European Forum for Urban Security
Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit Um angemessene lokale Maßnahmen zur Verbesserung der individuellen und kollektiven Sicherheit ergreifen zu können, ist ein klares, präzises Bild der Kriminalität und der Wahrnehmung der Sicherheit durch unterschiedliche Bevölkerungsgruppen notwendige Voraussetzung. Ziel des vorliegenden Leitfadens ist es, europäische Lokalpolitiker und Fachkräfte dazu zu ermutigen und dabei zu unterstützen, ihre Sicherheitspolitik auf der Grundalge zuverlässiger, vor Ort erfasster Informationen und Daten zu entwickeln und regelmäßig zu überarbeiten.
Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Dieses Buch wird vom Europäischen Forum für Urbane Sicherheit (Efus) veröffentlicht und ist das Ergebnis des Projektes „Methodologische Tools für die Festlegung lokaler Sicherheitspolitik in Europa (AUDITS)“, das zwischen 2013 und 2016 durchgeführt wurde. Es wurde von Carla Napolano und Sebastian Sperber, Programmleiter, unter Leitung von Elizabeth Johnston, Executive Director, mit Beiträgen der Projektexperten Sohail Husain und Francesc Guillén Lasierra sowie der Projektpartner produziert. Seine Verwendung und sein Nachdruck sind gebührenfrei, sofern sie nicht zu kommerziellen Zwecken erfolgen und die Quellen genannt werden. Übersetzung: Helga Birkl und Charlotte Grill Layout: Michel & Michel – micheletmichel.com Druck: Cloître Imprimeurs, Saint-Thonan - Frankreich ISBN: 2-913181-47-3 Hinterlegung des Pflichtexemplars: Juni 2016 Europäisches Forum für Urbane Sicherheit 10 rue des Montiboeufs, 75020 Paris - Frankreich Tel.: + 33 (0)1 40 64 49 00 contact@efus.eu - www.efus.eu
Mit der finanziellen Unterstützung des Programms Kriminalprävention und Kriminalitätsbekämpfung der Europäischen Kommission – Generaldirektion für Inneres. Die Inhalte dieser Publikation bringen nicht die Meinung der Europäischen Union zum Ausdruck. Die Verantwortung für die darin geäußerten Informationen und Ansichten liegt ausschließlich bei den Verfassern.
European Forum for Urban Security
Methoden und Instrumente fĂźr einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
Danksagungen
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Das AUDITS-Projekt konnte mit Unterstützung der Vertreter des französischen, deutschen und italienischen Forums für urbane Sicherheit, der Städte Rotterdam und Stuttgart als Partner und der Vertreter des belgischen und des portugiesischen Innenministeriums, des Belgischen Forums für Prävention und urbane Sicherheit sowie der Stadt Brüssel als assoziierte Partner zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden. Wir danken den Städten Augsburg, Düsseldorf, Modena und Montreuil sowie ihren offiziellen Vertretern und Mitarbeitern ebenso wie den Projektexperten für ihre wertvollen Beiträge. Neben der Europäischen Kommission und ihrer finanziellen Unterstützung, ohne die dieses Projekt und seine Publikation nicht möglich gewesen wären, möchten wir auch all denjenigen danken, die uns bei unseren Ortsbesichtigungen betreut haben oder die bei der Abschlusskonferenz in Rotterdam am 3. und 4. Dezember 2015 als Gastredner aufgetreten sind.
Projektpartner Ineke Nierstrasz, Robert De Vette, Suzanne Van Den Berge (Rotterdam, Niederlande), Martin Schairer, Gunter Schmidt (Stuttgart, Deutschland), Michel Marcus, Vanina Hallab, Emilie Petit (Französisches Forum für urbane Sicherheit - FFSU), Samanta Arsani (Italienisches Forum für urbane Sicherheit - FISU), Claudia Heinzelmann (Deutsches Forum für urbane Sicherheit - DEFUS).
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Assoziierte Partner Laetitia Nolet (Belgisches Forum für Prävention und urbane Sicherheit), Véronique Ketelaer, Thierry Hendrickx (Stadt Brüssel, Belgien), Lieven D’Hauwe, Didier Vanbesien (Belgisches Innenministerium), Pedro Barreto (Portugiesisches Innenministerium).
Experten Sohail Husain (Analytica Consulting, GB), Francesc Guillén Lasierra (Generalitat de Catalunya, Spanien) und Svetislav Paunovic (Europarat).
Weitere Mitwirkende André Vervooren, Afke Besselink, Rien Van Der Steenoven, Erik Snel, Margrietha 't Hart, Arjen Leerkes, Geoffrey Oliviera (Rotterdam, Niederlande), Dirk Wurm, Diana Schubert, Janina Hentschel, Andreas Gleich (Augsburg, Deutschland), Yvano De Biasio (Belgisches Forum für Prävention und urbane Sicherheit), Giovanna Rondinone, Vittorio Martinelli, Rosa Prete, Antonio Assirelli, Franco Chiari, Antonietta De Luca (Modena, Italien), Giovanni Sacchini (Region Emilia Romagna, Italien), Eleonora Lega (Italienisches Forum für urbane Sicherheit FISU), Muriel Capet, Sophie Le Bihan (Montreuil, Frankreich), Tanja Schwarzer, Jennifer Kühnel (Düsseldorf, Deutschland), Mandy Mucha, Thomas Scheuchenpflug (München, Deutschland), Radim Bureš (Transparency International, Tschechische Republik), Alena Horáková, Adolf Polák (Tschechisches Innenministerium), Andrzej Bojanowski, Tadeusz Bukontt, Leszek Walczak, Miłosz Jurgielewicz (Danzig, Polen), Janina Czapska, Katarzyna Jurzak-Maczka, Piotr Macynski, Jakub Maczka (Jagiellonen-Universität, Krakau, Polen), Gregor Burkhart (Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, EBDD), Burkhard Hasenpusch, Frederick Groeger-Roth (Landespräventionsrat Niedersachen, Deutschland), Samuel Thirion (SPIRAL), Patrick Wincke (Observatoire national de la violence dans le sport, Frankreich), Gilda Farrell (CARMEN, Portugal), Regine Serra, Tommaso Vitale, Mathieu Zagrodzki (Institut d'études politiques de
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
Paris, Frankreich), Alexandre Reznikow, Catalina Ramirez Palau, Charlie Mitchell, Ewen Frondillon, Kwame Boye Frimpong, Juliette Baron (Studenten des Institut d'études politiques de Paris, Frankreich), Jenny Ewels (Liverpool, GB), Chris Williams (Home Office, GB), Lizzie Peters (London, GB), Thomas Görgen (Deutsche Hochschule der Polizei, Münster, Deutschland), Renate Soellner (Universität Hildesheim, Deutschland), Wolfgang Bandilla (GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften, Mannheim, Deutschland).
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Inhaltsverzeichnis
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Vorwort.......................................................................... S. 8 Einführung...................................................................S. 10 Kapitel 1 - Ein strategischer Ansatz zur urbanen Sicherheit......................................................................S. 15 I. Ein international etablierter und anerkannter Ansatz................ S. 16 II. Lokale Sicherheitsanalysen im Mittelpunkt eines strategischen Ansatzes zur urbanen Sicherheit.................... S. 18
Kapitel 2 - Politik und Nachhaltigkeit ..................... S.31 I. Wie wird das Verfahren überschaubar und handhabbar?.......... S. 33 II. Aktuelle Herausforderungen für das Analyseverfahren............ S. 35
Kapitel 3 - Methoden und Mittel für die Umsetzung ......................................................S. 37 I. Kennen und verstehen............................................................... S. 39 II. Entwicklung einer Strategie...................................................... S. 64 III. Ergreifen von Maßnahmen...................................................... S. 70 IV. Evaluierung und Überprüfung................................................. S. 75 V. Mobilisation und Partizipation................................................. S. 78
Referenzen und Bibliographie...................................S. 88
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
Vorwort
>>>>>>>>>>>>>>>>> Ein klares, präzises Bild der Kriminalität in einem bestimmten Gebiet und der Wahrnehmung der Sicherheit durch einzelne Bevölkerungsgruppen sind notwendige Voraussetzungen für die Ergreifung angemessener lokaler Maßnahmen zur Verbesserung der individuellen und kollektiven Sicherheit. Vor dem Hintergrund finanzieller Einschränkungen und konkreter Anforderungen in punkto Transparenz müssen Gemeinden und Regionen ihre Investitionen mehr denn je unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Kenntnisse und Fakten rationalisieren. Mit diesem zweiten Leitfaden Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit will Efus politischen Entscheidungsträgern, insbesondere auf lokaler Ebene, die notwendigen Instrumente und das erforderliche Wissen an die Hand geben, um eine klare Vorstellung von der örtlichen Sicherheitslage zu bekommen und ihre Sicherheitspolitik entsprechend zu planen. Dieser Ansatz wird vom Europäischen Forum für urbane Sicherheit (Efus) seit langem gefördert, das unter anderem in seinem Manifest von Aubervilliers und Saint-Denis von 2012 darauf hinweist, dass „Politik muss stets den technischen und wissenschaftlichen Kenntnisstand berücksichtigen und entsprechende Voraussetzungen schaffen. Dazu müssen sich die Städte mit den notwendigen Mitteln ausstatten, um sicherzustellen, dass ihre Politik durch qualitativ und quantitativ fundierte Informationen geleitet und bestimmt wird und nicht auf Vorurteilen oder ideologischen Parolen beruht. Sie verpflichten sich zur systematischen Bewertung ihrer Präventionsinitiativen, um deren Wirksamkeit zu erhöhen und die Prävention dadurch professioneller zu gestalten.“ In diesem Leitfaden, der im Nachgang zu der Efus-Publikation von 2007 Guidance on Local Safety Audits: A Compendium of International Practice erscheint, betont Efus einmal mehr die Notwendigkeit, akademisches Wissen mit Kriminalpräventionsprogrammen und Methoden zu verknüpfen. Ausgehend von den praktischen Aspekten dieses Ansatzes erläutert dieser neue Leitfaden, wie lokale Sicherheitsanalysen als Dreh- und Angelpunkt eines strategischen Ansatzes für urbane Sicherheit dienen können, der auf örtliche Probleme und Bevölkerungsgruppen ausgerichtet ist. Er zeigt, wie dies in die Praxis umgesetzt werden kann, und stellt Beispiele für Methoden und Instrumente für einzelne Phasen des Verfahrens vor.
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Der strategische Ansatz ist keine „neue Methode“, sondern ein Ansatz, der die Kohärenz zwischen den einzelnen, grundlegenden Phasen der Konzeption und Umsetzung einer globalen und lokalen Sicherheitspolitik gewährleisten soll. In Abhängigkeit von der Situation vor Ort müssen manche Gemeinden vor allem die Analyse stärken, während andere sich verstärkt auf die Umsetzung konzentrieren müssen. Entscheidend ist in jedem Fall, dass der strategische Ansatz auf lange Sicht hin ausgerichtet ist und kein einmaliges Unterfangen ist. Eine besondere Herausforderung ist in diesem strategischen, ganzheitlichen Ansatz zur Sicherheit die Frage nach der Einbeziehung der Bürger. Überall in Europa gibt es unterschiedliche Ansätze für die Bürgerbeteiligung, aber im Allgemeinen betreffen diese Unterschiede vor allem die Informationen zum Thema Sicherheit und weniger die effektive Zusammenarbeit von staatlichen Instanzen und Zivilgesellschaft. Auf Basis des Efus-Manifestes erläutert der Leitfaden, wie diese Kooperation implementiert werden kann: „Mit der Entscheidung, die Inhalte unserer Konferenz auf die Zukunft der Prävention auszurichten, wollen die Efus-Mitglieder eine optimistische Dynamik hervorrufen um der lähmenden Logik der Angst zu begegnen. Durch die Ablehnung des Fatalismus einer Krisenkonjunktur haben wir die Möglichkeit, Spielräume und Entwicklungsmöglichkeiten zu erkennen und zu nutzen. Die Entscheidung für Prävention gilt als rationale, strategische Alternative mit einem optimalen Kosten-Nutzen-Verhältnis. Vor dem Hintergrund von Etatkürzungen und finanziellen Umstrukturierungen, die in den kommenden Jahren unerlässlich sein werden, müssen die Akteure der Sicherheit gesteigerte Kreativität und Pragmatismus verknüpfen. Das Streben nach Effizienz unterstreicht die Bedeutung von Partnerschaften und einer funktionierenden Arbeitsbeziehung zwischen staatlichen und privaten Beteiligten an einem Gemeinschaftsprojekt.“ Ziel des vorliegenden Leitfadens ist es, europäische Lokalpolitiker und Fachkräfte dazu anzuhalten und dabei zu unterstützen, regelmäßig über ihre Sicherheitspolitik zu informieren und diese auf Grundlage vor Ort gesammelter, zuverlässiger Informationen und Daten zu überarbeiten. Dieser Ansatz ist der beste und sicherste Weg, um Prävention als effektive und kosteneffiziente Antwort auf Verbrechen zu stärken und zu fördern. Elizabeth Johnston Executive Director
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
Einführung
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Die Gewährleistung eines sicheren und gefahrlosen Umfelds für die Bürger gehört zu den grundsätzlichen Aufgaben eines Staates. Zwar waren dafür durch die Geschichte hindurch vorwiegend Polizei und Strafjustiz zuständig, doch haben sich in den letzten 25 Jahren neue Ideen und Ansätze entwickelt und in vielen Ländern bietet sich heute ein ganz anderes Bild. In europäischen Städten haben mehrere wichtige und sich gegenseitig bedingende Trends zu der Erkenntnis geführt, dass Schutz und Sicherheit abhängen von:
Präventionsmaßnahmen, die Verbrechen verhindern, in dem sie auf die Risikofaktoren zielen, die zu Kriminalität führen – zusätzlich zu Abschreckungsmaßnahmen und der Festnahme von Straftätern;
Lokalen Persönlichkeiten, die eine Führungsrolle einnehmen, und allgemein der Anerkennung, dass neben Polizei und Justizapparat auch zahlreiche andere Akteure wie öffentliche Dienstleister, Bürger, Unternehmen und die Zivilgesellschaft einen wichtigen Beitrag zur urbanen Sicherheit leisten können;
einer umfassenden Zusammenarbeit und Partnerschaft verschiedener Behörden, die alle Bereiche der Gesellschaft einbezieht und aktive Bürgerbeteiligung fördert;
einem strategischen Herangehen zur Erfüllung mittel- bis langfristiger Ziele, Entscheidungen Grundlage auf einer guten Problemanalyse, angemessenen Rahmenbedingungen für die Umsetzung von Lösungen, Überprüfung von Fortschritten, Evaluierung von Ergebnissen und dem Anpassen von Prozessen;
nicht nur der Verringerung der tatsächlichen Gefahr von Verbrechen, Gewalt und Straffälligkeit, sondern auch der Garantie, dass sich die Bürger in den Städten, in denen sie leben, arbeiten oder ihre Freizeit verbringen, sicher und wohl fühlen. Der Leitfaden Local Safety Audits: A Compendium of International Practice von 2007 sollte sowohl Stadtverwaltungen als auch Sicher-
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heitsverantwortliche der Gemeinden dazu motivieren und befähigen, diese Ideen voranzutreiben. Im Rahmen der Entwicklung einer Präventionsstrategie legte sie den Schwerpunkt darauf, Informationen zusammen zu tragen, zu analysieren und zu nutzen, um Prioritäten zu setzen und Interventionen zu planen und gleichzeitig den Konsens und das Engagement unter den Akteuren zu fördern. Während ein Großteil der Inhalte noch heute relevant ist, hat es erhebliche Veränderungen gegeben, die sich auf die Prävention im Allgemeinen und die Analyse im Besonderen auswirken. Sicherzustellen, dass sich die Bürger geschützt und sicher fühlen, wird immer häufiger als ein Schlüsselfaktor in einem weitergefassten politischen Kontext anerkannt. Sicherheit ist ein wichtiges Element für das Wohlbefinden des Einzelnen und der Gemeinschaft, das sich auf die Stabilität ganzer Stadtteile, die wirtschaftliche Entwicklung, die soziale Integration, die allgemeine Lebensqualität und die soziale Gerechtigkeit auswirkt. Mit der wachsenden Erkenntnis, dass soziale Gerechtigkeit für die nachhaltige Entwicklung ebenso wichtig ist wie Umweltmanagement, sollte der effektive Umgang mit Verbrechen und Störungen der öffentlichen Ordnung für Städte und Gemeinden Priorität haben. Auch das wirtschaftliche Klima hat sich geändert. Die globale Finanzkrise von 2007/08 und die anschließende Dauerrezession führten dazu, dass viele europäische Städte mit hoher Arbeitslosigkeit, Krisen auf dem Immobilienmarkt und sinkenden Steuereinnahmen zu kämpfen haben. Zwar ist die Nachfrage nach Dienstleistungen gestiegen, aber gleichzeitig sind die Einnahmen gesunken, so dass die öffentlichen Kassen zu einem Sparkurs gezwungen wurden. Überraschenderweise sank in den meisten europäischen Ländern auch die Kriminalitätsrate, weshalb Investitionen verstärkt in Frage gestellt wurden. Das Zusammenwirken dieser Umstände hat zur Folge, dass die Mittel für Prävention immer knapper und die Kassen immer leerer werden. Daher müssen neue Möglichkeiten gefunden werden, um Analysen kosteneffizienter durchzuführen und mehr Gegenwert für weniger Geld zu bekommen. Der technologische Fortschritt der letzten Jahre brachte riesige Chancen für die Prävention mit sich. Soziale Medien und insbesondere Handy-Apps erleichtern die Beteiligung der Öffentlichkeit und ermöglichen Datenerfassung in Echtzeit (u.a. durch Crowd Sourcing). Satelli-
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tenbilder, die beispielsweise für die Bewertung der städtischen Beleuchtung verwendet werden, eröffnen neue Wege für die Untersuchung von Verbrechensmustern und -ursachen. Klar ist auch, dass bestimmte Themen heute erheblich mehr Aufmerksamkeit erfordern als zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des ersten Leitfadens. Insbesondere werden heute diverse Formen verborgener Gewalt, beispielsweise im zwischenmenschlichen Umgang, und insbesondere Gewalt gegen Frauen und Mädchen, sexuelle Ausbeutung von Kindern und Menschenhandel überall als weit verbreitete Probleme anerkannt, die umfassende Aufmerksamkeit erfordern, aber besonders schwer zu untersuchen und zu beurteilen sind. Der Leitfaden Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit analysiert die europäischen Erfahrungen und die Praxis mit strategischen Ansätzen zur urbanen Sicherheit und enthält einen Überblick und Erläuterungen der zur Verfügung stehenden Methoden und Instrumente. Dieser Leitfaden ist ein Instrument für die Verbreitung und Einbindung eines strategischen Ansatzes zur urbanen Sicherheit und soll europäischen Städten und Gemeinden seine Umsetzung erleichtern. Dieser neue, europäische Leitfaden folgt auf die Efus-Publikation Guidance on Local Safety Audits - A Compendium of International Practice von 2007, die zu einer Referenz wurde und die einen entscheidenden Beitrag zur Bekanntmachung des Ansatzes für örtliche Sicherheitsanalysen für ein internationales Publikum leistete. Diese neue Publikation ist das Ergebnis der zwischen 2013 und 2016 im Rahmen des europäischen Projektes „Methodological tools for the definition of local safety policies in Europe – AUDITS“ geleisteten Arbeit. An diesem von der Europäischen Kommission mitfinanzierten Projekt waren das europäische, französische, deutsche und italienische Forum für urbane Sicherheit sowie die Städte Rotterdam und Stuttgart als Partner beteiligt. Unterstützt wurden sie dabei vom belgischen Innenministerium, dem portugiesischen Innenministerium, dem belgischen Forum für Prävention und urbane Sicherheit sowie der Stadt Brüssel als assoziierte Partner und den Experten Sohail Husain, Francesc Guillén Lasierra and Svetislav Paunovic.
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Diese Publikation basiert unter anderem auf den Untersuchungen, die im Rahmen dieses Projektes in Bezug auf in Europa umgesetzte Methoden und Tools durchgeführt wurden, sowie auf den lokalen Aktivitäten der fünf Partner in vier europäischen Ländern. Sie stellt gleichzeitig eine Aufforderung an die Städte dar, sich mit den Ergebnissen vertraut zu machen und sie durch die Anpassung an ihren lokalen Kontext weiter zu verbessern. Die Arbeit umfasste Recherchen zu europäischen Methoden und Tools, mehrere Seminare, an denen Projektpartner und Experten beteiligt waren, die Implementierung von fünf lokalen Analysen oder Erhebungen, die Unterstützung von Besuchen in jeder an dem Projekt beteiligten Stadt zur Stärkung und Neuausrichtung ihrer lokalen Arbeit und letztendlich die Bekanntgabe der Ergebnisse, insbesondere durch die vorliegende Publikation.
Diese Publikation umfasst drei Teile: Erster Teil - Strategischer Ansatz zur urbanen Sicherheit Dieser Teil stellt den strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit vor und erläutert, warum er wichtig ist. Er erklärt, was eine lokale Sicherheitsanalyse ist und warum es erforderlich ist, über eine einfache Analyse der Straftatbestände hinaus zu gehen. Er zeigt darüber hinaus auf, inwiefern ein strategischer Ansatz zur urbanen Sicherheit zur nachhaltigen Entwicklung der Städte und Regionen Europas beiträgt. Ferner stellt dieses Kapitel Sicherheitsanalysen aus einer historischen Perspektive vor und analysiert, was es heute bedeutet, Kriminalprävention zu betreiben. Es enthält konkrete Beispiele für Problemstellungen und stellt aktuelle Trends und Herausforderungen vor, wie beispielsweise die Frage der Umsetzung der Ergebnisse der Sicherheitsanalyse in konkrete Maßnahmen, die Nutzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien, die Chancen von Open Data oder Herausforderungen für die Umsetzung eines strategischen Ansatzes vor dem Hintergrund knapper Kassen.
Zweiter Teil – Politik und Nachhaltigkeit Der zweite Teil wendet sich insbesondere an die politischen Entschei-
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dungsträger. Er stellt Empfehlungen für die Umsetzung des strategischen Ansatzes vor. Es geht darum, diesen Ansatz überschaubar und nachhaltig zu machen: Wie lässt sich beispielsweise eine Partnerschaft zwischen den verschiedenen Akteuren ins Leben rufen und wie können Bürger mit einbezogen werden? Hier geht es um Fragen der politischen Führung, der Beziehung zwischen Präventionspolitik und anderen langfristigen politischen Strategien, der notwendigen Voraussetzungen für Informationsaustausch, der Kommunikation über Sicherheitspolitik, der notwendigen Mittel für die nachhaltige Umsetzung des Ansatzes und für die Evaluierung der Präventionsarbeit.
Dritter Teil – Methoden und Instrumente für die Umsetzung Der dritte Teil bietet einen Überblick über die verfügbaren Methoden und Instrumente, in Abhängigkeit der angestrebten Ziele: Bescheid wissen über und verstehen der lokalen Sicherheitssituation, der Perspektive der Bürger, des Kontextes, Mobilisieren und Einbeziehen der Akteure, Ausarbeiten einer Strategie, Ergreifen angemessener Maßnahmen, Durchführen von Evaluierungen.
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Hierbei werden die jeweiligen Vor- und Nachteile vorgestellt, damit lokale Akteure die für ihren Kontext am besten geeigneten Methoden und Instrumente identifizieren können.
> Die Online-Version der Publikation (erhältlich auf www.efus.eu oder www.efus-network.eu für Efus-Mitglieder) enthält ferner klare, prägnante Erläuterungen der Methoden und Instrumente, die im dritten Teil vorgestellt werden, sowie Fallstudien aus Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Großbritannien und mehreren mitteleuropäischen Ländern. Anhand von Literaturhinweisen und eines Glossars werden die in diesem Leitfaden verwendeten Schlüsselbegriffe und Konzepte definiert und erklärt.
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Kapitel 1
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Ein strategischer Ansatz zur urbanen Sicherheit
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I. Ein international etablierter und anerkannter Ansatz
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> „Es gibt klare Hinweise, dass gut geplante Strategien zur Verbrechensbekämpfung nicht nur Verbrechen und Viktimisierung verhindern, sondern auch die allgemeine Sicherheit fördern und zur nachhaltigen Entwicklung der Länder beitragen1.“ Dieser erste Satz der Leitlinien der Vereinten Nationen für Verbrechensverhütung verweist auf den strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit und Kriminalprävention, der inzwischen international etabliert und anerkannt ist: Es geht darum, die Ursachen von Unsicherheit zu bekämpfen. Strategische Ansätze zur urbanen Sicherheit ergänzen die Arbeit der Polizeibehörden durch soziale sowie entwicklungs-, gemeinschafts- und situationsbezogene Prävention2. „Eine kohärente Sicherheits- und Verbrechensverhütungspolitik muss auf Prävention, Gesetzesvollzug und gegenseitiger Unterstützung basieren3.“ Dieser strategische Ansatz zur urbanen Sicherheit wurde in den letzten 30 Jahren in vielen Ländern und internationalen Organisationen entwickelt, unter anderem beim Büro der Vereinten Nationen für Drogenund Verbrechensbekämpfung (UNODC), im Programm der Vereinten Nationen für menschliche Siedlungen (UN-HABITAT), beim Europarat, bei der Europäische Union, bei der Weltbank, beim Internationalen Zentrum für Kriminalprävention (ICPC) und beim Europäischen Forum für urbane Sicherheit (Efus)4.
1- UN Leitlinien für Verbrechensverhütung: UN Wirtschafts- und Sozialrat, ECOSOC Resolution 2002/13 2- Zum Beispiel: Michael Tonry und David P. Farrington (1995): Strategic Approaches to Crime Prevention. In: Crime and Justice, Band 19, S. 1-20. 3- Europarat (1992): Europäische Städtecharta; „Mehr denn je muss Sicherheitspolitik auf einem Gleichgewicht zwischen Sanktion und Prävention aufbauen.“ Europäisches Forum für Urbane Sicherheit (2012): Sicherheit, Demokratie und Städte. Manifest von Aubervilliers und Saint-Denis. 4- Europäisches Forum für Urbane Sicherheit (2007): Guidance to local safety audits. A compendium of international practice.
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Ein strategischer Ansatz bedeutet, dass nach Plan vorgegangen wird, um mittel- und langfristige Zielvorgaben zu verwirklichen, anstatt mit Hilfe von Ad-hoc-Entscheidungen kurzfristige Ziele zu erreichen. Aber auch fundierte Kenntnisse und Belege sind erforderlich, um informierte Entscheidungen mit fundiertem Hintergrundwissen zu örtlichen Gegebenheiten zu treffen und Recherchen zur Effektivität alternativer Maßnahmen anzustellen. Weiter heißt es dazu in den UN-Leitlinien: „Strategien, Politiken, Programme und Maßnahmen zur Kriminalprävention sollten auf einer breiten, allgemeinen Wissensbasis über Verbrechensprobleme und ihre vielfältigen Ursachen und einer vielversprechenden und bewährten Praxis basieren.“ Sie heben auch die Bedeutung strategischer Antworten auf Basis „systematischer Analysen von Problemen mit Kriminalität, ihren Ursachen, Risikofaktoren und Folgen, vor allem auf lokaler Ebene“ hervor. Referenztexte wie die Grundprinzipien der UN-Leitlinien oder das Efus-Manifest „Sicherheit, Demokratie und Städte“ betonen auch, dass ein strategischer Ansatz zur urbanen Sicherheit menschenrechtsbasiert und ganzheitlich sein und auf einer zentralen Rolle der örtlichen Behörden, behördenübergreifenden Partnerschaften und Mitwirkung der Bürger basieren muss. Es wird allgemein anerkannt, dass ein strategischer, evidenzbasierter Ansatz sicherstellt, dass gerechte und gerechtfertigte Entscheidungen getroffen und verfügbare Ressourcen angemessen genutzt werden, ein in wirtschaftlich schwierigen Zeiten besonders wichtiges Argument. Lokale Sicherheitsanalysen sollten dabei der Ausgangspunkt für die Umsetzung dieses Ansatzes sein. Analysen können unterschiedliche Formen und Bezeichnungen annehmen, doch das zugrunde liegende Konzept muss umfassend zur Anwendung kommen. Auch wenn sie in punkto Fähigkeiten, Technologien und sonstige Ressourcen anspruchsvoll sein können, wurden Analysen in Städten innerhalb und außerhalb Europas in Industrie- und Entwicklungsländern gleichermaßen durchgeführt.
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
II. Lokale Sicherheitsanalysen im Mittelpunkt eines strategischen Ansatzes zur urbanen Sicherheit
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> 1. Was sind Sicherheitsanalysen? Sicherheitsanalysen sind systematische Analysen, mit deren Hilfe die Probleme einer Stadt im Bereich von Kriminalität und Viktimisierung herausgearbeitet werden. Ferner sollen dadurch die Möglichkeiten und Ressourcen für Präventionsarbeit identifiziert, Prioritäten ermittelt und Strategien ausgearbeitet werden, mit deren Hilfe diese Prioritäten behandelt werden können. Stadtweite Sicherheitsanalysen umfassen im Allgemeinen:
das Abstecken des Kontextes mit einem Überblick über die demografischen, wirtschaftlichen und sonstigen Gegebenheiten und ihrem Vergleich mit regional oder national verfügbaren Informationen;
die Analyse von Kriminalität und Gewalt sowie von damit verbundenen Problemen wie Störungen und Vandalismus, einschließlich des Ausmaßes, der Trends, der Verteilung und der Folgen von Ereignissen;
die Analyse von Opfern und Tätern, einschließlich Geschlecht, Alter, ethno-kulturelle und sozio-ökonomische Muster dieser Gruppen;
die Untersuchung von Risikofaktoren, die zum Eintreten von Verbrechen und Gewalt beitragen;
die Bewertung der Effektivität von Präventionsprojekten und -angeboten, beispielsweise in den Bereichen Gesundheit, Wohnungsbau, Sozial- und Bildungsarbeit;
die Beurteilung des politischen und institutionellen Umfelds, um Möglichkeiten für die Entwicklung von Präventionsmaßnahmen zu erkennen;
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die Identifikation der Chancen, Stärken und Potenziale eines Gebiets, einschließlich Sozialkapital, Zivilgesellschaft und vorhandene Projekte, auf die eine künftige Strategie aufbauen kann.5 Ziel sollte es stets sein, all diese Themenkreise abzudecken, aber die Analysen müssen natürlich auf die örtlichen Verhältnisse zugeschnitten werden und können daher in punkto Planung, Komplexität und Methoden Unterschiede aufweisen. Sie müssen dem geografischen, institutionellen, kulturellen und entwicklungsspezifischen Kontext, in dem sie durchgeführt werden, der Verfügbarkeit der Mittel und der Expertise für die Durchführung und der Eignung der relevanten Informationen aus offiziellen und anderen Quellen Rechnung tragen.6
>>>>>>>> Sicherheitsanalyse: Schnelle Erfolge Auch während der Durchführung einer Analyse können bereits Maßnahmen ergriffen werden, bevor Ergebnisse vorliegen. Durch rasche Reaktionen auf Probleme, für die es offensichtliche und relativ einfache Lösungen gibt, lassen sich schnelle Erfolge erzielen, die Vertrauen und Zuversicht schaffen.
2. Zehn Prinzipien auf denen gute Praxis aufbaut Die Durchführung von Sicherheitsanalysen sollte auf Grundsätzen basieren, die von der Gruppe, die das Projekt leitet, festgelegt wurden. Diese sollten schriftlich festgehalten werden, um sicherzustellen, dass 5- Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Sozialkapital als „den Grad des sozialen Zusammenhalts in einer Gemeinschaft. Es bezieht sich auf die zwischenmenschlichen Abläufe, die Netzwerke, Normen und soziales Vertrauen errichten und die Koordination und Kooperation zum gegenseitigen Nutzen erleichtern. Es entsteht aus den vielfältigen tagtäglichen Wechselwirkungen zwischen den Menschen und wird in Strukturen wie Bürger- und Religionsgruppen, Familie, informelle Gemeinschaften und Netzwerke sowie in Normen für Voluntarismus, Nächstenliebe und Vertrauen verkörpert. Je stärker diese Netzwerke und Bindungen, desto wahrscheinlicher ist es, dass Mitglieder einer Gemeinschaft im gegenseitigen Interesse kooperieren.“ Die wichtigsten Elemente des Sozialkapitals sind Staatsbürgerschaft, Nachbarschaftsverhältnis, Vertrauen und gemeinsame Werte, Engagement in der Gemeinschaft, Freiwilligendienst, soziale Netzwerke und Bürgerbeteiligung.WHO. Health promotion glossary. Genf: WHO, 1998. 6- Vergleichende Analyse der Ansätze in Frankreich, Neuseeland, Australien und Großbritannien, siehe Alvarez J. Les diagnostics locaux de sécurité. Une étude comparée, pour mieux comprendre et mieux agir. Quebec: Staatliches Institut für öffentliche Gesundheit Quebec / Internationales Zentrum für Kriminalprävention, 2006.
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es sich um ein faires, inklusives und nachhaltiges Verfahren handelt, das zu höheren strategischen Prioritäten und Maßnahmen beiträgt. Ohne die ausdrückliche Anerkennung dieser Grundsätze besteht das Riksiko, dass gesellschaftliche Randgruppen nicht angemessen berücksichtigt werden. Die Umsetzung kann und soll sich je nach örtlicher Situation unterscheiden, doch die nachstehenden Punkte allgemeine Gültigkeit haben:
Ziel der Analyse sollte es sein, sich ein Bild von Verbrechen und damit verbundenen Problemen und ihren Ursachen zu machen, um eine geeignete Präventionsstrategie zu entwickeln.
Die Analyse sollte auf der Einsicht basieren, dass Kriminalität das Ergebnis komplexer Wechselwirkungen zwischen sozialen, wirtschaftlichen, gesetzlichen, umgebungsspezifischen und anderen Umständen ist.
Die Analyse sollte Verfahren verwenden, die zu einer guten Stadtpolitik und nachhaltiger Entwicklung beitragen.
Die Analyse sollte unter Einhaltung der Gesetze und der Menschenrechte erfolgen und zur Förderung einer Kultur der Rechtmäßigkeit verwendet werden.
Ein starkes Engagement der Akteure mit Kompetenzen in den entsprechenden politischen Bereichen ist entscheidend, da der Erfolg auch von ihrer Fähigkeit abhängt, auf die Ergebnisse angemessen zu reagieren.
Ein partizipativer Ansatz, zu dem auch gehört, sich mit der Zivilgesellschaft und den Interessen des Gemeinwesens zu befassen, ist während des gesamten Analyseprozesses von entscheidender Bedeutung.
Positive Maßnahmen sind erforderlich, um sicherzustellen, dass auch die Stimmen der Armen, der sozialen Randgruppen und der am stärksten betroffenen Menschen gehört und anerkannt werden, dass offizielle Zahlen ihre Erfahrungen nicht immer angemessen zum Ausdruck bringen.
Die Analyse sollte geschlechterspezifisch sein und die besondere Lage von Minderheiten und jungen Menschen berücksichtigen.
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Die Analyse sollte die relevanten Pluspunkte in einem Gebiet identifizieren, einschließlich Sozialkapital und erfolgreicher Projekte, die als Grundlage für den Aufbau effektiver Antworten dienen können.
Die Analyse sollte nicht als Instrument verwendet werden, um Selbstjustiz oder Strafaktionen zu ermutigen oder zu rechtfertigen, sondern ausschließlich als Teil des Präventionsprozesses genutzt werden.
3. Vorteile von Sicherheitsanalysen Sicherheitsanalysen erfordern Zeit und Ressourcen seitens der Präventionspartner, aber die Investitionen bringen vielfältige Vorteile mit sich. Sicherheitsanalysen leisten insbesondere das Folgende:
Sie ermöglichen die Zusammenfassung der Informationen, Energie und Ressourcen verschiedener Organisationen und die Erstellung eines umfassenden Bildes aus verschiedenen Einzelteilen.
Sie helfen Organisationen mit unterschiedlichen Sichtweisen, Einigkeit darüber zu erzielen, welche Probleme höchste Priorität erhalten sollen.
Sie können die komplexen Verbindungen zwischen sozialen, ökonomischen und anderen Faktoren offenlegen und Organisationen für eine Beteiligung an Präventionsmaßnahmen mobilisieren.
Sie bieten die Grundlage für eine effektive Problemlösung und ermöglichen dabei ein ausgewogenes Verhältnis zwischen alternativen Ansätzen und Aktivitäten.
Sie fördern die Arbeit in Partnerschaften und die Bürgerbeteiligung und tragen damit zu guter Urban Governance bei.
Sie erweitern die Kompetenz der örtlichen Stakeholder durch die Entwicklung von Fähigkeiten und Wissen.
Sie machen die charakteristischen Eigenschaften der Kriminalitätsprobleme in einem besonderen Gebiet deutlich und ermöglichen es damit, dass die Lösungen auf die örtlichen Bedürfnisse zugeschnitten werden.
Sie machen deutlich, welche Maßnahmen und Dienste in der Vergangenheit gut funktioniert haben und bieten damit eine Vergleichsmöglichkeit, an der Veränderungen und Erfolge gemessen werden können.
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Am wichtigsten ist dabei, dass Sicherheitsanalysen die Grundlage für effektive Strategien zur Kriminalprävention bilden, die die Lebensqualität der Bürger verbessern.
4. Vorbereitung der Analyse Welche Informationen müssen erfasst werden? Sicherheitsanalysen müssen Informationen zu mehreren Themen erfassen. Sie müssen kontextspezifische Daten über die Stadt und ihre Bevölkerung, Informationen über Verbrechen und damit verbundene Aktivitäten, Folgen und Kosten von Verbrechen, Faktoren in Verbindung mit Straftaten und Viktimisierung, positive Aspekte, Dienste und Initiativen, die den Problemen entgegenwirken können, und die Ansichten der örtlichen Bürger berücksichtigen. Als Ausgangspunkt sollten die Verantwortlichen einen Themenkatalog erstellen. Anschließend kann geprüft werden, welche Informationen bereitstehen und was noch erfasst werden muss (Tabelle 1). Tabelle 1 – Informationen, die in Sicherheitsanalysen berücksichtigt werden müssen Kontext
Größe der Stadt, Flächennutzung, wirtschaftliche Struktur, politische Lage
Demografie
Gesamtbevölkerung, Geschlechterverteilung, Altersstruktur, ethnisch-kulturelle Vielfalt, Beschäftigung und Arbeitslosigkeit
Kriminalität und Störungen
Art der Straftaten, Häufigkeit, Täter, Opfer, Ziele, Verteilung
Folgen und wirtschaftliche Kosten von Verbrechen
Für Einzelpersonen und Gemeinschaften (z.B. Verletzungen durch Gewalttaten), Auslastung der Notaufnahmen in Krankenhäusern, Wert von gestohlenem Eigentum, Kosten von Sicherheit und Justiz
Wahrnehmung
Von Risiko, Schwachstellen, Polizei, Justiz, anderen Diensten
Risikofaktoren
U.a. relative Armut, Gewalt, Aufwachsen bei der Fürsorge, Schulabbruch, Geisteskrankheiten
Dienste und Initiativen
Anbieter, Spektrum, Qualität, Zugang, Nutzung, Projekte und Programme, effektive Praxis
Stärken
Sozialkapital, Zivilgesellschaft, Gebäude, Land, andere Ressourcen
Akteure
Interessen, Kapazitäten, Ressourcen
Nach UN-Habitat Safer Cities Toolkit
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Idealerweise werden bei einer Analyse quantitative und qualitative Informationen erfasst. Sie können jeweils ein bestimmtes Thema beleuchten und nur zusammen ergeben sie ein vollständiges Bild. Quantitative Informationen (beispielsweise aus Opferdaten) können die Ausmaße bestimmter Probleme oder Themen aussagekräftig vermitteln und Fragen darüber, „was“ und „wie viel“ passiert, beantworten. Doch qualitative oder erläuternde Informationen, beispielsweise aus Interviews, können ein detaillierteres „dreidimensionales“ Bild vermitteln, das wichtige Fragen nach dem „wie“ und dem „warum“ beantwortet. Die einseitige Bevorzugung von Informationen, die sich leicht messen lassen, anstelle von komplexerem Material, das nur durch Engagement und Gespräche gesammelt werden kann, könnte zu irreführenden Schlussfolgerungen führen. Klar ist, dass eine einzige Informationsquelle kaum alle gestellten Fragen beantworten kann und dass der Nutzen der Informationen von Polizei- und Justizbehörden oft begrenzt ist. Die Nutzung mehrerer unabhängiger Informationsquellen ermöglicht eine Triangulation, die sicherstellt, dass das vermittelte Bild so exakt und umfassend wie möglich ist.
>>>>>>>> Quantitative oder qualitative Information „Nicht alles, was man zählen kann, zählt auch und nicht alles, was zählt, kann man zählen.“ Albert Einstein, 1879-1955
Welche Kenntnisse und Fähigkeiten sind erforderlich? Eine städtische Sicherheitsanalyse muss sorgfältig geplant, gut geführt und gewissenhaft umgesetzt werden. Informationen zu einer Vielzahl von Themen müssen aus vielfältigen Quellen mit Hilfe unterschiedlicher Methoden erfasst werden. Sie müssen zusammengetragen und bewertet werden, um Schlussfolgerungen zu ziehen und auf dieser Grundlage Prioritäten zu setzen und Antworten zu bilden. Während der Durchführung muss es eine gute Kommunikation mit den Akteuren und Möglichkeiten für effektive Beteiligung geben. Das Spektrum der
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
fraglichen Themen, Aufgaben und Verfahren erfordert die nachstehenden Kenntnisse und Fähigkeiten: Kenntnisse
Lokaler Kontext – das geografische, wirtschaftliche, kulturelle, politische und demografische Umfeld.
Wichtige Behörden – die Prioritäten, politischen Maßnahmen, kulturellen und organisatorischen Vereinbarungen der zuständigen örtlichen Dienstleister, allen voran im staatlichen und gemeinnützigen Bereich.
Polizei- und Justizsystem – Aufgaben der Behörden, polizeiliche Organisation, Erfassungspraxis für Straftaten und Ereignisse, Stärken und Schwächen der Informationen des Justizsystems.
Kriminalprävention – Verstehen von Kriminalität und Angst vor Verbrechen, insbesondere unter Berücksichtigung geschlechterspezifischer Themenkreise, Forschungsergebnisse zu effektiven Lösungsansätzen, das Entwickeln von Präventionsstrategien auf Grundlage von Sicherheitsanalysen. Technische Fähigkeiten
Forschungsdesign – Formulierung von Zielen, Wahl der Methoden, Spezifikation der Ergebnisse.
Projektmanagement – Arbeitsplanung, Mittelzuteilung, Risikomanagement und Qualitätssicherung.
Analyse der Stakeholder - Identifikation aller Akteure, Bewertung ihres Anteils und Festlegung ihrer Einbeziehung.
Engagement der Gemeinschaft – Nutzung von Aktivitäten, die eine breite Mitwirkung fördern, insbesondere die Erleichterung des Engagements von Frauen, Jugendlichen und „schwer zu erreichenden“ Zielgruppen.
Anhörungsverfahren - Interviews, Begegnungen und Fokusgruppen, um Informationen von Dienstleistern und gemeinschaftliche Interessen in Erfahrung zu bringen.
Opfererfassung – Ausarbeitung von Fragebögen, stichprobenartige Erhebungen, Erstellung von Datenbanken und Befragungen.
