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Schmerztherapie im Krankenhaus Düren

Das Team der Schmerztherapie mit (von links) Dr. Patrick Schweigert, Dr. Stefan Hegemann, Martina Muhren, Margret Kirschnik-Stockhammer, Prof. Dr. Stefan Schröder, Natalie Fuchs und Hermann-Josef Mentgen.

Wenn der Schmerz am Steuer sitzt

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Rund 13 Millionen Menschen in Deutschland leiden an chronischen Schmerzen. Dies hat zum Teil schwerwiegende Auswirkungen auf Alltag, Psyche und die Lebensqualität. „Wir erleben oft, dass der Schmerz am Steuer des Autos sitzt und der Patient geknebelt im Kofferraum liegt“, erklärt Oberarzt Dr. Stefan Hegemann sehr anschaulich, wie Patienten ihr Leiden erleben. Dr. Hegemann und sein Team der Schmerztherapie im Krankenhaus Düren wollen dabei unterstützen, dass die Patienten wieder am Steuer sitzen und die Kontrolle über ihr Leben zurückerlangen.

Die Schmerztherapie im Krankenhaus Düren basiert auf drei Säulen. Im Akutschmerzdienst sind besonders qualifizierte und erfahrene Pflegekräfte, die Pain Nurses, auf allen operativen Stationen des Krankenhauses im Einsatz. Zu den Aufgaben des Akutschmerzdienstes zählt beispielsweise die sehr engmaschige Begleitung von Patienten nach Operationen. Über die einzelnen Methoden der postoperativen Schmerztherapie werden Patienten vor der Operation bereits im Narkose-Vorgespräch aufgeklärt. Häufig kommen im Rahmen der OPs „Schmerzkatheter“ zum Einsatz, mit denen gezielt bestimmte Körperareale nach einer Operation betäubt werden können. Während

Michael Staeven, 53 Jahre, Patient der Schmerzambulanz

Immer mehr Tabletten, immer stärkere Tabletten. So lassen sich die vergangenen Jahre mit ungezählten Besuchen bei ganz unterschiedlichen Ärzten zusammenfassen. Keine Lösung auf Dauer, dachte sich Michael Staeven. Los ging es vor elf Jahren mit einem neuen Hüftgelenk. Doch bei der Operation gab es Komplikationen. Statt der erhofften Linderung setzten Schmerzen ein. Gegen die Schmerzen wurden Tabletten verschrieben. Der Beginn einer Abwärtsspirale, der sich Michael Staeven aktiv entziehen wollte.

Zusammen mit seinem Hausarzt suchte er nach einer Alternative – und wurde in der Schmerzambulanz des Krankenhauses Düren fündig. „Der erste Schritt war der schwierigste“, sagt Staeven. Er habe sich selbst eingestehen müssen, dass der dauerhafte Konsum von Schmerztabletten nichts an den Ursachen ändert – und nur kurzfristig Linderung bringt. „Zu Hochzeiten habe ich mich wie weggebeamt gefühlt“, berichtet er. Doch der Schmerz kam immer wieder zurück, stärker, in kürzeren Abständen.

Heute stellt er sich seinem Schmerz, mit klarem Kopf. „Mein Unwohlsein lag nicht an den Schmerzen, es lag an den Tabletten“, sagt Michael Staeven. Seit mehreren Jahren begleitet ihn das Team der Schmerzambulanz auf diesem neuen Weg, der anfangs durchaus eine Art Entzug war. Monat für Monat wurde die Dosis der Schmerzmedikamente reduziert, andere, besser dosierbare und zielgenauer einsetzbare Wirkstoffe ausgewählt. Begleitend hat Michael Staeven gelernt, den Bewegungsapparat zu mobilisieren, Schonhaltungen zu vermeiden. „Ich bin heute wieder viel aktiver, führe ein neues Leben – trotz der Schmerzen. Ich habe gelernt, mit ihnen zu leben, damit umzugehen“, berichtet er. Regelmäßig besucht er die Sprechstunde in der Schmerzambulanz. „Ich möchte allen Schmerzpatienten Mut machen, Alternativen zu suchen“, erklärt der 53-Jährige. Auch wenn es vermeintlich der einfachste und verlockendste Weg ist: Er ist froh, dass der Griff zur Tablettenpackung immer seltener geschieht.

dieser Zeit werden die Patienten engmaschig mindestens zweimal täglich durch den Akutschmerzdienst besucht und betreut. Die Pain Nurses behalten die Schmerzkatheter und den Heilungsverlauf im Blick und stehen den Ärzten des Teams beratend zur Seite, wenn es um die Festlegung der individuellen Schmerztherapie geht. Auf allen Stationen wurden Schmerz-Mentoren ausgebildet, die bei der Begleitung der Patienten unterstützen, die Umsetzung von vereinbarten schmerztherapeutischen Standards in allen Kliniken etablieren und somit eine wichtige Schnittstelle zwischen dem Team der Schmerztherapie und allen Stationen des Krankenhauses bilden.

