Die Zeitlos #16 - Über Menschen

Über Menschen

Welt

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Ausgabe 16 | Sommersemester 2022

Bettina Plangg, Claudia Ploner, Eva Mattle, Hannah Winkler, Heidi Siller, Helena Hantelmann, Jonas Heitzer, Katharina Högler, Lea Hof, Leonie Hallmann, Merle Hubert, Nicole Kaßberger, Tobias Goller, Valentina Ranseder, Martin Svejkovsky, Imke Langrehr, Lisa Birti

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Das sind wir

Liebe Studierende, Liebe Innsbrucker*innen, während das Canceln in unserer Gesellschaft immer

weisen von Kultur auf und befassten uns mit der Schnitt-

weitere Kreise zieht und die Pandemie zu einer gewis-

stelle zwischen Architektur und Kunst und geben euch

sen Spaltung und Trennung der Menschen führte, ver-

Einblicke in die Leben der aufstrebenden Band ANGER.

suchen wir mit unserer 16. Ausgabe all das Positive, das

Erstmals in unserem Magazin könnt ihr euch auch von

Menschen geben, nehmen, leisten, sagen und bewirken

Gedichten durch die Ausgabe leiten und somit inspirie-

können doppelt zu unterstreichen. „Wir Menschen sind

ren lassen.

sehr verschieden. Wir sprechen sechstausend verschiedene Sprachen. Niemand versteht alle Sprachen. Aber

So sehr unsere Gemeinsamkeiten und das Mensch-Sein

manches verstehen wir auch ohne Worte“ steht in einem

von Bedeutung sind, sind die ganz individuellen Unter-

eher noch neuen Kinderbuch zu Beginn geschrieben.

schiede etwas Bereicherndes und Schönes. Wir spre-

Und das Besondere, aber vor allem auch das Gemeinsa-

chen verschiedene Sprachen, identifizieren uns alle

me sollte in den Beiträgen dieses Magazins besprochen

unterschiedlich. Dass diese Punkte leider noch nicht als

werden.

„natürlich“, sondern in manchen Kreisen sogar als problematisch angesehen werden, ist eine gesellschaftliche

Die Antwort, warum wir uns für dieses Thema entschie-

sowie politische Farce. In unserer Ausgabe haben wir

den haben, scheint zuerst wohl eher banal: weil es uns

daher starken Persönlichkeiten wie der ersten österrei-

am nächsten ist, weil wir damit ständig umgeben sind,

chischen Frauenministerin Johanna Dohnal einen be-

weil wir selbst Menschen sind. Mensch sein. Menschlich

sonderen Platz eingeräumt. Ein Interview mit der ersten

sein, was bedeutet das eigentlich? In einem der Artikel

trans-Person im deutschen Bundestag, Tessa Ganserer,

wird der Frage nach der Menschlichkeit auf den Grund

bereichert die Ausgabe ebenso.

gegangen, dabei wird auch der Aspekt neuer Technolo-

Unsere Autor*innen haben fleißig recherchiert, inter-

gien und künstlicher, vermeintlich „menschlicher“ In-

viewt und getippt, um auf den folgenden Seiten ein be-

telligenzen beleuchtet. Dabei fällt schnell auf, dass uns

sonderes Leseerlebnis zu schaffen. Sie kreierten einen

von Maschinen eines maßgeblich unterscheidet: unsere

Ausschnitt unserer Welt, der herausragenden Personen

Emotionen. Eine wertvolle Quelle, aus der man schöp-

und Persönlichkeiten eine kleine, aber feine Bühne bie-

fen kann und sollte. Seien es Wut, Angst oder Ekel, oder

tet. Wir wünschen viel Freude beim Lesen!

doch Freude, Mut oder Empathie. Im Gespräch mit Jussuf Windischer, aber auch im Text über den Vinzibus

Eure Chefredaktion

kommt deutlich hervor, dass das Mensch-Sein auch von Geben und Nehmen, füreinander da sein und gegenseitiger Unterstützung zeugt.

Da der Mensch keine Instinkte hat, braucht er Gemeinschaft zum Überleben. Um auf der Welt zurechtzukom-

Mit freundlicher Unterstützung von:

men, sucht diese Gemeinschaft ständig nach Kultur, die sich in Sprache, Klang oder bildlich äußert. So griffen auch wir in dieser Ausgabe verschiedenste Ausdrucks-

Alle Inhalte stammen von Studierenden verschiedener Hochschulen und werden frei von den AutorInnen gewählt. Wir geben keinerlei Gewähr auf Aktualität, Qualität, Vollständigkeit oder Korrektheit der bereitgestellten Inhalte und Informationen. Haftungsansprüche gegen das Magazin, welche sich auf Schäden ideeller und materieller Art beziehen, die durch die Nutzung oder Nichtnutzung der angebotenen Informationen bzw. durch die Nutzung fehlerhafter oder unvollständiger Informationen verursacht wurden, sind grundsätzlich ausgeschlossen. Copyright auf alle Inhalte durch den Verein Zeitlos 2020.

Inhalt Lokal – „Auch der mühsamste Mensch hat etwas Positives in sich.“

S. 6 - 9

– 18 Gipfel in 18 Tagen S. 10 - 14 – Die Berge, die Berge und der Schnee

S. 16 - 19

– „Zuerst bin ich Arbeiterkind und dann Innsbrucker!“ ALI-Gemeinderat Mesut Onay im Gespräch

S. 20 - 23

– Die Feuerwehr - unsere Held*innen des Alltags

S. 24 - 26

Kultur – Reflexion und eigene Anwendung: The Vertical Interrogation of Strangers, Bhanu Kapil

S. 28 - 33

– Im Gespräch mit Anger

S. 34 - 39

– Café Hawelka S. 40 - 41 – Muse und Femme Fatal oder doch unterdrücktes Genie: Alma Mahler-Werfel

S. 42 - 45

– Von der Kunst in Technik und Architektur

S. 46 - 51

– Interesse: Das unerwartete Bild

S. 52 - 59

– David Rodigan: An Ambassador of Reggae Music

S. 60 - 61

Gesellschaft – Tessa Ganserer: Queer im Bundestag

S. 64 - 69

– Ehrenamtliches Engagement ohne Grenzen

S. 70 - 72

– Über eine Hochstaplerin

S. 74 - 76

– Heimat bist du großer Töchter!

S. 78 - 83

– Menschlichkeit S. 84 - 85

Campus – Zwischen Extremsport und Campus

S. 86 - 89

Global – Looking beyond - ein Gespräch mit dem Fotografen und Travel Blogger David Lohmüller

S. 90 - 94

– Nancy Wake - war heroine

S. 96 - 97

Lyrik – Tanzen S. 15 – You make me so blue

S. 63

– Alles S. 73 – Träume S. 77

© Vroni Windischer

„ Auch der mühsamste Mensch hat etwas Positives in sich.“

geschrieben von Lea Hof

Dr. Josef Windischer, genannt Jussuf, ist promovierter Theologe und hat in Innsbruck zahlreiche Sozialprojekte initiiert und geleitet, unter anderem das Jugendzentrum Z6, die Anlaufstelle für suchtkranke Menschen Mentlvilla und das CaritasIntegrationshaus. Wir haben ihn beim Waldhüttl am Stadtrand von Innsbruck getroffen.

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Lokal

Die Zeitlos: Du engagierst dich schon seit langer Zeit

Grundstück zur Verfügung gestellt hat. Wir haben

in Innsbruck für soziale Projekte. Wie blickst du auf

die alten Gebäude dann selber renoviert, wobei das

dein Leben zurück?

Kloster großzügig geholfen hat. Es geht dabei auch um eine Resozialisierung von kirchlichem Eigentum.

Jussuf Windischer: Das stimmt, ich war 50 Jahre lang mehr oder weniger immer in der sozialen Arbeit tä-

Das Jugendzentrum Z6 war Anfang der 70er die erste

tig, hatte aber nebenbei auch die Chance zu unter-

große Sozialeinrichtung, an dem du beteiligt warst.

richten, zum Beispiel an der Sozialakademie. Das

Wie kam es dazu?

war besonders toll, weil ich so die praktische Arbeit immer wieder theoretisch reflektieren konnte. Es

Es gab vorher eine Art Jugendtreff in ganz beschei-

gibt eine Weisheit, die besagt, dass Praxis ohne Theo-

denen Räumlichkeiten am Domplatz, wo sich die Ju-

rie sinnlos ist und umgekehrt. Aber oft ist die Praxis

gendlichen eigentlich auf die Füße traten. Dann wur-

das Kriterium der Wahrheit, das hat Lenin einmal ge-

den größere Räumlichkeiten gesucht und man fand

sagt, und so war es auch bei mir. Alles in allem war

das Haus in der Zollerstraße 6. Das wurde dann als

meine Arbeit immer spannend und oft auch sehr be-

Jugendzentrum betrieben, mit Keller, Parterre und

reichernd.

erstem Stock, also Räumlichkeiten, in denen man sehr viele Jugendliche begleiten und betreuen konn-

Wir sind jetzt hier im Waldhüttl, von dessen Träger-

te – in der Hochblüte waren es zwischen 500 und 600.

verein du Obmann bist. Worum geht es bei diesem

Vor dem Z6 hat es schon das Jugendzentrum MK ge-

Projekt?

geben, das aber eher für Gymnasiast*innen war, zeitweise sogar exklusiv für Gymnasiast*innen. Das Z6

Ich habe über viele Jahre hinweg beobachtet, dass es

war hingegen auch für Arbeiterkinder und Lehrlinge

sehr viele Armutsmigrant*innen gibt, die heimatlos

und auch für Jugendliche, die manchmal kompliziert

gemacht wurden, arbeitslos sind und die versuchen,

oder mühsam waren. Diese wilden Jungs und Mädels

hier irgendwie ihren Lebensunterhalt zu finden.

hatten vorher in den meisten Jugendgruppen keinen

Nachdem ich diese Leute schon lange kenne – es sind

Platz.

vor allem Roma aus der Slowakei und aus Rumänien, aber auch aus anderen Ländern – wollte ich mit ihnen

Du hast dann mitgeholfen, andere Einrichtungen auf-

versuchen, eine Unterkunft und ein Lebensumfeld

zubauen, zum Beispiel die Beratungsstelle für woh-

zu schaffen, die das Leben ein bisschen lebenswer-

nungslose Menschen DOWAS. Wie bist du darauf auf-

ter machen. Neu ist dabei, dass es ein gemeinsamer

merksam geworden, dass es in Innsbruck für solche

Prozess ist. Es ist nicht top-down geplant. Es gibt

Einrichtungen Bedarf gibt?

keine Funktionäre und kein Personal. Das klingt ein bisschen romantisch, nach Selbstverwaltung, aber es

Es ist so, dass Sozialprojekte oder soziale Prozesse oft

heißt auch, dass es keine Subventionen gibt.

von den Betroffenen selbst gegründet werden. Im Z6 gab es damals Jugendliche, die arbeitslos waren, Ju-

Wie finanziert sich das Waldhüttl?

gendliche, die aus dem Gefängnis herauskamen und nichts hatten. Da haben wir den Durchgangsort für

Durch den guten Willen der Zivilbevölkerung, und

Wohnungs- und Arbeitssuchende gegründet, das DO-

den gibt es, Gott sei Dank. Und durch den guten Wil-

WAS. Eigentlich ist es aus dem Idealismus von Betrof-

len vonseiten des Klosters Stift Wilten, welches das

fenen heraus entstanden, die Hilfe von Leuten be

Lokal

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Jussuf Windischer und seine Frau Vroni (rechts) 1974 vor dem Jugendzentrum in der Zollerstraße 6

kamen, die an das Unmögliche glaubten. Am Anfang

Da muss man die Erwartungen ein bisschen zurück-

haben Freiwillige das DOWAS aufgebaut. Später wur-

schrauben und mit kleinen Erfolgen zufrieden sein.

de es dann professionalisiert und von Pädagog*innen, Sozialarbeiter*innen, dem Z6 und der damaligen Bewährungshilfe gemeinsam geführt.

Die nächste Station in deinem Leben war das Caritas-Integrationshaus, das du initiiert hast. Was ist der Grundgedanke dieser Einrichtung?

