Sommer 2012

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Griechenlandliebende

"Wenn ich einige Monate lang nicht in Griechenland bin, spüre ich ein Gefühl, das Heimweh gleicht" In dieser Rubrik stellen wir Ihnen jedes Mal einen Deutschen vor, der in enger Beziehung zu unserem Herkunftsland steht, die griechische Kultur liebt und lebt. Diesmal begegnen wir der Buchautorin Heidi Jovanovic. Mit ihrem neuen Buch "FETTNÄPFCHENFÜHRER GRIECHENLAND – Blaue Wunder im Land der Götter" macht sie sich auf den Weg, den echten Griechen zu entdecken. Schön, dass es jemand unternimmt, der tiefe Kenntnisse in allen Themen rund um Hellas hat und dessen unendliche Liebe ausreichen würde, Deutsche und Griechen (wieder) zusammenzubringen. Interview/Text: Johanna Panagiotou Was fasziniert Sie an Griechenland? Die Menschen! Ihre Würde und Wärme, ihre Heiterkeit und Herzlichkeit, ihre Lebensart und Kultur. Ihr frischer, natürlicher Stolz auf ihr Land, ihre Insel, ihre Familie. Faszinierend ist auch ihre Musik, bei der nicht wie in anderen Ländern englische Popmusik dominiert, sondern griechische, oft poetische Texte, ja sogar Vertonungen großer Dichter, wie die des Literaturnobelpreisträgers Giórgos Seféris und Odysséas Elýtis. Dazu gehören auch ihre Dörfer, die die gleiche Gelassenheit und Ruhe wie die Menschen, die in ihnen leben, ausstrahlen. Ihre Felder, deren uralte Steinmauern und verbindenden Saumpfade Geschichte zum Anfassen und Begehen darstellen. Auch in den Städten sind es vor allem die Begegnungsorte der Menschen, wie geschäftige Plätze und vor allem Märkte, die eine magische Ausstrahlung haben. Wie ist Ihre Liebe zu Griechenland entstanden? Nach Griechenland kam ich zum ersten Mal aus den gleichen Gründen wie die meisten Besucher, also um seine Ausgrabungsstätte mit Funden aus der Antike zu sehen und einige Tage am Strand zu verbringen. Und sofort sind mein Mann und ich in dem Land »hängengeblieben«.

"Ich habe Griechenland wohl im Blut. Ich kann sagen, es hat einen anderen Menschen aus mir gemacht." Wie ist das passiert? Bis zu dem Moment, in dem wir zum

ersten Mal Urlaub in Griechenland gemacht haben, hatten wir jedes Jahr ein oder mehrere andere Länder bereist, da wir beide ausgesprochen neugierig und reisefreudig sind. Alle Kontinente außer Nord- und Südpol hatten wir auf diese Weise »abgehakt« und fast alle Länder Europas besucht. Nur die nördlichsten haben wir ausgespart, da wir beide sehr sonnen- und lichthungrig sind, so dass es uns eher in den Süden zieht. Und dann: Einmal Griechenland und immer wieder Griechenland! Jahr für Jahr, so oft und so lang wir können. Wenn ich einige Monate lang nicht in Griechenland bin, spüre ich ein Gefühl, das Heimweh gleicht, einen Mangel, ein tiefes Unausgefülltsein. Mir fehlt das klare, griechische Licht, das Meer, die Fähren, die Buchten und Häfen, die Blumen, die abwechslungsreichen kleinen Felder und Gärten. Vor allem habe ich Sehnsucht nach den Menschen, den Bäckern in ihren duftenden Backstuben, den Fischern, die abends auslaufen und mir morgens bei der Rückkehr von ihrem Boot zuwinken, die geduldig ihre Netze flicken und dabei plaudern... Mir fehlen ihre Musik, ihre Feste, ihre Kirchen. Ich habe Griechenland wohl im Blut. Ich kann sagen, es hat einen anderen Menschen aus mir gemacht. In mir Interesse und Liebe für Dinge geweckt, mit denen ich mich zuvor nicht beschäftigt habe. Welche Teile Griechenlands haben Sie bereist? Auf rund dreißig Griechenlandreisen habe ich fast alle der mit der Fähre erreichbaren Inseln und alle Gegenden des Festlandes und der Peloponnes besucht, die südlicheren dabei vielleicht etwas ausgiebiger als die nördlicheren.

Welches ist Ihr Lieblingsort? Einen bestimmten Ort möchte ich da gar nicht nennen. Damit würde ich nämlich so vielen anderen Unrecht tun. Wir besuchen oft einen Ort, weil wir dort Freunde gefunden haben, zu denen es uns wieder hinzieht, wie in dem kleinen Dorf Vríssa auf Lesbos oder auf der kleinen Inselgruppe Lipsi. Sonst suchen wir uns immer wieder neue Ziele. Nur in Griechenland müssen sie sein, egal ob auf dem Festland, dem Peloponnes oder einer der vielen Inseln. Eine gewisse Vorliebe haben wir dabei in letzter Zeit für die kleinen und kleinsten Inseln entwickelt, die wenig von Touristen frequentiert werden, wie die Kykladeninseln Sikinos, Donoussa und Schinoussa, oder das winzige, schwer zu erreichende Antikythira mit seinen wenigen Dutzend Einwohnern. Besonders die Inseln laden ja geradewegs dazu ein, immer wieder auf eine neue weiter zu »hüpfen«. Sind wir auf einer angekommen, steigen wir früher oder später auf ihre höchste Erhebung. Und da locken sie dann draußen im Meer, die Kuppen anderer Inseln. Na gut... wenn's sein soll, dann sage ich mal: Der Profítis Ilías ist mein Lieblingsplatz. So heißt meist der höchste Berg oder Hügel einer Gegend oder Insel. Also irgendeiner dieser vielen Profítis Ilías, irgendwo in Griechenland. Der Blick von seinen Hängen und seiner Kuppe ist grandios – alles wirkt unendlich offen. Denn meist gibt es statt Wäldern nur niedrige Macchia-Büsche und/oder mit weiten Abständen gepflanzte Olivenbäume, so dass der Blick weit über Hügel und kleine Ebenen hinaus aufs Meer schweben kann. Dort verliert er sich nicht in der Endlosigkeit, sondern

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