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von beruflichem Können

5.1 Das Portfolio als Tool für die gezielte Weiterentwicklung von beruflichem Können

Die Weiterentwicklung von beruflichem Können direkt am Arbeitsplatz darf nicht dem Zufall überlassen werden. Berufspersonen müssen unterstützt werden, die vier Stufen des Aufbaus von beruflichem Können vollständig zu durchlaufen. Nur so entsteht nachhaltiger Kompetenzzuwachs. Gleichzeitig ist es wichtig, dass Berufspersonen ihr berufliches Können dokumentieren können. Mit dem Persönlichen Portfolio haben wir ein Tool geschaffen, das beides leisten kann. Stellen Sie sich das Portfolio wie eine Art Künstlermappe für die eigene berufliche Entwicklung vor. Es enthält Skizzen, Entwicklungsschritte, Zielsetzungen, Gelungenes und weniger Gelungenes und Geleistetes aus dem Berufsleben. Das, was eine Berufsperson kann und gelernt hat, wird also im Portfolio für andere nachvollziehbar dokumentiert. Mit geeigneten Instrumenten analysiert die Berufsperson regelmässig ihre beruflichen Kunstwerke und setzt sich neue Entwicklungsziele. So wird der Lernprozess am Arbeitsplatz strukturiert. Die Berufsperson durchläuft die vier Stufen des Aufbaus von beruflichem Können – geleitet durch die Portfolioinstrumente.

Wie ist das Portfolio aufgebaut?

Das Persönliche Portfolio entsteht aus verschiedenen Instrumenten, welche die Berufsperson beim Aufbau ihres beruflichen Könnens unterstützen:

Kompetenzkompass Das angestrebte Kompetenzprofil als Zielbild für die eigene berufliche Weiterbildung

Dokumentation und Reflexion der beruflichen Erfahrung

Einstellungen und Haltungen ersichtlich machen Dispositionscheck Werkschau

Kompetenzraster

Kompetenzstatus

Darstellung des aktuellen beruflichen Könnens StärkenSchwächenProfil erstellen

Kompetenzkompass: Das Planungs- und Dokumentationsinstrument

Der Kompetenzkompass basiert auf dem Kompetenzprofil eines Berufs bzw. einer betrieblichen Funktion. Er stellt alle beruflichen Handlungskompetenzen im Überblick dar und strukturiert so das Persönliche Portfolio der Berufsperson. Wie ein richtiger Kompass zeigt der Kompetenzkompass der Berufsperson auf, wohin die Reise der Erweiterung ihres beruflichen Könnens gehen soll. Die Berufsperson orientiert sich anhand der Übersicht über die geforderten Kompetenzen. Sie liest die Beschreibungen der relevanten Handlungskompetenzen durch und hat so einen klaren Standard vor Augen, was gute Arbeit ausmacht. Das hilft dabei, eine erste, realistische Selbsteinschätzung ihres eigenen beruflichen Könnens vorzunehmen.

Werkschau, Kompetenzraster und Dispositionscheck: Die Analyseinstrumente

Werkschau Die Berufsperson dokumentiert immer wieder Leistungen und Projekte aus ihrem Arbeitsalltag, in denen sie zentrale Handlungskompetenzen erworben oder eingesetzt hat. Sie erstellt sozusagen Werke über ihr berufliches Können. Im Rahmen der Dokumentation wird sie durch Leitfragen angeregt, ihre eigene Umsetzung zu reflektieren: Was ist ihr gut gelungen, was weniger gut? Welche Erkenntnisse nimmt sie für die Zukunft mit? In einem Werk zeigt die Berufsperson anhand von ganz konkreten Beispielen, was sie bereits kann oder geleistet hat. Die verschiedenen Werke ergeben zusammen eine Werkschau aus der beruflichen Künstlermappe der Berufsperson.

Kompetenzraster Die Berufsperson schätzt regelmässig ihr berufliches Können ein. Nicht bezogen auf einzelne Situationen, wie im Werk, sondern über alle ihre beruflichen Situationen und Aufgaben hinweg. Dabei überlegt sie, was sie bereits gut beherrscht und in welchen Bereichen noch Kompetenzlücken bestehen. Die Ergebnisse dieser Einschätzung dokumentiert sie und leitet daraus konkrete Massnahmen ab: Wie kann sie allfällige Kompetenzlücken schliessen? Wie kann sie an ihrem Arbeitsplatz auf ihren vorhandenen Stärken aufbauen? Sie wiederholt die Selbsteinschätzung zu unterschiedlichen Zeitpunkten, um den Zuwachs an beruflichem Können sichtbar zu machen. Idealerweise wird diese Selbsteinschätzung durch eine Fremdeinschätzung durch andere Personen ergänzt – zum Beispiel eine vorgesetzte Person oder eine/n Arbeitskolleg/in. So wird der Blick auf das eigene berufliche Können durch eine zusätzliche Perspektive abgerundet.

Dispositionscheck Einstellungen und Haltungen beeinflussen unser Tun und Handeln – im Privaten wie auch im Beruf. Sie tragen zur Identität einer Berufsperson bei. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Berufsperson auch regelmässig mit ihren berufsrelevanten Einstellungen und Haltungen auseinandersetzt. Dabei geht es keineswegs darum, die Einstellungen und Haltungen zu verändern. Vielmehr ist es das Ziel, herauszufinden, für welche beruflichen Aufgabenbereiche die vorhandenen Einstellungen und Haltungen förderlich sind und in welchen beruflichen Aufgabenbereichen sie die Berufsperson vor Herausforderungen stellen. Diese Auseinandersetzung dient als wertvoller Anhaltspunkt für die weitere berufliche Entwicklung.