Später hast du in Innsbruck die Teestube, eine Einrichtung für Wohnungslose, sowie die Mentlvilla,

Der Hintergrund war, dass ein Haus leer stand und

eine Anlaufstelle für suchtkranke Menschen, geleitet.

eine Verwendung für dieses Haus gefunden werden

In beiden Einrichtungen wird die Akzeptanz der Kli-

sollte. Wir fragten uns dann: Wo gibt es die größ-

ent*innen mit ihren Problemen großgeschrieben. Ist

ten Nöte, wer braucht was und wie passt das am

das ein Leitmotiv, das sich durch deine Arbeit zieht?

besten zusammen? Es war eine neue Herangehensweise an Unterbringung. Wir wollten keine Ghettos

Ja, sicher. Der Respekt vor dem Menschen und die Be-

schaffen, wie zum Beispiel Häuser für Studierende,

gegnung auf Augenhöhe sind in der sozialen Arbeit

Häuser für Drogensüchtige, Häuser für Wohnungs-

sehr wichtig. Man kann nicht immer nur sagen: „Ich

lose und so weiter, sondern ein Zusammenleben in

weiß, wo es langgeht. Du musst nur das machen, was

einem gemischten Umfeld ermöglichen, denn diese

ich sage.“ Das funktioniert nicht. Deshalb ist es so

Art von integrativem Wohnmodell hilft allen. Im In-

wichtig, das Milieu zu kennen und zu sehen, wie die

tegrationshaus lebten ganz verschiedene Menschen

Lebensrealitäten dort wirklich sind. Dann kann man

zusammen: Drogenkranke, die schon halbwegs mit

versuchen die Stärken der Betroffenen zu eruieren,

ihrem Konsum umgehen konnten, Studierende, zwei

denn jeder Mensch kann irgendetwas und auch der

Franziskaner-Mönche, Asylwerber*innen und soge-

mühsamste Mensch hat etwas Positives in sich. Das

nannte Papierlose und viele andere. Es ist wichtig für

zu entdecken ist die Kunst. Am allerwichtigsten ist

eine Gesellschaft, dass Menschen, die hoch gebildet

es, kleine Schritte zu gehen. Das heißt bei einem Dro-

sind, auch mit Leuten zusammenwohnen, die weni-

genkranken: Wenn es gelingt, dass er beim Frühstück

ger begnadet sind, oder gesunde Menschen, mit sol-

mal ein bisschen lacht, dann ist das schon ein wesent-

chen, die gesundheitlich schwach sind. Wir haben

licher Schritt. Nicht sofort: Er soll drogenfrei werden

dann geschaut, wie das alles zusammenpassen kann,

und arbeiten gehen und heiraten und so weiter.

so dass es auch Spaß macht. Man braucht schöne Ereignisse, die verbinden: Ausstellungen, Musik, gutes

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Lokal

Essen. Wir hatten auch das Glück, dass wir eine Ka-

Das berührt mich natürlich immer und ich glaube, es

pelle im Haus hatten. Dann hat sich eine muslimische

ist sehr schlecht, wenn man keine Empathie mehr hat,

Gemeinschaft für einen Gebetsraum interessiert; spä-

wenn man nicht mitleiden und sich mitfreuen kann.

ter auch eine andere, die eher politisch orientiert war

Empathie ist wichtig und mir sind durchwegs auch

und in atheistischer Tradition stand. Dieses Zusam-

manchmal die Tränen gekommen. Doch an anderen

menleben hat uns alle bereichert.

Tagen kann ich dann wieder herzhaft mitlachen, wenn etwas gelingt, oder wenn mir etwas Fröhliches

Einige deiner Projekte sind am Anfang auf Ableh-

mitgeteilt wird. Ein professioneller Umgang mit all

nung und Unverständnis gestoßen. Warum glaubst

dem gehört aber auch dazu. Es gibt Ausbildungen, in

du, ist das so?

denen man die Balance zwischen Nähe und Distanz lernt, und Methoden, um auch schwere Gespräche

Immer, wenn etwas Neues entsteht, gibt es Ableh-

zu verkraften. Manchmal ist es fast unerträglich, von

nung. Wenn es noch dazu um Leute geht, die sozial

dem Leid zu hören, von den Demütigungen und der

schwächer sind, kriegt die Mittelklasse natürlich die

Gewalt, die Menschen erleiden. Aber man lernt das

größten Ängste. In der Regel gibt es auch eine Unter-

geduldige Zuhören, und auch, wie man damit um-

schriftenaktion oder eine Bürger*innen-Initiative

geht, dass Menschen mal weinen, selbst wenn man

zur Verhinderung. Das gehört dazu und meistens

ihnen dann oft nur ein Taschentuch anbieten kann.

spricht es für die Qualität des Projektes. Aber dieser

Man braucht auch Methoden, die einem helfen, sol-

Gegenwind ist auch immer eine Chance; man kann

che Belastungen zu überwinden, damit man sie nicht

diese Leute dann einladen und sie mit den Bewoh-

in das eigene Umfeld und in die Familie trägt. Für

ner*innenn oder Nutzer*innen von Sozialprojekten

mich sind das Beten und Meditieren, oder auch die

konfrontieren. Das Zielpublikum von solchen Projek-

Natur. Ich habe auch den Umgang mit meinen Kin-

ten sind ja nicht immer nur die Leute, die nicht auf

dern immer als sehr heilsam empfunden, als sie noch

die Butterseite gefallen sind, sondern auch die Men-

klein waren. Die haben sich nicht für Suchtkranke

schen, die sie verhindern wollen. Das sind diejeni-

oder Obdachlose interessiert, sondern gesagt: „Papa

gen, die eigentlich etwas lernen müssen. Es ist wich-

ich will spielen.“ Das hat mich emotional immer

tig, diese Menschen zu erreichen, um die Gesellschaft

schnell zurückgeholt.

nicht zu spalten und es hat sich gezeigt, dass durch direkte Begegnung Widerstände oft gebrochen wer-

Was ist die Motivation hinter deinem Engagement

den können. Auch hier beim Waldhüttl gab es natür-

für Menschen in schwierigen Lebenslagen?

lich Widerstand, aber das Problem sind ja nicht die Roma. Das Problem ist der Antiziganismus. So wie im

Für mich ist das einfach eine gewisse Normalität:

zweiten Weltkrieg nicht die Juden das Problem wa-

zu helfen, wenn jemand in einer Notlage ist. Und es

ren, sondern der Antisemitismus. Diese Lernerfah-

ist eine sehr bereichernde Arbeit, es wird nie fad.

rung braucht die Zivilgesellschaft. Deswegen machen

Viele von den Menschen, die ich kennengelernt habe,

wir solche Projekte.

haben ein wirklich spannendes Leben. Mir tun die leid, die für irgendwelche Firmen eine Arbeit ma-

Du hast immer mit Menschen aus Randgruppen und

chen, die wenig Sinn hat, und so ihr Geld verdienen

prekären Situationen gearbeitet und viele Menschen

müssen. Da ist Sozialarbeit beziehungsweise die Ar-

mit einem schweren Schicksal kennengelernt. Wie

beit der Kirchen und der Caritas viel interessanter.

gehst du damit um?

Lokal

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© Chris Riefenberg

18 Gipfel in 18 Tagen geschrieben von Imke Langrehr

Im September 2021 verbrachte Yannick Bohnert seinen Sommerurlaub damit, in 18 Tagen 18 der 20 höchsten Gipfel Österreichs zu besteigen. Er bewegte sich dabei nur zu Fuß und mit dem Rennrad fort. Seine anfängliche Planung von 20 Gipfeln in 20 Tagen scheiterte durch das Wetter, doch das Projekt kann sich trotzdem sehen lassen.

Als Kilian Echallier letzten Winter sein Projekt der 30

immer perfekt sein. Daraufhin beschloss Yannick,

höchsten Gipfel Österreichs in einem Winter verwirk-

dass vier Tage zur Pause und Variation sehr nützlich

lichte, war Yannick mit dabei. Die bestiegenen Berg-

sein könnten und dass 20 in 20 ein besserer Projekt-

spitzen auf den Touren inspirierten ihn. Da viele dieser

titel sei.

Touren durch das Ötztal gingen, kam ihm die Idee, die

Yannicks erster Eindruck einer einfachen Idee verän-

höchsten Gipfel im Sommer direkt hintereinander zu be-

derte sich im Laufe der Planung. Die Verteilung von

gehen. Yannicks Plan: Er wollte kein schweres Projekt,

15 Kilogramm Gepäck war eine der schwierigsten

sondern etwas, das seinen Sommerurlaub bestimmt.

Aufgaben:

An einem Regenabend beschäftigte er sich mit seiner Liste. Dabei fiel ihm auf, dass die 20 höchsten Gipfel in

„Von Kleidung über Ernährung, das Bergmaterial und

16 Tagen zu schaffen wären. Das Wetter müsste dafür

was man sonst halt noch zum Leben braucht: Han-

10

Lokal

dy, Hygieneartikel, eine Zahnbürs-

Schnee gerechnet. Auch, dass der

ment, weil die war auch gar nicht

te, die war sau schwer, haha. Nein

Wirt ihm Steigeisen empfahl, über-

so klein.“

aber die ist viel zu lang, ich hab‘ die

raschte ihn. Dennoch ging er am

abgesägt auf die Hälfte.“

nächsten Morgen entspannt mit

Am

Laufschuhen und ohne Rucksack

schlechteres Wetter und Yannick

Vor allem aber überlegte er, wer

los. Unterwegs überholte er alle an-

fuhr nur im Radtrikot bekleidet

seiner Freund*innen ihn wann

deren Bergsteiger*innen und da er

bis an den Felbertauernpass. Den

und auf welchen Routen begleiten

den Gipfel als erster erreichte, hat-

Tunnel dort musste er mit einem

sollte. Alleine sind viele Routen

te er dort einen kurzen Moment für

Taxi durchqueren.

über die Gletscher nicht möglich.

sich.

Nachdem der Taxifahrer einen

Im Endeffekt fiel Yannicks Entscheidung auf Kilian, der ihn bei den schwersten Routen begleiten sollte, also bei den vier Tagen mit zehn Gipfeln im Ötztal, der Glocknerwand und dem Großglockner.

nächsten

Tag

war

noch

triefend nassen Yannick in sein

„Ich bin aufs Großwiesbachhorn, hab da kurz getanzt, weil es mein erster Gipfel war und dann bin ich wieder runter.“

Auto geladen hatte, musste Yannick sich erst einmal körperlich und mental aufwärmen. „Dann hab‘ ich ihm die ganze Sto-

Außerdem entschied er sich für den

ry erzählt und mein ganzes Leid

Fotograf Chris Riefenberg, der am

von dem Tag. Ich hab‘ mich so

Großvenediger und am Rainerhorn

Dann begannen für Yannick Tage,

richtig ausgeheult und er war der

Fotos machen sollte. Zum Schluss

die er nie vergessen wird. Mit dem

verständnisvollste Mensch. Er hat

sollte noch Christoph Schöpf für

Fahrrad fuhr er zum Treffpunkt mit

alles bejaht und gesagt ich ver-

die drei anderen Gipfel im Ötztal

Chris, um mit ihm am nächsten Tag

steh dich, ich versteh dich und hat

und die Watzespitze mitkommen

auf den Großvenediger aufzustei-

nicht einmal gesagt, die Aktion ist

und Lukas Kiekens für den großen

gen. Am folgenden Tag sollte das

was Dummes. Er war irgendwie

Ramolkogel und Schalfkogel. Das

Wetter schlechter werden, doch die

begeistert aber hat halt auch ver-

Große Wiesbachhorn ist der einzi-

Ankunft von Chris und dessen gute

standen, dass es irgendwie grade

ge Berg ohne Gletscher - diese Tour

Laune sowie sein Vertrauen in Yan-

hart ist für mich.“

konnte Yannick allein machen.

nick und sein Projekt gaben beiden Mut. Beim Aufstieg am nächsten

Der Aufstieg für den nächsten Tag

Morgen brach jedoch unter Yan-

wurde um einen Tag nach hinten

Das Projekt

nicks Fuß eine Trittstufe im Eis aus

verschoben. So hatte Yannick nur

Der erste Tag begann um fünf Uhr

und er fiel rückwärts bis er mit sei-

noch die Strecke über Kals und die

morgens mit dem Start am Bergisel.

nen Schultern und dem Rucksack

Großglockner-Hochalpenstraße

Über Kitzbühel und den Pass Thurn

am Rand einer Gletscherspalte lag.

bis zum Lucknerhaus vor sich.

ging es mit dem Rennrad bis nach

Seine Füße waren zum Glück noch

Kaprun und hoch aufs Heinrich

an die Wand gepresst und er konn-

„Plötzlich kam dieses Schild, Luck-

Schweiger Haus, das der Startpunkt

te sich aufrappeln.

nerhaus sieben Kilometer und ich

für den ersten Gipfel des Projek-

wusste, es sind noch 900 Höhen-

tes, das Große Wiesbachhorn, war.

„Mit dem Pickel konnte ich mich

meter und wer sich das ausrech-

Mit kurzer Hose und Turnschuhen

dann rausziehen, aber das war ein

nen kann, weiß, das ist ordentlich

bekleidet hatte Yannick nicht mit

ganz schön furchteinflößender Mo-

steil.“

Lokal

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Einen Moment lang machte ihm

gehört zu den 20 höchsten Gipfeln,

beiden, dass sie ein gut funktionie-

sein Projekt keinen Spaß mehr –

aber mit Bruchschnee und schwe-

rendes Team waren. In nur sechs

den ganzen Tag im Regen und hun-

rer Sicht machte es ihnen keinen

Stunden und zwölf Minuten absol-

demüde. Doch er war stark genug

Spaß. Geschützt vom Wind stiegen

vierten sie die Strecke von der Mar-

und zog es mit Metal-Musik aus sei-

sie trotzdem auf den Großglockner

tin Busch Hütte bis zur Similaun-

ner Jugend im Ohr durch.

hinauf – ohne Seil, um schneller

hütte. In dieser Zeit überquerten

an den anderen Bergsteiger*innen

sie einen Gletscher und passierten

vorbeizukommen.

fünf Gipfel.