Schmerz ist dabei nicht gleich Schmerz. Jeder Mensch hat ein anderes Schmerzempfinden, Vorerkrankungen können sich ebenso auswirken, wie die Besonderheiten der zum Teil hochkomplexen Behandlungsmethoden. „Jeder operative Eingriff führt zu Schmerzen“, sagt Dr. Stefan Hegemann – doch die Konzepte der Schmerztherapie sind genauso vielfältig wie die Patienten und deren Bedürfnisse. Hinzukommt, dass neben einer biologischen Ursache, beispielsweise einem Unfall, einer Fraktur oder einer Verletzung, auch psychologische oder soziale Dimensionen für das Empfinden von Schmerz verantwortlich sein können. Die seelische Gesundheit und Unversehrtheit des Patienten spielen dabei eine nicht minder wichtige Rolle.

„Nicht jeder Schmerz hat eine körperliche Ursache. Aber jeder Schmerz ist echt“, betont der Experte. Um herauszufinden, was dem Schmerzempfinden zugrunde liegt, nehmen sich die Mitglieder des Teams daher auch viel Zeit, um mit den Menschen zu sprechen, alle möglichen Ursachen auszuloten. Es gibt auch eine spirituelle Dimension, die Schmerzen auslösen oder verstärken kann: Wenn das eigene Weltbild in der Folge von Gewaltakten wie Folter, sexuellen Übergriffen oder Kriegsauswirkungen aus den Fugen gerät und Menschen einen massiven Kontrollverlust erleben. „Wir sehen gerade bei aus Krisenregionen geflüchteten Menschen oft, dass solche Erlebnisse zu Schmerzverarbeitungsstörungen führen“, weiß der Oberarzt aus seiner täglichen Arbeit. Die Patienten beklagen dann häufig einen „Ganzkörperschmerz“.

Die Schmerzambulanz

Um die allgemeine schmerztherapeutische Versorgung der Menschen weit über den Kreis Düren hinaus zu verbessern, wurde bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten eine weitere Säule der Schmerztherapie im Krankenhaus Düren ins Leben gerufen: die Schmerzambulanz. Das interdisziplinäre Team aus Ärzten, Pflegekräften und Psychologen ist Ansprechpartner sowohl bei akuten als auch bei chronischen Schmerzen. 300 Patienten konnten bisher pro Quartal behandelt werden, aufgrund einer zu Beginn dieses Jahres für Dr. Hegemanns Kollegin Margret Kirschnik-Stockhammer ausgesprochenen zusätzlichen Ermächtigung sogar mittlerweile 600 Patienten pro Quartal. Mit Ausnahme von Aachen ist die Schmerzambulanz des Krankenhauses Düren die größte in der Region, über-

Marlies Korf, 78 Jahre, Patientin der Schmerzstation

Als Kind wurde Marlies Korf von einem Lkw angefahren. „Mir wurde damals schon gesagt, dass ich mit Spätfolgen zu rechnen habe“, sagt die heute 78-Jährige. Doch die gebrochene Hüfte verheilte, Beschwerden gab es viele Jahre gar keine. Bis sich die Ereignisse überschlugen - und irgendwann der Schmerz ihr Leben bestimmt hat. Eine Arthrose im Knie, mehrere Operationen, Beschwerden in der Schulter und viele Arztbesuche: „Schmerzen ohne Ende“, beschreibt Marlies Korf die schlechten Tage. Gute, also schmerzfreie Tage, gab es nur noch äußerst selten. Daran änderten auch Medikamente und eine Reha kaum etwas.

