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Kooperation im Baugraben
Vertrauensvolle Zusammenarbeit: Stefan Dettmer (l.) und Ingmar Luther (r.)
Während das Dortmunder Energieunternehmen DEW21 in der Innenstadt für die Wärmewende buddelt, sucht Stadtarchäologe Ingmar Luther in den Baugräben nach Relikten aus vergangenen Zeiten. Diese Kooperation funktioniert trotz unterschiedlichster Interessen und hat bereits spektakuläre Ergebnisse zutage gefördert.
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Eigentlich müssten Stefan Dettmer von DEW21 und Stadtarchäologe Ingmar Luther in tiefer Abneigung verbunden sein: „Des einen Freud, ist des anderen Leid“, sagt der Leiter des Bereichs Netz- und Anlagenbau Wärmeversorgung dazu augenzwinkernd. Denn jedes Mal, wenn bei den Bauarbeiten im Zuge der Wärmewende (s. Info-Kasten) Relikte aus vergangenen Zeiten zum Vorschein kommen, übernehmen Luther und sein Team in diesem Bereich das Zepter. Und die Bagger haben erstmal Pause. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen städtischer Denkmalbehörde und kommunalem Versorger sorgt jedoch dafür, dass trotz dieser besonderen Rahmenbedingungen alles nach Plan läuft: Voraussichtlich Ende 2022 kann DEW21 das alte Dampfnetz außer Betrieb nehmen. Mit industrieller Abwärme der Deutschen Gasrußwerke versorgt das Unternehmen ab dann die Bürger*innen in der City – bei besonderen Verbrauchsspitzen werden drei neu errichtete Energiezentralen dazugeschaltet.
Fundstücke im Zuge der Bauarbeiten: ein Hufeisen, ein Spinnwirtel zum Verspinnen von Fasern, ein sogenannter Lochstein zum Verkleinern und Zermahlen von Materialien sowie Scherben eines Kugeltopfs (von links).

Einmalige Gelegenheit für Archäologen
Bis es aber soweit ist, gibt es sicherlich auch für den Stadtarchäologen noch einige Einsätze im Baugraben. Überreste des alten Ostentores beispielsweise müssen stets umfassend vermessen, mit 3D-Laserscannern analysiert und fotografisch dokumentiert werden. „Das sind einmalige Gelegenheiten, die wir uns nicht entgehen lassen dürfen – auch wenn es bedeutet, dass wir einen Baubereich einmal vier Wochen lang in Beschlag nehmen“, so Luther.
Von diesen Parallel-Vorgängen aus der Ruhe bringen lässt sich sein Kooperations-Partner Stefan Dettmer nicht. „Jeder kennt die Perspektive des anderen. Insofern besteht da ein gegenseitiges Verständnis und wir fangen in solchen Fällen einfach 20 Meter weiter an zu buddeln und kommen später an die Stelle zurück.“ Ohnehin müsste bei Bauarbeiten im City-Bereich mit derartigen Unterbrechungen kalkuliert werden. „90 % der Innenstadt gilt als archäologische Verdachtsfläche“, so Luther. Im Vorfeld jeder Maßnahme würden Baupläne und historische Karten übereinandergelegt, um die Chance für Funde auszuloten.
Sensationeller Fund kam überraschend
Angesichts dieser akribischen Vorbereitung war der kürzliche Fund, den Luther schlicht als „absolute Sensation“ bezeichnet, umso überraschender: Überreste eines dritten, etwa 6 Meter breiten Wassergrabens vor dem Ostentor wurden freigelegt. Dieser diente vermutlich bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts als zusätzliche Schutzvorrichtung für das strategisch immens wichtige Eingangstor. „In keiner Aufzeichnung war der Graben bislang erwähnt“, so Luther, der diesen Erkenntnisgewinn Ende des Jahres mit den Dortmunder Bürger*innen teilen will: Sie können sich dann online eine 3D-Animation des gesamten historischen Ostentores ansehen.
Auch in der SchwarzenBrüder-Straße wurden Relikte gefunden.

Klimafreundliche Wärmewende
Seit 2017 hat DEW21 an vielen Stellen in der Innenstadt Baustellen eingerichtet, um deren Wärmeversorgung auf ganz neue Beine zu stellen. Das veraltete Dampfnetz hat ausgedient und wird ab 2023 durch ein modernes Heißwassernetz mit geringen Wärmeverlusten ersetzt, welches an das bestehende Netz der Dortmunder Nordstadt angeknüpft wird. Eingespeist wird dann darin vor allem die industrielle Abwärme der Deutschen Gasrußwerke. DEW21 investiert in dieses Großprojekt mehr als 100 Mio. €. Dadurch können jährlich mehr als 45.000 Tonnen CO2 eingespart werden.