„Dann saß ich draußen und musste so lachen, weil ich dachte, was mach ich hier eigentlich?“

„Alle haben uns durchgelassen und dann musst du halt so ohne das Seil

Während des deftigen Abendessens,

über die Schlüsselstelle und da hab‘

das er verschlang, bekam Yannick

ich den Fehler gemacht und einmal

dann Frostanfälle. Die Menge an

kurz nach hinten gekuckt und das

Abendessen, die er sich einverleibt

heißt einfach, dass dir 300 Augen

hatte, kam noch vor dem Schlafen-

zuschauen.“

„Wir hatten beide gut Respekt vor dem Tag aber wir haben es ziemlich geil gerockt.“

Den Folgetag ließen die beiden et-

gehen wieder hoch.

Nach einer schlaflosen Nacht wur-

Yannick hatte inzwischen die Hälf-

was langsamer angehen. Sie gin-

de Yannick von Kilian abgeholt und

te seines Projekts realisiert, was ihn

gen morgens in aller Ruhe auf die

sie gingen langsam auf die höhere

sein Körper auch spüren ließ. Am

Finailspitze und am Nachmittag in

Stüdlhütte - das Ziel des Tages.

Tag nach dem ersten Abbruch be-

die Sauna der Refugio Bella Vista.

kam Yannick einen Muskelkrampf

Die gesparte Energie des vorheri-

„Das sind 800 Höhenmeter auf vier

im Oberschenkel. Dieser ließ ihn 20

gen Abends brauchten sie dann je-

Kilometer und ich musste sechs Mal

Kilometer vor Sterzing vom Fahr-

doch wieder für Tag 15, an dem drei

anhalten auf dem Weg da hoch. Al-

rad absitzen und seine Physiothe-

Gipfel und der Rückweg zur Weis-

ter das klingt so peinlich. Es war

rapeutin anrufen. Eine spontane

kugelhütte geplant waren.

echt heftig, es ging einfach nicht

Massage musste her, um ihm das

voran.“

Weitermachen

ermöglichen.

„Die drei haben wir ziemlich gut

Zum Glück war sie sofort zur Stelle

gemacht, sie waren ziemlich hef-

Zum Glück hatten sie den nächsten

und nach einem weiteren Tag auf

tig, aber wir waren voll motiviert

Aufstieg auf den kommenden Tag

dem Fahrrad nahm der Abenteurer

und so gut akklimatisiert, dass wir

verschoben. Als Yannick und Kilian

sich noch einen Tag zur Muskel-

da einfach durchgerannt sind. Wir

dann morgens in Richtung Glock-

entspannung. Der nächste Aufstieg

waren in unter fünf Stunden schon

nerwand losmarschierten, blies der

zum Großen Ramolkogel mit Lu-

auf der Langtauferer Spitze.“

Wind schon mit 50-60 Kilometern

kas zog sich durch viele Gespräche

Nach den erfolgreichen Tagen mit

pro Stunde. Yannick‘s Finger waren

in die Länge und so hatte Yannick

Kilian schloss sich Yannick eine

schnell durchgefroren und da er

wieder Kraft für die zweite Hälfte

neue Gruppe von Begleitern an.

vom vorherigen Tag noch schwach

seines Projekts.

Yannick wurde allerdings schnell

war, beschloss er, den Gipfel auszu-

Die darauffolgenden Tage waren

klar, dass alle an ihrem Limit wa-

lassen. Es war eine schwierige Ent-

wieder mit Kilian geplant. Gleich

ren und er sie motivieren musste.

scheidung, denn die Glocknerwand

am nächsten Tag bewiesen die

Außerdem öffnete sich unterwegs

12

Lokal

zu

© Chris Riefenberg

direkt vor ihm wieder eine Gletscherspalte. Er schaffte es grade noch darüber hinweg und seine Begleiter mussten nach ihm darüber springen. Am Ende des Tages waren sie alle froh, wieder im Tal zu sein.

Der nächste Tag brachte wieder schlechteres

Wetter.

Christoph,

die Begleitung für den Tag, startete schon etwas unsicher und beschloss, ab dem Nebel an der Kaunergrathütte nicht mehr weiterzugehen. Yannick war jedoch so auf sein Projekt fokussiert, dass er alleine weiterging. Es war eisig und es schneite. Als er abrutschte, sein Pickel ins Nirgendwo fiel und er sich erst nach zwei Metern wieder fangen konnte, wurde ihm klar, dass er einen Fehler gemacht hatte. „Dann musste ich lachen und hab gesagt, wie dumm bin ich eigentlich sowas zu riskieren und warum bin ich alleine in so einer Wand drin.

Das macht überhaupt keinen Sinn.

Und dann hab‘ ich das Seil ausgepackt und bin wieder abgestiegen, 300m unterm Gipfel.“ Yannick kam unten an und musste erst einmal Christoph beruhigen, der den Pickel abstürzen gehört hatte und den Boden im Nebel schon nach Yannick abgesucht hatte. Die beiden

beschlossen,

gemeinsam

abzusteigen. Da auch der nächste Tag keine Sonne brachte, beschloss Yannick, das Projekt an diesem Tag zu beenden. Er hatte 18 Gipfel in 18 Lokal

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Tagen geschafft – jede andere Zahl wäre ein unausgeglichener Projektname geworden.

Unten angekommen stieg Yannick auf sein Rennrad und flitze die letzten 100 Kilometer bis nach Innsbruck um noch am selben Tag das Ende seines Projekts zu feiern.

Nachwirkung Nach der Ankunft zu Hause und ein paar Nächten Schlaf erwartete Yannick, dass irgendwann die Emotionen oder die Zufriedenheit über das Projekt einsetzen würden, doch diese kamen nicht.

Er war mit dem Projekt zufrieden und unzufrieden zugleich.

Mit etwas Abstand betrachtet, ist er sich nun zwar im Klaren darüber, dass sein Ziel viel zu hoch gesteckt war und dass das Wetter am Berg nie 20 Tage lang schönist. Trotzdem ist das Projekt eine unfertige Sache für ihn. Etwas Positives kann er dem Ganzen dennoch abgewinnen: Er war noch lange nicht an seiner Grenze und hat somit noch viel Luft nach oben für weitere Projekte.

Das nächste Bike-and -Hike-Projekt ist bereits in Planung. Yannick will von

„Im Endeffekt war ich einfach nur sauer, dass es vorbei ist.

Denn das Leben da oben taugt mir eigentlich ein bisschen besser als das hier unten.“

Innsbruck bis zum Elbrus in Russland fahren und den höchsten Gipfel Europas

© Christoph Schwarz

besteigen. Wir sind gespannt.

14

Lokal

auf einer Tanzfläche steht einer vier leute starren an auf und einer Tanzfläche stehtihn einer und ich frag mich:“warum dürfen dicke leute starren nicht tanzen?“ auf und einer vier Tanzfläche leute steht ihn einer an und hör im gleichen moment und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer dicke vier Tanzfläche leute leute starren nicht steht tanzen?“ ihn einer an damit auf, und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute im selbst gleichen starren nicht steht tanzen?“ moment ihn einer an mich zurück und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute imziehe selbst gleichen starren nicht steht damit tanzen?“ moment ihn einer auf, an in mein und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute imziehe selbst gleichen starren nicht mich steht damit tanzen?“ moment zurück ihn einer auf, an schneckenhaus und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute imziehe selbst gleichen starren nicht mich steht damit tanzen?“ moment in zurück ihn einer mein auf, an und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute imziehe selbst gleichen schneckenhaus starren nicht mich steht damit tanzen?“ moment in zurück ihn einer mein auf, an und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute imziehe selbst gleichen schneckenhaus starren nicht mich steht damit tanzen?“ moment in zurück ihn einer mein auf, an und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute imziehe selbst gleichen schneckenhaus starren nicht mich steht damit tanzen?“ moment in zurück ihn einer mein auf, an und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute imziehe selbst gleichen schneckenhaus starren nicht mich steht damit tanzen?“ moment in zurück ihn einer mein auf, an und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute imziehe selbst gleichen schneckenhaus starren nicht mich steht damit tanzen?“ moment in zurück ihn einer mein auf, an und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute imziehe selbst gleichen schneckenhaus starren nicht mich steht damit tanzen?“ moment in zurück ihn einer mein auf, an und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute imziehe selbst gleichen schneckenhaus starren nicht mich steht damit tanzen?“ moment in zurück ihn einer mein auf, an und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute imziehe selbst gleichen schneckenhaus starren nicht mich steht damit tanzen?“ moment in zurück ihn einer mein auf, an und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute imziehe selbst gleichen schneckenhaus starren nicht mich steht damit tanzen?“ moment in zurück ihn einer mein auf, an und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute imziehe selbst gleichen schneckenhaus starren nicht mich steht damit tanzen?“ moment in zurück ihn einer mein auf, an und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute imziehe selbst gleichen schneckenhaus starren nicht mich steht damit tanzen?“ moment in zurück ihn einer mein auf, an und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute imziehe selbst gleichen schneckenhaus starren nicht mich steht damit tanzen?“ moment in zurück ihn einer mein auf, an und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute imziehe selbst gleichen schneckenhaus starren nicht mich steht damit tanzen?“ moment in zurück ihn einer mein auf, an und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute imziehe selbst gleichen schneckenhaus starren nicht mich steht damit tanzen?“ moment in zurück ihn einer mein auf, an und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute imziehe selbst gleichen schneckenhaus starren nicht mich steht damit tanzen?“ moment in zurück ihn einer mein auf, an

Tanzen

und ich frag mich:“warum dürfen und dicke vier hör leute leute imziehe selbst gleichen schneckenhaus starren nicht mich damit tanzen?“ moment in zurück ihn mein auf, an auf und einer Tanzfläche steht einer und ich frag mich:“warum dürfen und dicke hör leute imziehe selbst gleichen schneckenhaus nicht mich damit tanzen?“ moment in zurück mein auf, auf und einer vier Tanzfläche leute starren steht ihn einer an auf einer Tanzfläche steht einer und hör imziehe selbst gleichen schneckenhaus mich damit moment in zurück mein auf, und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer dicke vier Tanzfläche leute leute starren nicht steht tanzen?“ ihn einer an und vier leute starren ihn an selbst schneckenhaus mich damit in zurück mein auf, und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute imziehe gleichen starren nicht steht tanzen?“ moment ihn einer an und ich frag mich:“warum dürfen dicke leute nicht tanzen?“ schneckenhaus mich in zurück mein und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute imziehe selbst gleichen starren nicht steht damit tanzen?“ moment ihn einer auf, an und hör im gleichen moment schneckenhaus in mein und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute imziehe selbst gleichen starren nicht mich steht damit tanzen?“ moment zurück ihn einer auf, an selbst damit auf, und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute imziehe selbst gleichen schneckenhaus starren nicht mich steht damit tanzen?“ moment in zurück ihn einer mein auf, an ziehe mich zurück und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute imziehe selbst gleichen schneckenhaus starren nicht mich steht damit tanzen?“ moment in zurück ihn einer mein auf, an in mein und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute imziehe selbst gleichen schneckenhaus starren nicht mich steht damit tanzen?“ moment in zurück ihn einer mein auf, an schneckenhaus und ich frag mich:“warum dürfen auf und einer und dicke vier hör Tanzfläche leute leute imziehe selbst gleichen schneckenhaus starren nicht mich steht damit tanzen?“ moment in zurück ihn einer mein auf, an und ich frag mich:“warum dürfen und und dicke vier hörleute leute imziehe selbst gleichen schneckenhaus starren nicht mich damit tanzen?“ moment zurück ihn auf, an und ich frag mich:“warum dürfen und dicke hörleute imziehe selbst gleichen nicht mich damit tanzen?“ moment in zurück mein auf, von Eva Mattle und hör imziehe selbst gleichen schneckenhaus mich damit moment in zurück mein auf, ziehe selbst schneckenhaus mich damit in zurück mein auf, ziehe schneckenhaus mich in zurück mein schneckenhaus in mein schneckenhaus

Lyrik

15

schnee

DIE BERGE, DIE BERGE UND DER

©Nico Metz

geschrieben von Martin Svejkovsky

Ein Text über Nico Metz und warum es Spaß macht sich für mehr Sicherheit am Berg einzusetzen.

Nico zählt runter: Drei, Zwei, Eins,

chen, indem sie mit der Sonde den

Im Rahmen des Kurses „Notfall

Go!

Kursteilnehmer*innen

Schnee durchstochern. Die ersten

Lawine“ des Universitäts-Sportins-

schauen sich gespannt an und lau-

beiden Verschütteten haben sie ge-

titut der Uni Innsbruck (USI) führt

fen los - jetzt muss es schnell gehen.

funden, doch jetzt kommen sie ins

Nico Metz diese Probedurchläufe

Mit

Lawinenverschütteten-

Straucheln - der Mix aus Adrenalin,

für die Lawinenrettung mehrere

suchgerät in der Hand stapfen sie

Überforderung und Anstrengung

Male durch, während der Rest der

schnellstmöglich durch den Schnee

lässt keinen klaren Gedanken mehr

Gruppe diese akribisch beobachtet.

