3 minute read

„Geld wirkt als beziehunGsmittel“

Die Millionenerbin Marlene Engelhorn fordert lautstark, fair besteuert zu werden. Im September 2022 erschien ihr erstes Buch „Geld“. Darin erklärt die überreiche Aktivistin ihre Haltung – und regt dazu an, die Rolle des Kapitals neu zu denken.

IntervIew: carola BÖttcher

Advertisement

Carola Böttcher: „Über Geld spricht man nicht, Geld hat man“, so heißt es oft. Frau Engelhorn, Sie werden als Millionenerbin genug haben und trotzdem sprechen Sie. Ein ganzes Buch über „Geld“ haben Sie geschrieben. Was ist Ihr Anliegen?

Marlene Engelhorn: Als Überreiche nähere ich mich dem Thema Geld als „Oberlaie“: Es wird immer angenommen, dass sich die reichsten Menschen der Gesellschaft gut mit Geld auskennen. Doch ich musste mir nie Gedanken zu Geld machen, weil ich immer welches hatte. Ich will die Frage einbringen: Was ist Geld, wenn man so viel hat, dass man es nicht mehr braucht? Und was macht es mit mir als Mensch? Ich will die Frage auch auf der Systemebene stellen und die Verflechtungen von Überreichen und der Gesellschaft aufdecken.

Wie sehen diese Verflechtungen aus?

Es geht bei Geld oft nicht um Scheine und Münzen, sondern um Machtgefüge in Beziehungen. Was ist denn der Grund, warum ich Macht in einer Beziehung haben will? Offensichtlich will ich den Beziehungsprozess nicht mitmachen –dafür müsste ich mich auf Augenhöhe begeben. Macht verlockt mit der Abkürzung zum Ergebnis und Geld wirkt gesellschaftlich genauso: Als ein Beziehungsmittel, das Ergebnisse erzielen soll, ohne den Prozess mitzumachen. Was ich dadurch erreiche, ist aber nicht nachhaltig, weil es nicht von allen mitgetragen wird. Im schlimmsten Fall sind solche Ergebnisse erpresst.

Welche Einsicht erhoffen Sie sich denn stattdessen?

Überreiche Menschen müssen anerkennen, dass ihr Geld keine Herrschaft rechtfertigt. Und dass ohne die Gesellschaft und ihre staatlichen Strukturen der individuelle Überreichtum nicht möglich wäre. Dafür braucht es nämlich die ganze Infrastruktur: Verkehrsnetze, das Bildungssystem, Krankenhäuser, den Rechtsstaat und und und. Auch Eigentum gibt es nicht ohne Gesetz. Es ist kein natürliches, sondern ein gesetzliches Gut. Es ist leicht zu vergessen, dass diese Infrastruktur nicht selbstverständlich ist und dass ihr Erhalt mit sozialer Verpflichtung einhergeht.

Inwiefern?

Wer Rechte hat, hat auch Pflichten. Wenn ich mich in diesem Gefüge bewege, muss ich mich gleichberechtigt zu anderen verhalten. Ich darf mir nichts rausnehmen, was mir nicht zusteht. Überreiche Menschen pachten für sich die Ausnahme, das ist aber nicht demokratisch legitimiert. Privilegien sind Vorrechte und Vorrecht ist Unrecht. Deswegen brauchen wir Regeln, die dafür sorgen, dass einzelne Menschen nicht Macht ohne Mandat missbrauchen. Beim Geld ist das die Steuerpolitik: Wir tun so, als wären Vermögenssteuern eine neue Erfindung, dabei gibt es sie seit Jahrtausenden. Was neu ist, ist die Einkommenssteuer. Die gibt es keine 200 Jahre. Aber da wird nicht gefragt: Ist es okay für Sie, dass wir so viel Geld von Ihnen nehmen? Es ist absurd, dass bei Vermögen und Einkommen mit zweierlei Maß gemessen wird.

Neben einer gerechten Steuerpolitik wird auch eine Obergrenze für Vermögen diskutiert.

Bertolt Brecht sagte: „Wäre ich nicht arm, wärst du nicht reich.“ Es ist wichtig, diesen Zusammenhang herzustellen. Man muss der Armutsgrenze etwas entgegenstellen, damit es eine Spannbreite dazwischen geben kann. Sonst ist es nach oben hin offen, nicht griffig. Es braucht eine Grenze: Ab da ist Vermögen kein Wohlstand mehr, sondern ein politisches Problem, ab dort vermehrt sich Macht zu stark in privaten Händen. Wohlstand ist idealerweise das, was sich zwischen diesen Grenzen herstellt. Da ist keine exakte Gleichheit das Ziel, sondern Gleichberechtigung, konsequente politische und rechtliche Gleichheit.

Wir verstehen Geld vor allem als neutrales Tauschmittel, es gibt jedoch sehr viel Geld, das gehortet wird und sich gar nicht bewegt. Haben wir ein falsches Verständnis von Geld?

Geld ist nicht nur eine Frage von Tausch, sondern auch von Schuld. Ich brauche beispielsweise Fremdkapital, um mein Geschäft zu erweitern. Dann arbeite ich mit Geld, das ich mir borge und das ich verspreche, zurückzuzahlen. Ich tausche da nichts Konkretes, ich setze mich viel mehr in ein Beziehungsgefüge. Deswegen wird das auch vertraglich geregelt, wir wollen etwas Aufgeschriebenes, das diese Beziehung belegt und absichert. Es ist wichtig zu verstehen, dass ich zuerst die Beziehung und das Gefüge brauche, innerhalb dessen ich dann diese Tauschhandlungen herstelle.

Und das geparkte Geld?

Privates Geld ist das, was passiert, wenn überreiche Menschen Geld aus dem Finanzfluss abzwacken und somit den ganzen Mittelgedanken von Geld zerstören. Geld wird dann nur noch als Mittel zum Zweck betrachtet und so fängt der Teufelskreis von „Ich brauche Geld, um Geld zu haben“ an. In dieser unsolidarischen Dynamik, wenn Geld geparkt wird, entsteht private Übermacht.

„Ich würde Geld als Mittel nicht abschaffen wollen, es ist weder gut noch schlecht. Es könnte gut funktionieren, denn es drückt aus, wie wir uns als Gesellschaft untereinander behandeln.”

This article is from: