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Die ahl, die hölzer Bröck

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Knast statt Knete?

Knast statt Knete?

200 Jahre Deutzer Schiffbrücke, eine verschwundene kölnische Institution

Seine Majestät war verärgert. „Seit 1815 gehören nun die linksrheinischen Gebiete zu Preußen, wir haben aber immer noch keine anständige Brücke über den Rhein bei Köln, denn mit der vorhandenen Fliegenden Fähre ist auf Dauer kein Staat zu machen“, fuhr König Friedrich Wilhelm III. seinen Handelsminister Graf von Bülow anlässlich einer Kabinettssitzung 1821 in Berlin an. „Hoheit, wir haben Vorsorge getroffen, in Kürze dort eine Schiffbrücke zu bauen“, antwortete der Minister. Detailliert erläuterte er die Planungen und beschrieb die Einzelheiten. So sollte die Brücke im Bogen von Köln nach Deutz mittels 42 Schiffen erbaut und mit 71.697 Talern Kosten veranschlagt werden. Auch hätte er schon zwei Unternehmer gefunden, die bereit wären, die Brücke für die Hälfte der veranschlagten Summe zu errichten. Da die Brücke im Winter abgebaut werden müsste, hätte man auch schon einen Liegeplatz auf der

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Deutzer Seite im Bereich der Festungswerke gefunden. Versprochen wurde von ihm auch, den Herstellungsprozess zu forcieren und die Schiffbrücke bis Ende 1822 aufzustellen. Friedrich Wilhelm III. gab sich zufrieden und erteilte seinem Staatssekretär den Auftrag, per Datum des 6. Dezembers 1821 eine entsprechende Kabinettsorder zum Bau dieser Brücke abzufassen.

Graf von Bülow hielt Wort. Schon im April 1822 wurde dem preußischen Kriegsministerium mit geteilt, dass die Arbeiten schon recht beträchtlich fortgeschritten wären und die Fertigstellung der Brücke in wenigen Monaten stattfinden würde. Im Oktober gab es zwar noch einige Beschwerden, dass „erst 18 Pontons hin und her geschafft worden (seien)“, aber man versprach doch den Termin einzuhalten. Auch machte man sich schon Gedanken über die Höhe des Brückenzolls von zwei Pfennigen und dachte daran, drei Kassierer dafür einzustellen. Als Brückenmeister wurde Nicolaus Junk vorgeschlagen, der sich schon bei der Koblenzer Brücke bewährt hatte. Weitere Brückenwärter sollten aus dem Personal der früheren Fliegenden Brücke gestellt werden. Im November erging dann eine Nachricht an Graf von Bülow, dass der Deutzer FestungsInspekteur Major Jachnick beabsichtige, am 4. November mit dem Aufbau der Brücke zu beginnen. Gleichzeitig wurden die Fährbeauftragten der alten Fähre aufgefordert, „ihre Brücke abzufahren und ihre Landungsbrücken abzuwerfen“. Diese weigerten sich zunächst und bestanden auf ihr von städtischer Seite verbrieftes Fährprivileg, nach einer polizeilichen Drohung stellten die Fährleute dann aber doch den Betrieb ein und so konnte mit dem Aufbau der Brücke begonnen werden. Von seiten der Unternehmer und der Festungsbehörde wurde vorgeschlagen, die Brücke am 16. November 1822 zu eröffnen. Dieses Datum war auch es aber einen Sturm der Entrüstung bei der Bevölkerung und die Brücke durfte bleiben.

Franz Andreas Millowitsch, verdiente sein Brot mit Puppenspielen an der Brücke, wenn wegen Schiffspassagen die Brücke geschlossen war und die Fußgänger*innen warten mussten.

Die Schiffbrücke wurde von der Bevölkerung von Anfang an gut angenommen, der Verkehr von hüben nach drüben nahm im Laufe der Zeit zu, dementsprechend steigerte sich auch die wirtschaftliche Entwicklung von Köln. So wurden nach einem Zeitungsbericht von 1853 in Deutz 433.000 Personen registriert und Waren in Höhe von 2.650.000 Zentnern transportiert. 12 Jahre später passierten sogar 2,5 Millionen Personen die Schiffbrücke. Um den Verkehr besser zu steuern, wurden beidseitig des Rheins die Werftmauern verlängert und rechts und links Fußgängersteige angebaut. Auch wurden zum Öffnen und Schließen der Brückenjochen Gasmotoren eingebaut.