– jede*r in eine andere Richtung,

zu. Einige Male versuchen sie die

Danach spricht er mit den Teilneh-

denn sie wissen, es gibt drei ver-

Geräte neu zu justieren, aber sie

mer*innen darüber, was gut und

schüttete Personen. Schon nach

scheitern und finden die dritte Per-

schlecht lief und worauf sie in Zu-

kurzer Zeit ändert sich das Piepen

son nicht. Nico bricht die Aktion ab.

kunft achten müssen.

des LVS-Geräts - sie gehen in die

Alle atmen auf – es handelt sich nur

genauere Feinsuche über. Eine

um eine Übung, ansonsten wäre

Er muss es wissen, der Wahl-Inns-

Teilnehmerin baut die Sonde auf

die letzte Person vermutlich verun-

brucker kam vor knapp 10 Jahren

und die anderen fangen an zu su-

glückt.

in

16

Die

dem

Lokal

die

Schneesport-Hauptstadt.

Schon viele zog die Mischung aus

möglichst viel Zeit mit dem Team

reitung, aber es sensibilisiert die

nahgelegenen Skigebieten, Natur

in den Bergen zu verbringen, auch

Nutzer*innen für das Thema. Er

und

um denen meine Sichtweise mitzu-

zeigt auf, welche Vorkehrungen vor

geben“, meint Nico.

einem Tag im Tiefschnee getroffen

Menschen

zum Studieren nach Innsbruck.

Nico kam dafür extra aus dem wei-

werden müssen, da die Hauptursa-

tentfernten Hamburg, um seine

Beim Snowboarden und allen an-

che für Unfälle am Berg der Mensch

Leidenschaft, das Snowboarden, in

deren Wintersportarten sollte die

ist. Während der Berg einfach nur

den Bergen und dem Schnee, voll

Grundmotivation Spaß und eine

existiert und zu unterschiedlichen

auszuleben. Doch im Gegenteil zu

gute Zeit mit Freunden am Berg

Zeitpunkten gefährlich beziehungs-

anderen, die sich nach dem Studi-

sein. Wie das so ist, macht man spa-

weise ungefährlich ist, liegt es am

um wieder von den Bergen abwen-

ßige Dinge gerne und am liebsten

Menschen, diese Zeiten zu erken-

den und zurück nach Deutschland

so oft es geht. Doch je öfter man

nen und das Handeln darauf abzu-

ziehen, kam er, um zu bleiben, wie

etwas unternimmt, desto wahr-

stimmen.

er im Base-Five Podcast verrät.

scheinlicher ist es, dass dabei etwas

Die Leidenschaft für Schnee wur-

Ungewolltes eintritt. Nico formu-

Das Thema Sicherheit am Berg ist

liert es im USI-Kurs drastisch:

Nico aber nicht nur virtuell und in

de auch Mittelpunkt der akademischen Laufbahn, seinen Bachelor im Fach Geografie schloss er mit einer Arbeit über die „automatische Erkennung von Schneedecken auf Satellitenbildern“ ab und auch im Masterstudium befasste er sich mit Schnee, genauer mit „Lawinen

den USI-Kursen wichtig. Durch das

„ES WIRD ETWAS PASSIEREN, DIE FRAGE IST NUR WANN.“

und Schnee im klimatischen Zu-

Studium und eine Portion Glück bekam Nico 2018 die Chance an der Ausbildung der Lawinenkommission vom Land Tirol teilzunehmen und den Winter 2018/2019 mit der Lawinenkommission

Innsbruck

Stadt zu verbringen. Ab dem ersten Schneefall beurteilt sie täglich

sammenhang“. Nach dem Studium

Wenn etwas geschieht, dann muss

die Lawinensituation an der Nord-

blieb der Snowboarder dem Win-

man vorbereitet sein – auch wenn

kette und löst, falls nötig, durch

tersport treu Seit 2016 stellt er mit

man Gefahren nicht ausschalten

Sprengungen Lawinen aus. Dies äu-

der Marke Delayon erfolgreich Ski-

kann, so kann man zumindest Risi-

ßert sich in der Stadt oft durch ein

brillen her. Die Produktlinie Inns-

ken minimieren. Diese Botschaft ist

dumpfes Knallen. Die Kommission

brooklyn ist sogar an den Namen

Nico wichtig, er nutzt seine Social

sorgt so nicht nur für ein sicheres

der Landeshauptstadt angelehnt.

Media Reichweite, um dort regel-

Skivergnügen, sondern empfiehlt

Seine Marke kooperierte bereits

mäßig von Touren und Erfahrun-

auch Maßnahmen für den Schutz

mit rund 30 Weltklasse-Athlet*in-

gen aus dem alpinen Gelände zu

von Infrastruktur wie Häusern,

nen, die seine Leidenschaft für den

berichten und aktuelle Kenntnisse

Wegen und Straßen. Die Verant-

Bergsport teilen: „Guter Content ge-

über die Stabilität der Schneede-

wortung ist also durchaus groß,

hört natürlich dazu, aber ich muss

cke zu teilen. Natürlich ersetzt dies

weshalb neben Mitarbeiter*innen

eher schauen, dass sich niemand

nicht das Lesen des Lawinenlage-

des Forstamts und der Nordketten-

gedrängt fühlt und muss einigen ab

berichts, ein Fünfstufiges Modell

bahnen nur gut erfahrene, ortskun-

und zu eher gut zureden, anstatt sie

zur Vorhersage der Lawinengefahr

dige Personen berufen werden.

zu pushen. Ich versuch daher auch

und eine umfangreichende Vorbe-

Für seinen Einsatz in der Lawinen

Lokal

17

©Bild von unsplash

gleichgesinnten

kommission im extrem schneerei-

oder das Bauchgefühl einfach nicht

chen Winter 2018/2019 absolvier-

stimmen. Im Endeffekt geht es

te er eine ausgiebige Ausbildung,

Nico, genau wie vielen anderen in

welche mehrere Lehrgänge in Tirol

Innsbruck, vor allem darum, eine

beinhaltete, auf denen nicht nur

gute und sichere Zeit im Schnee

umfassende Inhalte zum Thema

zu haben, denn mit Freund*innen

Schnee wie das Graben von Schnee-

Spaß zu haben und das ohne Druck,

profilen, sondern auch rechtliche

ist für Freerider wie ihn das beste

Angelegenheiten wie die Haftungs-

was es gibt.

frage bei Lawinenunfällen behandelt wurden. Von diesen Lehrgängen profitiert Nico noch heute, im USI-Kurs spielen unteranderem die Kamerad*innenrettung oder das Starten einer Rettungskette eine Rolle.

Gerade am Anfang der Saison und im Hochwinter lauern in den Bergen neben Lawinen noch viele andere Gefahren, auf die man achten muss. Trotzdem sollte man den Faktor Lawinen nie aus den Augen verlieren und sich stetig weiter informieren. Auch Nico, der immer mit erfahrenen Menschen unterwegs ist, hatte in seinem Bekanntenkreis schon einige sehr knappe Lawinenvorfälle. Aus diesem Grund betont er stets die Wichtigkeit von Weiterbildung, Übung und Verzicht, sollten die Umstände nicht passen

©Nico Metz

DIE

IE E, D

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18

Lokal

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B

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„IT’S ALL

about

FRIENDS ON

POWDERDAYS!”

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CH ER S

©Nico Metz

Lokal

19

ALI-Gemeinderat Mesut Onay im Gespräch geschrieben von Tobias Goller

Ich treffe Mesut Onay an einem kalten Herbsttag in seinem Büro in der Schöpfstraße in Wilten. Sein Mitarbeiter Filip begrüßt mich freundlich und wir quatschen ein bisschen. Später erzählt mir Onay stolz, dass Filip schon der zweite Lehrling ist, den er ausbildet. Im Februar komme dann der*die Dritte. Auch das Haus, in dem wir uns für das Gespräch treffen, habe einen ganz besonderen Stellenwert für ihn. Im Erdgeschoss befindet sich ein Vereinslokal, im 1. Stock das ALI (Alternative Liste Innsbruck) -Büro sowie das Maklerbüro, und im 3. Stock wohnt Onay. Das Haus trage einen großen Beitrag zu seinem „offenen Netzwerk“ bei, erzählt er mir. Im ALI-Büro sind wir umzingelt von Film- und Audioequipment, das an verschiedene Bürger*innen- und Kulturinitiativen verliehen werde. Wir kommen ins Gespräch.

20

Lokal © Daniel Liebl

Die Zeitlos: Mesut, du bist selbst-

deswegen hängen meine verschie-

Tanzen! Ich bin ein sehr körperli-

ständiger

Versicherungsmakler,

denen Tätigkeiten alle sehr zusam-

cher Mensch. Musik spüren und

Gemeinderat, sowie Hip-Hop- und

men. Da bin ich auch froh, dass ich

interpretieren kann ich gut. Außer-

Tango-Tänzer. Hat man da noch

Leute um mich habe, denen ich ver-

dem kann ich Menschen gut vernet-

Zeit für andere Dinge oder bleibt da

traue. Wir wissen, wir können alle

zen und schaue immer darauf, dass

manches auf der Strecke?

gemeinsam unsere Termine einhal-

die Leute, mit denen ich zusam-

ten, und trotzdem haben wir Raum

menarbeite, immer das Maximum

für Kreatives und Neues!

aus ihren Fähigkeiten rausholen

Mesut Onay: Im Prinzip ist das alles eine Sache. Mich gibt es ja nur

können – und so entstehen immer

einmal. Ich habe das Privileg und

Du verbringst schon dein ganzes

wieder lässige Sachen! Auch da-

das Glück, dass ich mir die Zeit frei

Leben in Innsbruck, hast du dir

durch, dass ich schon seit meiner

einteilen kann. Im Versicherungs-

einmal überlegt, die Stadt zu ver-

Jugend in dieser Stadt aktiv bin

bereich arbeite ich hauptberuflich

lassen?

und inzwischen Gott und die Welt

seit Juli 1999 und hab dementspre-

kenne, ergeben sich immer wie-

chend viel gearbeitet und mir etwas

Ja, tatsächlich wollte ich einmal mit

der neue Ideen und Projekte. Und

aufgebaut, womit ich mich dann

einer Freundin etwas anderes pro-

dann geht’s weiter: Die Idee entwi-

selbstständig machen konnte. Und

bieren, aber im Nachhinein bin ich

ckelt sich, die Leute entwickeln sich

jetzt geht’s mir darum, dass ich die

froh, dass ich in Innsbruck geblie-

und ich entwickle mich. Dadurch

Kund*innen weiter betreue. 2010

ben bin. So klein wir sind, haben

bekommen wir immer wieder tol-

habe ich mich dann also selbststän-

wir doch die ganze Welt in Inns-

le Projekte mit vollem Ehrenamt

dig gemacht und 2015 stand ich

bruck. Das wollte ich auch 2008 bei

durch.

dann vor einer Entscheidung. Ich

der

sagte mir: „Entweder du machst Bu-

beweisen und habe parallel dazu

Wie würden dich eigentlich Leute

siness oder du machst deine Aktivi-

die Liga für Integration, Sport und

beschreiben, die dich nicht mögen?

täten wie sie dir Spaß machen und

Antirassismusarbeit

du sie als sinnvoll erachtest.“ Ich

Damals wollten wir ein Zeichen set-

Ich höre sehr oft, dass ich sehr öf-

habe mich für Zweiteres entschie-

zen, wie bunt und vielfältig wir in

fentlichkeitsgeil bin! (Er lacht auf)

den und dann auch mein Büro ver-

Innsbruck sind. Wir sind sogar auf

Ich habe mein ganzes Leben auf

kleinert und die Ausgaben komplett

der UEFA-Homepage gelandet!

Bühnen gestanden und das merkt

verringert.

Ich sag immer: Zuerst bin ich Arbei-

man. Bei all der Einbindung von un-

terkind und dann Innsbrucker!

terschiedlichsten Menschen bin ich

Fußballeuropameisterschaft

organisiert.

trotzdem immer sehr genau in der

Mit dem Job als Versicherungsmakler waren dann auch meine Kon-

Wenn ich dich also Fragen würde,

Umsetzung, vor allem wenn ich die

takte aus der Stadt und vom Tanzen

ob dir die Stadt eher zu klein oder

Koordination innehabe. Da könnte

von Vorteil. Viele waren froh, dass

eher zu groß ist, was würdest du

man auch manchmal meinen, ich

sie sich bei mir versichern konnten,

sagen?

sei undemokratisch, aber ich bin in vielen Bereichen tatsächlich sehr

weil sie mir vertraut haben. Und ganz egal ob in der Politik oder bei

Genau richtig!

demokratisch. Ich bin aber trotzdem Choreograph. Und wenn der

Versicherungen: Es geht ganz viel um Vertrauen. Und das alles ist

In welcher Sache, würdest du sa-

Choreograph etwas macht, dann

dann sehr gut aufgegangen und

gen, bist du richtig gut?

muss das Bild immer ganz genau

Lokal

21

passen. Aber wenn man so lange in

reich) etwas trinken und ich würde

verschiedensten

einer Stadt lebt und viele Menschen

es wieder tun! Zwischenmensch-

dabei. Und eben mit diesen und

kennt, dann gibt es sowohl Leute,

lich habe ich da überhaupt keine

vielen mehr Menschen haben wir

die positive Erfahrungen mit mir

Berührungsängste. Wenn man den

dann ALI gegründet. Der größte

gemacht haben und auch jene, die

Menschen selbst sieht, ist das im-

Konflikt intern war dann allerdings

schlechte Erfahrungen mit mir ge-

mer etwas anderes, als wenn man

die Listenerstellung. Da mussten

macht haben. Wichtig ist, dass man

die*den Politiker*in sieht. Auf ei-

wir uns auch bewusst machen, dass

sich immer weiterentwickelt und

ner zwischenmenschlichen Ebene

es nicht um einzelne Organisatio-

aus seinen Fehlern lernt. Schlecht

kommen wir auch gut zusammen,

nen, sondern um Fähigkeiten geht.

ist, wenn man Menschen die per-

auch wenn wir politisch nichts mit-

Wenn man neu in den Gemeinderat

sönliche Entwicklung aus Fehlern

einander zu tun haben.

einziehen will, kann man keine Or-

nicht zutraut.