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Soziale Medien – innovative Nutzung von Technologie, um die Mitwirkung der Bürger zu fördern und Informationen auf neuartige Weise zu erfassen.
Statistische Analysen – Ermittlung, Erfassung und Analyse relevanter Informationen von Behörden, eventuell unter Nutzung geografischer Informationssysteme.
Kommunikation – Erstellen von Berichten, Halten von Vorträgen und andere Aktivitäten, um die Akteure auf dem Laufenden zu halten und Feedback aus Forschungsergebnissen zu erhalten. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die beschriebenen Kenntnisse und Fähigkeiten in unterschiedlichen Phasen des Analyseverfahrens benötigt werden.
>>>>>>>> Einbeziehung gesellschaftlicher Gruppen und Gemeinschaften
Zur Maximierung der Teilnahme ist es wichtig, die verwendeten Methoden an einzelne Gruppen oder Gemeinschaften anzupassen. Anhand von Alter, Geschlecht, ethnischer Identität, kulturellen Normen und anderen Merkmalen lässt sich feststellen, was am besten funktioniert. Das Engagement wird durch angemessene Aktivitäten in folgenden Bereichen gesteigert:
Entwicklung von Visionen und Konsens Sprache und Terminologie Kommunikationsformen (z.B. mündlich, schriftlich, bildlich, spielerisch)
Zusammensetzung der Gruppen (z.B. nach Geschlecht oder Alter) Verfahren und Tools, einschließlich soziale Medien Standorte, Zeitpunkte und Umfelder Moderatoren und Forscher Auch müssen Themen berücksichtigt werden, die für die Akteure wichtig sind. Die Analyse erfordert Personen mit den erforderlichen
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
Fähigkeiten, Kenntnissen und der notwendigen Glaubwürdigkeit, um unterschiedliche Gemeinschaften effektiv einzubeziehen.
5. Wer soll die Analyse durchführen? Für die Durchführung der Recherchen muss ein Team mit den erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten gebildet werden, wobei einer Person die Leitung übertragen wird. Für die personelle Besetzung gibt es mehrere Möglichkeiten, einschließlich staatlicher Behörden, Zivilgesellschaft, akademischer Einrichtungen und Privatsektor. Jede Möglichkeit hat ihre Vor- und Nachteile (Tabelle 2). Tabelle 2 – Personelle Besetzung des Analyseteams Herkunft
Potenzielle Vorteile
Staatliche Behörden
> Kenntnis des Kontextes > Kenntnis der örtlichen Politik und Dienstleistungen > Zugang zu Informationen > Öffentliche Akzeptanz > Aufbau von Fachwissen und Partnerschaften > Niedrigere Kosten
Organisationen der Zivilgesellschaft
> Grundkenntnisse > Glaubwürdigkeit gegenüber den Bürgern7 > Niedrigere Kosten
Akademische Institutionen
> Forschungskapazitäten > Objektivität / Unabhängigkeit > Moderate Kosten
Privatsektor
> Starkes Projektmanagement > Forschungskapazitäten und Technologie > Objektivität / Unabhängigkeit > Spezielles Personal
Potenzielle Nachteile Die nachstehenden Aspekte können jede der Personaloptionen schwächen: > Unzureichende Forschungserfahrung > Mangelnde Erfahrung mit Kriminalitäts- und Präventionsthematik > Schwierigkeiten bei der Freistellung geeigneter Mitarbeiter für die Teilnahme am Projekt > Mangelnder Einfluss / Glaubwürdigkeit bei wichtigen Behörden > Mangelnde Glaubwürdigkeit und Engagement gegenüber der Gemeinschaft > Mangelndes Verständnis des polizeilichen Kontextes
7- Während die Zivilgesellschaft generell mehr Glaubwürdigkeit in der Gemeinschaft genießt als staatliche Behörden, ist dennoch Vorsicht angesagt. So stellt eine Studie der Weltbank fest, dass „NGOs unter armen Menschen keinen hohen Stellenwert haben” und „Arme werden auf Grund begrenzter Mittel und ihrer Unfähigkeit, Mitgliedsbeiträge zu entrichten, aus vielen Gruppen ausgeschlossen.” Siehe Narayan D. mit Patel R., Schafft K., Rademacher A. und Koch-Schulte S. Can anyone hear us? Voices of the Poor Band 1. Weltbank, 1999.
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Es ist unwahrscheinlich, dass eine Institution ein „vollständiges“ Team bereitstellen kann, das allen Anforderungen genügt. Die meisten Analysen lassen sich am besten mit einer Kombination verschiedener Ressourcen durchführen. Beispielsweise ist eine akademische Institution möglicherweise am besten geeignet, um Empfehlungen zu Forschungsmethoden zu geben. Ein Privatunternehmen kann am besten eine stadtweite Umfrage organisieren. Spezialisten für Kriminalprävention können eine themenspezifische Beratung erteilen. Organisationen der Zivilgesellschaft könnten dafür geeignet sein, die Verknüpfung mit den Gemeinschaften zu erleichtern. Zudem müssen verschiedene Menschen an verschiedenen Phasen der Analyse mitwirken. Allerdings bringt die umfassende Einbeziehung von Personal des öffentlichen Sektors einen deutlich größeren Nutzen als die „Auslagerung“ des gesamten Projektes. Die Einbeziehung des öffentlichen Sektors ermöglicht einen guten lokalen Einblick. Außerdem, und das ist genauso wichtig, ermöglicht die Arbeit den Aufbau von Fähigkeiten und die Stärkung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den teilnehmenden Behörden.
6. Wie lange dauert eine Analyse? Beim ersten Mal kann eine städtische Analyse 6 bis 12 Monate dauern, je nach Größe der Stadt, Zugang zu zuverlässigen Informationen und Ressourcen für die Durchführung. Ein Hinweis auf die mögliche Dauer der einzelnen Phasen ist Tabelle 3 zu entnehmen.
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
Tabelle 3 – Beispiel für den zeitlichen Ablauf einer Analyse Monat J
F
M
A
M
J
J
A
S
O
N
Einrichtung eines Lenkungsausschusses Ernennung des Analyseteams und Festlegung eines Arbeitsprogramms
Planung
Erste Beurteilung der Probleme, Risikofaktoren und Antworten (Stufe 1)
Implementierung
Ermittlung der Themenkreise, die zusätzliche Ermittlungen erforderlich machen (Stufe 2) Feststellung von Handlungsprioritäten und Chancen (Stufe 3) Anhörung der Akteure und Bekanntgabe der Ergebnisse (Stufe 4)
7. Nationale und internationale Vergleiche Eine stadtweite Sicherheitsanalyse konzentriert sich zwangsläufig auf Ereignisse innerhalb der Stadtgrenzen, aber es kann schwierig sein, das Ausmaß eines Problems ohne Vergleich mit einem „externen“ Bezugspunkt zu bewerten. Vergleiche mit anderen Städten eines Landes oder auch in anderen Ländern können helfen, lokale Muster in einen Kontext zu setzen, und auf vielfältige Weise nützlich sein. Beispielsweise die Angst in der Bevölkerung dadurch beruhigt werden, dass aufgezeigt wird, dass die Kriminalitätsrate einer Stadt deutlich unter dem landesweiten Durchschnitt liegt. Umgekehrt kann eine relativ hohe Kriminalitätsrate hilfreich sein, um auf regionaler oder nationaler Ebene zusätzliche Ressourcen zur Präventionsarbeit zu erhalten. Natürlich ist es beim Vergleichen von Städten wünschenswert, soziale
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D
und andere Faktoren zu berücksichtigen; Vergleiche sind dann am aussagekräftigsten, wenn sie Städte mit ähnlichen sozio-ökonomischen Profilen einbeziehen. Vermieden werden sollte das Zusammenstellen von „Ranglisten“, da sie stigmatisierend und kontraproduktiv sein können. Das Ziehen landesweiter Vergleiche ist in Ländern ohne einheitliches Informationssystem schwierig und bei der Datenauswertung ist stets Zurückhaltung geboten. Besondere Vorsicht ist bei internationalen Vergleichen erforderlich, da die Definition von Straftaten, Berichts- und Erfassungsverfahren sowie die Zählweisen von Land zu Land unterschiedlich sind. Dieser Inkohärenz kann durch die Beurteilung mehrerer Städte behoben werden. Sie umfasst die Kooperation einer Gruppe vergleichbarer Städte, die ihre Analysen in etwa zum gleichen Zeitpunkt und unter Verwendung der gleichen Methodik durchführen. Dies könnte innerhalb eines Landes oder auch grenzüberschreitend erfolgen und würde dazu beitragen, kohärente Daten zu erstellen. Dieser Ansatz könnte auch finanziell vorteilhaft sein, wenn Skalenerträge erzielt werden.
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Methoden und Instrumente fĂźr einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
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Kapitel 2 >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
Politik und Nachhaltigkeit >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
Urbane Sicherheitspolitik sollte auf objektiven Diagnosen basieren. Die wichtigsten Gründe hierfür sind nachstehend zusammengefasst:
Aktuelle Probleme müssen gelöst werden. Dies kann aber nur mit Hilfe fundierter Kenntnisse über die aktuelle Lage und des Kontextes geschehen. Ansonsten ist es kaum möglich, die öffentliche Sicherheit zu verbessern.
Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Politisierung des Themas Sicherheit müssen politische Maßnahmen grundsätzlich unter Zuhilfenahme objektiver Quellen ergriffen werden, die frei von subjektivem oder parteiischem Einfluss sind.
Bei knappen Kassen müssen die Diagnosen unbedingt auf konkreten, wissenschaftlichen Belegen beruhen, damit die getroffenen Entscheidungen und die festgelegten Prioritäten auf einem präzisen Überblick über die Situation basieren.
Es gibt zahlreiche Forschungsarbeiten über Analysemethoden, die umfassende Informationen und Hinweise für Lokalpolitiker enthalten, die ihre eigene lokale Sicherheitsanalyse durchführen möchten.
Sämtliche Akteure aus den verschiedenen Sicherheitsbereichen sollten in die Analyse einbezogen werden, um gewinnbringende Partnerschaften aufbauen, die später die Umsetzung des daraus resultierenden Aktionsplans erleichtern. Sicherheitsthemen sind komplex. Deshalb müssen die zugrunde liegenden Probleme und Konflikte identifiziert werden, damit die Sicherheit effektiv verbessert werden kann. Sonst werden nur die Symptome behandelt, nicht aber die eigentlichen Ursachen. In der Sicherheitspolitik ist es wie in der Medizin oder in der Architektur: Man ermittelt die Ursachen einer Krankheit, bevor sie behandelt wird; man beurteilt die Merkmale eines Geländes, bevor darauf gebaut wird. Deshalb sollten auch wir erst eine Sicherheitsdiagnose erstellen, bevor wir die Probleme angehen.
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I. Wie wird das Verfahren überschaubar und handhabbar?
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Das Diagnoseverfahren, die Entwicklung des Aktionsplans und seine konsequente Überwachung und Beurteilung müssen überschaubar und handhabbar bleiben. In diesem Zusammenhang sind folgende Aspekte entscheidend:
Festlegen, wer das Verfahren leitet: Die Mitarbeiter der Stadtverwaltung und andere für die Gemeinde oder die Region tätige Kräfte müssen wissen, dass die Analyse für die Sicherheitsbehörden höchste Priorität hat. Sie müssen auch wissen, dass dafür nicht ein Einzelner zuständig ist, sondern dass sie in der kollektiven Verantwortung der gesamten Stadtverwaltung unter Leitung ihrer Vorgesetzten liegt.
Sorgfältige Auswahl der an der Analyse beteiligten Mitarbeiter: Sie sollten genug Einfluss haben, um wichtige Beteiligte und Ressourcen zu mobilisieren. Sobald dies sichergestellt ist, werden für die erfolgreiche Verwaltung der Analyse weniger Leute benötigt und dadurch die Risiken von Bürokratie und Schwerfälligkeit vermieden.
Sorgfältige Planung der Aufgabenverteilung: Die Aufgaben, die für die Durchführung der Analyse und des daraus resultierenden Aktionsplans erforderlich sind, sollten mit den üblichen Zuständigkeiten der Mitarbeiter verknüpft werden. Die Analyse sollte von den Fähigkeiten der lokalen Akteure profitieren.
Nutzung aller in der Stadtverwaltung verfügbaren Ressourcen: In den meisten Fällen enthalten die Gemeinderegister umfassende Informationen, die für die Diagnose verwendet werden können. Auch externe Ressourcen sollten hinzugezogen werden, um insbesondere sicherzustellen, dass die Analyse auch einen politisch neutralen externen Input erhält.
Externe Akteure sollten einen neutralen Einblick ermöglichen und in Koordination mit öffentlichen Akteuren ergänzende Maßnahmen ergreifen.
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
Was nicht kaputt ist, braucht nicht repariert zu werden. Vorhandene, gut funktionierende Lösungen und Programme sollten aufrechterhalten werden.
Konzentration der Mittel auf vorrangige Aspekte. Andere, weniger dringende Aspekte sollten zu einem späteren Zeitpunkt behandelt werden. Die Analysen sollten sich auf Ziele in Bereichen konzentrieren, in denen ausreichend Ressourcen vorhanden sind, um diese zu erreichen zu können.
Die Umsetzung des Aktionsplans, der das Ergebnis der Analyse ist, sollte die übliche Arbeit der beteiligten Akteure einfacher machen und ergänzen. Sie sollte von ihnen als ihr eigenes Projekt gesehen werden. Ansonsten haben sie möglicherweise kein Interesse an einer Mitwirkung, wodurch wiederum die Machbarkeit des Plans erschwert wird. Die Durchführung einer Sicherheitsanalyse und die Erstellung eines Aktionsplans zur Behebung der bei der Analyse festgestellten Mängel erfordern organisatorische Bemühungen zur qualitativen Verbesserung der der Öffentlichkeit angebotenen Dienstleistungen. Mit anderen Worten: Wir sollten frühere Ansätze nicht einfach wiederholen. Die Analyse bietet eine Chance, um unseren Ansatz zu hinterfragen, anders vorzugehen und dadurch Schwierigkeiten auszuräumen, gleichzeitig aber vorhandene Initiativen beizubehalten, die sich bewährt haben. Allerdings sollte sich jede Gemeinde, Stadt oder Region auch ihrer Grenzen bewusst sein. Wenn eine Stadt eine Struktur errichtet, die sie sich nicht leisten kann, können die Bemühungen nicht nachhaltig sein. In den meisten Fällen werden die Mittel anderen Bereichen und Zielen zugewiesen, sobald ein Projekt vollständig umgesetzt wurde und bereits öffentliche Aufmerksamkeit erhalten hat. Das kann zu Enttäuschung und Frustration führen, aber auch die Glaubwürdigkeit und das Prestige der Analyse beschädigen. Städte sollten außerdem der Versuchung widerstehen, einfach ihre „üblichen“ Maßnahmen anzuwenden, die oft ineffektiv sind.
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II. Aktuelle Herausforderungen für das Analyseverfahren
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Damit eine Analyse wirklich nutzbringend ist und aktualisiert werden kann, müssen die nachstehenden Kriterien erfüllt werden:
Normalisierung: Analysen müssen normalisiert und in die Planungsverfahren der lokalen Behörden einbezogen werden. Ungeachtet ihrer politischen Ansichten sollten sich Städte und Regionen für die Analysen einsetzen, die der politischen Debatte über Sicherheitsthemen Nahrung geben können.
Relevanz und Nutzen: Analysen sollten die Verwaltung der urbanen Sicherheit spürbar erleichtern. Die Lücke zwischen der eigentlichen Analyse und der Durchführung des anschließenden Aktionsplans muss geschlossen werden. Analysen müssen als praktisches und operatives Instrument gesehen werden.
Neue Technologien: Sie sollten im Rahmen des Möglichen bei der Analyse eingesetzt werden, um insbesondere alle verfügbaren Informationen aus Open Data-Quellen zu erfassen. Im Internet gibt es unzählige Informationen, die wichtige Einzelheiten zu modernen Sicherheitsanalysen enthalten. Auch kann Technologie nützlich sein, fundierte Kenntnisse in bestimmten Bereichen wie subjektiver Sicherheit zu gewinnen. Zudem sollte der aus der Analyse resultierende Aktionsplan die mögliche Verwendung neuer Technologien bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Behandlung spezifischer Probleme berücksichtigen. Eine der grundsätzlichen Herausforderungen ist die Mitwirkung der Bürger. Jeder weiß, wie wichtig die öffentliche Beteiligung an Sicherheitsanalysen ist, aber sie gilt als schwierig und nur theoretisch, nicht aber praktisch möglich. Obwohl zahlreiche Stadtverwaltungen die Öffentlichkeit in ihre Verfahren einbeziehen, versuchen andere dies nicht einmal, weil sie es für zu zeitaufwändig und zu komplex halten (Welche Vertreter der Zivilgesellschaft werden zur Teilnahme eingeladen? Wie
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
werden sie eingeladen? In welcher Phase?). Auch sperren sich manche Stadtverwaltungen gegen die unvorhergesehenen Folgen dieses Vorgehens (Wie geht man mit unangemessenen oder widersprüchlichen Forderungen um? In welchem Umfang ist die Zivilgesellschaft tatsächlich in unserer Auswahl vertreten?). Eine Bürgerbeteiligung ist machbar, wenn vorhandene Organisationen der Zivilgesellschaft einbezogen werden:
Einige Stadtverwaltungen haben bereits Ausschüsse für urbane Sicherheit gegründet, an denen die Öffentlichkeit mitwirkt.
Im Bildungsbereich gibt es zahlreiche Eltern-Lehrer-Verbände, die angefragt werden können.
Im Gesundheitswesen gibt es eine Reihe örtlicher Kommissionen, die sich mit Aspekten des Gesundheitswesens befassen. Ihnen gehören Ärzte, Behördenvertreter und Bürger an, die über das Funktionieren des Systems und ihre Besorgnisse sprechen.
Außerdem gibt es zahlreiche Jugend- und Seniorenvereine, die sich regelmäßig treffen und in regelmäßigem Kontakt mit der Stadtverwaltung stehen. All diese bestehenden Instanzen sollten in das Analyseverfahren einbezogen werden. Es müsste relativ einfach sein, sie zu Sicherheitsthemen zu befragen, mit ihnen zu diskutieren und sie zur Teilnahme an der Analyse einzuladen. Es ist also nicht nötig, dass die lokalen Behörden eine neue Vertretungsinstanz für die Zivilgesellschaft errichten, um Einblick in die Sorgen der Öffentlichkeit und ihre sicherheitsspezifischen Belange zu erhalten. Zudem ist die Nutzung vorhandener Gruppierungen der Zivilgesellschaft kosten- und zeiteffizienter.
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Kapitel 3 >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
Methoden und Instrumente fĂźr die Umsetzung >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
Unterschiedliche Aufgaben erfordern unterschiedliche Instrumente oder Kombinationen davon. Die Herausforderung besteht darin, die Vielfalt der Aufgaben und Instrumente bei der Umsetzung eines strategischen Ansatzes zur urbanen Sicherheit zu erkennen und zu verstehen und sie in Einklang zu bringen. Das gilt ganz besonders für ein so komplexes Thema wie urbane Sicherheit, das bereichsübergreifende Analysen und damit eine Vielzahl von Instrumenten und Ansätzen erfordert. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Analysen einseitig werden: „Wenn man nur einen Hammer hat, sieht alles wie ein Nagel aus.“8 Dieser europäische Leitfaden konzentriert sich vor allem auf die Umsetzung und weniger auf den eigentlichen strategischen Ansatz, d.h. wie die verschiedenen Elemente des Ansatzes in die Praxis umgesetzt werden können. Dafür sind die Methoden und Instrumente entscheidend. Um die Entscheidung darüber zu erleichtern, welches Instrument für welchen Zweck eingesetzt werden kann, sollten zunächst die Ziele des strategischen Ansatzes geprüft werden. Für jedes Element des in Grafik 1 dargestellten Ansatzes muss zunächst entschieden werden, welche Methoden und Instrumente bei seiner Umsetzung hilfreich sein können. Grafik 1 - Der strategische Ansatz zur urbanen Sicherheit
Wie wird mobilisiert Mobilisierung Audit
Wie wird evaluiert
Maßnahme
Wie werden Maßnahmen ergriffen
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Wie werden Wissen und Verständnis erworben
Inklusion Partizipation Evaluation Prüfung Strategie
Wie werden Analysen in strategische Planung umgesetzt
8- Gesetz des Instruments von Abraham Maslow; Abraham H. Maslow (1966). The Psychology of Science. S.15.
1. Das erste Element und eine zentrale Säule des strategischen Ansatzes ist die lokale Sicherheitsanalyse. Dabei geht es darum, die örtliche Sicherheitslage, die Situation der Bürger, die zugrunde liegenden Ursachen und Risiken sowie die schützenden Faktoren zu kennen und zu verstehen. 2. Das zweite Element bei der Implementierung eines strategischen Ansatzes ist die Entwicklung einer Strategie. Dabei geht es darum, diese Analyse in Vorgaben und Ziele zu übertragen und Prioritäten zu setzen. 3. Das dritte Element ist das Ergreifen von Maßnahmen. Dabei geht es darum, wie angemessene Handlungen identifiziert und entwickelt und ihre korrekte Umsetzung und Nachhaltigkeit sichergestellt werden können. 4. Das vierte Element ist die Evaluation. Dabei geht es darum, wie die Implementierung und Wirkung einer Maßnahme beurteilt werden kann, aber auch um die Institutionen und Verfahren sowie die Strategie, in die sie eingebettet ist. 5. Das fünfte Element ist die Mobilisierung und Mitwirkung. Dabei geht es darum, wie alle relevanten Akteure für urbane Sicherheit identifiziert und für ein Projekt gewonnen werden können und ihre Mitwirkung gewährleistet wird.
