DU UND DAS TIER 03/2024 (Blick ins Heft)

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Ausgabe 3/2024

54. Jahrgang

ISSN 0341-5759

tierschutzbund.de

DAS MAGAZIN DES DEUTSCHEN

DU UND

DU UND das Tier

TAUBEN IN DER STADT

Darum benötigen Stadttauben dringend unsere Hilfe

ORANG-UTANS IN GEFAHR

Wie unsere Verwandten unter der Gier der Menschen leiden

PUPPY YOGA Wenn Hundewelpen zum trendigen Spaßobjekt werden

TIERE SIND KEINE SPORTGERÄTE

Warum Pferde Freunde und Freiheit brauchen

Seit Jahrzehnten unterstützen Pedigree ® und Whiskas ® den Deutschen Tierschutzbund und Tierheime in ganz Deutschland. Weil wir das Gleiche wollen: gesunde und zufriedene Tiere.

www.pedigree.de

Mittelpunkt statt Hintergrund

Liebe Leserin, lieber Leser,

Jürgen Plinz, Schatzmeister duunddastier.de

Schlaglicht

wenn ich mir die Themen dieser Ausgabe ansehe, habe ich vor allem einen Gedanken. Wohin ich auch blicke, welches Thema ich mir auch ansehe: Die Bedürfnisse der Tiere rücken ständig in den Hintergrund. Als hätten sie keine, als spielten sie keine Rolle. Im Titelthema zeigen wir, was Pferde für faszinierende Lebewesen sind (ab Seite 08). Seit rund 5.000 Jahren spielen sie in unserem Leben eine zentrale Rolle. Früher in der Landwirtschaft, im Transportwesen und im Krieg, heute als Partner in Freizeit und Sport. Ihre ureigenen Verhaltensweisen und Bedürfnisse haben sie während der langen Domestikationsgeschichte nie verloren. Trotzdem steht die Gier nach Erfolg und Geld oft über den Bedürfnissen der Tiere und sie werden als Sportgeräte missbraucht. Bei den anderen Tierarten, denen wir uns in dieser Ausgabe widmen, sieht es nicht anders aus. Während Störe für die Delikatesse Kaviar gequält und getötet werden (Seite 24), OrangUtans ihren Lebensraum für Palmölplantagen verlieren und gleichzeitig als Statussymbole sowie Tourismusattraktionen missbraucht werden (Seite 34), müssen Hundewelpen für Spaß beim Puppy Yoga sorgen (Seite 20) und Tauben

ihr Dasein in den Städten mit ihrem Leben bezahlen (Seite 16). Wann wird der Mensch die Tiere endlich als fühlende Mitgeschöpfe wahrnehmen und sie mit Respekt behandeln? Zum Glück gibt es all die Tierschützer*innen, die sich heute schon für die Tiere starkmachen und sie unterstützen, wo sie nur können. So haben wir uns sehr über die zahlreichen Patinnen und Paten gefreut, die unsere Tiere im Tierschutzzentrum Weidefeld des Deutschen Tierschutzbundes besucht haben (Seite 38). Auch all die Gassigänger*innen zum Beispiel, die mit den Hunden in den Tierheimen spazieren gehen, leisten einen großartigen Beitrag zum Wohl der Tiere (Seite 42). Es darf aber nicht sein, dass es nur die Tierschützer*innen und Tierfreundinnen und -freunde sind, die die Bedürfnisse der Tiere in den Mittelpunkt stellen. Es ist die Aufgabe aller Menschen, endlich ihre Verantwortung wahrzunehmen und den Weg hin zu einer Gesellschaft zu ebnen, in der Mitgefühl und Respekt unser Handeln bestimmt.