Organisationen

ganisationen bedienen.

„Der Querulant ist wieder aktiv!“ Welche Schlagzeile eines reißeri-

Was war die größte Herausforde-

Ein generelles Problem bei linken

schen Boulevardblattes würdest du

rung beim Gründen einer Partei

Netzwerken ist, dass die verschie-

gerne über dich lesen?

bzw. eines politischen Vereins?

denen Akteur*innen auch durch ihr Engagement in Organisationen

„Der Querulant ist wieder aktiv!“

In einer sehr kurzen Zeit das Ge-

Listenplatzansprüche stellen.

spür für die verschiedensten Leute Ich will auch unangenehm sein für

zu bekommen, damit wir als Grup-

Mittlerweile gibt es uns seit vier Jah-

ein gewisses Establishment und für

pe gut zusammenarbeiten können,

ren und wir haben uns sehr in der

Dinge, die im Common Sense sind,

war ein Sprung ins kalte Wasser.

Stadt etabliert. Ob wir jetzt übers

aber dringend hinterfragt gehören.

Die Devise war: Wenn wir es schaf-

Wochenende für Moria, Fridays

fen, gemeinsam ein Programm auf

for Future oder Donnerstagsdemos

Mit welchem*r Gemeinderat oder

die Beine zu stellen, dann treten

reden ¬ man findet fast überall

Gemeinderätin einer anderen Par-

wir an. Der Programmprozess lief

ALI-Aktivist*innen und Menschen,

tei würdest du am ehesten Ausge-

auch sehr partizipativ. Die meisten

die unserem offenen Netzwerk an-

hen?

unserer Mitglieder kommen nicht

gehören. Auch dadurch sind wir in

aus der Politik, sondern aus dem

der Stadt sehr präsent.

Da gibt es tatsächlich ein winziges

Sozialbereich, dem Kulturbereich

Geheimnis, das ich verraten kann:

und anderen Friedenszusammen-

Ein großes Thema in der Innsbru-

Aber es kommt sehr darauf an, wo

hängen. Viele der ALI-Mitgrün-

cker Kommunalpolitik ist das Kul-

ich hingehe! Wenn es um eine Lo-

der*innen habe ich im Rahmen der

turquartier St. Bartlmä. Abgesehen

kaltour geht, war ich bereits drei

Bilderbergproteste 2015 kennenge-

von der momentan wenig wahr-

Mal mit Deborah Gregoire von der

lernt. ¬Da waren Leute von

scheinlichen Realisierung dieses

FPÖ (Freiheitlichen Partei Öster22

Lokal

Projekts von Bürgermeister Willi –

aber eben nicht von dieser Schie-

gibt es das Arbeitsübereinkommen

wie steht die Kulturstadt Innsbruck

ne. Außerdem würde ich mir ein

nicht mehr, weil es keine Koalition

deiner Meinung nach da? Treffen

Kulturquartier in der Innenstadt-

mehr gibt. Wenn es die Koalition

sich Angebot und Nachfrage?

nähe wünschen. Aber mein größ-

nicht mehr gibt, dürfte es auch kei-

ter politischer Kritikpunkt ist, dass

ne amtsführenden Stadträt*innen

Zuallererst muss man die zwei re-

es das Kulturquartier St. Bartlmä

geben. Die Regierung gibt es nicht

levanten Kulturquartiere trennen.

nie in ein Entscheidungsgremium

mehr, aber die Ressorts gibt´s und

Das eine besteht bereits, und zwar

geschafft hat. Bürgermeister Willi

sie sind trotzdem nicht bereit zu-

von der Herrengasse zur Sillgasse.

ließ bis jetzt nur darüber abstim-

sammenzuarbeiten.

Dort befinden sich zahlreiche Kul-

men, ob ein runder Tisch einberu-

tureinrichtungen, wie das Landes-

fen wird. Aber als Bürgermeister

Allen Fraktionen ist bewusst, dass

theater,

berufe ich einfach einen runden

es Neuwahlen geben wird. Wir sind

Tisch ein, lege ein Konzept vor und

momentan in einem Dauervor-

bringe das dann zur Abstimmung!

wahlkampf. Stichwort: Klimaneu-

Beim Kulturquartier St. Bartlmä

Und außerdem: Wer wird Betrei-

tralität 2030. Als das Ziel der Stadt

geht’s um größere Kulturveranstal-

ber*in dieses Kulturquartiers? Die

noch bei 2050 lag, brachte ALI ei-

tungen und um kulturelle Kreativ-

Stadt Innsbruck wird es nicht sein.

nen Antrag auf die Klimaneutralität

das

Volkskunstmuseum

oder das Treibhaus.

räume, denn in den letzten Jahren

2030 ein, welchen unter anderem

In Halloween-Video der ALI sieht

die Grünen ablehnten. Und jetzt

loren ¬ wie etwa den Hafen oder

man das Arbeitsübereinkommen

stellte Georg Willi das Ziel der Kli-

das Weekender. Das momentane

der Stadtregierung begraben. In

maneutralität 2030 vor. Aber nicht

Kulturangebot wird dem urbanen

der Realität sprengte das Hin und

als Bürgermeister, sondern als grü-

Lebensgefühl in einer Stadt wie

Her mit den Vizebürgermeister*in-

ne Position. Das heißt, dass dieses

Innsbruck einfach nicht gerecht.

nen die Stadtregierung. Wie lange

Ziel jetzt nicht von der Stadt umge-

Ob wir das brauchen, was momen-

dauert es deiner Meinung noch bis

setzt wird, und das wissen auch die

tan im St. Bartlmä geplant ist, ist die

es Neuwahlen geben wird?

Mitarbeiter*innen. So traurig mich

haben wir in Innsbruck einiges ver-

Frage. Ich bin da etwas kritisch, da

der Bürgermeister macht, und vor

diejenigen, die das Projekt momen-

Auf jeden Fall wird es Neuwahlen

der ALI-Zeit habe ich ihn wirklich

tan gesellschaftlich vorantreiben,

geben. So wie momentan gearbeitet

gerne unterstützt und auch bei

Vertreter*innen des Wirtschafts-

wird, ist es politisch nicht haltbar.

der Stichwahl gewählt. Ich warte

und Kulturbereichs sind. Wenn

Wir sind nicht das Weiße Haus oder

immer noch auf einen grünen Bür-

man da genau hinschaut, geht’s da

das Pentagon ¬ wir sind Innsbruck

germeister, der auch für eine ganze

auch ganz viel um Coworking-Spa-

und nicht einmal eine gesetzgeben-

Stadtregierung spricht.

ces und Kreativwirtschaft. Der Ver-

de Instanz, sondern nur eine Ver-

anstaltungsbereich kommt

waltungseinheit. Im Prinzip

„Bei der kommenden Gemeinderatswahl werden wir dann auch eine*n Kandidat*in stellen. Das ist beschlossene Sache.“ Lokal

23

INTERVIEW MIT FLORIAN OBERHOFER

DIE FEUERWEHR – UNSERE HELD*INNEN DES ALLTAGS geschrieben von Heidi Siller

Wie auch in Österreich sind der Großteil der Feuerwehren in Südtirol ebenfalls ehrenamtlich und somit auf Basis der Freiwilligen Feuerwehren organisiert. Südtirol weit gibt es 306 Freiwillige Feuerwehren, eine Berufsfeuerwehr und drei Betriebsfeuerwehren. Diese freiwilligen Feuerwehren bestehen aus ehrenamtlichen Mitgliedern, die neben ihrer Tätigkeit als Feuerwehrmann oder -frau selbstständig, im Studium, berufstätig, mit oder ohne Kinder, verheiratet oder verwitwet sind und dennoch rund um die Uhr für den Notfall bereit sind.

Ehrenamtlich, unbürokratisch, effizient, kompetent und qualifiziert leisten sie ihren Dienst als Feuerwehrmänner und -frauen. Wir sind Ihnen zu großem Dank verpflichtet und können sie als „Helden und Heldinnen des Alltags“ betiteln.

Einer dieser Feuerwehrmänner ist Florian Oberhofer aus St. Jakob in Innerpfitsch. Er ist in seinem Heimatdorf ehrenamtlich als Maschinist, Atemschutzträger und Ausschussmitglied der Freiwilligen Feuerwehr tätig.

24

Lokal © Heidi Siller

© Heidi Siller

Die Zeitlos : Wie bist du zur Feuerwehr gekommen? Was waren deine Beweggründe, um Mitglied der Feuerwehr zu werden?

oder das Retten von Tieren in miss-

(Wobei wir im Grundkurs auch

lichen Lagen wie zum Beispiel in

schon das Wichtigste in Bezug

Gruben.

auf Erste Hilfe erlernt haben.

Florian Oberhofer: Die Feuerwehr

mich dann dafür entschieden, bei-

Zusätzlich hast du eine Ausbildung als Atemschutzträger gemacht. Wie und wo hast du diese Ausbildung absolviert? Was hast du dort gelernt?

zutreten. Meine Hauptmotive wa-

Auch diese Ausbildung fand in Vil-

ren den Menschen zu helfen, sie zu

pian statt. Dort gab es einen dreitä-

Willst oder wirst du noch eine Ausbildung der zuvor benannten absolvieren?

retten und weiteres Leid zu verhin-

gigen Kurs, in dem ich erlernt habe,

In Zukunft möchte ich den Lehr-

dern.

wie wir Feuerwehrleute das Atem-

gang für Naturgefahren und Un-

schutzgerät (ATG) richtig bedienen

wettereinsätze absolvieren, weil

Wie und wo fand dann die Ausbildung zum Feuerwehrmann statt? Was erlernen Feuerwehrmitarbeiter*innen bei dieser Ausbildung?

können. Des Weiteren lernte ich,

wir durch den Klimawandel im-

wie ich die Gefahr bei einem Brand

mer wieder mit solchen Gefahren

richtig einschätzen kann und wie

konfrontiert sind und dadurch so-

daraufhin vorgegangen wird. Zu-

wohl ein schnelles als auch effizi-

dem wird den Absolvent*innen des

entes Agieren erforderlich ist.

Die Ausbildung, also der Grund-

Kurses beigebracht, wie Risiken

kurs zum Feuerwehrmann oder

richtig eingeschätzt und abgewägt

zur Feuerwehrfrau, findet in Vil-

werden sollten. Außerdem wird

Nun zum Ablauf eines Einsatzes: Wie verläuft ein Einsatz?

pian statt. Jede*r, der oder die der

gelehrt, wie der/die Atemschutz-

Zuallererst ertönt die Sirene. Zu-

Feuerwehr beitreten will, sollte

träger*in brennende Räume absu-

gleich bekommen wir Feuerwehr-

diesen Grundkurs innerhalb ei-

chen muss, um Menschen oder Tie-

leute einen Anruf auf unser Han-

nes Jahres absolviert haben. Der

re zu finden, weil dies durch den

dy durch die Pocsag Südtirol App.

Grundkurs besteht aus einem ein-

Rauch erschwert werden kann. Zu

Dort werden allen Feuerwehrmit-

wöchigem Brandschutzkurs und

guter Letzt wurde uns beigebracht,

gliedern unmittelbar die Einsat-

einem einwöchigem technischen

wie wir Menschen innerhalb eines

zeinstufung sowie die GPS-Daten,

Kurs. Beim Brandschutzkurs wird

Brandes möglichst behutsam und

also die Koordinaten des Einsat-

die Brandbekämpfung erlernt, also

risikofrei retten können.

zortes, mitgeteilt. Dann fahren wir

hat mich öfters angesprochen, ob ich denn Mitglied werden möchte und nach einiger Zeit habe ich

Dieser Kurs dient der Vertie-

eingesetzt werden können. Zudem

Welche Zusatzausbildungen können Feuerwehrleute absolvieren?

wird auch gelehrt, wie ein Brand

Folgende

gezielt, schnell und effizient ge-

nach dem Grundkurs als Zusatz-

löscht werden kann. Beim techni-

ausbildung absolviert werden:

werden und wie diese kompetent

Ausbildungen

einen Autounfall verwickelt sind

Lehrgang Naturgefahren - Unwettereinsätze

halle. Wir ziehen unsere Sicherheitsbekleidung an und starten zum Einsatzort.

können

Welche Einsätze werden in Proben simuliert?

Bei der Brandbekämpfung wird

schen Kurs hingegen erlernen wir das Bergen von Personen, die in

•

schnell und sicher zur Feuerwehr-

die Materialien, welche für einen effizienten Löschvorgang benötigt

fung und Spezialisierung.)