Ein findiger Geschäftsmann, Caspar Reimbold, nutze die Gunst der Stunde und baute 1823 an der Nordseite der Brücke nahe Deutz ein Badeschiff, in dem sich Männlein und Weiblein mit kaltem und warmem Flusswasser reinigen konnten. Desgleichen profitierte die Brauerei Sünner am Deutzer Ufer mit ihrer Brauerei und Brennerei vom Durst der vielen Brückennutzer*innen. Ein Vorfahr der berühmten Familie Millowitsch,

Berühmte Zeitgenoss*innen hat die Schiffbrücke auch gesehen, wie z.B. Königin Victoria nebst Prinzgemahl Albert und Gefolge, die 1858 im Hotel Bellevue in Deutz logierten. Berühmt-berüchtigt war der Kaiser-Geburtstag am 22. März. An diesem Tag war die Brücke zollfrei und für die Kölner und Deutzer Jugend die Gelegenheit, um ihre Rivalitäten auf der Brücke mit heftigen Straßenschlachten auszutragen. Für Sparfüchse lohnte sich ebenfalls sonntags ein Besuch der Brücke, denn da gab es die sogenannten „Zweipennings Kunzääte“. So konnte man für zwei Pfennig Brückengeld umsonst die Konzerte der Preußischen Garnison in Deutz aus dem Restaurant „Prinz Karl“ hören. Viel ist auf der Brücke im Laufe der Jahrzehnte passiert, so brach im Juni 1877 in der Deutzer Kürassier-Kaserne ein Brand aus. Verängstigte Pferde stürmten in Panik auf die Schiffbrücke, wobei Menschen und Tiere umkamen. Auch Seltsames passierte, wie der Fränkische Kurier 1857 berichtete, als ein nackter Mann durch Deutz und über die Brücke lief.

Wegen des steigenden Eisenbahnverkehrs im Rheinland dachte man über eine weitere Rheinbrücke nach und erbaute deshalb 1859 in Höhe des Doms eine feste Brücke, die Dombrücke. Von seiten der Behörden gab es nun Überlegungen, die Deutzer Schiffbrücke abzubauen. Darüber gab

Wurde die Brücke anfänglich nur dreimal am Tage für die Schifffahrt geöffnet, mussten die Passant*innen schon zum Ende des 19. Jahrhunderts manchmal bis zu 36-mal warten, bis die Barriere wieder herunter ging. So wurde die Brücke langsam zu einem Hindernis für den Schiffs- und Personenverkehr und man entschloss sich zum Bau einer festen Hängebrücke 50 Meter weiter südlich der Schiffbrücke, der sogenannten Hindenburg-Brücke, die am 15. Juli 1915 für den Verkehr freigegeben wurde.

Schon vor der Eröffnung der Hindenburg-Brücke war das Ende der Deutzer Schiffbrücke abzusehen, sie wurde in Einzelteile zerlegt und nach Linz verkauft. Dort diente sie ab August 1914 als Kriegsbrücke und wurde am 04.03.1915 abgebaut. Über den Verbleib der Schiffs- und Zubehörteile ist leider nichts bekannt. Erst, als die Schiffbrücke wegen der Eröffnung der Hängebrücke überflüssig wurde, merkten die Kölner, dass etwas fehlte und ein Stück ihres Lebens endete. Als Nachruf setze ich deshalb folgendes Lied, welches mit wenigen Worten die Empfindungen der Menschen zu ihrer Brücke ausdrückt:

Altes Deutzer Lied

Och han mer noch om schöne Rhing

E vorsündflutisch Stöck

Et es e ärg verwünschtes Ding

Die ahl, die hölzer Bröck

Dä Plagge flättert an däm Mass

Bahl wieß un dann bahl rut

Die Fleut die schallt, et es ne Spaß

Un alles läuf en Nut

En Stollwercks-Fee die juhz „Vun bove küt en Fluhz“

Jetzt laufen all se wie noch nie Doch es die Klapp ald en de Hüh

Dä Bröggemann an dä Barrier Säht „deit mer leid, et geht nit mehr!“

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