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Wir pflanzen uns einen Wald
Das unbeständige Wetter, das der Klimawandel verursacht, vernichtet regelmäßig ihre Ernten. Daran haben sich die Landwirte in einem Dorf im nordöstlichen indischen Bundesstaat Meghalaya schon gewöhnt. Jetzt wollen sie den örtlichen Wald retten. Ihnen ist klar geworden, dass das rücksichtslose Abholzen der Bäume ihre Lebensgrundlage beeinträchtigt.
Sheemanto Chatri, ein 39-jähriger Bauer aus dem nordöstlichen indischen Bundesstaat Meghalaya, war vor knapp zehn Jahren sehr verzweifelt. Die für die Jahreszeit untypischen Regenfälle hatten die gesamte Ernte weggespült, die er in jahrelanger Arbeit in seinem abgelegenen Weiler angebaut hatte.
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Auf seinem halben Hektar Land hatte der Bauer im Jahr 2013 Ingwer gesät und auf einen guten Ertrag gehofft. Doch das Schicksal wollte es anders. Im September verwüsteten unvorhergesehene Regenfälle Sheemantos Dorf und zerstörten seine Ernten unwiederbringlich. „Damit hatten wir nicht gerechnet. Wir haben zu Gott gebetet, dass er uns eine gute Ernte beschert. Aber die Regenfälle haben alles zerstört – unsere Hoffnungen und unsere Lebensgrundlage“, sagt Chatri.
Ein anderer Landwirt, der nur Marwin genannt wird, befindet sich in einer ähnlichen Lage. Er erzählt, dass er auf seinem Hof Kartoffeln angebaut hatte und diese auf dem freien Markt verkaufen wollte, um einen Kredit bei der Bank zu tilgen. Marwin sagt, dass der drastische Wetterumschwung die Landwirte im Dorf am stärksten getroffen hat.
„Mal herrscht Dürre, mal gibt es unerwartet starke Regenfälle. All das hat es noch nie gegeben. Das beeinträchtigt unsere Lebensgrundlage und trifft unsere Familien hart“,
Wir werden das abholzen der bäume nicht mehr zulassen, wie wir es in der Vergangenheit getan haben. Wir werden jetzt wachsam sein und verstehen, dass die natur keine einbahnstraße ist. Wir müssen sie mit sorgfalt behandeln, wenn wir von ihr erwarten, dass sie im Gegenzug für unser Leben sorgt.
Im November 2014 kam ein Team lokaler Nichtregierungsorganisationen in das Dorf und bewertete die Ernteverluste, berichtet Arup Chater, ein anderer Landwirt. Die Forscher*innen untersuchten auch das Muster der Wetterveränderungen in dem Gebiet und sagten, die Abholzung sei wohl für die Situation verantwortlich. Nach dem Besuch des Teams versammelten sich die Dorfbewohner*innen – Männer und Frauen, Junge und Alte –, um über Lösungsansätze zu diskutieren. Sie erkannten, wie das rücksichtslose Abholzen der Bäume in den nahe gelegenen Wäldern ihre Lebensgrundlage beeinträchtigt hatte. „Am Anfang haben wir diesen Zusammenhang nicht verstanden. Jetzt wissen wir, dass die Natur im Einklang mit uns arbeitet. Das hat sich dann drastisch auf unser Leben ausgewirkt“, sagt Chater. In diesem Moment beschlossen die Dorfbewohner*innen, einen Wald anzulegen. Der Dorfvorsteher rief die Haushalte auf, Setzlinge zu liefern, damit sie in den Gemeindewald gepflanzt werden können. „Es wurde eine Art Dienstplan erstellt, der die Arbeiten – das Düngen mit Naturdünger, die Bewässerung der Setzlinge, die Pflege der neu gesäten Pflanzen – auf die Haushalte verteilt. Drei Arbeitsgruppen wurden gebildet, die jeweils eine Aufgabe erhielten: „longkpa“ (Männer), „longkmie“ (Frauen) und „samla“ (Jugendliche), sagt Mattheus Maring, der Vorsteher des Dorfes. Und ergänzt, zurzeit seien mehr als 4000 Setzlinge am Wachsen.