Kompetenzstatus: Das Auswertungsinstrument

Zu einem bestimmten Zeitpunkt, beispielsweise vor einer beruflichen Neuorientierung, erstellt die Berufsperson eine Bestandsaufnahme über den aktuellen Stand ihres beruflichen Könnens.

Sie erarbeitet ein Profil von sich, in dem sie ihre eigenen Erfahrungen, Fähigkeiten und Einstellungen zum Ausdruck bringt. Sie … — zeigt auf, in welchen zentralen Tätigkeiten sie arbeitet und Erfahrungen sammeln konnte und welche

Erwartungen relevante Anspruchsgruppen an ihre Arbeit haben, — illustriert, wie sich ihr berufliches Können seit der letzten Bestandsaufnahme verändert und erweitert hat, — gibt einen Einblick in die Werte und Haltungen, die ihr Handeln als Berufsperson prägen, — zeigt, wo ihre Stärken liegen, was sie gerne macht, wo Entwicklungsbedarf besteht und wie sie ihre weitere Entwicklung konkret angehen möchte, — illustriert, welche Aha-Momente und Erkenntnisse sie aus der Auseinandersetzung mit ihrem aktuellen beruflichen Können gewonnen hat.

Basis und Illustration für dieses Profil sind die Ergebnisse der Analyseinstrumente. Sie können sich das Profil also wie eine Art aktuelles Katalogverzeichnis für die berufliche Künstlermappe der Berufsperson vorstellen.

Ein Nutzungsszenario für Berufspersonen

Wie sieht ein portfoliogestützter Lernprozess konkret aus? Wir zeigen ein mögliches Szenario.

Zu Beginn der Portfolioarbeit orientiert sich die Berufsperson mithilfe des Kompetenzkompasses. Sie nimmt eine erste Gesamtschau vor und überlegt, wo sie bereits Erfahrung sammeln konnte, ordnet eigene Arbeitsinstrumente und Hilfsmittel den Kompetenzen zu und macht sich mit den Standards für gute Arbeit vertraut.

Anschliessend nimmt die Berufsperson eine ausführliche Standortbestimmung anhand des Kompetenzrasters vor. Sie arbeitet heraus, wo ihre Stärken und Schwächen liegen. Zusätzlich absolviert sie den Dispositionscheck, um sich mit ihren Werten und Haltungen auseinanderzusetzen.

Aufgrund ihrer Schwächen formuliert sie ganz konkrete Entwicklungsziele. Sie ergreift Massnahmen, mit denen sie diese Entwicklungsziele erreichen kann. Beispielsweise absolviert sie eine digitale Lerneinheit zum Thema oder sie bittet eine vorgesetzte Person, einen bestimmten Bereich noch einmal mit ihr aufzufrischen und zu vertiefen.

Die Erkenntnisse aus der Lerneinheit oder aus dem Training mit der vorgesetzten Person setzt die Berufsperson bewusst und aktiv in ihrem Berufsalltag um. Die Umsetzung dokumentiert sie als Werk. So zeigt sie erste Erfolge aus der Praxis, reflektiert aber gleichzeitig, wo sie sich noch verbessern kann und welche Erkenntnisse sie für zukünftige Umsetzungen gewonnen hat.

Gleichzeitig versucht sie aber auch, systematisch auf ihren Stärken aufzubauen, die sie mithilfe des Kompetenzrasters herausgearbeitet hat. Beispielsweise bittet sie ihre Vorgesetzte darum, in diesen Arbeitsbereichen mehr Verantwortung übernehmen zu dürfen.

Dabei hält sie ihren Kompetenzkompass stets à jour: Sie verlinkt erstellte Werke mit Handlungskompetenzen, legt eigene Arbeitshilfen ab und orientiert sich anhand der Kompetenzübersicht immer wieder, wo sie im Prozess ihrer Weiterentwicklung steht.

Nach einigen Monaten wiederholt die Berufsperson ihre Selbsteinschätzung mithilfe des Kompetenzrasters. So prüft sie, ob sie ihre Kompetenzlücken schliessen konnte oder neue Stärken entwickelt hat. Entsprechend formuliert sie neue Ziele und Massnahmen.

Wenn ein neuer Entwicklungsschritt abgeschlossen ist, erstellt sie einen Kompetenzstatus, also ein Profil über sich als Berufsperson. Daraus leitet sie neue Entwicklungsziele ab.

Wichtig dabei: Die Berufsperson geht nicht nur defizitorientiert vor. Entwicklungsziele können auch darin liegen, etwas weiter zu vertiefen, das ihr Freude bereitet oder worin sie aufgrund des Portfolios entdeckt hat, dass sie besonderes Talent besitzt.

Mit dem Portfolio gewinnt die Berufsperson also ein wichtiges Steuerungsinstrument für die Weiterentwicklung ihres beruflichen Könnens. Gleichzeitig bietet das Portfolio der Berufsperson Gelegenheit, ihr berufliches Können und ihre berufliche Erfahrung nachvollziehbar zu dokumentieren und so die Ergebnisse des informellen Erwerbs von beruflichem Können sichtbar zu machen. Das Profil, das die Berufsperson von sich im Kompetenzstatus erarbeitet hat, kann sie beispielsweise einer Bewerbung beifügen oder einzelne Kompetenzbereiche anhand von Werken illustrieren – mit mehr Aussagekraft, als es eine Teilnahmebestätigung an einer formalen Weiterbildung je leisten könnte.

Wenn am Ende des Tages auf dem Arbeitsmarkt das Zertifikat mehr zählt als das tatsächliche Können, werden sich viele Berufspersonen entweder dafür entscheiden, eine formale Bildungsmassnahme zu besuchen, oder der Erweiterung des eigenen beruflichen Könnens

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