• •

Schulung Absturzsicherung

das Löschen eines Hauses und die

Erste Hilfe für die Feuerwehr

Abschirmung des Brandes auf wei

Lokal

25

tere Häuser simuliert. Außerdem

Ausdauer, gute Kondition, körper-

wird in Simulationen auch geübt,

lich fit, helles Köpfchen, hilfsberei-

wie man eine eingeklemmte Per-

te Art, Empathie und ein verständ-

son aus einem alten Fahrzeug be-

nisvoller Umgang beschreiben ein

freit.

gutes Feuerwehrmitglied.

Wenn auch du...

Unsere Aufgabe ist es dann, sie mit-

...motiviert, engagiert, hilfs-

hilfe des Spreizers und der Schere

bereit und lernfähig bist

(Bergungswerkzeuge)

und Mitglied einer der ins-

aus

dem

Fahrzeug zu schneiden und somit

gesamt

306

Freiwilligen

zu retten.

Feuerwehren Südtirols werden willst, dann kannst du

Du bist jetzt seit vier Jahren bei der Feuerwehr. Welcher Einsatz ging dir in dieser Zeit besonders nahe?

dich unter folgendem Link informieren: lfvbz.it/landesfeuerwehrschule/feuerwehrausbil-

Vor mehr als einem Jahr kam es

dung.html.

bei uns in der Nähe zu einem Großbrand, bei dem Menschen,

Jede*r, der oder die der Feu-

die emotional aufgelöst waren,

erwehr beitreten möchte,

evakuiert

Glücklicher-

wird gern gesehen und ist

weise sind im Vorhinein bereits

herzlich willkommen, denn

alle evakuiert worden, sodass wir

Feuerwehrmänner

im Gebäude selbst keine Rettung

Feuerwehrfrauen kann es

vornehmen mussten. Trotz des

schließlich nie genug geben.

wurden.

großen Ausmaßes konnten wir den Brand schnell in den Griff bekommen, aber dennoch geht es einem ans Herz, wenn Menschen tränenüberströmt aus Häusern laufen, panisch werden oder wenn ihre Existenz durch ein Feuer vollständig zerstört wurde.

Welche Eigenschaften zeichnen ein gutes Feuerwehrmitglied aus? Wie würdest du einen vorbildhaften Feuerwehrmenschen beschreiben?

26

Lokal

© Heidi Siller

und

365

04:12

KlimaTicket Tirol U26

05:32

06:57

07:21

08:22

09:12

10:43

11:16

12:01

13:07

14:13

15:33

16:17

17:24

18:23

19:12

20:38

21:21

265,–

22:00

23:12

00:16

01:02

Trends

27

© Anja Hantelmann

Reflexion und eigene Anwendung: The Vertical Interrogation of Strangers, Bhanu Kapil geschrieben von Helena Hantelmann

Bhanu Kapil stellte über einen Zeitraum mehrerer Jahre hinweg mehreren ihr vorher unbekannten indischen Frauen in den USA, Indien und Großbritannien die gleichen zwölf Fragen. Die Beantwortung geschah immer in neutralen Räumen, um äußerliche Einflüsse zu reduzieren. Als Zusammenstellung erschienen sie in dem Band The Vertical Interrogation of Strangers. Die von Kapil entwickelten Fragen sind auf tiefgehende Weise von sehr körperlicher Art und verknüpfen damit grundlegende Problematiken von Existenz.

Bhanu Kapil stellte über einen

ken von Existenz. Angeregt von der

die Rezipient*innen dieses Textes

Zeitraum mehrerer Jahre hinweg

sehr intimen und direkten Manier

Unbekannte, nicht zuletzt aufgrund

mehreren ihr vorher unbekannten

der Fragen Bhanu Kapils sowie de-

der Art der anonymen Veröffentli-

indischen Frauen, wohnhaft in den

ren Anordnung, die zu einer inten-

chung ihrer Beiträge; jedoch nicht

USA, Indien und Großbritannien

sivierten Wirkung beiträgt, habe

für mich, die diverse Bekannte ge-

die gleichen zwölf Fragen. Die Be-

(auch) ich sie diversen Menschen

beten hat, sich mit Kapils Fragen

antwortung dieser geschah immer

gestellt. Dabei gilt es zu betonen,

zu beschäftigen. Mein Vorhaben

in neutralen Räumen, um äußer-

dass hierbei andere Intentionen als

galt dem Einfangen und der Gegen-

liche Einflüsse zu reduzieren. Als

die ursprünglichen verfolgt wur-

überstellung sich unterscheidender

Zusammenstellung erschienen sie

den und daher eine Entfremdung

Perspektiven und Denkweisen, um

in dem Band The Vertical Interro-

des politisch-kulturellen Kontextes

interessante Vergleiche anstellen

gation of Strangers.

vorliegt. So wurden Personen un-

zu können. Diese Umstände bedeu-

Die von Kapil entwickelten Fragen

terschiedlicher Geschlechteridenti-

ten auch, dass hierbei zwangsläufig

sind auf tiefgehende Weise von sehr

täten, unterschiedlicher Herkunft

keine Neutralität gegeben ist. Die

körperlicher Art und verknüpfen

und Klasse sowie sexueller Orien-

Befragten kennen mich und haben

damit grundlegende Problemati-

tierung befragt. Sie sind zwar für

dazu ihre Texte in ihrer eigenen

28

Kultur

Zeit in ihren jeweiligen Umfeldern

bers, potatoes, and a quart of milk.

Dadurch sorgen Bhanu Kapil und

und mit ihren eigenen Laptops,

He thinks I am a woman because

die von ihr interviewten Frauen für

Handys oder Stiften sowie mögli-

he bathes me, puts his hands on

ein Leseerlebnis, das gleichzeitig

cherweise in Rücksprache mit Drit-

the sides of my face, tells me I am

erfrischend ist und nachdenklich

beautiful. Yes. Okay. But there is

macht. Weitere andauernde Motive

In The Vertical Interrogation of

something hard between my lungs.

sind travel und blue. Letzteres sorgt

Strangers ist keine Ordnung der

It is the size of a blood-orange from

für ein Gefühl der Melancholie, das

Fragen auszumachen. Sie kommen

northern California.“ (84)

sich tief im Brustraum hinter der

ten verfasst.

mehrfach mit jeweils einzelnen mit ihnen

korrespondierenden

Tex-

Lunge versteckt.

Vermehrt

auftauchende

Motive

ten vor und sind dabei nicht der

stellen Bezüge zwischen den ein-

Die Lektüre des Buches eröffnet

Reihenfolge ihrer Auflistung zu

zelnen Texten her. So findet sich in

den Lesenden nichtlineare und

Beginn des Buches untergeordnet.

einem Textstück zum Beispiel eine

vage Einblicke in die Lebensge-

Zudem sind die Antworttexte häu-

Erläuterung des südafrikanischen

schichten der anonym bleibenden

fig sehr abstrakt, was es teilweise

Dialekts eines anonymen Partners;

Frauen. Durch sie kommen auf

erschwert, eine Verbindung zu der

in ein anderes ist zwischen jedem

unterschwellige Weise Thematiken

ihnen zugehörigen Frage zu erken-

Satz ein ya gefügt. Wem der Dia-

von Rassismus, Sexismus und Kolo-

nen. Die Sprache ist eine sehr meta-

lekt geläufig ist wird wissen, dass

nialismus zutage, die, eingebettet in

phorische und so kann sich bei der

ya (für yes oder yeah) einen ele-

die sehr subjektive Art der Textpro-

Lektüre in eigenen Assoziationen

mentaren Bestandteil von diesem

duktion, eine intensive Wirkung er-

verloren werden.

darstellt. Die Antworten sind, wie

zeugen. Es wird deutlich, wie sehr

durch diese Erläuterung womöglich

sich Diskriminierung und Formen

„He returns with sesame seeds,

deutlich wurde, nicht durchgehend

von Marginalisierung auf indivi-

unleavened bread, ginger and

von dem einschneidenden Ernst,

dueller Ebene niederschlagen und

coriander powders, coffee, olives,

den die Fragen implizieren. Ihnen

schwerwiegende,

chocolate, yoghurt, onions, cucum-

ist durchaus auch Witz enthalten.

Folgen mit sich bringen.

I am a human being, a person. […]

taught me everything I know. I am

liness everyday. Through this fight

I was born and raised by the big-

the product of genes and surroun-

she produced a strong and over-

gest love I own. The world I know

dings. My mother gave her life for

whelming love. The love between

is determined by circles. A lonely

her kids. For the children she didn’t

mother and child. The love from a

soul comes from lonely parents.

plan to have. She taught us selflove,

sister to a brother. The love from a

Changing a circles‘ lining, breaking

familylove and friendship. Rosita

sister to another.

out of nature’s law? Difficult but

[…] brought up an altruistic, loving,

possible. My Mama is a lonely soul

clever, sporty and beautiful Sarah.

Ein weiß positionierter Cis-Mann

that managed to step out of the infi-

My idol. I love her with all my he-

aus dem globalen Norden auf der

nity of pity, hatred and sadness. She

art. My mother is fighting her lone-

Suche nach Bedeutung, Sicherheit

langanhaltende

Who are you and whom do you love?

Kultur

29

und einem guten Leben für mich

It gets warmer everyday and louder

Mit dem Innehalten und Schauen,

und die Welt. Ich liebe meine Fami-

each minute. Only a trained observer

was es im Inneren und im Außen

lie, meine Freund*innen, die Natur

will see the last signs of survival in

braucht.

und das Leben.

winter in the shadows that are casted by trees, stretching high to catch

Ich bin […] das Ergebnis der Erzie-

a bit of sunlight. Only those who ob-

hung meiner Eltern, meiner Soziali-

serve know that winter is bound to

sation, meiner Erfahrungen, meiner

come back.

Bildung.

Ich liebe all die, die mir nahe sind.

In dem ich in mich hineinhorche.

Begin what?

How will you live now?

Ich komme aus einer tiefen Unsicherheit. Aus einem ständigen Su-

The sad truth is, no matter how

I am one of the 8 billion humans on

chen und ständigem Antworten. Aus

much I learn, I will continue living

earth. My beloved ones are especial-

dem Versuch, das Richtige zu tun,

like I did yesterday. Happyland is my

ly my own family, further relatives

und der Erkenntnis, dass es oft das

home. Instead of changing the sur-

but several others as well.

Falsche ist. Aus einem Streben nach

roundings I oppose, I will continue

Gerechtigkeit.

living in them. If I geographically moved to a society carrying less of a

Where do you come from/ how did you arrive?

Ich kam aus dem Schoß meiner Mut-

historic burden, I could forget about

ter. Mit dem Po zuerst.

it all. Pretend it was never a part of

I come from winter. I arrived in

me. Pretend I was better than my sis-

spring. Things didn’t fit at the start.

This is not a question related to geo-

ters and brothers at home. Pretend

It was windy and stormy. It was

graphy but much more to life. My

I understood something they didn’t.

cold and icy. With time I found the

origin goes back to a very stable

The attitude-behavior gap exists in

warmth of a chimney, a fire blazing

and safe childhood which gave me

me. In my thoughts, in my actions, in

in me. It filled out every finger and

self-confidence. I had no big plans

my brain. It is too comfortable to talk

every toe. It stayed longer everyday.

and goals but I accepted challenges

and act pretentiously. To buy green

One step at a time. It stayed even at

as chances and took them as they

products, keep my mouth shut and

a distance to my chimney. It brought

popped up for my personal and pro-

visit the occasional demonstration.

me to a lake. The lake was deep, cold

fessional life.

To read about the psychological layer

and covered in ice. The ice turned out to be a helping hand as it was

of society’s problems. Understanding How will you begin?

holding me. Carrying me all around

it, observing it and pretending to be better. Watch me and you will find

the lake. With the help of my ices-

I will begin with nothing. Each mor-

me caring. For my sick father. For the

hield I managed to skate this lake.

ning I think of nothing. Focus on no-

wounds of nature. Oh, I can see how

If I fell I would stand up. Once my

thing. Know of nothing. I only feel

great the world’s problems are. Turn

chimney fire was high and settled, it

sensations of the moment. I medit-

around and there I am; sitting on a

kept me warm and showed me free-

ate. I prepare a hot black tea with

comfortable couch, feet up, awaiting

dom. Until now, it saves me from the

oat milk. One day it might be bread,

my order of chicken. Making myself

cold. Spring is full of life. Birds chat-

another day it will be porridge but it

comfortable. Not caring for anyone

tering and clinging. Nature is arising

will never be skipped. I begin with

but myself.

strongly from a good night’s sleep.

breakfast.

Mit dem Versuch, Geduld zu haben

30

Kultur

und die Dinge geschehen zu lassen.

chen zu viel Lust auf Süßigkeiten,

unglücklichen genetischen Voraus-

Dabei Vertrauen in mich zu haben

ein bisschen linksrevolutionär, ein

setzungen.

und zu wissen, dass ich einen Weg

bisschen emanzipiert, ein bisschen

finden werde, der gut für mich und

verwundet.

My mother’s motto was and still is to

andere ist.

change whatever makes her suffer.

Ständigen

Veränderungen

unter-

So bewusst wie möglich.

worfen.

Like I have lived the last few years.