I. Kennen und verstehen
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Ein wichtiger Aspekt des strategischen Ansatzes zur urbanen Sicherheit ist, dass „Strategien, Politik, Programme und Maßnahmen zur Kriminalprävention auf breiten, übergreifenden Erkenntnissen zu Kriminalität [...], einer systematischen Analyse der Kriminalität, ihren Ursachen, Risikofaktoren und Folgen, insbesondere auf lokaler Ebene, basieren müssen.“9 9- UN-Leitlinien für Kriminalprävention: UN Wirtschafts- und Sozialrat, ECOSOC Resolution 2002/13.
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
Methoden und Instrumente für das Kennen und Verstehen der örtlichen Lage stehen im Mittelpunkt des strategischen Ansatzes und der lokalen Sicherheitsanalyse. Diese Methoden und Instrumente sollen drei Aspekte beleuchten: die tatsächliche örtliche Sicherheitslage, die Situation und die Wahrnehmung der Bürger und der (soziale, wirtschaftliche, ökologische und urbane) Kontext der Risiko- und Schutzfaktoren. Alle drei Dimensionen sind wichtig, um eine Wissensbasis zu schaffen, die den Entscheidungsträgern dabei hilft, urbane Sicherheitsprobleme und ihre Ursachen zu verstehen. Diese multidimensionale Analyse ermöglicht die Prüfung von Faktoren in einem bestimmten Gebiet, die in der kriminologischen Forschung als Erklärungsvariablen für Kriminalität und Unsicherheit identifiziert wurden. All dies ist unerlässlich, um tatsächlich die zugrunde liegenden Ursachen und nicht nur die Symptome anzugehen.
1. Die örtliche Sicherheitslage Sich mit der örtlichen Sicherheitslage vertraut zu machen, sieht auf den ersten Blick einfach aus. Denkt man jedoch darüber nach, was Kriminalität tatsächlich ist, zeigt sich schon bald, dass die Dinge nicht so einfach sind. Natürlich hat jeder eine Vorstellung davon, was kriminell ist. Und während es mit Sicherheit viele Verbrechen gibt, bei denen sich die meisten Menschen, Länder und Kulturen einig sind, ist auch klar, dass es erhebliche Unterschiede gibt. Es wäre tatsächlich ziemlich schwierig, die Kriminalität in einem bestimmten Gebiet anhand einer „natürlichen“ Definition zu messen. Denn wie sieht es mit weniger schwerwiegenden Vergehen wie Ruhestörung, Sachbeschädigung oder rücksichtslosem Verhalten aus? Sollen auch sie gezählt werden? Auch sie beeinflussen schließlich die Sicherheitslage, aber hier geben die sozialen Normen und Konventionen den Ausschlag, um ihre Bedeutung zu verstehen. Soziologisch würde man Verbrechen und Straffälligkeit als von sozialen Normen abweichende Verhaltensweisen definieren. Aus der gesetzlichen Warte ist die Definition einfacher: es handelt sich um das, was laut Gesetz als Verbrechen definiert ist. Das zeigt aber auch, dass Kriminalstatistiken per Definition nur einen Teil der örtlichen Sicherheitslage beschreiben und nicht darauf eingehen, wie sie wahrgenommen wird. Somit ist das Verstehen der örtlichen
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Sicherheitslage doch eher ein komplexes Unterfangen und hängt erheblich von der Verwendung der richtigen Methoden und Instrumente ab10.
Die polizeiliche Kriminalstatistik als Ausgangspunkt Die Kriminalitätsbelastung ist für die örtliche Sicherheitslage entscheidend. Daher sind polizeiliche Kriminalstatistiken eine wichtige erste Informationsquelle über diverse Aspekte der Kriminalität, die regelmäßig vorgelegt werden. Kriminalstatistiken ermöglichen Sicherheitsanalytikern die Beurteilung folgender Parameter:
Ausmaß der erfassten Kriminalität Arten der erfassten Kriminalität – und welcher Teil davon gewalttätig ist
Orte, an denen sich Kriminalität abspielt Quoten der insgesamt erfassten Kriminalität und die speziellen Arten von Kriminalität
Trends im Lauf der Zeit – ob die erfasste Kriminalität steigt oder fällt
Unterschiede zwischen Städten, vergleichbaren Gebieten und dem landesweiten Durchschnitt
Anteil der erfassten Straftaten, die aufgeklärt werden konnten. Das Problem mit polizeilichen Kriminalstatistiken ist die Dunkelziffer, die Tatsache, dass sie zwangsläufig einen unvollständigen Überblick über die Kriminalitätsbelastung vermitteln. In fast allen Ländern wird ein nicht unerheblicher Teil der Straftaten überhaupt nicht gemeldet bzw. erfasst. Diese unvollständigen Zahlen wären kein Problem, wenn sie gleichmäßig auf alle Arten von Kriminalität und alle Bevölkerungsgruppen verteilt wären. Das ist aber nicht der Fall. Bei bestimmten Verbrechensarten sind die Meldequoten extrem niedrig, sogar bei einigen schweren Straftaten (siehe Tabelle 4). Und oft werden gerade in 10- Siehe zum Beispiel Herzog, B (2016). “Entender crimen y justicia. Métodos y técnicas de investigación social cualitativa en criminología”. Valencia. Ed. Tirant lo Blanch.
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
den ärmsten und schutzbedürftigsten Teilen der Gesellschaft die Opfer nicht erfasst, weil sie nicht wissen, wie sie dies melden sollen, ihre Erfahrung nicht als Verbrechen wahrnehmen, Angst vor der Polizei haben, Kontakt mit der Polizei vermeiden oder weil ihre Behauptungen nicht ernst genommen werden. Hinzu kommt, dass die verfügbaren Informationen sehr uneinheitlich sind, selbst innerhalb der einzelnen Länder. Insbesondere sind die verfügbaren Kriminalstatistiken oft nicht detailliert genug, um für einzelne Stadtviertel wirklich nützlich zu sein. Ein gutes Beispiel für die Verfügbarkeit und Aufbereitung der Daten ist die britische Polizei, die Übersichten über die Kriminalitätsbelastung einzelner Stadtteile online stellt.11 Allerdings bergen detaillierte Informationen auch Risiken beim Datenschutz sowie die Gefahr einer Stigmatisierung bestimmter Viertel. Und selbst wenn Daten zur Verfügung stehen, sind Analysen aus Formatierungsgründen nicht immer einfach oder möglich. Tabelle 4 - Straftaten, die der Polizei nicht umfassend gemeldet werden12 Gewalt
Sexuelle Gewalt, häusliche Gewalt, Gewalt gegen Frauen
Viktimisierung von Kindern und Jugendlichen
Kindesmissbrauch, Schikanen, Übergriffe, Diebstahl
Verbrechen ohne Opfer
illegaler Drogenkonsum
Korruption
Bestechung
Verbrechen durch und gegen Unternehmen
Wirtschaftskriminalität, Betrug, Ladendiebstahl
Organisiertes Verbrechen
Menschenhandel, Drogenhandel, sexuelle Ausbeutung, Erpressung
Bagatell-Tatbestände
Bagatelldiebstahl, Sachbeschädigung, antisoziales Verhalten
Cyber-Crime
Online-Täuschung, Phishing, Cyber-Bullying, Hassreden
11- Auf https://www.police.uk/ einfach Postleitzahl eingeben (oder die verschiedenen Reviere durchblättern), damit eine Karte aller örtlich erfassten Straftaten angezeigt wird. Noch detailliertere Informationen werden durch Anklicken der Kreise und Auswählen unterschiedlicher Zeiträume oder Arten von Straftaten angezeigt. 12-Gestützt auf Efus (2007): Guidance on Local Safety Audits: A Compendium of International Practice, S.85.
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Opferbefragungen Das mittlerweile klassische Instrument, mit dem Licht in die Dunkelziffern gebracht werden soll, sind Opferbefragungen. Dabei werden Menschen stichprobenartig gefragt, welchen Straftaten sie innerhalb eines bestimmten Zeitraums zum Opfer gefallen sind. Diese Befragungen haben sich bei quantitativen Erhebungen der Zahl und Art der begangenen Straftaten als zuverlässiger erwiesen als polizeiliche Informationen, weil sie Informationen über eine Stichprobe von Personen bereitstellen, die nicht auf Grundlage von Polizeiberichten ausgewählt wurden. Opferbefragungen können Geschenisse festhalten, die in administrativen Quellen normalerweise nicht identifiziert werden. Sie können eine Vielzahl von Vorkommnissen und Erlebnissen abdecken, die theoretisch alle Arten von Straftaten umfassen können, aber auch Ereignisse, die nicht zwangsläufig als Straftat eingestuft werden, sowie Wahrnehmungen berücksichtigen. Dadurch sind sie eine gute Ergänzung zu Kriminalstatistiken, indem sie Informationen zu anderen relevanten sicherheitsspezifischen Ereignissen bereitstellen. Aus all diesen Gründen wurden Opferbefragungen zu einem Arbeitsinstrument für Politik und Forschung in den Bereichen Strafjustiz, Kriminalprävention und Kriminologie. Opferbefragungen werden in zahlreichen europäischen Ländern durchgeführt, für gewöhnlich auf nationaler Ebene. Beispiele hierfür sind die Kriminalitätsuntersuchung (Crime Survey) für England & Wales (vormals die Britische Kriminalitätsuntersuchung), die holländische Opferuntersuchung, der belgische Sicherheitsmonitor, die französische nationale Viktimisierungsuntersuchung sowie die italienische Sicherheitsuntersuchung unter Bürgern, die auch den Länderprofilen im Anhang zu diesem Leitfaden zu entnehmen sind. Auf internationaler Ebene führte eine Gruppe europäischer Kriminologen (Jan van Dijk, Pat Mayhew, Martin Killias) eine internationale Viktimisierungsstudie durch mit dem Ziel, internationale Vergleichsdaten für Kriminalität und Viktimisierung zu erstellen. Dieses Projekt wurde als International Crime Victims Survey (ICVS) bekannt. Nach einem ersten Durchgang 1989 wurden die Untersuchungen unter der Leitung des UN Interregional Crime and Justice Research Institute (UNICRI) 1992, 1996, 2000, 2004/2005 und 2010 wiederholt. Dank
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
einer vereinheitlichten Methodik werden Abweichungen bei Definitionen und Praxis reduziert und länderübergreifende Vergleiche ermöglicht. Entsprechende Untersuchungen wurden in 80 Ländern durchgeführt und halten Informationen über die Viktimisierung in 41 Ländern und 66 Groß- und Hauptstädten aus allen Erdteilen bereit. Die European Crime and Safety Survey (EU ICS) wurde 2004 im Rahmen eines von der EU geförderten FP6-Forschungsprojektes auf den Weg gebracht. Diese ICS-basierte europäische Untersuchung über Kriminalität und Sicherheit verglich das Viktimisierungsniveau in den (zum damaligen Zeitpunkt) 15 Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Estland, Polen und Ungarn, wurde aber am Ende des Projektes nicht fortgesetzt13. Die Idee Viktimisierung und gefühlte Sicherheit in einer EU-weiten Befragung zu messen, wurde vom Aktionsplan der Europäischen Kommission über Kriminalstatistiken 2011-2015 aufgegriffen, 2012 aber auf Grund fehlender Unterstützung im Europäischen Parlament eingestellt. 2013 wurde eine Untersuchung über Viktimisierung in der Wirtschaft durchgeführt14. Die Arbeiten auf EU-Ebene konzentrierten sich in den letzten Jahren auf eine Verbesserung der Vergleichbarkeit der Daten und ermöglichten eine Analyse der Trends bei Kriminalität und Strafjustiz15. Es gibt auch regelmäßig regionale und lokale Opferbefragungen, darunter die katalanische Opferbefragung (ESPC) und die Untersuchung über Viktimisierung und Sicherheitswahrnehmung in Barcelona (SVB), beide in Spanien, sowie eine Vielzahl punktueller Untersuchungen auf unterschiedlichen Ebenen. Allgemeine Bevölkerungsbefragungen mehrerer europäischer Städte enthalten auch Fragen zu Sicherheit, Viktimisierung und wahrgenommener Unsicherheit (u.a. Hannover und Augsburg) oder können einen thematischen Schwerpunkt zum
13-van Dijk, J., R. Manchin, J. van Kesteren, S. Nevala, und G. Hideg. (2005). The Burden of Crime in the EU – Research Report: Comparative Analysis of the European Crime and Safety Survey (EU ICS), 2005. 14-EU-Aktionsplan über Verbrechensstatistiken, Halbzeit-Analyse, 2011-2015, Arbeitsunterlage für Mitarbeiter der Kommission, 2014. 15-Siehe zum Beispiel Eurostat, Clarke Steve, Trends in crime and criminal justice, 2010, Eurostat statistics in focus, 2013 Eurostat, Tavares Cynthia, Thomas Geoffrey, Bulut Fethullah, Crime and Criminal Justice 2006-2009, Eurostat statistics in focus, 2012; Eurostat, Tavares Cynthia, Thomas Geoffrey, Crime and Criminal Justice, Eurostat statistics in focus, 2010.
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>
Thema Sicherheit beinhalten, so zum Beispiel in Stuttgart (Stuttgarter Sicherheitsbefragung). Andere Viktimisierungsumfragen wenden sich an bestimmte Zielgruppen oder Gebiete, wie Jugendliche oder bestimmte Stadtviertel. Ein Beispiel für die Nutzung von Viktimisierungsumfragen: Eine Analyse der Ergebnisse der ICVS 2000 in 17 Industrieländern stellte fest, dass die Diskrepanz zwischen polizeilich erfasster Kriminalität und Kriminalität, von der im Rahmen von Untersuchungen berichtet wurde, sehr groß war. Beispielsweise wurden 91% der Autodiebstähle bei der Polizei gemeldet, 78% der Einbrüche und 55% der Raubüberfälle. Diese Zahlen stehen im Kontrast zu den Meldequoten von 29% für Drohungen, 28% bei sexuellen Übergriffen und 10% bei sexuellen Beleidigungen. Während Opferbefragungen ein zentrales Instrument sind, um Unsicherheit zu verstehen, sind sie dennoch kein Allheilmittel. Auf Grund bestimmter methodologischer Einschränkungen können Opferbefragungen keine endgültige Bewertung der Gesamtzahl der illegalen Handlungen in einer Gesellschaft bereitstellen. Das Manual on Victimisation Surveys16 des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) enthält ausführliche Informationen zur Durchführung von Opferbefragungen. Dem Anhang zu dieser Publikation sind nähere Einzelheiten zu Beispielen für Opferbefragungen zu entnehmen. Im nächsten Abschnitt und in Tabelle 5 sind ebenfalls nützliche Informationen zu Opferbefragungen.
>>>>>>>> Vorbehalte zu Opferbefragungen Opferbefragungen können ein leistungsfähiges Instrument sein, da sie auf einer repräsentativen Auswahl basieren, die eine Hochrechnung der Ergebnisse auf die gesamte Bevölkerung zulässt. Die Herausforderung besteht allerdings darin, eine repräsentative Auswahl zu erhalten und die aus dem Bereich der Sozialwissenschaften bekannten Stichprobenfehler zu vermeiden.
16-UNODC Manual on Victimisation Surveys, Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung UNODC, 2010.
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
Nicht jede gemeldete Viktimisierung entspricht der gesetzlichen Definition von Straftaten oder wird von den Strafjustizbehörden anerkannt.
Die Art und Weise, wie ein Fragebogen vorgelegt wird, beeinflusst die Antworten. Die Befragungsmethode ist wichtig, wobei die verschiedenen Methoden (siehe Tabelle 5) Stärken und Schwächen haben und entsprechend dem Analysebedarf gewählt werden müssen. So ermöglichen Gespräche unter vier Augen zwar eine direkte Interaktion mit den Befragten, sind aber auch sehr kostspielig. Außerdem könnte genau diese persönliche Beziehung die Antworten in punkto soziale Erwünschtheit beeinflussen oder die Angaben einschränken, die vielleicht bei einer anonymeren Befragung gemacht worden wären. Beispielsweise ist es schwierig, gute Antworten auf Fragen zu sensiblen Themen wie häuslicher Gewalt oder sexuellem Missbrauch zu bekommen. Diese Themen hängen in hohem Maß davon ab, ob es dem Befrager gelingt, das Vertrauen der Befragten zu gewinnen, was zeitaufwändig ist.
Auch die Formulierung der Fragen spielt eine wichtige Rolle. Deshalb müssen die Fragen vorher getestet werden, um zu prüfen, ob sie richtig verstanden werden. Instrumente wie das ICVS bieten eine lange Liste mit auf der ganzen Welt bewährten und getesteten Fragen.
Die Genauigkeit der Statistiken wird durch die Fähigkeit der Menschen beeinflusst, sich an frühere Viktimisierungen zu erinnern. Befragungen zu früheren Erlebnissen hängen vom Gedächtnis des Einzelnen ab, dem so genannten „Teleskop“-Effekt. Schwerwiegende Ereignisse werden selten je vergessen; sie bleiben so im Gedächtnis haften, als ob sie erst vor kurzem passiert wären (forward telescoping). Weniger schwerwiegende Ereignisse werden leichter vergessen oder erscheinen in der Erinnerung länger her zu sein, als tatsächlich der Fall ist (backward telescoping).
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Es gibt Verbrechen ohne Opfer, die per Definition nicht in Opferbefragungen gezählt werden. Verbrechen „ohne Opfer“ sind beispielsweise Drogendelikte oder gesetzlich verbotene Handlungen, die einvernehmlich stattfinden (z.B. Sex mit Minderjährigen oder Zahlung von Schmiergeld), sowie Straftaten, die von den Opfern nicht bemerkt werden, was bei Betrugsdelikten der Fall sein kann. Um diese Lücke zu schließen, könnten Täterbefragungen eine interessante Ergänzung sein.
Opferbefragungen sind kostspielig. Sie erfordern einen erheblichen Aufwand an Zeit, Expertise und Ressourcen, wenn sie aussagekräftige Ergebnisse erzielen sollen. Sie müssen geplant werden. Eine beträchtliche Zahl von Personen muss befragt werden, nach Möglichkeit durch einen Interviewer. Informationen müssen erfasst und analysiert werden. Während Online-Befragungen die Kosten für Druck und Versand der Fragebögen sowie Datenerfassung gesenkt haben, können reine Online-Befragungen zum Verlust der Kontrolle über die Stichprobe und damit auch zum Verlust einer zentralen Stärke der Zufallsbefragung führen. Lösungen sind beispielsweise gemischte Methoden, die Papier- und Online-Befragungen oder Telefon- und Online-Befragungen verknüpfen17.
Tabelle 5 - Durchführungsmöglichkeiten für Opferbefragungen18 Methode
Telefonische Befragung
Erläuterung
Vorteile
Nachteile
Telefonische Befragung. Kann Computer-gestützt sein, so dass die Antworten vom Befrager direkt in den Computer eingegeben werden (Computer-gestützte Telefoninterviews (CATI)
Die Stichprobe kann zufällig ausgewählt werden. Zahlreiche Menschen in einem großen Gebiet können rasch zu niedrigen Kosten kontaktiert werden.
Die Stichprobe wird in Gebieten mit weniger Telefonen negativ beeinflusst. Dies gilt vor allem für die Teilnahme von ärmeren Menschen.
17- Siehe beispielsweise auf nationaler Ebene die Schweiz und auf lokaler Ebene Rotterdam oder Barcelona. 18- Vgl. Efus (2007): Guidance on Local Safety Audits: A Compendium of International Practice, S.103.
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
Methode
Erläuterung
Vorteile
Nachteile
Selbstausfüllen der Fragebögen
Der Befragte liest und beantwortet die Fragen auf Papier-, Laptop- oder Onlinefragebögen normalerweise zu Hause. Die Antworten werden vom Befrager nicht gesehen. Kann auf dem Postweg durchgeführt werden.
Die Stichprobe kann zufällig ausgewählt werden. Die Vorlage von Informationen über heikle Erfahrungen wie Missbrauch ist wahrscheinlicher, vorausgesetzt, die Antworten können unbeobachtet gegeben werden.
Schließt Menschen aus, die schlecht lesen und schreiben oder keinen Zugang zu Technologie haben. Größere Gefahr von Missverständnissen.
Onlinebefragung
Sonderform des Selbstausfüllens, bei der der Fragebogen ins Internet gestellt wird.
Erheblich billiger in punkto Planung, Verteilung und Datenerfassung.
Die Stichprobe kann nicht kontrolliert werden. Schließt Menschen aus, die schlecht lesen und schreiben oder keinen Zugang zu Technologie haben.
Mischbefragung
Traditionelle Befragung zum Selbstausfüllen (insbesondere postalisch), die es den Befragten ergänzend ermöglicht, online zu antworten. (Kann auch mit einer telefonischen Befragung verknüpft werden)
Die Stichprobe kann zufällig ausgewählt werden. Weniger Kosten für Druck und Datenerfassung.
Schließt Menschen aus, die schlecht lesen und schreiben oder keinen Zugang zu Technologie haben. Nur wenige Einsparungen durch das Internet.
Die Fragen werden von einem Befrager gestellt, der auch die Antworten erfasst.
Die Stichprobe kann zufällig ausgewählt werden. Die Fragen können erklärt werden und der Klärung halber zusätzliche Informationen erfragt werden. Auch können Ereignisse offengelegt werden, die nicht als kriminell wahrgenommen werden. Kann in Verbindung mit PDAs verwendet werden, damit die Befragten eigene Informationen zu sensiblen Themen eingeben.
Wahrscheinlich kostspielig und zeitaufwändig. Kann die Offenlegung sensibler Informationen hemmen.
Die Personen werden an öffentlichen Orten vom Befrager ausgewählt, der auch die Antworten erfasst.
Der Befrager kann sich bemühen, „Quoten“ für Untergruppen zu füllen, um eine repräsentative Auswahl zu erhalten. Relativ einfach, schnell und kosteneffizient.
Es werden kaum sensible Informationen offengelegt. Die Stichprobenauswahl erfolgt nicht zufällig. Personen, die mehr Zeit zu Hause verbringen, sind unterdurchschnittlich vertreten.