Trotz aller Widrigkeiten während des russischen Angriffskriegs in der Ukraine betreuen zahlreiche Tierschützerinnen in der Hafenstadt Odessa unermüdlich Futterstellen für Straßenhunde und -katzen. Das Tierschutzzentrum Odessa des Deutschen Tierschutzbundes unterstützt sie unter anderem mit Ekto- und Endoparasitenmitteln, um präventiv Erkrankungen vorzubeugen. Der Deutsche Tierschutzbund finanziert dies mit 12.000 Euro. Zudem konnte der Verband im Tierschutzzentrum strukturierte Hundeausläufe errichten, in denen das Team bedürftige Tiere langfristig unterbringen kann. Die Hundehäuser werden zurzeit ebenfalls saniert, damit sich die Mitarbeiter*innen weiterhin um jedes einzelne Tier in Not bemühen können. Helfen Sie uns, ihnen zu helfen, denn die Hunde und Katzen sind durch den Krieg mehr denn je auf Fürsorge angewiesen: tierschutzbund.de/krieg-in-der-ukraine

@tierschutzbund

Tier liebe

Spätestens im September fliegt der Kuckuck in wärmere Gefilde südlich des Äquators. Wenn er Mitte April nach Deutschland zurückkehrt, hat er es schwer. Denn die Wirtsvogelarten, in deren Nester er sonst seine Eier gelegt hat, beginnen wegen des Klimawandels frühzeitiger mit der Brut. Auch wegen des Insektenschwundes ist sein Bestand rückläufig.

Pferde werden weltweit für ihre Schönheit, Kraft und Bewegungen bewundert. Über all die gemeinsame Zeit haben sie keine ihrer ureigenen Verhaltensweisen und Bedürfnisse verloren. Es ist unsere Verantwortung, ihr Wohl stets in den Mittelpunkt unseres Handelns zu stellen.

Kaviar hat ein luxuriöses Image, doch dahinter verbirgt sich großes Tierleid (Seite 24).

Begleittiere helfen Menschen mit psychischen oder körperlichen Problemen. Doch nicht alle Tiere eignen sich für diesen Einsatz (Seite 28).

Einsatz für die

Patinnen und Paten besuchten unser Tierschutzzentrum Weidefeld (Seite 38).

Glas ist für Millionen Vögel eine Todesfalle. Doch wir können sie schützen (Seite 22).

Wenn Genick und Herz brechen

Den Stadttauben in Limburg soll es im wahrsten Sinne des Wortes an den Kragen gehen. Die geplante Tötung per Genickbruch ist ein Drama für die Vögel und ein schwerer Schlag für den Tierschutz. Dabei reduzieren tiergerechtere Lösungen die Zahl der intelligenten Tiere, die unseren Respekt verdienen, in Innenstädten nachhaltiger.

Deutschland … alles okay?“ Es passiert nicht oft, dass der Moderator einer Latenight-Show im amerikanischen Fernsehen über Ereignisse in einer deutschen Stadt wie Limburg an der Lahn berichtet. Dass Stephen Colbert den Blick seiner Zuschauer*innen, die tausende Kilometer entfernt leben, dorthin richtete und sich um den Geisteszustand Deutschlands sorgte, hatte einen einfachen wie erschreckenden Grund: Limburgs drastischen Pläne für die gewachsene Stadttaubenpopulation. Die Stadtverordneten hatten Ende 2023 die systematische Tötung der Vögel durch Genickbruch beschlossen, die ein Jäger und Falkner durchführen soll. Im Sommer stimmte die Bevölkerung in einem Bürger*innenentscheid mehrheitlich dafür, diesen Entschluss nicht aufzuheben. „Die Mehrheit der Limburger*innen hat mit ihrer Wahl das Todesurteil für die Tauben besiegelt“, zeigte sich Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, „bestürzt und enttäuscht“.

Organisierter Taubenschutz wäre nachhaltiger

Monatelang hatte der Deutsche Tierschutzbund vorab versucht, die Stadt Limburg und ihre Einwohner*innen zu informieren, dass Stadttaubenpopulationen mit tierfreundlichen Lösungen in den Griff zu bekommen sind. Er warb mit Plakaten, Ground-Postern und Postwurfsendungen in Limburg sowie auf seinen Social-Media-Kanä-

