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UNSERER HÄNDE WERK

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SELBER GEHEN

SELBER GEHEN

UNSERER HÄNDE WERK DIY

Kaum etwas ist so befriedigend, so schön, so erfüllend wie das Erschaffen von Dingen. Das Wissen, dass das Ergebnis ein Werk der eigenen Hände und Gedanken ist, ist wundervoll. In ihrem Buch „Handwerk in Tirol“ blickt Susanne Gurschler in Werkstätten – und taucht dabei auch in die Geschichte der Handwerkskünste und jener, die sie ausüben, ein. Wir schauen mit.

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Ein Handwerk auszuüben ist ein schöner Beruf. Man ist abends zwar müde, weil man hart gearbeitet hat, aber man hat etwas geschaffen.

BUCHTIPP Die Geschichte eines Handwerks ist immer auch eines des Menschen, der es ausübt: In 20 liebevoll gearbeiteten Porträts vertieft sich Autorin Susanne Gurschler in die Besonderheiten diverser heute nach wie vor oder wieder lebendiger Handwerksberufe in Tirol. Dogglmacher und Ranzensticker, Seifensieder und Pfeifenschneider, Glasbläser, Lodenwalker, Zirbenholzdrechsler ebenso wie Handweber, Säcklermeister oder Rodelmacher, ja sogar Blechblasinstrumentenbauer oder Holzbrillendesigner und noch einige mehr … sie alle nutzen jahrhundertelang tradiertes Wissen und beleben es neu mit ihren einzigartigen Produkten.

HANDWERK IN TIROL von Susanne Gurschler Tyrolia Verlag, 232 Seiten, EUR 39,95.

DER WEBER DIY

Sein Großvater war das siebte Kind auf „Auten“, einem der ältesten Höfe in Neustift, und ohne Chance, etwas zu erben. Bei einem Nachbarn lernte er das Weberhandwerk, machte sich selbständig, baute ein Haus, in dessen Parterre sich die Weberei befindet. Bis heute, nur dass dort nun Martin Stern selbst steht.

artin Stern hat einen außergewöhnlichen Beruf. Er ist einer der letzten Weber im Stubaital und macht Schafwoll- und Fleckerlteppiche. Und Tischdecken. Und er macht den Wilfling, einen Wollstoff in besonderer Webtechnik, aus dem die Stubaier Bauern früher ihre Kleider machten und der heute wieder des Öfteren nachgefragt wird. Weil man die Aufschrift „Weberei Stern“ von der Straße aus gut sehen kann, kommen immer wieder Menschen in Sterns Werkstatt vorbei. Einheimische, Touristen, auf dem Weg zum Skifahren oder Wandern. Je nach Jahreszeit. Gleich hinter dem Eingang rechts stehen praktischerweise ein Tisch und zwei Stühle. Martin Stern freut sich offensichtlich, wenn man ihn besuchen kommt. Und er hat viel zu erzählen, heitere Geschichten, manchmal welche zum Nachdenken. Sie würden vermutlich ein ganzes Buch füllen. Der Weber hat den Betrieb 1995 von seinem Vater übernommen, dessen Vater ihn seinerzeit gegründet hatte. Am Raum hat sich seit der Übernahme durch den Gründerenkel nichts verändert. Immer noch rattert der mechanische Webstuhl aus Metall und mit der Patina von Jahrzehnten vor sich hin. Ein wahres Ungetüm, das herrisch klappert, wenn Stern es in Betrieb nimmt. Auf der Seite befindet sich noch das Zählwerk, das daran erinnert, dass an vergangenen Tagen hier im Akkord gearbeitet wurde. Hinter dem mechanischen Webstuhl steht noch einer, ein kleinerer aus Holz. Auch alt. WIE DAMALS, NUR HEUTE Anfangs stellte der Großvater den Webstuhl noch am elterlichen Hof auf, nach der Hochzeit in der Mühle des Schwiegervaters, mit einem mobilen Webstuhl ging er auf Wanderschaft. Als er genug Geld beisammen hatte, kaufte er gemeinsam mit seinen Söhnen ein Stückchen Grund am Hang im Ortsteil Neder in Außerrain. Noch heute ist die Weberei dort.

Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Geschäfte schlecht gingen, begannen Großvater und Vater Fleckerteppiche zu weben. Der Inbegriff der günstigen Wohnlichkeit. Das hat dem Großvater den Namen „Fetzenweber“ eingebracht, doch sie konnten dadurch jene Zeit überbrücken, in der viele andere aufhören mussten. Fleckerlteppiche macht Martin Stern übrigens immer noch. Vor rund 20 Jahren begann Martin Stern außerdem damit, in einfachen Gerätschaften im Garten Wolle zu waschen. Die Schafwolle dafür bekommt er von Bauern aus der Umgebung. In der Spinnerei von Teppich Jordan in Breitenbach wird sie zu dicken Filzgarnen versponnen, zurück in der Werkstatt werden die großen Knäuel Naturwolle zu flauschigen Teppichen.