Im direkten Gespräch zu Hause
Straßenbefragungen
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Methoden und Instrumente für die Nutzung sekundärer Informationsquellen Informationen über Unsicherheit und Kriminalität sind nicht auf polizeiliche Kriminalstatistiken begrenzt und können auf anderen Wegen, beispielsweise durch direkte Befragungen, erhalten werden. Es gibt auch eine Vielzahl nützlicher sekundärer Informationen. In vielen Städten wird von den Behörden zu eigenen Zwecken ein breites Spektrum an Statistiken erfasst, bei denen es direkt oder indirekt um Kriminalität, Viktimisierung, Sachbeschädigung und antisoziales Verhalten geht. Diese Informationsquellen beziehen natürlich andere Strafjustizbehörden mit ein: Gerichte, Strafvollzug, Gefängnisse und Opferhilfe. Aber auch Bildungsbehörden einschließlich Schulen und Hochschulen, Sozialhilfe, Gesundheitsversorgung einschließlich Klinken und Krankenhäuser, Forschungsinstitute einschließlich Universitäten und Institute, Feuerwehr, Gemeindegruppen, Zivilgesellschaft / gemeinnützige Organisationen sowie private Sicherheitsfirmen und Versicherungsgesellschaften haben über Kriminalität und Viktimisierung viel zu sagen. Sofern diese „sekundären“ Daten angemessen, akkurat, nützlich und zugänglich sind, sollten sie berücksichtigt werden. Mit welchen Methoden und Instrumenten können diese Information genutzt werden? Es geht darum, quantitative und qualitative Informationen zu erfassen, zu untersuchen und zusammenzustellen. Genau darum geht es auch bei lokalen Sicherheitsaudits, deren allgemeine Funktionsweise in Kapitel 2 erläutert wurde. Spezifische Audits hingegen, die beispielsweise vom französischen Forum für urbane Sicherheit (FFSU) oder dem Heidelberger Auditkonzept für urbane Sicherheit (HAKUS) entwickelt wurden, bieten besondere Kombinationen von Instrumenten und Verfahren an. Diese spezifischen Auditsysteme werden in Kapitel 4 vorgestellt, während dieses Kapitel die Methoden und Instrumente vorstellt, die allgemeine Schlüsselbestandteile lokaler Sicherheitsaudits sind.
Zugriff auf sekundäre Daten und Open Data Sekundäre Daten stehen per Definition bereit, wurden aber zu anderen Zwecken erfasst. Die wichtigste Herausforderung besteht hierbei darin,
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
zu wissen, welche relevanten Informationen verfügbar sind und wer sie besitzt, und den Zugriff auf diese Daten zu ermöglichen, sie in nutzbarer Form zu erhalten und die Normen in punkto Vertraulichkeit und Datenschutz einzuhalten. Der Zugriff auf vorhandene Informationen wird derzeit durch den Trend in Richtung Open Data erleichtert. Hinter Open Government Data (OGD) oder offenen Verwaltungsdaten steht eine Philosophie – und zunehmend auch eine Politik –, die Transparenz, Rechenschaftspflicht und Wertschöpfung fördert, indem Verwaltungsdaten allgemein verfügbar gemacht werden.19 Staatliche Stellen generieren und geben riesige Mengen an Daten und Informationen in Auftrag. Wenn diese Datensätze verfügbar gemacht werden, werden staatliche Institutionen für die Bürger transparenter und rechenschaftspflichtiger. Durch die Ermutigung zur Verwendung, Wiederverwendung und freien Zugänglichkeit zu Datensätzen unterstützen Regierungen Unternehmensgründungen und innovative, bürgerorientierte Dienste. Nicht nur viele europäische Länder und die Europäische Union haben Open Data-Portale eingerichtet, sondern auch mehrere lokale Behörden.20
Datenobservatorien Ein strategischer, evidenzbasierter Ansatz für urbane Sicherheit erfordert die Erfassung von Informationen aus mehreren Quellen, um eine angemessene Vorstellung von den Problemen und Ursachen von Kriminalität und den damit verbundenen Problemen zu erhalten. Obwohl dies anfangs eine separate Aufgabe sein kann, muss sie regelmäßig wiederholt werden und idealerweise sollten Präventionsfachleute und Strategen Veränderungen systematisch und kontinuierlich beobach-
19- Siehe zum Beispiel: World Bank Open Government Data Toolkit http://opendatatoolkit.worldbank.org Die unabhängige Expertengruppe des Generalsekretärs der Vereinten Nationen zu einer Datenrevolution für nachhaltige Entwicklung (IEAG) (2014): A world that counts. http://www.undatarevolution.org/; Ubaldi, B. (2013), “Open Government Data: Towards Empirical Analysis of Open Government Data Initiatives”, OECD Working Papers on Public Governance, Nr. 22, OECD. 20- Siehe beispielsweise Amsterdam, Berlin, Bonn, Barcelona, Brüssel, Köln, Kopenhagen, Den Haag, Helsinki, Linz, London, Madrid, Oslo, Paris, Rennes, Rotterdam, Stockholm, Wien und Zürich.
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ten. Diese Anforderung gilt nicht nur für die Kriminalprävention, sondern kommt inzwischen auf die meisten politischen Bereiche zur Anwendung und Datenobservatorien wurden in immer mehr Städten eingerichtet. Ein Observatorium bezieht und analysiert Informationen von unterschiedlichen Stellen, um die Entwicklung der öffentlichen Politik und der Programme danach auszurichten. In diesem Rahmen kann es erforderlich sein, mit Datenanbietern über Aspekte wie Vertraulichkeit, Definitionen und Formate zu verhandeln, damit Kompatibilität und Relevanz maximiert werden. Die Arbeit des Observatoriums kann die Einrichtung integrierter Datenbanken oder Geografischer Informationssysteme (GIS), Data Mining-Verfahren und Big Data umfassen (siehe unten). Vor allem aber werden Informationen kontinuierlich erfasst, so dass regelmäßige Aktualisierungen und eine ununterbrochene Beobachtung stattfinden. Observatorien können allgemein sein und ein breites Spektrum politischer Themenkataloge abdecken, oder sich auf bestimmte Themen wie urbane Sicherheit konzentrieren. In westeuropäischen Ländern gibt es mehrere Beispiele für solche Observatorien (z.B. das französische Observatorium über Drogen und Drogenabhängigkeit, Observatoire national des drogues et des toxicomanies - OFDT), aber auch auf europäischer (z.B. Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht EBDD) und grenzüberschreitender (z.B. Euregio Maas-Rhein Observatorium für Delinquenz – EMROD) Ebene, ebenso wie auf lokaler21 und regionaler Ebene22. Zwar ist diese Form der Institutionalisierung ein wichtiger Teil des strategischen und evidenzbasierten Ansatzes, doch haben ihre hohen Kosten ihre Verbreitung erheblich behindert 23.
21-Vgl. zum Beispiel das “Observatoire de la sécurité” der Stadt Lausanne, Schweiz, oder das Observatorium gegen Diskriminierung in Venedig, Italien. 22- In Italien wurden Observatorien für urbane Sicherheit in Regionen wie Toscana, Veneto, Umbrien und Ligurien geschaffen. In Frankreich wurden auf Ebene der Regionen und der Departements Observatorien eingerichtet, darunter das Observatorium für Kriminalität und sozialen Kontext in der Region Provence Alpes Cote d´Azur PACA (Observatoire régional de la délinquance et des contextes sociaux (ORDCS), das Observatorium für Gewalt gegen Frauen (Observatoire des violences envers les femmes 2002) im Departement Seine-Saint-Denis, das regionale Observatorium für Gewalt gegen Frauen Ile de France (observatoire régional des violences faites aux femmes 2013) oder das Observatorium für Gewalt des Departments Essone (Observatoire départemental des discriminations 2011). 23- Siehe z.B. ICPC (2009): Crime Observatories : Review of international experiences, August 2009.
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
Erfassung qualitativer Daten Quantitative Daten allein reichen kaum aus. Deshalb müssen Statistiken durch qualitative Informationen aus Befragungen, Begegnungen und anderen Formen der Konsultation ergänzt werden. Denn das in diesem Rahmen erfasste Material beleuchtet nicht nur die Geschehnisse, sondern auch ihre Hintergründe, was entscheidend ist, um einen echten Einblick zu erhalten. Außerdem werden dadurch Wahrnehmungen und Besorgnisse, Prioritäten und Chancen offengelegt, die für die Entwicklung einer künftigen Präventionsstrategie verwendet werden können. Diese Aspekte lassen sich nicht einfach durch Zahlen darstellen, sondern werden wesentlich effizienter in Interviews und anderen partizipativen Gesprächsformaten behandelt. Im Folgenden sind Beispiele für Methoden und Instrumente für die Mobilisierung und Partizipation der Bürger aufgeführt: Fokusgruppen Als ‘Fokusgruppe’ bezeichnet man heute fast jede Art der Gruppendiskussion. Eigentlich bezieht sich der Begriff jedoch auf eine besondere Form der Begegnung, die auf ganz bestimmte Weise organisiert und geleitet wird, um Eindrücke zu einem bestimmten Thema zu gewinnen, die für Entscheidungsträger nützlich sein können (siehe Kapitel 4). Eine typische Fokusgruppe umfasst sechs bis zehn Teilnehmer, die auf Grund gemeinsamer Merkmale, die einen Bezug zum Thema haben, ausgewählt werden. Die Diskussion wird von einem geschulten Moderator geleitet, der eine tolerante, entspannte Umgebung für zwei- bis dreistündige Debatten schaffen muss. Das Thema wird vom Moderator kurz vorgestellt, der danach Fragen an die Gruppe richtet. Eine Fokusgruppe unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von konventionellen Treffen und hat gegenüber Treffen und persönlichen Befragungen Vorteile. Sie ermöglicht für gewöhnlich, dass einem genau definierten Thema konzentrierte Aufmerksamkeit geschenkt wird, das gründlich geprüft wird. Der Schwerpunkt wird dabei hauptsächlich auf die Diskussion und die Gruppendynamik gelegt, um Gedanken zu entwickeln, und weniger auf formale Präsentationen oder Vorträge. Eine auf Fokusgruppen basierende Studie umfasst normalerweise mehrere Gruppen mit ähnlichen Teilnehmern, um eine bessere Vor-
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stellung von den Meinungen und Gefühlen zu bekommen. Am Ende des Verfahrens vermittelt es zwar einen guten Einblick in das Thema, aber weil nur wenige Menschen beteiligt sind, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die geäußerten Ansichten für die Bevölkerung insgesamt gelten. Nach Möglichkeit sollte anhand weiterer Methoden geprüft werden, ob die Ideen und Meinungen einer breiteren Basis entsprechen. Visioning Visioning oder eine Zukunftswerkstatt ist eine Übung für den Aufbau einer gemeinsamen Zukunftsvorstellung, die sich auf einen bestimmten Bereich, eine Organisation oder eine Dienststelle beziehen kann. Im Kontext der Kriminalprävention geht es um die Vorstellung, an einem sicheren Ort aufzuwachen, zu leben und zu arbeiten, an dem die Menschen frei sind von Furcht, Gewalt, Viktimisierung und Intoleranz. Eine gemeinsame Vorstellung oder Vision ist äußerst wichtig, da sie die Menschen zusammenbringt und ihr Interesse an Zusammenarbeit sicherstellt. Eine Visioning-Veranstaltung kann für verschiedene Aufgaben im Zusammenhang mit der Umsetzung eines strategischen Ansatzes nützlich sein. Sie kann stadtweit mit wichtigen Akteuren durchgeführt werden, beispielsweise in Form einer Podiumsdiskussion. Sie kann auch auf bestimmte Stadtviertel, Interessengemeinschaften und schwer zu erreichende Gruppen begrenzt werden. Auf Grund seiner Unkompliziertheit ist das Konzept für Anhörungen mit unterschiedlichen Gruppen geeignet, einschließlich junger Leute, und sein vorausschauender Charakter fördert konstruktives Engagement. Trotzdem bestehen einige Einschränkungen. Ohne sorgfältiges Management können unrealistische Erwartungen geweckt werden, die zu Enttäuschung führen, wenn Hoffnungen zerstört werden. Unterschiedliche Vorstellungen lassen sich oft schwer in Einklang bringen, was polarisierend wirken und Partnerschaften schwächen kann. Visioning kann zu schlechten Ergebnissen führen, weil Menschen „sich nicht etwas wünschen können, was sie nicht kennen“; manchmal ist es besser, ein Spektrum an Möglichkeiten anzubieten als ein weißes Blatt Papier. Es kann aber ein
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
interessantes Instrument für die Entstehung innovativer, lokal relevanter Ideen sein.24 Rundgänge Rundgänge, Begehungen oder Stadtteilspaziergänge werden normalerweise an konkrete Besorgnisse in bestimmten geografischen Gebieten geknüpft und umfassen Ortstermine, um diese Besorgnisse anzusprechen und Ideen auszuloten, wie diese angegangen werden können. Sie sind mittlerweile ein wichtiges Instrument für die Untersuchung von Problemen in Verbindung mit der Sicherheit von Frauen. Beispiele für Praktiken und Lösungsansätze sind Kapitel 4 zu entnehmen. Die Teilnehmer können ein Querschnitt der lokalen Bevölkerung darstellen, eine bestimmte Interessengruppe oder eine gemischte Gruppe, die auch Behördenvertreter umfasst. Ideen werden während des Rundgangs entwickelt und können dann an das Audit-Team weitergegeben werden. Fotoapparate für die Informationserfassung können den Gruppen dabei helfen, ihre Ansichten und Sorgen einer breiteren Öffentlichkeit zu vermitteln.25 Rundgänge sind besonders geeignet, um Themen in Verbindung mit der physischen Umgebung wie Bauplanung oder Straßenbeleuchtung zu untersuchen oder auch die Präsenz von Betrunkenen, Rasern oder Jugendbanden in einem Gebiet. Eine Ortsbegehung zu einem Zeitpunkt, zu dem die Probleme besonders offensichtlich sind, kann ausgesprochen wirkungsvoll sein, um das Bewusstsein zu steigern, klarzustellen, was falsch läuft, das Engagement zu erhöhen und Antworten zu entwickeln. Durch den Praxisbezug wird das Verfahren realitätsnah, was für die örtlichen Anwohner ansprechender ist als Treffen in einem Sitzungssaal, so dass die Teilnehmer ganz von selbst von Problemen auf Antworten schließen. Rundgänge wurden besonders effektiv im Rahmen von Audits zur Sicherheit von Frauen und allgemein zur Beurteilung von Sicherheitsproblemen an Straßen zu und von Verkehrsknotenpunkten eingesetzt.
24-Vgl. z.B. Barbara Holtman (2011): What it looks like when it's fixed. 25- Vgl. z.B. Minsterausschuss für Städte (2012). Guide méthodologique des marches exploratoires. http://www.ville.gouv.fr/IMG/pdf/sgciv-guidemarcheexploratoire.pdf
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Das Verfahren sollte mit einer Klarstellung der Ziele und der verwendeten Methoden beginnen. Dann beobachtet oder begeht die Gruppe das Gebiet und bespricht und erfasst während der Begehung diverse Aspekte. Das kann mit einer Fragen-Checkliste systematisiert werden, wobei es auch nützlich sein kann, das Verfahren zu unterschiedlichen Zeitpunkten, Tagen oder Monaten oder auch mit verschiedenen Gruppen zu wiederholen. Ethnologische Studien Was die Leute in Befragungen sagen, passt nicht unbedingt zu dem, was sie tatsächlich tun. Deshalb ist es interessant, Beobachtungsdaten zu berücksichtigen. Beispielsweise kann es sehr aufschlussreich sein, zu beobachten, zuzuschauen und zu zählen, wie die Menschen sich verhalten, welche Kategorien von Menschen öffentliche Räume nutzen, wie sie sich in diesen Räumen verhalten und wie sich dies im Lauf der Zeit ändert. Beobachtungen sind eine zentrale Methode jeder Wissenschaft, und die Analyse und Erfassung von Daten über menschliche Gesellschaften und Kulturen gehören in den Bereich der Ethnografie. Eine typische Ethnografie ist eine ganzheitliche Analyse des gesellschaftlichen Lebens und kann daher ein ausgesprochen interessantes Instrument sein, um urbane Sicherheit in einem bestimmten Gebiet zu verstehen. Das Französische Forum für urbane Sicherheit, das seit mehreren Jahren lokale Sicherheitsaudits durchführt, hat sein Toolkit mit Hilfe des Efus-EU-Projektes AUDITS um ein ethnografisches Element ergänzt. Insbesondere hat sich nämlich gezeigt, dass die so gewonnenen ethnografischen Daten eine hervorragende Ergänzung zu anderen Informationsquellen sind (siehe Praxis Kapitel 4). Soziale Medien und Apps für Informationserfassung Soziale Medien und Apps bieten neue Tools, um die Bürger zu erreichen und sie in die politische Gestaltung einzubeziehen, was die Erfassung relevanter Daten zu Sicherheit und Sicherheitswahrnehmung umfassen kann. Diese Tools bieten direkte Kommunikationskanäle mit den Bürgern und die umfangreichen Informationen, die erfasst werden können, können durch Crowdsourcing bestätigt werden. Smartphone Apps sind besonders interessante Tools, weil sie Geodaten mit Berichten über Ereignisse oder Wahrnehmungen verknüpfen
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
können. In vielen europäischen Städten gibt es mittlerweile Apps, mit denen die Nutzer den Behörden kleinere, nicht dringende Ereignisse melden können. Die Bürger können über Hotlines26, städtische Webseiten27 oder Smartphone Apps28 Probleme wie Sachbeschädigung oder Vermüllung melden, die bei der Analyse der Sicherheitslage einer bestimmten Gegend relevant sind. Andere Apps gehen noch weiter und sprechen Probleme mit Unsicherheit und Kriminalität direkt an. Die SafetiPin App (siehe Kapitel 4) ermöglicht es den Nutzern, in erster Linie Frauen, ihre Wahrnehmung der Sicherheit von Stadtvierteln mitzuteilen, und bietet sogar ein Sicherheitsaudit im Kleinen durch eine Kartierung des Gebiets und seiner sicheren und unsicheren Bereiche aus der Warte der Nutzer. In Städten wie Riga (Lettland) ermöglichen Apps sogar das direkte Melden von Ereignissen.
2. Die Perspektive der Bürger Zu betrachten, wie Unsicherheit die Bürger beeinflusst, ist eine weitere, ergänzende Möglichkeit, um die örtliche Sicherheitslage zu verstehen. Durch die Berücksichtigung der Sichtweise der Betroffenen können sowohl Viktimisierung als auch subjektive Dimensionen, wie das Gefühl von Unsicherheit und die Furcht vor Kriminalität, analysiert werden. Wir haben bereits erklärt, dass die tatsächliche Viktimisierung nicht unbedingt mit den Informationen übereinstimmt, die den Behörden über Kriminalität vorliegen, und wir haben aufgezeigt, wie Opferbefragungen eine Vorstellung von der effektiven Viktimisierung in einem bestimmten Gebiet und in einem bestimmten Zeitraum vermitteln können. Jetzt wollen wir uns mit der subjektiven Dimension der Unsicherheit und ihrer Messung befassen. 26-Siehe zum Beispiel die Sonderrufnummer 3-1-1, die Zugang zu städtischen Diensten außerhalb der Notrufzentralen in vielen Gemeinden in Kanada und den USA ermöglicht, oder vergleichbare Hotlines in europäischen Städte, beispielsweise die Rufnummer 14 010 in Rotterdam. 27-Zahlreiche Gemeinden haben “report-it”-Webseiten eingerichtet, darunter Rotterdam.nl/ meldingen oder https://www.lbhf.gov.uk/report-it 28-Siehe zum Beispiel: “Dans ma rue” in Paris oder die Riga municipal police app seitens der Gemeinden oder kommerzielle Apps wie http://www.buitenbeter.nl/ in den Niederlanden.
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Als Ausgangspunkt nehmen wir die Situation, in der die Bürger sich befinden, und können so andere Zielvariablen und politische Zielsetzungen besprechen, die über die Bekämpfung von Verbrechen und Unsicherheit hinausgehen. Insbesondere geht es uns dabei um die ganzheitliche Vermittlung eines Sicherheitsgefühls, Bewegungsfreiheit und ungestörte und sichere Aufenthalte im öffentlichen Raum sowie die Möglichkeiten für individuelle Entwicklung, Wohlbefinden oder Zufriedenheit. In diesem Abschnitt wird untersucht, welche Methoden und Instrumente erforderlich sind, um diese Konzepte zu operationalisieren und zu messen.
Das Gefühl von Unsicherheit verstehen Das Gefühl von Unsicherheit spielt eine wichtige Rolle, weil es sich auf das individuelle und kollektive Wohlbefinden auswirkt, aber auch wegen seiner wirtschaftlichen und politischen Folgen. Natürlich wird es durch die effektive Viktimisierung beeinflusst, aber das Gefühl von Unsicherheit ist de facto eine relativ unabhängige Variable. Es kann sich anders entwickeln als die Viktimisierung. Mehrere Länder haben in den letzten Jahren einen Trend registriert, der auf sinkende Kriminalität hinweist, während das Gefühl von Unsicherheit und die Kriminalitätsfurcht gestiegen sind.29 Dass gerade diejenigen, die am seltensten Opfer werden (ältere Mitbürger und Frauen), am ängstlichsten sind, ist in der kriminologischen Literatur als „Paradox der Kriminalitätsfurcht“ bekannt.30 Aus diesem Grund messen die lokalen Behörden dem Gefühl von Unsicherheit oder, positiv ausgedrückt, dem Sicherheitsgefühl ihrer Bürger so große Bedeutung bei. Kriminologen unterscheiden drei Dimensionen der Kriminalitätsfurcht31:
Eine
affektive Dimension: Kriminalitätspotenzial
das
allgemein
wahrgenommene
Eine kognitive Dimension: die spezifische Beurteilung der Wahrscheinlichkeit, einem Verbrechen zum Opfer zu fallen 29-Siehe zum Beispiel Laurent Borredon (2012): Le sentiment d'insécurité augmente malgré la baisse du nombre de délits. In: Le Monde, 20.11.2012. 30-Siehe zum Beispiel Hale, C. (1996). Fear of crime: A review of the literature. International Review of Victimology, 4, 79-150. 31- Siehe zum Beispiel Skogan 1993.