Auf der Suche nach einem neuen Therapieansatz entschied sich Marlies Korf für einen Aufenthalt auf der Schmerzstation im Krankenhaus Düren. „Wegen der Pandemie habe ich mich zunächst nicht getraut, aber Anfang Mai habe ich die Therapie gestartet“, berichtet die Seniorin. Ein Entschluss, den sie nicht bereut, denn die engmaschige medizinische und therapeutische Begleitung und Unterstützung hat ihr im wahrsten Sinne des Wortes geholfen, einen Schritt weiterzukommen. Heute geht sie wieder mit ihrem Mann spazieren und traut sich, jede Woche ein Stück mehr Wegstrecke zurückzulegen. „Die Therapie war wie ein Startschuss für mich. Ich traue mir selbst wieder mehr zu“, sagt sie. Langweilig wurde es während des Aufenthaltes an keinem der 15 Tage: Auf dem Programm standen Gruppengespräche, Ergo- und Physiotherapie und eine medizinische Begleitung bei der Neueinstellung der medikamentösen Schmerztherapie. Dabei habe sie viel gelernt – von der richtigen Körperhaltung bis zu Techniken, um auch mit Schmerzen mehr Lebensqualität zu erfahren. „Der Schmerz bleibt ein Begleiter. Aber er ist weniger geworden, bestimmt nicht mehr mein Leben“, bedankt sich Marlies Korf beim Team der Schmerzstation des Krankenhauses Düren.

wiesen werden die Patienten von Haus- und Fachärzten gleichermaßen. Die Bandbreite der Gründe für Schmerz ist riesig: Ein Löwenanteil, etwa 60 bis 70 Prozent, entfällt auf Rückenschmerzen, gefolgt von Schmerzen aufgrund von Gelenkverschleiß und Kopfschmerzen. Aber auch Tumorpatienten werden behandelt oder Patienten, die von komplexen Nervenschmerzerkrankungen betroffen sind, beispielsweise von einer Trigeminusneuralgie oder der „Gürtelrose". „Oft bringen Patienten Berge von Akten und Befunden mit, blicken auf eine lange Krankheitsgeschichte zurück“, berichtet Dr. Hegemann. Das Team nimmt sich schon bei der Anamnese viel Zeit, um viele Details zu Erkrankungen aber auch zur Lebenssituation zu erfragen. Denn bei rund einem Viertel der Patienten liegt kein rein körperliches schmerztherapeutisches Problem vor. Der ganzheitliche Ansatz der Therapie ist daher zentrales Element der Schmerztherapie. Ein Ansatz, der auch die Mitarbeit der Patienten erfordert. „Schmerzmittel sind keine Drops, die man beliebig lutschen kann“, sagt Dr. Hegemann. Wer die Schmerzambulanz nur in der Hoffnung aufsucht, automatisch stärkere Medikamente zu erhalten, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit an der falschen Stelle.

Die stationäre Schmerztherapie

Die Schmerzstation ist die dritte Säule der Schmerztherapie im Krankenhaus Düren und das neueste Angebot für Patienten. Die Station verfügt über acht Betten, in denen Patienten 15 Tage sehr intensiv und engmaschig behandelt werden können. In diesem Rahmen können beispielsweise die Einstellung der Medikamente verbessert beziehungsweise neu vorgenommen werden oder neue Therapieansätze verfolgt werden. Neben täglichen Visiten gibt es Gesprächsangebote, Gruppen- und Einzeltherapie, Ergo- und Physiotherapie sowie ganz individuelle Angebote zur Linderung des Schmerzes und der Erforschung der Ursachen. Die Behandlung erfolgt dabei interdisziplinär, alle Fachgebiete des Krankenhauses sind mit einbezogen. Mit Dr. Patrick Schweigert hat ein versierter Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie die Stationsarbeit hier übernommen. „Ein Glücksgriff für das gesamte Team“, weiß Dr. Hegemann zu berichten.

„Bei chronischen Schmerzen ist es schon ein Erfolg, die Schmerzen um 30 bis 50 Prozent zu reduzieren“, sagt Dr. Hegemann. Das mag auf den ersten Blick enttäuschend klingen, bietet aber dennoch die Chance, die Lebensqualität deutlich zu erhöhen und die eigene Mobilität erheblich zu steigern. Um wieder die Kontrolle über das Steuer zu erlangen und den Schmerz auf die Rückbank des Autos oder noch besser in den Kofferraum zu verbannen, gibt es viele Lösungsansätze, bei denen das Team der Schmerztherapie im Krankenhaus Düren Patienten unterstützen kann. Genauso wichtig wie die Expertise der Ärzte, Pfleger und Therapeuten ist in allen Fällen aber die Bereitschaft der Patienten, sich auf neue Ansätze einzulassen und mitzuwirken. Dr. Stefan Hegemann: „Wir können die richtigen Behandler für Sie sein, wenn Sie sich darauf einlassen oder, bildlicher gesprochen: Wer schwimmen lernen will, muss bereit sein, ins Wasser zu gehen.“ Termine können telefonisch unter 02421/301398 abgestimmt werden.