In einem Holzschuppen steht ein weiterer Webstuhl. Hier werden die Tischdecken und Platzdeckchen gemacht. Weil es dort keine Heizung gibt, wird darin nur gearbeitet, wenn es halbwegs warm ist. Hier fertigt Stern auch den speziellen Wilfling. „Ich hatte gute Zeiten und schlechtere, aber ich wollte immer etwas mit den eigenen Händen machen, und ich habe es nie bereut“, sagt Stern. Solange er könne, werde er die Weberei weiterbetreiben. Wie es dann weitergeht, weiß er nicht genau. Die Kinder können zwar weben, Interesse am Betrieb zeigen sie aber nicht. Noch. „Die Weberei Stern gibt es immer noch, weil wir alles gemacht haben.“ M A R T I N S T E R N

DER LAMPEN DESIGNER DIY

Sie ist die Königin der Alpen. Die Zirbe. Es gibt in den Bergen wohl kaum einen Baum, dessen Holz so intensiv duftet. Pinus cembra ist ihr lateinischer Name, Cembra Art nennt sich die kleine Manufaktur von Stefan Fuchs. Er drechselt Lampenschirme aus Zirbenholz, so dünn und durchscheinend wie Pergamentpapier.

tefan Fuchs lebt mit seiner Familie in einem Einfamilienhaus in Axams. Dahinter liegen große Kiefernstammstücke. Die knorrigen Blöcke liegen nah beieinander. Aus einem drechselt er ein oder auch zwei Lampenschirme. Rund 50 sind es im Jahr. Gewerkt wird im Keller, dessen Boden zeigt, dass Fuchs mit der Motorsäge nicht immer nur die Holzblöcke bearbeitet. Der Werkstatt darf man ansehen, dass darin gearbeitet wird. Ausgestellt werden die fertigen Teile am Dachboden. Aufgewachsen ist Stefan Fuchs in Reindlmühl, einem Ortsteil von Altmünster am Traunsee, Holz begleitet ihn sein ganzes Leben. Fuchs mag die Natur. Und die Abgeschiedenheit. Fast folgerichtig landete er auf einer Alm, abgeschieden „am Ende der Welt“. Dort gab es nicht viel, doch es gab Zirben. Eines winters knickte einer der mächtigen Bäume unter der Schneelast zusammen. Fuchs hätte das Holz einfach verheizen können, doch das wollte er nicht. Er schnitt den Stamm in große Blöcke und begann, sie zu bearbeiten. Die Kugel, die er schließlich geformt hatte, hielt er in die Sonne. „Die Maserung, die schönen, weichen Farben, die Struktur des Holzes haben mich fasziniert“, erzählt er im Buch. Die Idee, die Wärme des Holzes zu nutzen und etwas Bleibendes zu schaffen, war geboren.

Um die Strahlkraft des Holzes im wahrsten Sinne sichtbar zu machen, entschied sich Fuchs für Lampenschirme. Schüsseln, Brotkörbe oder Schneidbretter wären vermutlich einfacher gewesen, denn die Stücke, die ihm anfangs unter den Händen zerbrachen, waren deren viele. Auch heute noch passiert es ab und zu, dass ein Werkstück während der Arbeit kaputt geht. Fast typisch meist kurz vor der Fertigstellung. 2016 machte er sich jedenfalls selbständig – als Tischler mit „individueller Befähigung“, denn klassische Lehre hat er keine absolviert. Fuchs ist Autodidakt. Seit vier Jahren arbeitet er nun mit dem manchmal recht eigenwilligen Holz. Jedes davon ist anders, gibt die Form vor und macht aus jeder Lampe ein Unikat mit eigener Maserung und Ausstrahlung. Länglich oval bis fast rund sind die Körper, gestaltet aus einem Stück Holz. Auch wenn Fuchs das nun schon eine ganze Weile macht, so ist es noch nicht lange her, dass er mit den Ergebnissen seiner Arbeit auch wirklich zufrieden ist. „Nicht alle Lampenschirme sind gleich schön, aber jetzt sind sie so, wie ich mir das vorgestellt habe“, sagt er. Und Schönheit liegt sowieso im Auge des Betrachters. GANZ FRISCH Am Besten lasse sich das Holz verarbeiten, wenn es ganz frisch ist, sagt Fuchs. Dann ist es noch elastisch genug. Bisher hat er vor allem Wind- und Schneewurf verwendet und dafür einen befreundeten Jagdpächter, der ihm Tipps gibt, wo Holz zu finden ist. Mittlerweile hat sich sein Tun herumgesprochen und er bekommt immer wieder Hinweise, wo es denn Fleckchen gibt, an denen er sich bedienen kann. Wie warm die Zirbe tatsächlich wirkt, zeigt sich, wenn man die fertige Lampe zum Leuchten bringt. Heimelig wird es, dazu kitzelt der feine Duft die Nase. Schön. „Das Holz gibt die Form vor, es lenkt mich, ist knorrig und weich zugleich.“ S T E F A N F U C H S