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
Eine konative oder verhaltensspezifische Dimension: die Auswirkung der Kriminalitätsfurcht auf das Verhalten. Das Verstehen der Kriminalitätsfurcht ermöglicht die Operationalisierung und Messung eines Konzeptes, das nicht leicht zu beobachten ist. Befragungen sind Schlüsselinstrumente für die Messung des Gefühls von Unsicherheit. Die meisten großen Opferbefragungen enthalten Module zur Sicherheitswahrnehmung. Da das Thema von besonderem politischem Interesse ist, wurden Fragen zum Sicherheitsgefühl gelegentlich in lokale, allgemeine Bevölkerungsbefragungen aufgenommen, jedoch messen sie oft nur einen Aspekt der wahrgenommenen Unsicherheit. Instrumente wie der DEFUS-Monitor Sicherheitsgefühl (siehe Erhebungsbögen in Kapitel 4) haben Forschungsfragen entwickelt und getestet, um alle drei Dimensionen der Kriminalitätsfurcht zu messen. Diese Instrumente mit Beispielen für getestete Fragen sind wichtig, weil die Genauigkeit der Messung von der Formulierung abhängt32. Der Monitor kann als unabhängiges Instrument verwendet oder als Modul in eine allgemeine Bevölkerungsumfrage aufgenommen werden33. Eine ausführliche Analyse des Gefühls von Unsicherheit im Rahmen eines umfassenden Sicherheitsaudits, wie beispielsweise das „Rotterdamer Stadtviertelprofil“, kann genauere politische Empfehlungen geben und bietet effektive Testhypothesen aus der akademischen Literatur (siehe Erhebungsbögen in Kapitel 4).
Operationalisierung und Messung anderer Zielvariablen wie Wohlbefinden Die Verallgemeinerung der evidenzbasierten Politik und ganzheitlicher Ansätze zu sozialen Problemen haben die Nachfrage nach sozialen Indikatoren vorangetrieben, die die Messung von gesellschaftlichem 32-Selbst die von jeher oft verwendete Frage nach dem Standardelement wurde viel diskutiert und kritisiert. Siehe zum Beispiel J. M. Hough, J.M. und Renée Zauberman (2008): Victimisation and Insecurity in Europe: A Review of Surveys and Their Use, S. 115. 33- Siehe zum Beispiel die Arbeit der Stadt Düsseldorf im Rahmen des AUDITS-Projektes (die ein komplettes Modul zum Gefühl der Unsicherheit aufgenommen hat) oder die Sicherheitsbefragung in Stuttgart.
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Fortschritt, Wohlbefinden und sozialer Inklusion stützen.34 Wenn Kriminalität nicht mehr als isoliertes Problem, sondern von Politikern, Forschern und Dienstleistern im Zusammenhang mit anderen sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen gesehen wird, erscheint es auch angemessen, andere Zielvariablen zu berücksichtigen als das Nichtvorhandensein von Kriminalität oder Kriminalitätsfurcht. Eine Möglichkeit, sich mit dem Thema zu befassen, ist es, das Wohlerbefinden der Bürger zu betrachten. Die Frage ist dann, wie ein solches Konzept definiert, operationalisiert und gemessen wird. Die Arbeit des Europarates zu den Indikatoren für sozialen Zusammenhalt35 erachtet individuelles Wohlbefinden und Wohlergehen als Ziel einer kohäsiven Gesellschaft und berücksichtigt dabei vier Hauptelemente: gleichberechtigter Zugang zu Rechten, Würde und Anerkennung jeder Person, Autonomie und persönliche Entfaltung sowie die Beteiligung als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft (siehe Grafik 2). Grafik 2 - Die vier Elemente des Wohlergehens der Bürger (Europarat 2004)
Gleichstellung Nichtdiskriminierung
Würde Anerkennung Stabilität in modernen Gesellschaften
Autonomie Persönliche Entwicklung
Partizipation Engagement
34- UNODC (2010): Manual on victimisation surveys, S. 4. 35- Europarat (2005): Methodological Guide to the Concerted Development of Social Cohesion Indicators. Straßburg: Council of Europe Press, S. 28.
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
In seinem Leitfaden zu Indikatoren für sozialen Zusammenhalt befasst sich der Europarat mit der Frage der Entwicklung methodologischer Instrumente, die relevante Informationen erfassen und verarbeiten, um das benötigte Wissen auf diesem Gebiet zu erhalten. Ferner bietet er eine Datenbank mit Indikatoren, um diese Elemente und Trends des Wohlergehens allgemein mit Blick auf bestimmte Lebensbereiche sowie für gefährdete Gruppen zu messen. Wenn er sich auch nicht direkt mit Sicherheitsthemen befasst, kann er dennoch dabei helfen, wie dieser Bereich und Wohlergehen im weiteren Sinne analysiert werden können. Noch wichtiger für diesen Ansatz als Beispiele für Indikatoren ist möglicherweise die Methode für die kollektive Definition von Wohlergehen und die anschließende Entwicklung von Indikatoren. Dies wurde im Rahmen der SPIRAL-Methode entwickelt, die für ‘Societal Progress Indicators for the Responsibility of All’ steht. SPIRAL ist ein Ansatz für kollektives Lernen, der darauf abzielt, die Fähigkeit der Gesellschaft allmählich aufzubauen, das Wohlergehen aller durch die gemeinsame Verantwortung der verschiedenen Interessengruppen sicherzustellen: Bürger, öffentliche und private Akteure. Ausgangspunkt ist die örtliche Ebene, auf der die SPIRAL-Methode und ihre Instrumente zum Aufbau einer gemeinsamen Sichtweise von Wohlergehen und derjenigen Ziele beitragen, auf die die Gemeinschaft sich zubewegen sollte.
3. Kontext, zugrunde liegende Ursachen, Risiko- und Schutzfaktoren Um nach der Feststellung der Sicherheitslage noch einen Schritt weiter zu gehen und die Situation und die zugrunde liegenden Ursachen für Unsicherheit zu verstehen, müssen auch andere Variablen berücksichtigt werden, die den Kontext erläutern, in dem die urbane Sicherheit sich entwickelt. Diese Faktoren sind aus der präventiven Warte besonders wichtig, da ihr endgültiges Ziel nicht nur darin besteht, ein vorhandenes Problem durch die Behandlung seiner Ursachen zu lösen, sondern die Entstehung des Problems zu verhindern, indem im Voraus an diesen Variablen gearbeitet wird.
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Deshalb sind geeignete Methoden und Tools für die Beschreibung eines bestimmten Gebietes so wichtig. Wie in Kapitel 1 erläutert, geben Audit-Instrumente mit einem Überblick über die demografischen, wirtschaftlichen und sonstigen Merkmale den Kontext vor, da sie Muster von Risikofaktoren untersuchen, die möglicherweise eine Ursache für das Auftreten von Kriminalität und Gewalt sind, und Opfer und Täter einschließlich Geschlecht, Alter, ethno-kulturelle und sozio-ökonomische Muster analysieren. Die Instrumente, die diese Information liefern können, ähneln denjenigen, die Informationen über Kriminalität aus verschiedenen Quellen erfassen.
Risiko- und Schutzfaktoren Methoden wie Communities That Care (CTC)36 bieten Anleitungen dafür, welche Variablen berücksichtigt werden sollten und wie sie gemessen werden. CTC ist ein wissenschaftsbasiertes Präventionssystem, das Gemeinschaften die Instrumente an die Hand gibt, damit sie mit gesundheitlichen und verhaltensspezifischen Problemen ihrer jugendlichen Bevölkerung umgehen können, indem sie sich auf empirisch identifizierte Risiko- und Schutzfaktoren konzentrieren. CTC bietet ferner Instrumente für die Beurteilung der Risiko- und Schutzniveaus in Gemeinschaften sowie Verfahren für die Priorisierung von Risiko- und Schutzfaktoren und die Vorgabe spezifischer und messbarer Ziele für die Gemeinschaft. CTC basiert auf akademischen Erkenntnissen über die Bedeutung einer Reihe von Risiko- und Schutzfaktoren entsprechend der Aufzählung in Tabelle 6. Sie werden anhand der CTC-Jugendbefragung in Schulen analysiert. Es ist wichtig festzustellen, dass die CTC-Instrumente sich nicht mit der tatsächlichen Unsicherheit oder der wahrgenommenen Sicherheit befassen, sondern sich auf das Erhalten von Kenntnissen konzentrieren (um anschließend Orientierungshilfen zu geben), um Präventionsprogramme für Verhaltens- und Gesundheitsprobleme von Jugendlichen zu entwickeln.
36-http://www.communitiesthatcare.net/
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
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Tabelle 6 - Risiko- und Schutzfaktoren für Verhaltensprobleme von Jugendlichen im CTC-Programm37
Risikofaktoren
Individuell: antisoziales/aggressives Verhalten, frühzeitige Einweihung in antisoziales Verhalten*, frühzeitige Einweihung in Drogenkonsum*, positive Einstellung zu antisozialem Verhalten*, positive Einstellung zu Drogenkonsum*, Bandenbeteiligung, körperliche Gewalt, Aufsässigkeit, Stress, Suchtmittelkonsum*
Gruppen von ähnlich-Altrigen (Peer groups): Wechselwirkung mit antisozialen Peers, Suchtmittelkonsum durch Peers
Familie: Konflikt/Gewalt in der Familie, Familiengeschichte mit problematischem Verhalten, positive Einstellung der Eltern zu antisozialem Verhalten, positive Einstellung der Eltern zu Drogenkonsum, schlechtes Familienmanagement*
Schule: schwaches Engagement und Bindung an die Schule, schlechte schulische Leistungen
Stadtviertel/Gemeinschaft: schlechte Organisation der Gemeinschaft, Gesetze und Normen günstig für Drogenkonsum/Kriminalität, geringe Bindung an das Viertel, Verfügbarkeit von Drogen, Verfügbarkeit von Waffen, Veränderungen und Mobilität
Schutzfaktoren
Individuell: klare Verhaltensstandards, Bewältungsfähigkeit (Coping), wahrgenommene Risiken des Drogenkonsums, soziales Engagement, Ablehnungsfähigkeit, Teilnahme an Gottesdiensten, Belohnung für prosoziales Engagement, Fähigkeiten für soziale Interaktion
37-Hawkins, David und Richard Catalano (2002): Building Protection: The Social Development Strategy. Seattle: University of Washington, Social Development Research Group (SDRG), Center for Communities That Care.
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Gruppen von ähnlich-Altrigen (Peer groups): Wechselwirkung mit prosozialen Peers
Familie: Bindung an die Eltern, Möglichkeiten für prosoziales Engagement mit den Eltern, Anerkennung für prosoziales Engagement mit den Eltern
Schule: Möglichkeiten für prosoziales Engagement in der Bildung, Anerkennung für prosoziales Engagement in der Schule
Stadtviertel/Gemeinschaft: Möglichkeiten für prosoziales Engagement, Anerkennung für prosoziales Engagement
Sozialer Zusammenhalt Sozialer Zusammenhalt oder soziale Kohäzion gilt oft als Äußerung einer intakten, solidaritätsbasierten Gesellschaft. Der gesellschaftliche Zusammenhalt ist ein wichtiges Konzept, wenn es darum geht, Kriminalität und das Gefühl von Unsicherheit zu verstehen, zu kontrollieren und zu verhindern. Er ermöglicht ferner, die Kriminalprävention im Rahmen größerer, positiv formulierter sozialer Ziele anzusiedeln. Die Messung der sozialen Kohäsion ist allerdings eine schwierige Übung. Denn gesellschaftlicher Zusammenhalt ist in erster Linie ein qualitatives Konzept, das die Kohärenz und die Qualität der sozialen und institutionellen Bindungen zum Ausdruck bringt, die erforderlich sind, um das Wohlergehen des Einzelnen sicherzustellen. Daher stellt sich zunächst die Frage, mit welchen Methoden und Instrumenten sich der Zustand der sozialen Kohäsion zunächst erschließen und dann bearbeiten lässt. Internationale Organisationen wie die OECD oder der Europarat, aber auch Privatinitiativen, haben an einer Operationalisierung des Konzeptes gearbeitet und schlagen Methoden und Instrumente für seine Messung vor.38 Die OECD-Indikatoren für soziale Kohäsion39, der methodologische Leitfaden des Europarates über Indikatoren für soziale
38-Siehe auch Acket, S. et al. (2011): Measuring and validating social cohesion. Luxemburg: CEPS/ Instead, Luxemburg. 39-Erschienen in OECD (2014): Societies at a glance. Soziale Indikatoren der OECD, S.132.
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
Kohäsion40 oder auch der Radar für gesellschaftlichen Zusammenhalt der Bertelsmann-Stiftung41 schlagen Methoden und Instrumente für ihre Messung vor. Der Europarat definiert sozialen Zusammenhalt als die Fähigkeit einer Gesellschaft zur Sicherstellung des langfristigen Wohlergehens ihrer Mitglieder, einschließlich des ausgewogenen Zugangs zu verfügbaren Ressourcen, Achtung der Menschenwürde mit angemessener Berücksichtigung von Diversität, persönlicher und kollektiver Autonomie und verantwortungsbewusster Partizipation. Er sieht einen Zusammenhang zwischen individuellem Wohlergehen und gesellschaftlichem Zusammenhalt. Die zuvor genannten Indikatoren für soziale Kohäsion und die SPIRAL-Methode (Societal Progress Indicators for the Responsibility of All)5, die in Kapitel 4 vorgestellt wird, können nicht nur für Messungen sondern auch für die Ausarbeitung einer Politik verwendet werden, die auf eine Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts abzielt.
II. Entwicklung einer Strategie
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Eine lokale Sicherheitsstrategie ist der Schlüssel zu einem strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit. Sie umfasst die Vorbereitung und Organisation einer angemessenen Antwort auf die festgestellten Probleme. Sie muss Schlussfolgerungen aus den Kenntnissen über die urbane Sicherheitslage ziehen und eine gemeinsame Erkenntnis zu den aktuellen Problemen entwickeln und die in Betracht gezogenen Maßnahmen nennen.
40-Europarat (2005): Methodological Guide to the Concerted Development of Social Cohesion Indicators. Straßburg: Council of Europe Press. 41- http://www.gesellschaftlicher-zusammenhalt.de/en/ 42- https://wikispiral.org
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Schaffung gemeinsamer Erkenntnis „Für sich allein genommen, bedeutet eine Statistik nicht viel; wir müssen auch verstehen, was hinter den Zahlen steht.“ 43 Zwar ist die Darstellung von Daten wichtig, damit sie verstanden werden, doch aussagekräftig werden sie erst durch die Verknüpfung und den Vergleich mit anderen Daten. Datenvergleiche können zu unterschiedlichen Zeitpunkten (Trendanalysen) oder zwischen geografischen Gebieten oder in Bezug auf einen Referenzstandard erfolgen. Die Arten der hier vorgestellten Methoden und Instrumente helfen uns dabei, die Daten und den Weg von der (quantitativen und qualitativen) Statistik zum Wissen im Wortsinn zu verstehen, das seinerseits mit den zu ergreifenden Maßnahmen verknüpft ist. Diese Instrumente könnten auch im vorhergehenden Abschnitt aufgeführt werden mit allen Instrumenten, die uns helfen, zu wissen und zu verstehen. Einige werden bewusst an dieser Stelle vorgestellt, um hervorzuheben, dass die Erkenntnis und insbesondere die Schaffung einer gemeinsamen, geteilten Erkenntnis unter allen Beteiligten ein wichtiger Prozess auf dem Weg zu einem Einvernehmen darüber ist, was wie und mit welchen Prioritäten gemäß den strategischen Vorgaben gemacht werden soll. Während ein Sicherheitsaudit mit ersten Anregungen über das weitere Vorgehen schließen muss, gibt es noch einen politischen Prozess für den Aufbau einer Strategie ausgehend von den Ergebnissen des Audits, was sich in der Realität oft als schwierig erwiesen hat. Es wird argumentiert, dass Methoden und Instrumente, die es ermöglichen, Informationen einen Sinn zu geben, das Verständnis zu vertiefen und dieses Verständnis zu teilen, auch für diese letzte Phase des Verständnisses relevant sind, in der es um die Schaffung einer gemeinsamen Erkenntnis geht.
Sicherheitsindex Um Daten tatsächlich zu verstehen, ist die entscheidende Frage, was man daraus macht. Dabei stellt sich die Frage nach der Synthese und
43-Europarat 2005, S.84.
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
dem Gesamtfazit. Dafür sind Indizes ein leistungsfähiges Instrument, mit dem auch urbane Sicherheitsanalysen in einem Sicherheitsindex zusammengefasst werden können. Ein Sicherheitsindex bringt Daten zu einer Reihe relevanter Variablen zusammen und gewichtet verschiedene Aspekte in einer Gesamtnote, die als Bezugs- und Vergleichspunkt dienen kann. So entwickelte und verwendete beispielsweise die Stadt Rotterdam von 2002 bis 2014 einen Sicherheitsindex. Dieser Index diente einer nationalen Methodik für lokale Sicherheitsindizes in den Niederlanden als Inspiration und wurde weiterentwickelt, um ab 2015 für umfassende Stadtviertelanalysen zu dienen. Dieses Instrument wird in Kapitel 4 vorgestellt. Ein Schlüsselmerkmal eines solchen Index ist, dass er nach der Festlegung seines Aufbaus direkt eingesetzt werden kann, um politische Maßnahmen anzuvisieren und zu beobachten.
Geografische Informationssysteme Eine wichtige Dimension der urbanen Sicherheit ist die räumliche Dimension. Wie verteilt sich Kriminalität und (wahrgenommene) Unsicherheit auf einem bestimmten Gebiet? Wie wird die Stadtlandschaft durch Risiko- und Schutzfaktoren geprägt? Eine wichtige Möglichkeit für die geografische Darstellung und anschließende Analyse dieser Information ist die Verwendung geografischer Informationssysteme. Geografische Informationssysteme (GIS) wurden zu weit verbreiteten Instrumenten für die Beurteilung der Kriminalitätsbelastung von Städten. Diese Information ist vor allem für Gesetzeshüter und Gemeinden wertvoll, weil sie einen informationsbasierten Ansatz zur Kriminalprävention bietet. Obwohl die Polizeibehörden jahrelang Papierpläne verwendeten, auf denen sie mit Stecknadeln die Kriminalitätsbelastung darstellten, konnte die räumliche Kriminalanalyse durch die Verwendung von GIS-Tools weiter vorangebracht werden. Seit den 1990er Jahren gab es in diesem Bereich kontinuierliche Verbesserungen im Zuge des technologischen Fortschritts in der Informationstechnologie. Geografische Informationssysteme ermöglichen die kartografische Darstellung von Unsicherheit und veranschaulichen die Zusammen-
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hänge zwischen verschiedenen Variablen. Sie zeigen spezifische Orte auf, an denen Kriminalität häufiger und räumlich konzentriert ist (Hotspots). Technisch gesehen erfordert die Ausarbeitung solcher Pläne präzise geografische Angaben zu den gemeldeten Verbrechen (Geokodierung), aber auch Instrumente für das Zusammentragen dieser Informationen (Analyse des nächstgelegenen Nachbarn, Kerndichteanalyse, LISA - räumliche Autokorrelation). Dabei ist die GIS-Analyse ein hochtechnisches Instrument, bei dem mangelnde Kenntnisse zu irreführenden oder fehlerhaften Analysen führen können. Diese Instrumente kommen heute im großen Maßstab in Großbritannien und Skandinavien zum Einsatz, aber auch Städte in anderen Teilen Europas einschliesslich Mittel- und Osteuropa verwenden sie zunehmend.
Big Data und Kriminalitätsprognosen Die Suche nach Korrelationen, Mustern und letztendlich einer Bedeutung in Daten ist Gegenstand der empirischen Forschung bei statistischen Methoden. Data-Mining ist ein Rechenverfahren zur Feststellung von Mustern in großen Datensätzen ohne ursprüngliche theoretische Hypothese. Während diese Art der induktiven Argumentation auf Grund der fehlenden theoretischen Basis nur Korrelationen, nicht aber kausale Zusammenhänge bietet, kann sie Korrelationen aufzeigen, die noch nicht identifiziert wurden (und möglichweise noch nicht untersucht und verstanden wurden). Besondere Bedeutung erhält Data-Mining in Verbindung mit Big Data auf Grund der Verfügbarkeit riesiger Datensätze sowie der Rechenleistung und der Algorithmen, die für ihre Analyse verwendet werden. Mit Big Data führt der quantitative Anstieg zu einer qualitativen Verbesserung, beispielsweise im Hinblick auf den daraus erhaltenen Überblick über die örtliche Sicherheitslage. Die Untersuchung großer Datensätze mit Algorithmen ist der logische nächste Schritt der Verknüpfung verschiedener Informationsquellen, wie bereits erläutert. Die digitale Kumulierung von Daten, dieses digitale Datenobservatorium, wird oft auf Basis geografischer Informationssysteme entwickelt, die digitale Geodaten und weitere lokale Daten zusammenbringen. Langfristig kann dieses digitale Datenobservatorium mit leistungsfähiger Rechenkapazität und intelligenten Algorithmen
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für zukunftsgerichtete Hochrechnungen verwendet werden. Mehrere Big Data Tools umfassen deshalb auch Kriminalitätsprognosen44, mit Angabe von Orten und Tageszeiten, zu denen Verbrechen besonders wahrscheinlich sind45. Big Data Apps werden wahrscheinlich eine immer wichtigere Rolle bei lokalen Sicherheitsaudits spielen, da sie immer preiswerter und im Vergleich zu traditionellen Befragungen akkurater werden. Einige Forschungsprojekte befassen sich derzeit mit der Frage, wie Big Data zu einem verbesserten Sicherheitsverständnis beitragen kann.
Festlegung von Prioritäten und Zielsetzungen Eine Strategie muss Prioritäten setzen und Situationsanalysen in politische Ziele und spezifische Zielsetzungen übertragen. Damit Fortschritte messbar sind und die Strategie beurteilt und geprüft werden kann, sollten diese Ziele „SMART“ sein:
Specific – Festlegung eines spezifischen Bereichs für Verbesserungen;
Measurable – Quantifizierung oder zumindest Anregung eines Fortschrittsindikators;
Assignable – Festlegen, wer zuständig ist; Realistic – Feststellen, welche Ziele mit den zur Verfügung stehenden Mitteln realistisch erreicht werden können;
Time-related – Zeitpunkt, zu dem die Ergebnisse oder Meilensteine erreicht werden können. Eine Präventionsstrategie kann sich nicht mit allen Problemen einer Stadt befassen. Es ist unerlässlich, Prioritäten zu setzen. Das Konzentrieren knapper Mittel auf eine begrenzte Anzahl von Prioritäten ermöglicht größere Erfolge als die Verteilung nach dem Gießkannenprinzip. Diese Selektion ist eine kritische und schwierige Entscheidung. 44-Eines der ersten Systeme, das Kriminalitätsprognosen anbot, war PredPol. Inzwischen werden zukunftsgerichtete Analysen von vielen IT-Firmen angeboten. 45- Siehe z.B. Perry et al. (2013): Predictive Policing. The Role of Crime Forecasting in Law Enforcement. RAND Safety and Justice Programme; "Don’t even think about it". The Economist. 20.07.2013.
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Prioritäten können auf mehrere Arten gesteckt werden – individuelle Kriminalität, spezifische Standorte, bestimmte Bevölkerungsgruppen oder besondere Risikofaktoren – und es sollte ausdrücklich Einigkeit in Bezug auf die Kriterien herrschen. Dann können die Kriterien genutzt werden, um Fragen zu stellen, die wiederum dabei helfen, die dringendsten Probleme zu ermitteln, wie zum Beispiel:
Was sind die Hauptsorgen der örtlichen Gemeinschaften? Welche Probleme müssen behandelt werden, um am besten zu größeren polizeilichen Prioritäten beizutragen?
Für welche Probleme stehen Ressourcen zur Verfügung? Welche Risikofaktoren müssen am dringendsten behandelt werden? Welche Probleme haben die größte Auswirkung auf benachteiligte und gefährdete Bevölkerungsgruppen?
Welche Stadt- und Geschäftsviertel werden durch Verbrechen am meisten beschädigt?
Welche Straftaten haben das größte Ausmaß und die größte Häufigkeit?
Welche Straftatbestände zeigen den größten Anstieg? Was mit der Analyse der lokalen urbanen Sicherheitslage, die das Ergebnis eines Sicherheitsaudit ist, gemacht werden soll, klingt einfacher als es ist. Aus Gesprächen mit Fachleuten im Rahmen des AUDIT-EU-Projektes von Efus ergab sich, dass diese Phase eine echte Herausfordeung ist. Eine gründliche Analyse der örtlichen Sicherheitslage, die Wahrnehmung der Bürger und der Kontext von Risiko- und Schutzfaktoren, wie erläutert, ist entscheidend, um die Schlussfolgerungen zu objektivieren. Im Endeffekt sind Zahlen nicht unbedingt selbsterklärend, sondern müssen interpretiert werden, und die Interpretation wird oft durch die speziellen Interessen der Verantwortlichen beeinflusst. Der Aufbau einer Strategie ist daher entscheidend, um eine gemeinsame Erkenntnis, eine Erklärung zu entwickeln, die von allen Beteiligten geteilt wird und auf die sie zusammen eine gemeinsame Vorstellung von der idealen Stadt entwickeln können.
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Dies wird durch die Schaffung eines Raums für demokratische Entscheidungsfindung und das Zusammenbringen unterschiedlicher Interessen oder durch den Versuch ermöglicht, den Objektivitätsgrad der Schlussfolgerungen zu maximieren. Das erste Ziel kann erreicht werden, indem diejenigen Methoden und Instrumente verwendet werden, die im Abschnitt Mobilisierung und Partizipation aufgeführt sind. Das zweite kann durch die Entwicklung von Indizes und Benchmarks erreicht werden, die – nach ihrer Festlegung – fast arithmetisch schlussfolgern, was ausgehend von den Messungen gemacht werden muss (siehe zum Beispiel den Sicherheitsindex der Stadt Rotterdam in Kapitel 4). Die Strategie sollte nicht nur auf Problemen gründen, sondern auch auf die Pluspunkte, Stärken und Potenziale einer Stadt oder eines Stadtviertels. Letztendlich erfordert die Entwicklung einer Strategie die Bestimmung von Methoden und Instrumenten, um die gewünschten Ziele zu erreichen. Die Frage nach den adequaten Aktionen und Projekten ist Gegenstand des nächsten Abschnitts.
III. Ergreifen von Maßnahmen
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Die Frage, was zur Lösung der Probleme im Rahmen der urbanen Sicherheit getan werden muss, ist entscheidend. Wenn die örtliche Lage klar ist und die Prioritäten in Bezug auf den dringendsten Sicherheitsbedarf feststehen, stellt sich die Frage, was zur Lösung der verschiedenen Probleme gemacht wird. Bei einem strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit besteht das Ziel darin, zu versuchen, so objektiv wie möglich festzulegen, wie die beste Maßnahme aussehen kann und welche Antwort am ehesten einen effektiven Umgang mit dem Problem ermöglicht. Idealerweise sollten auch die Methoden und Instrumente für die möglichst effiziente Erreichung dieses Ziels festgelegt werden. Dabei sollte die Effizienz nicht nur die Kosten umfassen, sondern auch andere
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"soziale Kosten" wie Eingriffe in Grundrechte und Privatssphäre46. Zudem sollte ein Modell zur Interventionslogik entwickelt werden, um zu erklären, warum die vorgeschlagene Maßnahme zu dem gewünschten Ergebnis führt.47
Verfahren als Teil der Lösung Im Hinblick auf die ergriffenen Maßnahmen sollte die Behandlung von Problemen nicht unterschätzt werden. Die Mobilisierung und Einbeziehung sämtlicher Beteiligten in dieses Verfahren ist in vielen Fällen ein wichtiger Teil der Lösung.48 Die im vorangegangenen Text erläuterten partizipativen Prozesse bilden eine gute Grundlage für die Identifikation angemessener Vorgehensweisen. Nachdem die Informationen, über die jeder zum Zustand der urbanen Sicherheit verfügt, zu einer gemeinsamen Erkenntnis der Probleme durch alle Beteiligten geworden sind und nachdem die Prioritäten vereinbart wurden, ist der Weg zwischen der korrekten Feststellung eines Problems und seiner Lösung möglicherweise nicht mehr sehr weit. Für bestimmte Problemarten und insbesondere wenn die zugrunde liegenden Faktoren angemessen identifiziert werden können, kann die Lösung relativ einfach sein. Wenn Menschen sich unsicher fühlen, weil bestimmte öffentliche Räume schlecht beleuchtet sind, weil Müll herumliegt oder weil eindeutig identifizierte Konflikte bei der Nutzung der öffentlichen Räume bestehen, kann die Lösung relativ naheliegend sein: Verbesserung der öffentlichen Beleuchtung, Entfernen von Müll, Mediation zwischen kollidierenden Interessen. Wenn Lösungen das Fazit einer gemeinsamen Erkenntnis und eines demokratischen Verfahrens sind, werden sie eher legitimiert, die örtlichen Beteiligten identifizieren sich damit und wirken an ihrer Umsetzung mit. Örtliche Partnerschaften können
46- Siehe zum Beispiel Europäisches Forum für urbane Sicherheit (2015): Resolution des Exekutivausschusses über Technologien und urbane Sicherheit. 47- Auf die Gründung von Maßnahmen auf einer Interventionslogik wurde von der ToC (Theory of Change, Theorie der Veränderung) hingewiesen. Die ToC identifiziert zunächst die gewünschten langfristigen Ziele und arbeitet dann von diesen zurück, um alle Bedingungen zu identifizieren, die erfüllt sein müssen (und wie diese kausal miteinander zusammenhängen), damit die Ziele erreicht werden. Siehe www.theoryofchange.org/ 48- Siehe zum Beispiel Irwin Waller (2008): Less law, more order. The truth about reducing crime. Ontario, Kanada: Manor House Publishing, S. 114.
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dabei ein wichtiger Vektor für die Entwicklung einer angemessenen Lösung vor Ort sein.
Evidenzbasierte Kriminalprävention Während wissenschaftliche Erkentnisse die politische Gestaltung in vielen Bereichen wie Medizin und Ingenieurstechnik anleiten, greift ein politisches Feld wie urbane Sicherheit nicht selten auf Präventionsaktivitäten und Programme zurück, von denen man gar nicht weiss, ob sie funktionieren, und nimmt so in Kauf, dass diese nicht funktionieren oder, schlimmer noch, Schaden hervorrufen können. Zwar ist evidenzbasierte Kriminalprävention mit Sicherheit ein hoch gestecktes Ziel, jedoch wird deren Bedeutung klar, wenn in Betracht gezogen wird, dass ein Großteil der Praxis durch lokale Sitten, Meinungen, Theorien und subjektive Eindrücke geformt wird. „Anekdotische Evidenz, Programmfavoriten des Monats und politische Ideologie sind offensichtlich die treibenden Kräfte für die kriminalpolitische Agenda.”49 Der Sherman-Bericht über das, „was funktioniert“, war vor knapp 20 Jahren ein Meilenstein50, der zu der Idee führte, dass Sicherheitspolitik und Praxis auf wissenschaftlicher Evidenz basieren sollten. In den letzten Jahren führten die wissenschaftlichen Debatten über methodologische Instrumente als Bezugsgrößen für Kriminalprävention zu diversen Konzepten, Methoden und Programmen. Trotz der (notwendigen) akademischen Debatte über den Ansatz und die Voraussetzungen für seine erfolgreiche Umsetzung51 wurden Fortschritte erzielt. Dennoch ist es noch ein weiter Weg zur Nutzung der verfügbaren Kenntnisse und viele lokale Strategien basieren noch immer nicht auf wissenschaftlicher Evidenz.52 Das Efus-Manifest „Sicherheit, Demokratie und Städte“ ruft deshalb zu einer weiteren Stärkung der Evi-
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49-Sherman et al. (2002): Evidence-based crime prevention. New York: Routledge. S. 7. 50-Sherman at al. (1997): Preventing Crime: What Works, What Doesn’t, What’s Promising. Washington DC: NIJ. 51-Siehe zum Beispiel verschiedene Beiträge und insbesondere Tim Hope in Philippe Robert (ed.) (2009): Evaluating Safety and Crime Prevention Policies in Europe, Brüssel: VUB Press. 52-Ein Großteil der vom Europäischen Forum für urbane Sicherheit erfassten Praktiken für Kriminalprävention weist Defizite bei der Evaluation auf, insbesondere in Bezug auf strenge Evaluationsmethoden, die randomisierte kontrollierte Versuche oder quasi-experimentelle Forschungsdesigns verwenden. Der unlängst von Public Safety Canada (Julie Savignac und Laura Dunbar (2015) veröffentlichte Leitfaden Canadian Guide for Selecting an Effective Crime Prevention Program kommt zu dem Schluss, dass knapp 60% aller Programme nie evaluiert wurden (S. 6).
denz-Basis in der Kriminalprävention und zu einer verstärkten Nutzung von vorhandenen Kenntnissen und Know-how auf: „Jede Politik sollte die neuesten technischen und wissenschaftlichen Kenntnisse berücksichtigen.”53 Es ist wichtig, dass Programme für Kriminalprävention zur Schaffung und Entwicklung dieser Evidenzbasis beitragen, aber auch, dass diese Wissensbasis Politikern und Fachleuten zur Verfügung gestellt wird. Wichtige Instrumente sind in diesem Zusammenhang Initiativen, die Evaluationsmethoden und Datenbanken mit evaluierten Projekten und Programmen bereitstellen. Initiativen wie Crime Solution des US-amerikanischen National Institute of Justice (NIJ)54, Blueprints for Healthy Youth Development55, die Violence Prevention Alliance (VPA) der WHO56, das Centre for Problem Oriented Policing57, die Webseite www.preventviolence.info, das kanadische Best Practices Portal58, der deutsche Wegweiser Prävention Entwicklungsförderung und Gewaltprävention59 und die Grüne Liste Prävention60, um nur einige zu nennen, leisten einen Beitrag zur Evidenzbasis für Kriminalprävention, die in den letzten Jahren international entwickelt wurde. Listen mit diesen Ressourcen werden im Online-Anhang zum Leitfaden bereitgestellt. Netzwerke wie das Europäische Forum für urbane Sicherheit leisten einen Beitrag zur Implementierung eines strategischen, evidenzbasierten Ansatzes, indem sie einen Austausch über Praktiken und Know-how organisieren, Forschung und Praxis zusammenbringen und Raum für Diskussionen über die Herausforderungen bei der Umsetzung bieten. Der nächste Schritt für politische Gestalter und Fachleute ist die Frage, wie aus diesen Listen ein geeignetes Projekt oder Programm ausgewählt werden kann. Der von Public Safety Canada 2015 veröffentliche 53- Europäisches Forum für urbane Sicherheit (2012): Sicherheit, Demokratie und Städte. Das Manifest von Aubervilliers und Saint-Denis, S.7. 54- http://www.crimesolutions.gov/ 55- http://www.blueprintsprograms.com/ 56- http://www.who.int/violenceprevention/en/ 57- http://www.popcenter.org/ 58- http://cbpp-pcpe.phac-aspc.gc.ca/ 59- http://www.wegweiser-praevention.de/ 60- http://www.gruene-liste-praevention.de/nano.cms/datenbank/information 61- Julie Savignac und Laura Dunbar (2015): Guide for Selecting an Effective Crime Prevention Program. Ottawa: Public Safety Canada.
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Leitfaden Guide for Selecting an Effective Crime Prevention Program61 enthält nützliche Empfehlungen zu Fragen, die Politiker sich diesbezüglich stellen müssen: Welches Programm funktioniert angesichts der festgestellten Prioritäten und Probleme? Welches Programm passt am besten zu den Merkmalen und Bedürfnissen der identifizierten Bevölkerung? Welche Evidenz und Forschung ist zur Stützung des Programms verfügbar? Wird das Programm in irgendeinem Register/ Datenbank benotet? Wie hoch ist seine Effektivität? Wie viele Impact-Evaluationsstudien wurden durchgeführt? Gibt es Informationen zur Kosteneffektivität? Ist das Programm für eine Verbreitung geeignet? Weitere Schlüsselfaktoren sind die Eignung und Ausrichtung des Programms an die Implementierungsorganisation, die festgestellten lokalen Risikofaktoren, die identifizierte lokale Zielgruppe und die organisatorischen Ressourcen und Kapazitäten, die das Projekt erfordert.
Implementierung und Nachhaltigkeit Präventionsmaßnahmen zu ergreifen, ist auch eine Frage der Implementierung, davon, dass das, was geplant ist, effektiv umgesetzt wird. Die Qualität der Implementierung von Kriminalpräventionsprogrammen wirkt sich bekanntlich auch auf die Erzielung der erwarteten Ergebnisse aus62. Ein zentrales Thema für die erfolgreiche Umsetzung guter Praktiken ist der scheinbar widersprüchliche Bedarf, ein Projekt an den lokalen Kontext anzupassen und gleichzeitig seine Kernelemente beizubehalten. Während es beispielsweise erforderlich ist, die Terminologie anzupassen, kulturelle Referenzen und Bilder zu ersetzen, scheint es riskant, Schlüsselbotschaften, zentrale Zielsetzungen oder die zugrunde liegende Theorie eines Programms aufzugeben. Eine konsequente Planung ist für die erfolgreiche Implementierung entscheidend. Projektmanagementmethoden und Projektplanungsinstrumente - die über den Einzugsbereich dieses Leitfadens hinausgehen – spielen hier eine besonders wichtige Rolle. Beispielsweise enthält der Guide on the Implementation of Evidence-Based Programs Planungs-
62- Siehe Julie Savignac and Laura Dunbar (2015), S. 16; siehe auch die globale Implementierungsinitiative, z.B. Fixsen, D., et al. (2009). Kernelemente der Implementierung. Research on Social Work Practice, 19(5), 531-540.
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instrumente und Checklisten, die für eine gute Umsetzung hilfreiche sind.63 Und schließlich ist auch die Nachhaltigkeit der Initiative oder des Programms eine wichtige Dimension der ergriffenen Maßnahmen. Idealerweise sollte sie von Anfang an berücksichtigt werden, wenn eine Initiative erstmals angedacht wird. Hier sind der partizipatorische Ansatz und die Verfahren, die eine allgemeine Zustimmung ermöglichen, wichtig.
IV. Evaluierung und Überprüfung
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Die Evaluierung ist eine weitere Säule eines strategischen und evidenzbasierten Ansatzes. Sie ist unerlässlich, um die Evidenzbasis für die Überprüfung und Verbesserung der ergriffenen Maßnehmen und letztendlich aller Phasen der politischen Gestaltung und Implementierung zu errichten und zu entwickeln. Die Evaluierung ist die strukturierte Interpretation der prognostizierten oder tatsächlichen Auswirkungen von Vorschlägen oder Ergebnissen. Ihre Ziele sind demokratische Rechenschaftspflicht, in strategischer Hinsicht, um die zu ergreifenden Maßnahmen zu validieren, und in operativer Hinsicht, um die Implementierung zu analysieren. Zwei Arten der Evaluierung sind in der Kriminalprävention üblich: Verfahrens- und Ergebnisevaluierung. Eine Verfahrensevaluierung zielt darauf ab, das Verständnis der Aktivitäten im Rahmen des Programms zu verbessern und zu beurteilen, ob sie wie geplant umgesetzt wurden. Eine Ergebnisevaluierung befasst sich eher mit der Gesamteffektivität eines Programms. Evaluierungen werden normalerweise am Ende eines Projektes oder eines Programms durchgeführt, können aber auch davor (ex ante), während oder nach dem Abschluss einer Aktivität (ex post) stattfinden.
63-Julie Savignac und Laura Dunbar (2014): Guide on the Implementation of Evidence-Based Programs. What Do We Know So Far? Ottawa: Public Safety Canada.
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Wie erfolgt die Evaluierung? Die Evaluierung muss so objektiv wie möglich sein, ausgehend von zuvor festgelegten Kriterien, einem transparenten Verfahren für die Datenerfassung, der durchgeführten Evaluierung und der Einbeziehung verschiedener Bewertungen. Es sollte möglich sein, eine Evaluierung mit Hilfe der gleichen Methoden und der gleichen Daten zu reproduzieren. Eine Evaluierung sollte auf folgende Schlüsselfragen Antworten geben:
Stichhaltigkeit: Stimmen die Ziele der Aktion/des Projektes mit den tatsächlichen Problemen und den übergeordneten politischen Zielen überein?
Interne Kohärenz: Sind die verschiedenen Ziele der Aktion kohärent?
Externe Kohärenz: Sind die Ziele der Aktion mit anderen Aktionen kohärent?
Effektivität: Hat die Aktion ihre Ziele erreicht? Effizienz: Zu welchen Kosten wurden die Ziele erreicht? Auswirkung: Welche Auswirkung hatte die Aktion – direkt und indirekt?
Implementierung: Erfolgte die Implementierung wie geplant? Mehrwert: Was rechtfertigt die Aktionen durch einen bestimmten Beteiligten? Für die Analyse dieser Fragen sind Indikatoren erforderlich, um bestimmte Aktionen vergleichen zu können. Dabei kann es sich um Aktivitätsindikatoren (Anzahl der Teilnehmer), Ergebnisindikatoren (welches Ergebnis wurde erzielt), Impact-Indikatoren (direkte und indirekte Auswirkung der Aktion auf die Zielvariablen), Kostenindikatoren (Kosten pro Teilnehmer / geholfener Person) und Kontextindikatoren (Erläuterung relevanter Hintergrundvariablen) handeln. Die Instrumente für die Erfassung der für die Evaluierung notwendigen Informationen sind die gleichen wie die in Abschnitt 3.1. Heute gilt generell, dass die urbane Sicherheitspolitik nicht nur am Ende evaluiert werden, sondern auch kontinuierlich beobachtet
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werden sollte mit einem Mechanismus, mit dem die Politik direkt überprüft und in Teilen angepasst werden kann. Die Länderbeispiele im Anhang belegen, dass urbane Sicherheitspolitik in mehreren europäischen Ländern von Evaluierungsmaßnahmen begleitet wurde64 (Robert 2009). Allerdings erfordert eine systematische Evaluierung umfangreiche Mittel und Ressourcen. Deshalb müssen Programmmanager und Organisationen innovativ sein und ihren Evaluierungsansatz überdenken. Eine Verbesserung des Evaluierungsstandards macht es erforderlich, von Ansätzen wegzukommen, die sich darauf beschränken, lokale Organisationen zu ermutigen, potenziell kostspielige und zeitaufwändige Evaluierungen ihrer eigenen Arbeit durchzuführen. Das australische Kriminologie-Institut bietet eine Reihe nützlicher Empfehlungen für die Evaluierung von Kriminalprävention65:
Ausrichten der Evaluierung auf Bereiche, in denen sie am meisten bringt
Regelmäßige Beobachtung der Projekt-Performance Einrichtung von Mechanismen für effektives Management und Unterstützung der Evaluationsarbeit
Evaluierung von Verfahren und Ergebnissen Frühzeitige Planung der Evaluierung und Verfolgen eines systematischen Ansatzes
Ermitteln, wie und unter welchen Umständen Interventionen funktionieren
Schwache Evaluierungen besser nutzen Messen von kurz- und langfristigen Ergebnissen Einbeziehung einer wirtschaftlichen Beurteilung, wann immer möglich
64- Robert, Philippe (Ed) (2009): L’évaluation des politiques de sécurité et de prévention de la délinquance en Europe. Paris: L’Harmattan. 65- Australisches Institut für Kriminologie, Evaluating crime prevention: Lessons from large-scale community crime prevention programs, 2013.