„Dieser Wald war unsere einzige Hoffnung, den Auswirkungen des Klimawandels entgegenzuwirken. Daraus ist ein voller Wald geworden“, sagt Maring. „Überall hört man das Zwitschern der Vögel und das Rauschen der Blätter. Allmählich beginnen sich die klimatischen Bedingungen und die Wasserknappheit zu verbessern.“ Er ist der Meinung, der Waldbau habe die Natur freundlich gestimmt. „In den letzten Jahren haben sich die Bauern nicht mehr über Verluste beschwert. Sie bekommen ausreichende Regenfälle und Wasserlieferungen. Die wirtschaftlichen Bedingungen in unserem Dorf haben sich verbessert“, sagt Maring.
Durch die Anpflanzung von je 2000 Setzlingen von Michalia champaca (Diengrai), Duabanga grandiflora (Dieng Mului) und 250 Drimy carpus (Dieng Sali) sei eine regelmäßige Wasserversorgung geschaffen worden.
Die Arbeitsgruppen sind den ganzen Tag über aktiv, um die Wasserquelle aus den Wurzeln der Bäume zu verbessern. Sie sorgen dafür, dass die Quelle gesäubert wird. So soll Waldbränden vorgebeugt und die Wasserversorgung für künftige Generationen erhalten werden. Ein nährstoffreicher Garten entsteht, in dem traditionelles Gemüse wächst. Der Klimawandel setzt Grundwasservorräte, Flüsse, Dämme, Bäche und andere Gewässer unter Druck.
In Indien entfallen 65 Prozent aller Ackerflächen auf Regenfeldbau, was die Anfälligkeit dieses Wirtschaftszweigs für Wasserknappheit verdeutlicht. Immer weniger Grundwasser kann für die Landwirtschaft genutzt werden, in mehreren Bundesstaaten des Landes herrscht Wasserknappheit. Jüngste Studien zeigen, dass die durch den Klimawandel verursachte globale Erwärmung die Schwankungen des Monsuns verstärkt und sowohl kurze Ausbrüche von Starkregen als auch lang anhaltende Trockenperioden verursacht. Im Jahr 2022 gab es die zweithöchste Zahl an schweren Wetterereignissen seit 1902 – ein beängstigendes Szenario, das Dürren und Überschwemmungen zur Folge hatte.
In Indien hat der Monsunregen nach Regierungsangaben in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwar an Häufigkeit abgenommen, aber an Intensität zugenommen. Diese außergewöhnlichen Veränderungen haben schwerwiegende Auswirkungen auf Hunderte von Millionen indischer Lebensmittelproduzent*innen und -verbraucher*innen, sie werfen Fragen zur Ernährungssicherheit auf.
Die Bewohner*innen des Dorfes im Nordosten des Landes sind jedoch optimistisch, dass ihre harte Arbeit Früchte tragen wird – wenn nicht heute, dann sicher morgen. „Wir werden das Abholzen der Bäume nicht mehr zulassen, wie wir es in der Vergangenheit getan haben. Wir werden jetzt wachsam sein und verstehen, dass die Natur keine Einbahnstraße ist. Wir müssen sie mit Sorgfalt behandeln, wenn wir von ihr erwarten, dass sie im Gegenzug für unser Leben sorgt. Dieser Gemeinschaftswald wird uns mit Sicherheit retten. Er wird unser Leben und das unserer Kinder in vielerlei Hinsicht verbessern“, sagt Maring.
Übersetzt aus dem Englischen ins Deutsche von Lisa Luginbuhl. Mit freundlicher Genehmigung von Inter Press Service / International Network of Street Papers.