vielen Ländern verbesserungsbedürftig – dies betrifft insbesondere die Klärung der Verteilung von Aufgaben und Zuständigkeiten unter diesen Ebenen, die für das Vertrauen der Bevölkerung in ihre öffentlichen Institutionen unabdingbar ist. Um effizient gegen diskriminierende Gewalt vorzugehen und sie zu verhindern, müssen die Kompetenzen und Ressourcen der unterschiedlichen Regierungsebenen wirksam miteinander verbunden werden und einander ergänzen. Wissen muss geteilt werden, Strategien und Maßnahmen müssen koordiniert und potentielle Synergien identifiziert und weiterentwickelt werden. Um die Koordinierung und Kooperation zwischen den unterschiedlichen Regierungsebenen zu verbessern und lokale Maßnahmen zu stärken, empfiehlt Efus Gemeinden und Regionalbehörden: aus dem Wissen, den Fachkenntnissen und den Instrumenten zu schöpfen, die FRA, ECRI, ODIHR und andere supranationale Organe sowie einschlägige nationale Institutionen bieten, z.B. bei Planung und Implementierung von Schulungseinheiten für lokale Fachkräfte; auf die Etablierung von Arbeitsgruppen aus lokalen, regionalen und nationalen Akteuren zu drängen, um relevante Daten zu diskriminierender Gewalt zu sammeln und diese mit supranationalen Institutionen zu teilen26;
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25- Eine eingehende Diskussion dazu siehe auch Crowley 2015. 26- Siehe insbesondere das Beispiel Deutschlands, das Kugelmann (2015: 43ff) diskutiert. Derartige Kooperationen werden notwendig sein, um dem ODIHR-Instrument zur Anzeige von Hasskriminalität www.hatecrime.osce.org umfassende Daten zu liefern.
die Instrumente und Unterstützungsangebote von europäischen Institutionen zu bewerben, unter anderem auch die Finanzierungsmöglichkeiten für Aktivitäten gegen Intoleranz und Hass, sowie den Zugang zu derartigen Angeboten für lokale NGOs zu erleichtern.
3.11 Kooperation mit lokalen und regionalen Medien
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Lokale und regionale Medien spielen eine wichtige Rolle in der Reaktion auf diskriminierende Gewalt. Ihre Berichterstattung über Hassgewalttaten, diskriminierende Praktiken und deren Auswirkungen auf einzelne Opfer kann die öffentliche Wahrnehmung beeinflussen. Sie kann entweder zur Verstärkung von Vorurteilen und Intoleranz beitragen oder das Problembewusstsein erhöhen und Sensibilität und Solidarität fördern. Medien können die öffentliche Aufmerksamkeit auf diskriminierende Gewalt lenken und dadurch helfen, das Thema auf die öffentliche und politische Tagesordnung zu setzen. Um angemessen und ausgewogen berichten zu können, benötigen Journalisten allerdings Wissen und Hintergrundinformationen in Bezug auf das Thema. Sie müssen den Blickwinkel der Opfer berücksichtigen und die Konsequenzen ihrer Berichterstattung für diese Gruppen in Betracht ziehen. Ferner haben Social Media-Unternehmen eine besondere Verantwortung, auf hasserfüllte Aussagen (Hate Speech) zu reagieren, die auf ihren Plattformen getätigt werden. Um eine angemessene Berichterstattung durch lokale und regionale Medien zu unterstützen, legt Efus lokalen und regionalen Behörden nahe: mit lokalen und regionalen Medien zu kooperieren, um Informationen zu diskriminierender Gewalt auf ihrem Gebiet zu liefern und einen Austausch über die Blickwinkel von Behörden und betroffenen Bevölkerungsgruppen auf dieses Problem zu schaffen;
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen
einen Rahmen zu schaffen, in dem Medienvertreter, lokale Bevölkerungsgruppen und anderen Betroffene problematische Publikationen und ihre Konsequenzen gemeinsam diskutieren und auf sie reagieren können; sicherzustellen, dass Mechanismen bestehen, um den Inhalt von Fernsehprogrammen sowie Print- und Online-Veröffentlichungen zu bewerten, um diskriminierende Inhalte zu verhindern und eine öffentliche Diskussion solcher Inhalte zu initiieren.
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Prävention von diskriminierender Gewalt auf lokaler Ebene: Praxisbeispiele und Empfehlungen Diskriminierende Gewalt ist in Europa weit verbreitet und stellt eine reale Gefahr für die öffentliche Sicherheit, den sozialen Zusammenhalt und die Integration dar. Um diesem Phänomen entgegen zu wirken sind vielseitige Ansätze auf der lokalen Ebene notwendig, die Aspekte der Bildungs- und Aufklärungsarbeit, des Empowerments und der Kriminalprävention, der Opferhilfe und der akteursübergreifenden Zusammenarbeit umfassen. Diese Publikation stellt den Begriff der diskriminierenden Gewalt vor, dokumentiert 50 vielversprechende Praxisbeispiele aus ganz Europa und bietet lokalen und regionalen Akteuren Empfehlungen dazu, wie Präventionsarbeit gegen Hass, Intoleranz und Vorurteile erfolgreich umgesetzt werden kann.
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