len, für die Aufhebung des grausamen und tierschutzwidrigen Beschlusses zu stimmen. Nach der Abstimmung wandte er sich ans Veterinäramt der Stadt, um sich erneut gegen die Erlaubnis für den Falkner einzusetzen. Unterstützt wurde der Verband vom Landestierschutzverband Hessen, dem Tierschutzverein Limburg, der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht sowie Content Creator Malte Zierden, der seine Reichweite nutzte, um sich für die Tauben stark zu machen. Die Tierschützer*innen hatten sich auch an Bürgermeister Dr. Marius Hahn gewandt und angeboten, ihn beratend dabei zu unterstützen, ein Konzept für ein kommunales Stadttaubenmanagement zu entwickeln. „Dazu gehören betreute Taubenschläge, in denen gelegte Eier gegen Attrappen ausgetauscht werden. Das ist aus unserer Sicht die einzige tierschutzgerechte und nachhaltige Alternative, um die Population langfristig auf einem gesunden, niedrigen Niveau zu halten“, erklärt Katrin Pichl, Referentin für Wildtiere beim Deutschen Tierschutzbund.

Einige Städte zeigen, wie es besser geht

Konzepte, in denen Mitarbeiter*innen der Kommunen oder Tierschützer*innen die Tauben in Taubenhäusern und -schlägen artgerecht füttern, ihre Gesundheit kontrollieren und die Eier gegen Attrappen austauschen, sorgen bereits in vielen Städten für kleinere und gesündere

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Noch immer oft als „Ratten der Lüfte“ bezeichnet, sind Tauben in vielen Städten unerwünscht. Mit der geplanten systematischen Tötung in Limburg erreicht der Umgang mit den liebenswerten und intelligenten Tieren einen traurigen Höhepunkt. Betreute Taubenschläge hingegen, in denen Eier gegen Attrappen ausgetauscht werden, sind nachhaltig und tierfreundlich.

Der Deutsche Tierschutzbund hat die Bevölkerung in Limburg mit Plakaten, Ground-Postern und Postwurfsendungen über das alternative tierfreundliche Management von Stadttaubenpopulationen aufgeklärt.

Taubenbestände. Das ist etwa in Braunschweig, Wiesbaden oder München der Fall. „Dort bleiben die Tiere vermehrt von Brennpunkten fern und der Taubenkot wird größtenteils in den Schlägen gesammelt, die Städte bleiben sauberer“, berichtet Pichl. „Eine Win-win-Situation für alle Seiten.“ Auch Hamburg stellt in den nächsten drei Jahren jährlich 350.000 Euro für insgesamt sechs Taubenschläge an zwei Bahnhöfen zur Verfügung. Solche Maßnahmen helfen auch den Tauben, die allesamt Nachkommen entflogener Haustauben sind. „In den Städten ernähren sie sich vorwiegend von Essensabfällen und leiden in der Folge unter der Fehlernährung“, erklärt Pichl. Besonders, wenn viele Tiere auf einem Fleck leben, sind die Tiere oft krank oder unterernährt. Umso wichtiger ist der tiergerechte Umgang mit den Tauben an für sie eingerichteten Orten. Er hilft ihnen, reduziert die Bestände, entschärft Mensch-Tier-Konflikte und führt so zu einem positiveren Bild, das sonst oft von Vorurteilen geprägt ist.

Städte

wälzen Verantwortung ab

Viele Menschen bezeichnen Tauben als „Ratten der Lüfte“. Manche verjagen, treten oder töten sie sogar, weil sie die Tiere hassen oder befürchten, dass sie Infektionen übertragen. Doch diese Angst ist unbegründet. „Die gesundheitliche Gefährdung durch Tauben ist nicht größer als die durch andere Zier- und Wildvögel oder Haustiere“, so Pichl. Seit Jahren wurde beispielsweise kein Fall ermittelt, bei dem eine Stadttaube, wie oft nachgesagt, die als Papageienkrankheit bekannte Ornithose nachweislich

auf den Menschen übertragen hätte. Dennoch bleiben die Vögel in vielen Städten unerwünscht. Darum klärt der Deutsche Tierschutzbund seit Jahren mit seiner Kampagne #RespektTaube über die liebenswerten und intelligenten Tiere auf. Sie stehen für Liebe und Frieden und erkennen sogar menschliche Gesichter wieder. „Tauben sind sehr sozial und treu. Sie leben weitestgehend monogam und bleiben mit ihrem Partnertier an dem Standort, an dem sie selbst geboren wurden oder erfolgreich Küken zur Welt gebracht haben“, berichtet Pichl. Sie haben mindestens unseren Respekt verdient. Darum appelliert der Verband an alle, die Tiere entsprechend zu behandeln und Tauben nicht zu quälen. Betroffene Städte fordert der Deutsche Tierschutzbund auf, die bereits erprobten tiergerechten Maßnahmen zu ergreifen und sich an

Tauben sind sehr sozial und treu. Sie verdienen unseren Respekt.

positiven Beispielen zu orientieren – nicht an Limburg. Dort hatte die Stadt nach dem Entscheid zwar immerhin zugestimmt, dass Tierschützer*innen 200 Tauben aufnehmen, versorgen und so einen Teil der Tiere vor dem Genickbruch schützen dürfen. „Den öffentlichen Druck und die Schmäh, die sogar über die Grenzen Deutschlands hinausgeht, haben Bürgermeister Hahn und die Verantwortlichen offensichtlich nicht ignorieren können“, sagt Pichl. Doch einige Hundert Tauben sollen nach wie vor sterben, wenn andere Vereine sie nicht auch aufnehmen können, was Hahn alternativ vorschlug. Die Zahl der Tiere wird dadurch jedoch ohnehin nur kurzfristig reduziert und dann schnell wieder ansteigen. Daher ist Limburg weiterhin in der Pflicht, ein Stadttaubenmanagement mit Eiertausch zu etablieren. „Es darf nicht sein, dass Städte zukünftig ihre ungeliebten Stadttauben töten oder alternativ bei Tier- und Taubenschützer*innen unterbringen lassen, während sie sich selbst aus jeglicher Verantwortung stehlen.“ ◊

tierschutzbund.de/tauben

Erfahren Sie mehr über die faszinierenden Tiere und was jede*r Einzelne für sie tun kann.

VERKEHRSLÄRM

BEREITS DIE EMBRYONEN VON ZEBRAFINKEN SCHÄDIGT?

Aus Eiern, die ihm ausgesetzt sind, schlüpfen rund 20 Prozent weniger Küken.

WUSSTEN SIEschon ,dass ...

… KUGELMALVENBIENEN gern in den Blüten DER GLEICHNAMIGEN

BLUME SCHLAFEN, teilweise auch aneinander gekuschelt mit Artgenossen?

MEERSCHWEINCHEN SEHR VIEL BESSER HÖREN ALS MENSCHEN und sich darum IN EINER LAUTEN UMGEBUNG, ETWA MIT SCHREIENDEN KINDERN, NICHT

WOHLFÜHLEN? Sie hören Frequenzen bis 33.000 Hertz, wir nur solche zwischen 16.000 und 20.000 Hertz.

… manche SCHNECKENARTEN BIS

ZU DREI JAHRE LANG SCHLAFEN können? Das passiert etwa bei EXTREMEN WETTERBEDINGUNGEN, vor allem bei Hitze.

… DER DE WINTONS GOLDMULL EIN SO ÖLIGES FELL HAT, DASS ER UNTERIRDISCH DURCH

DEN SAND „GLEITEN“ kann? Die Tiere galten als ausgestorben, wurden in Südafrika jüngst jedoch mithilfe von Spürhunden nachgewiesen.

… SPEZIELL TRAINIERTE HUNDE DEN NAHENDEN MIGRÄNEANFALL ihrer Besitzer*innen erkennen können, bevor diese ihn selbst spüren?

TierschutzzumAnfassen

Vielen Dank, dass Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe von werfen. Diese exklusive Gelegenheit ist üblicherweise unseren Fördermitgliedern vorbehalten, die das Magazin des Deutschen Tierschutzbundes viermal jährlich frei Haus erhalten. Seit über 50 Jahren erscheint es in gedruckter Form. Auf 54 Seiten klären wir über Missstände auf, informieren über aktuelle Entwicklungen und geben Anregungen, wie jeder Einzelne Tieren helfen und sie schützen kann. Dabei widmen wir uns Heim- oder Wildtieren gleichermaßen wie den Tieren in der Landwirtschaft oder in Tierversuchslaboren.

Unterstützen Sie uns bei unserem Kampf für mehr Tierschutz, werden Sie Fördermitglied und sichern Sie sich jetzt die nächste Ausgabe von–natürlich auf zertifiziertem Recyclingpapier. tierschutzbund.de/mitgliedschaft

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