The shape of my body is marked by

She always felt responsible for her own suffering, even in the saddest moments, as she knew that it is up to her to change it.

my life so far with good deeds like sports and sufficient sleep but also

What do you remember about

What is the shape of your

with many sins, but it still fits into

the earth?

body?

commercial clothes and may seem

My body is a rectangle. I have the

to be dominant to one or the other

The first picture that arises in my

person.

head if I think of the earth is a globe

genes of athletes. Regular sized feed,

filled with blue and green colours.

strong and wide legs. A strong but-

The second picture is a globe full of

tock. My hips are neither wide nor

Who was responsible for the

sparkling lights. The third picture is

tiny. My tummy is neither big nor

suffering of your mother?

a globe covered in red. A forecast on

thin. My shoulders are wide and my arms are strong. If I train my body, it

how it might look 20 years from now.

Her father.

will remember the muscles it stored from a sporty childhood. I will never

The fourth picture is a memory.

Ihre Eltern und Großeltern.

be tiny nor will I ever be fat. My body

What I really remember about the earth are the experiences I made

is lying between the extremes and it

Ihr Leid entstand aus dem Leid

in nature. The wildest nature I was

is fine there. My rectangular body is

ihrer Eltern eingebettet in die Zeit,

ever confronted with was 30 meters

the most important tool of mine.

in die sie hineingeboren wurde und

beneath sealevel.

Ein bisschen Sportlichkeit, ein biss-

einigen

Kultur © Anja Hantelmann

31

A jungle full of red, orange, purp-

die tiefe Verletzung: Zerstörung der

to analyse them seperately. Dismem-

le and yellow colours. Mostly fain-

Natur durch den Bau von Häusern

bering words of a model can help to

ting in the blue light. Rocks arising

und Straßen, steigende Temperatu-

define a concept. Sometimes in or-

from the sandy ground, stretching

ren, wütende und ignorante Men-

der to understand a whole, you have

high into the water. Tunnels I can

schen.

to dismember its building blocks.

wild fishes. Free from any duty. Free

Etwas Wunderbares und Geheim-

Ouh, musste erstmal die Überset-

of time and gravity. I am hovering in

nisvolles, das es zu erhalten gilt.

zung googlen. Eine Praxis, die für

stretch myself through observing

the blue, no ground visible under-

mich mit dem „Mittelalter“ verbun-

neath me, no land to the left or right.

The most wonderful planet I ever

den ist und als grausame Strafe für

I am diving only with one buddy. It

will see.

Ketzer:innen,

Verbrecher:innen

is dive number 100. The naked dive.

oder große Feinde angewandt

No wetsuit protecting my skin from

wurde.

the cold. No gloves are covering my hands and fingers. I feel the water on

What are the consequences

Zwar kenne ich die Bedeutung, ken-

every inch of my body. Like a fish.

of silence?

ne mich damit aber nicht aus. Viel-

A very loud and ugly fish. Moving weirdly with rubber things attached

leicht durch den abschreckenden Wisdom.

Charakter.

It is the closest I ever got to an untou-

Kommt auf das Schweigen an. Ent-

Nothing.

ched world. As nature‘s powers pull

weder tiefe Verletzungen (wenn

me south, I am floating with the cur-

Menschen zum Schweigen gebracht

rent. I can hear a voice in me calling

werden) oder innere Ruhe (wenn

Describe a morning you woke

to go deeper, to look for what is in

das Schweigen ein freiwilliges Inne-

without fear.

the dark blue sea. I check my compu-

halten ist).

on its feet.

ter. 40 Metres below sealevel.

I encounter many mornings without

Slowly I realise I got my first diving

Die Gedanken haben eine Chance

any trace of fear. I am privileged for

narcosis. Feeling a bit high, drunk

laut zu werden.

the life presented to me. I don’t quite

and super relaxed. Therefore, I give

understand who I have to thank for

the sign to go higher. We fly to the

Silence allows us to listen to oursel-

it. Nevertheless I know I need to give

end of the world of water. Once my

ves and concentrate on ourselves

thanks. On a regular basis, I wake

head touches the air, there are loud

but it may make us lonely.

without fear. I prepare a hot black

noises everywhere. Boats, wind, voices.

tea with milk. I have breakfast on Tell me what you know about

my balcony, in front of my mountain

dismemberment?

hut or on the terrace of my mother’s

The incredible noise of everyday life.

home.

Breaking things apart that were

I learned that the world is constantly

Zahlreiche Wunder und Schönhei-

once connected.

changing; producing new challenges

ten. Berge im Sonnenuntergang,

Dismembering parts of a human

I am eager to confront. Only when I

Meere im Glanz der Sonne, Men-

body is cruel. Dismembering diffe-

fall will I learn. What is there to fear

schen voller innerer Schönheit. Dazu

rent aspects of a situation might help

if any given change is a chance to

32

Kultur

grow?

der Vögel – ein neuer Tag.

My mothers death, my future, the

Bin ich, außer der Möglichkeit, alles

well being of my siblings, the future

Fear is imagination – as I am not a

einigermaßen geordnet zu hinterlas-

of my baby sister, the rent of the next

person of that kind – I wake up wi-

sen, überhaupt in der Lage dazu?

month, the upcoming exams, my mo-

thout fear in general. Thus each mor-

thers wellbeing, my fathers health,

ning feels good.

an overwhelming love Ich wache auf und schaue Richtung

Somehow death feels to me like leaving one place for another one. I

How will you/ have you prepa-

want to leave the place clean and in

red for your death?

a kind of balance. That is, it is above

Fenster. Durch die roten Jalousien

all, about being at peace with myself.

strahlt ein roter Glimmer, der ei-

I have a testimony placed in the cup-

nen warmen Tag verspricht. Es ist

board of my mothers working room.

And what would you say if you

früh, doch ich bin energiegeladen.

Even though I have nothing costly to

could?

Ich wälze mich im Bett herum und

pass to anybody, I have letters pre-

versuche, wieder in den Schlaf zu

pared. Letters to familymembers. To

I would admit that I am a liar. I do lie

finden. Irgendwann fange ich an, an

everyone who needs them. A list of

almost everyday. Maybe once, proba-

die Decke zu starren, weil ich noch

things to do once my death has oc-

bly twice if not thrice. If I could al-

liegen bleiben soll. Als das langwei-

cured. Those documents are not for

ways say whatever I wanted, I would

lig wird, flüstere ich den Namen mei-

me, they are for my mother. To make

give many compliments. I would be

ner Schwester. Von unten kommt

things easier once the worst thing a

unfair. I would make people angry. I

ein grummelndes „Ja“. Ich frage, ob

mother can experience has happe-

would trigger actions better not to be

wir aufstehen wollen. Nach einigem

ned. The death of her child. I don’t

triggered. I am scared of the truth.

Überreden stimmt sie zu, ich kletter

see myself spontaneously dying, but

vom Hochbett und wir überlegen,

you never know. It would be selfish

Dass es sich lohnt, zu lieben und für

was wir jetzt machen. Die Entschei-

not to prepare something for a per-

das Gute einzustehen.

dung fällt auf Playmobil bauen und

son that loves you with all her heart.

dabei ein paar aus dem Küchen-

Alles.

schrank geklaute Süßigkeiten zu

Mit einem Brief an die Menschen,

futtern. Denn um 7 Uhr ist es noch

die mich lieben, dass sie traurig sein

eine lange Zeit bis zum Wochenend-

dürfen, aber nicht die Trauer oder

frühstück.

den Tod in Erinnerung haben sollen, sondern das, was ich Schönes

Ich wache jeden Morgen ohne Angst

geben konnte und wir Schönes er-

auf. Meist werde ich davon wach,

lebt haben. Und ich würde eine Fei-

dass sich mein Liebster neben mir

er planen mit einer fetzigen Playlist,

regt. Dann lausche ich nach seinem

veganen Pancakes, dem Eierlikör-

Atem. Ich spüre die Decke um mich

kuchen meiner Mutter und vega-

herum, ziehe vielleicht einen her-

nen Chicken-Nuggets. Ah, und die

aushängenden Fuß ein und blinzle,

Bestattungsart dürfte meine Familie

um zu prüfen, wie spät es wohl ist.

bestimmen, aber cool wäre es, wenn

Auch lausche ich dem Gezwitscher

keine physischen Überreste bleiben.

Hiermit spreche ich meinen Dank an die Personen aus, die mir mit ihren Antworten Vertrauen entgegengebracht haben und sich darüber hinaus die Mühe gemacht haben, sich der Reflexion zu widmen.

Kapil, Bhanu. The Vertical Interrogation of Strangers. Berkeley: Kelsey Street Press, 2019.

Kultur

33

An einem wunderschönen Herbstnachmittag, an dem die Welt nur aus roten Blättern, blauem Himmel und schrägen Sonnenstrahlen bestehen zu scheint, treffe ich Nora und Julian, Jul, von der Band ANGER bei ihrem Tourstop in Innsbruck. Die beiden kommen ursprünglich aus Brixen in Südtirol, wo sie sich im Teenageralter kennen lernten. Heute leben sie gemeinsam in Wien und machen Musik. Mit ihrer Single „Baby“ landeten sie 2019 den Platz 1 in den Radio FM4 Charts. Im gleichen Jahr, nach mehreren Auftritten bei Festivals wie dem Sonar-Festival in Barcelona oder dem Frequency Festival in St. Pölten, wurden sie auf dem Wave-Vienna-Festival als beste Newcomer-Band ausgezeichnet. Unter anderem erhielten sie von FM4 im Jahr 2020 den Amadeus Austrian Music Award.

34

Kultur

© Anton A. Kelderer

IM GESPRÄCH MIT ANGER. geschrieben von Claudia Ploner

„I c h

bin gern, wo du bist.

Das

r e i c h t m i r d a n n ...“

Ich treffe Anger am 22.10.2021 vor ihrem Konzert in der Lobby eines Hotels. In der Vorbereitung grüble ich lange, wie man Leute, die man noch nie in seinem Leben gesehen hat, in so kurzer Zeit wirklich kennen lernen soll. Ich komme zu dem Schluss, dass es in Interviews sowieso mehr darum geht, wie die Menschen antworten, als darauf was. Deshalb entschied ich mich für eine Reihe an random Fragen. Und ich bin auch bei diesem Interview in der Retrospektive der Meinung, dass die Freundlichkeit und Offenheit, mit der ich von den beiden empfangen wurde und die Wärme, mit denen sie Menschenganz generell begegnen, so spürbar eingängig sind, dass diese sogar rübergekommen wäre, hätte ich sie nur nach ihrer Lieblingskekssorte gefragt. Ihren Süßtiroler-Dialekt kann man (aber eigentlich muss man!) sich bei diesem Interview gerne dazu denken.

Die Zeitlos: Wie genau habt ihr

habe ich eine Tom bekommen,

den, es eben wie das englische Wort

euch kennengelernt?

Backvocals gemacht und irgend-

anger auszusprechen. Man kann

Nora: Wir haben uns durch eine

wann Keyboard gespielt. Und so

aber sagen, was man will, weil es

gemeinsame Peer Group kennenge-

bin ich Step-By-Step nach vorne…

eigentlich ein bisschen egal ist …

lernt…

Ich war unaufhaltsam! (lacht)

(lacht).

Jul (unterbricht sie lachend): Naja,

J: Stimmt. Mit der ursprünglichen

J: Genau, es funktioniert in beiden

eigentlich war sie viel cooler als

Band haben sich die Wege irgend-

Sprachen -- im Dialekt, die 60-Jähri-

ich. Ich habe mich da einfach rein-

wann getrennt, aber wir zwei ha-

gen verstehen es und die Kids auch.

gesneaked. Ich war mehr so ein

ben gemerkt, dass wir das wirklich

Emo Kid mit dem niemand so wirk-

machen wollen. Dann haben wir

ZL: Apropos Sprachen: Eure Musik

lich etwas zu tun haben wollte.

2017 gemeinsam ANGER gegrün-

beinhaltet drei Sprachen: Italie-

N: Stimmt, und dann bist du ge-

det.

nisch, Englisch und Deutsch. Welche Sprachen verwendet ihr für

wachsen und irgendwie cool ge-

ZL: Anger bedeutet im Deutschen ja

was? Gibt es Wörter, die ihr beson-

so viel wie eine Rasenfläche, Gras-

ders gern verwendet?

ZL: Und wie habt ihr dann angefan-

wiese oder ein Platz in einem Dorf.

J: Eigentlich verwenden wir ja vier

gen Musik zu machen?

Was hat es mit dem Namen auf

Sprachen

J: Ich hatte immer Boybands in

sich?

Deutsch und Dialekt. Das ist alles

die sich Nora als Sängerin hinein-

N: Juls heißt Angerer im Nachna-

sehr anders vom Sound, Dialekt ist

schmuggeln wollte. Dann hat sie

men, das Haus, in dem ich aufge-

zum Beispiel viel knochiger als das

sich bei uns beworben…

wachsen bin, heißt Anger und die

Hochdeutsche. Welche Sprache wir

N: Naja, beworben... Anfangs habe

Straße daneben Angerweg. Dann

dann verwenden, das spürt man

ich ganz im Hintergrund von den

war das irgendwie naheliegend.

dann einfach.

fünf Boys Tamburin gespielt. Dann

Wir haben uns dann dazu entschie-

worden (lachen beide).

Englisch,

Italienisch,

Kultur

35

N: Hm, ich glaube bei uns gibt es

Wien“. Ist Wien der schönste Ort

hin träume. Wie ist das bei dir

Phasen, in denen wir immer wie-

der Welt, oder wo ist der und wie

(schaut ihn an)?

der die gleichen Wörter benutzen.

fühlt sich der an?