DER SCHMIED DIY

Auch er macht Lampen. Andere zwar als Stefan Fuchs, aber nicht minder kreative. Nur der Werkstoff ist ein anderer. Alfons Steidl ist Dorfschmied in Innervillgraten und mit seinen Lampen auf Designmessen vertreten. Und er macht noch mehr.

lfons Steidls Werkstatt besteht aus drei Räumen. Die wiederum docken an das Wohnhaus an, das wie ein hoch aufragender Blockbau aus Holz mit Satteldach und Holzsöllern in der Landschaft steht. Der Zubau ist ein einstöckiger, asymmetrisch verlaufender Betonbau, verkleidet mit schwarzer Teerpappe, und hat zahlreiche Auszeichnungen für seine Architektur bekommen. Dass hier jemand mit Gespür für Design zu Hause ist, ist schon von außen unschwer zu erkennen. Die ehemalige Schmiede, über der sich die Wohnräume befinden, ist heute Präsentations- und Schauraum. Geschmiedet wird hier aber immer noch. DES SCHMIEDES ZEUG Seit Jahrhunderten sind Esse und Amboss die wichtigsten Geräte eines Schmieds. Bis heute. Zum ersten Mal urkundlich erwähnt wurde eine Schmiede in Innervillgraten 1640. Es war zwar noch nicht jene der Familie Steidl, doch auch die ist schon ziemlich alt. Die Geschichte der Schmiede Steidl beginnt 1807, als Thomas Steidl die Dorfschmiede übernahm. Der Hammer- und Hufschmied kam unter einer Lawine zu Tode, der gleichnamige Sohn übernahm das Gewerbe. Er reparierte Pflüge, schmiedete Messer, fertigte Sensen, hämmerte Beschläge und stellte Türschlösser her. Es war eine gute Zeit für Schmiede. Kein Dorf und kein Weiler kam ohne einen aus. Als die Reihe an Alfons Steidls Großvater kam, verpachtete dieser die Schmiede, Alfons Vater führte sie dann wieder selbst. Er errichtete nach dem Zweiten Weltkrieg ein neues Wohnhaus, das im Parterre die Schmiede beheimatete. Mitte der 1970er-Jahre ging Alfons bei seinem Vater in die Lehre. „Es war völlig klar, dass ich Schmied werde. Ich bin Handwerker, das hat mich immer interessiert“, sagt er überzeugt.

Das Handwerk hatte sich mit den Menschen und den Gegebenheiten zwischenzeitlich verändert. Immer weniger Geräte bedurften eines Schmieds, der Vater machte inzwischen reichlich Grabkreuze. Das aber wollte Alfons Steidl nicht. Er wollte mehr. Es sei ein langer Prozess gewesen weg vom klassischen und hin zum kreativen Bereich. Vor allem brauchte es Kunden. Anfang der 1980er-Jahre durfte Alfons Steidl die ersten Lampen für das Gasthaus Gruber in Innsbruck fertigen und immer wieder stand der Wirt vom benachbarten Gannerhof in der Werkstatt. Er brauchte Türbeschläge, die Schlösser der historischen Holztüren mussten restauriert oder erneuert werden und er benötigte neue Beleuchtungskörper. Bald suchten ihn Architekten und Designer auf. Es sprach sich herum, dass der Schmied aus Innervillgraten offen ist für Neues und ein Auge hat für Details. Heute ist Steidl weit über Osttirol hinaus bekannt. Bisweilen restauriert er auch noch alte Grabkreuze.

Auch Bruder Toni ist mit im Betrieb, ebenfalls Schmied. Unterstützt werden sie von Maschinen, trotzdem ist alles noch echte Handarbeit. Im Schauraum findet sich eine Auswahl davon – nebst Lampen unter anderem auch Metallschüsseln. Vieles von dem, was die beiden machen, sind Sonderaufträge. Das kommt Alfons Steidl sehr zupass, denn Routine mag er nicht. Auch von den „Serienprodukten“ gibt’s immer nur eine kleine Anzahl gleicher, wenngleich auch die nicht alle gleich ausschauen. Handarbeit eben. „Ich will, dass man sieht, dieses Stück ist handgemacht.“ A L F O N S S T E I D L

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