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
V. Mobilisation und Partizipation
>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>> Information, Legitimität, Zustimmung: Partizipatorische Verfahren als Rückgrat eines strategischen Ansatzes zur urbanen Sicherheit Ein weiterer Eckpfeiler des strategischen Ansatzes zur urbanen Sicherheit ist die Partizipation und Mobilisierung einer ganzen Stadt mit Blick auf urbane Sicherheit. Dies erfordert einen behördenübergreifenden Ansatz unter Einbeziehung der zuständigen politischen Akteure, aber auch der Zivilgesellschaft und der Bürger. Durch die Einbeziehung aller Beteiligten, Bürger und Gemeinschaften wird das Verständnis der Sicherheitslage sowie der Erfolg der zu ihrer Verbesserung ergriffenen Maßnahmen qualitativ verbessert. Die Partizipation hat zahlreiche Vorteile für die Gemeinschaften ebenso wie für ihre Anführer und die Behörden. Diese Vorteile umfassen den Zugriff auf Informationen, ein besseres Verständnis der Probleme, die Entwicklung besser geeigneter Antworten und ein größeres Interesse der Gemeinschaft an der Strategie, ihrer Umsetzung und ihrer Evaluierung. In gewisser Weise ist das Verfahren eines strategischen Ansatzes zur urbanen Sicherheit ebenso wichtig wie sein angestrebtes Ergebnis. Bei einem partizipatorischen Verfahren geht es letztendlich um die Fähigkeit der Gesellschaft, mit ihren Sicherheitsproblemen umzugehen. Deshalb ist es wichtig, alle Beteiligten, einschließlich der Bürger, zu mobilisieren und in den politischen Zyklus einzubeziehen. Auf den Mehrwert der Partizipation wurde bereits in einigen Abschnitten hingewiesen, wo betont wurde, dass sie ein systematisches Merkmale aller Elemente eines strategischen Ansatzes sein muss. Die Einbeziehung der Zivilgesellschaft und der Bürger muss als Postulat anerkennen, dass die Bevölkerung einer Stadt vielfältig ist und aus vielen verschiedenen Gemeinschaften mit unterschiedlichen Interessen besteht, von denen jede das Recht hat, in das Verfahren einbezogen zu werden. Ein partizipatorischer Ansatz bedeutet auch, dass die
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Teilnahme dieser Gemeinschaften ermöglicht und gefördert wird. Dieses Engagement sollte einer der Grundsätze sein, die nicht nur dem Sicherheitsaudit, sondern auch der Arbeit in Verbindung mit der Kriminalpräventionsstrategie zugrunde liegen. Die Frage ist, welche Methoden und Instrumente bei der Mobilisierung der Gemeinschaft helfen und für die Organisation der Partizipation verwendet werden können. Eine wichtige Voraussetzung besteht darin, sicherzustellen, dass alle betroffenen Bürger mobilisiert werden können, vor allem schwer zu erreichende Gruppen. Der Begriff „Gemeinschaft“ wird meist für Menschen verwendet, die in der gleichen Gegend leben und ein gemeinsames Interesse an der Zukunft ihrer Stadt oder ihres Viertels haben. Im Rahmen eines partizipatorischen Ansatzes sollte er noch weiter gefasst werden und auch „Interessengemeinschaften“ einbeziehen, das heißt Gruppen von Menschen, die gemeinsame Interessen oder Merkmale haben, auf Grund derer sie eine bestimmte Einstellung zu Kriminalität und Prävention haben. Das bedeutet, dass beispielsweise Frauen, ethnische Minderheiten, junge Menschen, Obdachlose und Unternehmen einbezogen werden müssen. Interessengemeinschaften werden oft von der Zivilgesellschaft vertreten. Sie bilden die in einer Stadt vertretenen freiwilligen Organisationen und Institutionen, darunter wohltätige Organisationen, Nichtregierungsorganisationen, Gemeinschaftsgruppen, Frauenverbände, Glaubensgemeinschaften, Berufsverbände, Gewerkschaften, Selbsthilfegruppen, Unternehmensverbände, Koalitionen, Lobbygruppen und viele andere. Bei einem partizipatorischen Ansatz werden Vertreter dieser Gremien der Zivilgesellschaft hinzugezogen. Doch in jeder Stadt gibt es auch große Interessengemeinschaften, die nicht organisiert sind. Dazu gehören schwer erreichbare Gruppen, die nur eingeschränkten Kontakt mit etablierten Stellen haben. Ein partizipatorischer Ansatz muss daher Möglichkeiten finden, auch diese Menschen einzubeziehen. Dabei gilt es allerdings eine gewisse Vorsicht walten zu lassen: Gemeinschaften sind ja bei ihrer Beurteilung von Problemen und geeigneten Lösungen nicht unfehlbar. Deshalb ist es immer wünschenswert,
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Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
gemeinschaftsbasierte Perspektiven um „externe“ technische Analysen zu ergänzen. Eine weitere Herausforderung ist die Identifikation der relevanten Gemeinschaften und die Feststellung, wie ihre Partizipation am besten sichergestellt werden kann, vor allem bei schwer erreichbaren Gruppen. Zu ihnen gehören per Definition Menschen, die in der Zivilgesellschaft nur unzureichend vertreten sind und nur eingeschränkten Kontakt mit etablierten Stellen haben. Das kann an Ängsten oder Verdächtigungen liegen, aber auch an sozio-ökonomischen Nöten, Diskriminierung, kulturellen oder ideologischen Schranken, Behinderungen und speziellen Bedürfnissen, Sprachbarrieren, Alter, Größe, mangelnde Organisationsfähigkeit und vielen anderen Gründen. Sie sind möglicherweise nicht im Wortsinn schwer erreichbar, aber der Begriff deckt alle Gruppen ab, die als machtlose Außenseiter gelten. Es ist notwendig, die relevanten, schwer erreichbaren Gruppen zu identifizieren und ihre Beteiligung proaktiv zu fördern.
Praktische Umsetzung eines partizipatorischen Ansatzes Jede Stadt muss entscheiden, wie sie einen partizipatorischen Ansatz in die Praxis umsetzen kann. Anstatt diese auf Adhoc-Basis zu entwickeln, ist es vernünftiger, einen verbindlichen Plan zu erarbeiten, der die Einbeziehung der verschiedenen Gemeinschaften vorsieht. Es ist nützlich, sich verschiedene Formen und Ebenen der Partizipation anzuschauen, die beispielsweise von internationalen Organisationen wie OECD66, Europarat67, UNICEF68 oder der International Association for Public Participation beschrieben werden. Letztgenannte hat ein „Spektrum“ für Partizipation entwickelt, das bei der Entwicklung eines solchen Plans nützlich sein kann. Das Spektrum umfasst fünf Ebenen: Information, Konsultation, Beteiligung, Kooperation und Befähigung.69 66-OECD Active Participation Framework - OECD (2001): Citizens as Partners - Information, Consultation and Public Participation in Policy-Making, S. 23. 67- Das CLEAR-Partizipationsmodell – Europäisches Komitee für lokale und regionale Demokratie (2008): C.L.E.A.R tool, Straßburg, Europarat, LR-DR(2008)9 (basierend auf Lawndes & Pratchett 2006). 68- UNICEF – Strategischer Ansatz zu Partizipation - UNICEF (2001): Die Partizipationsrechte von Jugendlichen: ein strategischer Ansatz. UNICEF Arbeitsdokumente. 69- http://iap2.org
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Die Entwicklung entlang des Spektrums erhöht die Partizipation und den Einfluss der Gemeinschaften auf die Entscheidungsfindung. Höhere Ebenen umfassen eine stärkere Partizipation und engere Zusammenarbeit. Auf der höchsten Ebene wird die endgültige Entscheidungsbefugnis der Öffentlichkeit übertragen. Anhand verschiedener Instrumente und Verfahren lässt sich ein partizipatorischer Ansatz auf jeder Ebene umsetzen (Tabelle 7). Einige, wie Newsletter, können direkt zahlreiche Einzelpersonen einbeziehen, bieten aber nur Kommunikation in eine Richtung. Andere, wie Opferbefragungen, beleuchten Informationen aus einer ausgewählten Gruppe. Im weiteren Verlauf des Spektrums schaffen Fokusgruppen und Workshops Möglichkeiten für Wechselwirkungen und Kooperation in beide Richtungen. Tabelle 7 - Formen der Partizipation für die Implementierung verschiedener Aufgaben eines strategischen Ansatzes zur urbanen Sicherheit Partizipationsebene
Information
Konsultation
Beteiligung
Kooperation
Befähigung
Mobilisieren/ Planen
Information der Gemeinschaft durch Newsletter und Medienberichte über ein geplantes Audit
Vertreter der Zivilgesellschaft legen Input oder Kommentare zu den Plänen vor
Einbeziehung der Gemeinschaften in das Planungsverfahren
Vertreter der Gemeinschaft als Mitglieder der Planungsgruppe
Vertreter der Gemeinschaft leiten den Lenkungsausschuss und vereinbaren den Plan
Kennen…
Information der Gemeinschaft durch Newsletter und Medienberichte über wichtige Statistiken
Stadtweite Gespräche mit der Zivilgesellschaft, schriftliche Angebote, Befragung
Kontakte mit Gemeinschaften, um Probleme zu besprechen und Meinungen zu erforschen
Aktive Einbeziehung der Gemeinschaften in das Audit-Team
Gemeinschaftsvertreter entscheiden, welche Themen weiter erforscht werden sollen
… und Verstehen
Information der Gemeinschaft durch Newsletter und Medienberichte über ausführliche Analysen
Treffen mit Gemeinschaftsgruppen, Konsultationen, Befragungen.
Gemeinsame Workshops für Ideenaustausch und Diskussion über Ergebnisse
Gemeinschaften leiten die Audit-Arbeit in bestimmten Bereichen
Gemeinschaften übernehmen die Leitung bei der Beurteilung der erfassten Informationen. 81
Partizipationsebene Aufgaben im Rahmen des strategischen Ansatzes
Methoden und Instrumente für einen strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit
Partizipationsebene Partizipationsebene Aufgaben im Rahmen des strategischen Ansatzes
Entwicklung einer Strategie
Information
Konsultation
Beteiligung
Kooperation
Befähigung
Information der Gemeinschaft durch Newsletter und Medienberichte über anstehende Ergebnisse
Kommentare zu den analysierten Informationen und anstehenden Prioritäten
Beteiligung der Gemeinschaften an Priorisierung und Beurteilung der Mittel
Starker Einfluss der Gemeinschaften auf das Setzen der Prioritäten
Die Gemeinschaften entscheiden die Prioritäten
Verbreitung des Auditberichts mit Medienberichten
Feedback der eingeladenen Gemeinschaft zum Auditbericht
Gemeinsame Ausarbeitung Diskussion über des Auditbeden Berichtsrichts und entwurf vor der Versand mit Veröffentlichung Bitte um Kommentare
Ergreifen von Maßnahmen
Die Gemeinschaften werden Die GemeinDie Gemeinan schaften werden schaften werden Entscheidungen über die zu den über geplante geplanten geplanten Maßnahmen Maßnahmen Maßnahmen beteiligt und informiert angehört wirken an ihrer Umsetzung mit
Evaluierung
Die Gemeinschaft wird über die Evaluierung informiert
Die Gemeinschaft wird im Evaluierungsverfahren angehört
Die Gemeinschaften wirken amEvaluierungsverfahren mit
Vertreter der Gemeinschaft entscheiden über den Inhalt des Abschlussberichts
Die Gemeinschaften werden an der Entscheidung über Maßnahmen beteiligt und sind für bestimmte Maßnahmen zuständig
Die Gemeinschaften übernehmen bei den geplanten Maßnahmen und ihrer Umsetzung eine Führungsrolle
Die Gemeinschaften nehmen an der Evaluierung teil
Die Gemeinschaften leiten die Evaluierung
Beispiele für Methoden und Instrumente für die Mobilisierung und Partizipation von Bürgern: Bürgerjurys Eine Bürgerjury ist eine zufällig ausgewählte und demografisch repräsentative Auswahl von Bürgern, die sich an vier oder fünf Tagen treffen, um ein Thema von öffentlicher Bedeutung sorgfältig zu untersuchen.
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Die Jury besteht normalerweise aus 18 bis 24 Personen, die eine Aufwandsentschädigung erhalten, und dient als öffentlicher Mikrokosmos. Sie erhalten von mehreren Experten Informationen und können zusammen über das Thema beraten. Am letzten Tag der moderierten Anhörungen legen die Mitglieder der Bürgerjury ihre Empfehlungen für Entscheidungsträger und die Öffentlichkeit vor. Ihre Rolle kann durch gute Kommunikation noch verstärkt werden, die eventuell eine Internetpräsenz und Medienkontakte umfasst. Jurys basieren auf der Ansicht, dass die Beratungen einer kleinen Bevölkerungsauswahl die Ansichten der breiteren Gemeinschaft relativ gut wiedergeben, wenn die kleine Gruppe entsprechende Evidenzen erhalten hat. Diese Argumentation steht im Widerspruch zu anderen gängigen quantitativ und qualitativ konsultativ Methoden, die für gewöhnlich größere Gruppen umfassen, um die Meinung der Öffentlichkeit zu vertreten. Die Aufgaben der Jurymitglieder unterscheiden sich auch von Teilnehmern anderer qualitativer Rechercheformen.
Jurymitglieder bekommen Zeit, um nachzudenken und frei miteinander zu beraten; dabei werden sie gelegentlich von einem neutralen Berater unterstützt.
Sie erhalten die Möglichkeit, die Informationen, die sie von Zeugen erhalten, die sie selbst befragen, genau zu prüfen.
Sie sollen Schlussfolgerungen oder eine „Vision“ für die Zukunft entwickeln – die nicht einstimmig zu sein braucht. Die erste Jury wurde in den USA einberufen, obwohl vergleichbare Initiativen in Deutschland aufkamen, und das Konzept wird inzwischen in mehreren Ländern genutzt, darunter Australien, Dänemark, Großbritannien und Spanien70.
Partizipatorische Budgeterstellung Eine der effizientesten und leistungsfähigsten Methoden für die Beteiligung von Gemeinschaften ist die partizipatorische Budgeterstellung
70- Siehe zum Beispiel The Jefferson Centre (2004): Citizens’ Jury Handbook. http://www.jefferson-center.org
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oder ein partizipatives Budget, ein Verfahren demokratischer Beratung und Entscheidungsfindung, bei dem gewöhnliche Stadtbewohner Prioritäten für Investitionen festlegen und entscheiden, wie ein Teil des kommunalen Haushalts verwendet werden soll. Im Zusammenhang mit einem strategischen Ansatz zur urbanen Sicherheit kann sie genutzt werden, um Handlungsprioritäten demokratisch festzulegen und zu entscheiden, wie eine bestimmte Gemeinschaft oder Gruppe die Mittel auf verschiedene Möglichkeiten aufteilt. Ebenso wie bei der Bürgerjury ist auch hier ein klares Engagement des Sicherheitsaudit-Teams wichtig, sich die Schlussfolgerungen anzuhören und konstruktiv zu reagieren, damit die Teilnehmer das Gefühl haben, dass es sich lohnt. Verschiedene Studien legen nahe, dass die partizipatorische Budgeterstellung zu verbesserten Dienstleistungen, ausgewogeneren öffentlichen Ausgaben, größerer Rechenschaft, mehr öffentlicher Teilnahme (vor allem durch Randgruppen) und dem Erwerb eines echten Bürgersinns führt. Sie wurde von Stadtverwaltungen in Brasilien entwickelt und umfassend genutzt, und mittlerweile auch in anderen lateinamerikanischen Ländern, ebenso wie in Europa, Asien, Afrika und Nordamerika übernommen. Obwohl das Konzept einfach ist, hängt der Erfolg der partizipatorischen Budgeterstellung davon ab, dass sie unter angemessen festgelegten Rahmenbedingungen erfolgt mit:
einer klar festgelegten geografischen Struktur in Ergänzung zu politischen Grenzen, die die Entscheidungsfindung und die Erbringung von Dienstleistungen erleichtert;
angemessen unterstützten, stadtweiten Treffen und Debatten, damit örtliche Gemeinschaften über aktuelle Themen diskutieren können, Entscheidung über strategische Prioritäten, Entwicklung von Aktionsplänen sowie die Evaluierung und Beobachtung laufender Aktivitäten in Ergänzung zu bestehenden repräsentativen demokratischen Strukturen;
einem allgemeinen jährlichen Rhythmus, der einen Rahmen für Partizipation, Planung und Implementierung schafft;
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einem Netzwerk mit unterstützenden Behörden, die am Aufbau lokaler Kapazitäten und der Kommunikation und Förderung politischer Informationen und der Praxis beteiligt sind;
einer Budget-Matrix, die örtliche Prioritäten in einer umfassenden Übersicht darstellt, um die Ausgaben für die gesamte Stadt und in Bezug auf etablierte Themenkreise anzugeben.71
ICT-Tools für Bürgerbeteiligung Neue Informations- und Kommunikationstechnologien (ICTs) haben in vielfacher Weise unser Leben verändert und ändern auch das unserer Städte, die zunehmend „digital“ und „smart“ werden. ICTs versorgen Gemeinden und Regionen mit neuen Instrumenten, die nicht nur für Schutz und Kontrolle sorgen, sondern auch die Beteiligung und Befähigung der Bürger fördern und bessere Dienstleistungen und Governance bereitstellen. Urbane Demokratie und Sicherheit kann jetzt mit digitaler Innovation verknüpft werden. Die sozialen Medien sind computerbasierte Instrumente, die es Menschen und Organisationen ermöglichen, Informationen zu erstellen, weiterzugeben oder in virtuellen Communities und Netzwerken auszutauschen. Soziale Medien hängen von mobilen, webbasierten Technologien ab, um interaktive Plattformen zu schaffen, über die Einzelpersonen und Gemeinschaften sich austauschen, gemeinsam nutzergenerierte Inhalte schaffen, diskutieren und ändern. Ausgehend von der ideologischen und technologischen Basis von Web 2.0 ermöglichen sie Wechselwirkungen und Kooperation zwischen Nutzern und damit den Übergang von der Information zur Partizipation. Die meisten lokalen Behörden nutzen das Internet und die sozialen Medien, um ihre Bürger zu informieren. Viele haben auch damit begonnen, die sozialen Medien zu nutzen, um ihre Bürger zu erreichen, was besonders relevant für die Steuerung von Sicherheit und die Mobilisierung der Bürger für urbane Sicherheit ist. Zahlreiche Präventionskampagnen haben eine soziale Medienkomponente und Themen in 71- Entwickelt aus What is Participatory Budgeting? A Community Pride Initiative Briefing Paper, 2003. http://www.participatorybudgeting.org.uk
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Verbindung mit urbaner Sicherheit können in den sozialen Medien diskutiert werden. Auch mobile Apps können für die Bürgerbeteiligung eine wichtige Rolle spielen, um Feedback zu erhalten. Viele lokale Behörden haben Apps eingerichtet, über die Bürger Probleme oder ein Gefühl der Unsicherheit oder auch Straftaten melden können. Soziale Medien sind zwar relativ preiswert und allgemein verfügbar, werden aber längst nicht von allen Bürgern genutzt. Deshalb ist die Einholung der Meinung der Bürger auf diesem Weg für gewöhnlich nicht repräsentativ. Zudem erfordert ihre effektive Nutzung, ebenso wie andere Formen der Partizipation, ein Engagement seitens der Behörden, um sich tatsächlich für Partizipation einzusetzen und die angefragte Partizipation der Bürger auch tatsächlich zu berücksichtigen und darauf zu reagieren. Trotzdem besitzen diese Instrumente ein erhebliches Potenzial, um die Demokratie und die Steuerung der urbanen Sicherheit zu stärken. Der virtuelle Raum ermöglicht direkte Demokratie unter Einbeziehung mehr oder weniger großer Gruppen, die anders überhaupt nicht oder nur zu sehr hohen Kosten befragt werden können. Diverse soziale Netzwerkdienste (z.B. Google+ mit Google Votes) oder Web-Services (Doodle, Survey Monkey) ermöglichen das Organisieren von Abstimmungen, die per Definition fast ein spezifisches Feedback-Feature sozialer Medien sind. Zudem sind spezifische Software-Pakete als Plattformen für E-Democracy aufgebaut, in Ergänzung zu E-Governance, E-Voting und E-Participation. Während die E-Demokratie eine digitale Ergänzung zur analogen repräsentativen Demokratie ist, können Softwareprogramme auch die direkte Demokratie oder Mischformen wie Liquid Democracy erleichtern. Dabei handelt es sich um eine Form der demokratischen Kontrolle, bei der eine Wählerschaft Delegierten und nicht Vertretern die Stimmgewalt überträgt und bei der ein direkter Zugang für die Wählerschaft besteht, die ihre Meinung äußern oder Vorschläge unterbreiten kann. Dieses Programm, das normalerweise eine Open-Source-Software ist, wurde unter anderem von den Piratenparteien in Deutschland, Italien, Österreich, Norwegen, Frankreich und den Niederlanden (Liquid Feedback), Belgien (Get Opinionated) sowie der spanischen „Partido de Internet“ (Agora Voting)
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verwendet. Auch örtliche Behörden nutzen Liquid Democracy-Software für ihre Bürgerbeteiligungs-Plattformen (zum Beispiel „Mein Berlin“).
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