J: (schaut sie auch an) Naja, ich bin

Das merkt man auch bei den Songs.

N: Für mich ist der schönste Ort ei-

gern, wo du bist. Das reicht mir

J: “Flammen” ist vielleicht so ein

gentlich immer da, wo ich gerade

dann. (Pause) Aber die offizielle

Wort, dass sich durchzieht. Und

bin. Ich liebe viele Orte, und gerade

Antwort ist natürlich: Der schönste

“Meer”, “heiß”, “Asphalt”…

durch das Singen in den verschie-

Ort ist Südtirol, Brixen…

denen Sprachen verbinde ich auch

ZL: Darüber singt ihr ja auch in

andere Orte mit den Songs, an die

ZL: Und was ist mit Innsbruck?

eurem letzten Song „Sommer in

ich mich während dem Set dann

J: Innsbruck lockt mich. Immer wenn wir bis jetzt hier waren, zum Beispiel auch beim Alles Gute Festival im September oder für einen Dreh, haben wir nur coole Leute, die alle so giving und dankbar waren, kennengelernt. Das Wetter war auch mega. Auch heute als wir von Wien los sind war es dort super kalt ... (denkt kurz) – wir sind schon auch früh aufgestanden, da ist es überall kalt… – aber als wir dann nach Innsbruck kamen waren da diese wunderschönen Farben, die Berge und ich denk mir: “Fuck, warum wohn ich nicht in Innsbruck?”

N: In Wien ist es eher mehr so gräulich und hier ist so die Sättigung hochgedreht worden.

ZL: Beschreibt euch mal gegenseitig, was mögt ihr aneinander, wie seht ihr euch?

J: Was ich an Nora mag ist, dass sie Leute nicht judged und allen auf Augenhöhe begegnet. Sie ist sehr viel mit sich und ihren Gedanken © Claudia Ploner

beschäftigt. Manchmal glaubt man,

36

Kultur

dass sie sehr ruhig ist und vielleicht stimmt das auch, aber eigentlich ist sie mega lustig. Oft wenn sie einen Joke macht, sterben wir im Tour-

bus vor Lachen. (sieht sie an und

Die Standardfrage: “Seid ihr zu-

optimieren. Obwohl es voll okay

denkt nach, zu ihr gewandt) Du bist

sammen?” Die Antwort ist: Ja! Wir

gewesen wäre, wenn wir einfach

unglaublich begabt in allem was

denken uns immer, das kann man

mal nur gewesen wären. Denn es

du tust. Du kannst sehr gut um die

ja auch gar nicht nicht verstehen,

ist ja eigentlich genug, dass uns ge-

Ecke denken. Du siehst die Dinge

wenn man sich mehr mit uns be-

rade eine Pandemie überrollt , aber

anders, und denkst sie ebenso an-

schäftigt.

nein, dann fängt man an mit Yoga,

ders. Das bewundere ich an dir. Es

N: Die Frage ist wahrscheinlich

da kein Alkohol, da Intervallfasten,

gibt aber noch tausend Qualitäten,

spannend für die Leute, weil sie da

... und ab und zu tut man sich da

die ich hier aufzählen könnte.

eben viel Drama vermuten. Und

selbst weh damit.

(Stille)

das Ganze dann ein bisschen für sie

N: Ab und zu stresst man sich dann

N(nickt und lacht): Passt…

ist, wie eine Soap Opera.

um die Zukunft, um Geld. Obwohl

ZL: Passt…

es eigentlich nichts gibt, wegen dem

ZL: In einem Song schreibt ihr „Er-

man sich in dem Moment gerade

N: Jul hat voll viele Einfälle, die er

klär mir Liebe, ich weiß nichts da-

stressen müsste, weil eh alles okay

richtig gut aus dem Stehgreif umset-

von“. Erklärt mir Liebe, als wüsst

ist. Im Refrain singe ich: „Alleine,

zen kann. (sieht ihn an) Es passiert

ich nichts davon?

lass ich dich ab und zu allein im

einfach immer wahnsinnig viel mit

N: Wir haben uns in den letzten

Regen stehen“, und metaphorisch

dir. Du hast eine Idee und setzt es

zwei Jahren sehr viel damit be-

könnte man das so sehen, dass man

um, und das bereichert mein Le-

schäftigt und ich glaube, erst wenn

sich selbst oft allein stehen lässt,

ben, weil ich dann dabei mitma-

man sich selbst liebt, kann man je-

wenn die Gedanken so Schlag auf

chen kann. Und das ist toll, weil ich

manden anderen wirklich lieben.

Schlag auf Schlag kommen und ei-

wahrscheinlich allein viel länger

Denn sonst projiziert man immer

nen komplett vereinnahmen, ob-

brauchen würde. Nicht nur in der

nur Dinge auf andere, die einem

wohl man eigentlich bei sich sein

Arbeit, einfach in allem was wir so

selbst fehlen, oder versucht sich mit

könnte.

tun. Ich bin einfach voll aktiv, wenn

der anderen Person zu ergänzen.

ich mit dir zusammen bin (beide la-

Deshalb ist Liebe mehr ein Prozess,

ZL: Wenn wir jetzt schon bei so

chen). Du kannst Menschen von dir

oder? (schaut ihn an)

existentiellen Themen sind. Stellt

begeistern, einfach in dem du bist.

J: Period.

euch vor, es wäre eure Beerdigung, in welchem Outfit würdet ihr auf-

Du heißt jeden willkommen, ohne zu urteilen. Egal wer, wie oder wo-

ZL: Ihr habt einen Song, der heißt

gebahrt werden wollen?

her die Person ist. Und die Leute

„Ab und zu“. Was tut man ab und

J: Ja natürlich im Teuersten das ich

sind einfach gern in deiner Nähe,

zu und sollte es vielleicht gar nicht

besitze. (lacht) Ja nein, wenn ich

folgen dir bei dem was du so macht.

tun?

nicht mehr da bin, dann ist mir das

Du bist wahnsinnig kreativ in jegli-

J: Diesen Song haben wir im Lock-

eigentlich auch egal.

cher Hinsicht. Du hast ein voll gu-

down geschrieben. So wie viele

ZL: Aber stell dir vor, es wäre etwas

tes Auge, da staune ich oft drüber.

Leute hatten wir da eine ziemliche

richtig Hässliches?

Du siehst Sachen, die mir selbst gar

“Selbstoptimierungsphase”. Irgend-

J: Boah, dann hätte ich ja alles falsch

nicht auffallen.

wie habe ich das Gefühl wir haben

gemacht in meinem Leben.

uns als Gesellschaft auferlegt, dass

N: Also, wenn wir das dann gegen-

ZL: Es gibt ja auch nicht so kreative

wir trotz Lockdown, trotz Pande-

seitig füreinander aussuchen könn-

Leute. Was fragen die euch dann?

mie irgendwie immer weiterma-

ten, dann wäre das alles kein Pro-

J: (verdreht die Augen und lacht)

chen müssen, uns trotzdem weiter

blem.

Kultur

37

ZL: Und welchen Song würdet ihr

dass man sich auf dem Weg gut mit

spielen wollen?

allen versteht, dass man fair ist zu-

N: Ich stell mir immer eine Band

einander und sich nicht verkauft.

vor, die dann meine Songs spielt. (lacht) Alle sollen einfach eine gute

ZL: Die letzte Frage nach eurer Mes-

Zeit haben. Also keine traurigen

sage to the world ist damit ja auch

Songs.

quasi schon beantwortet. Aber

ZL: Okay, nächstes Thema, ist ja

noch einen letzten Satz vielleicht?

doch eher ein “Downer”...

N: Es ist reine Zeitverschwendung,

J: Ach, ich finde das Thema Tod voll

sich Sorgen zu machen. Ich erinne-

okay. Ich habe noch ein unendlich

re mich noch, als ich Studierende

langes Leben, also alles easy. (smi-

war, dass man sich immer wahn-

led)

sinnig viel Sorgen um die Zukunft

ZL: Stellt euch vor, ihr könntet jetzt

macht, wie es weitergeht und so.

euren weiteren Lebensverlauf auf-

Aber es passiert dann irgendwie

zeichnen, eure Geschichte schrei-

“eh”, und es passt dann letztendlich

ben, wieder vergessen und dann er-

doch irgendwie eh!

leben. Wie würde dieser ablaufen?

ZL: Period.

N: Also ich bin davon überzeugt, dass ich meine Geschichte schreibe.

Ich glaub dadurch, dass man sich definiert wer man ist, schöpft man das Leben. Du erschaffst dein Leben jeden Tag neu.

Anschließend an das Interview

J: Das Ding ist, wir haben gerade ein

tritt ANGER in der Talstation in

Projekt am Laufen, über das wir lei-

Innsbruck auf. Sie füllen den von

der noch nicht reden dürfen. Und

einem Neonlicht in Form eines

die Geschichte, so wie wir sie ge-

zerbrochenen Herzens abwech-

rade schreiben, würde ich mir vor-

selnd pink, rot und blau beleuch-

stellen, wenn ich sie mir wünschen

teten Raum mit den Funken, die

müsste, aber ich kann ja nicht dar-

zwischen ihnen, wenn sie sich

über reden...

ansehen,

N: Mit unserer Geschichte möchten

Weltschmerz verbannt, jedes ge-

wir sehr viele Menschen erreichen

brochene Herz oder aufgeschürf-

und allen die Botschaft geben: „Hey,

tes Knie scheint für den Moment

du kannst alles sein, dich selbst de-

wieder ganz zu sein, alle tanzen

finieren“. Wir wollen einfach allen

und alles ist für den Moment ein

Leuten eine gute Zeit geben mit un-

bisschen oder auch total egal.

serer Musik, sei es bei Konzerten,

Und etwas Schöneres kann man

oder sei es beim Hören generell. Ich

den Menschen in unserer Gegen-

würde die Geschichte so schreiben,

wart wohl gerade nicht schenken.

38

Kultur

überspringen.

Aller

Find them online: website: www.weareanger.com Instagram: @weareanger Spotify: ANGER

© Anton A. Kelderer

Kultur

39

CAFÉ HAWELKA geschrieben von Claudia Ploner

Der Kellner in dem weißen Hemd und dem Jackett

Ein älterer Herr und eine etwas jüngere Frau, viel-

hat schon alles gesehen. Die Tourist*innen mit

leicht seine Tochter, vielleicht auch nicht, umar-

den hell blitzenden iPhone-Kameras, die wie Spin-

men sich - ohne dass ich erkenne, welche Emotion

nenaugen wirken, die Urwiener*innen an ihrem

sie dazu treibt. Es ist eine lange Umarmung, innig,

Stammtisch sitzend, und wie schon vor dreißig

vertraut würde man sie wohl beschreiben, wenn ei-

Jahren ihre Gulaschsuppe schlürfend, einander in

nen jemand danach fragen würde, aber mich fragt

einer Alt-Wienerischen Arroganz anschweigend,

niemand. Die Moleküle in der Luft um sie herum

unverändert, stumme Zeug*innen einer außerhalb

scheinen still zu stehen, um sie nicht zu stören, um

verstrichenen, hier drinnen angehaltenen Zeit.

für sie die Zeit und den Moment anzuhalten. Um

Dann noch die Reichen für die die “Abgefucktheit”

den Moment festzuhalten, wie sie sich festhalten.

ein Abenteuer ist, ein Prestigeobjekt, ein Haken

Sie sind mir zuvor nicht einmal aufgefallen, und

auf der Liste von Dingen, die man mal erlebt und

auch nachdem sie sich voneinander gelöst haben,

gesehen haben muss, um dann auf Cocktail-Partys

sind sie wieder einfach nur an einem Heißgetränk

und Empfängen von dem Charme und Flair dieses

Nippende, hin und wieder auf ihr Handy Starrende,

Ortes erzählen zu können, während man eiskalten

dann neugierig, fast erwartungsvoll in der Gegend

Sekt aus kristallinen Gläsern trinkt, und insgeheim

Herumschauende, sich in das Wimmelbild des Cafés

froh ist, dass es hier nicht nach alten Gardinen und

Eingliedernde, die nicht gerade das Raum-Zeit-Kon-

Hausmanns(frau!)kost riecht.

tinuum durcheinandergebracht haben. Sie machen ein Foto von sich, rühren in ihren erkalteten

40

Und ich sitze da und frage mich wer ich in diesem Zirkus bin. Wen der Kellner in mir sieht, der mei-

Heißgetränken. In diesem kleinen Eckchen Welt,

ne Bestellung (Pfefferminztee) aufnimmt, mit eingefo-

draußen immer Nacht ist, eine klirrend, kalte No-

rener Miene, ohne sich in die Karten blicken zu lassen.

vembernacht, wie von Künstler*innen auf einem

Ich will die Phantome der Gedanken fangen, die seit

Ölbild mit ausschließlich dunklen Farben gestaltet.

jeher zwischen den rotgestreiften Sofas, den über-

Ein Eckchen Welt, an dem es drinnen immer warm

klebten Plakaten an den Wänden, der weinroten ho-

ist. Alles an diesem Ort ist warm. Es ist ein Ort, an

hen Decke und dem dunklen Holzboden zirkulieren.

dem Menschen sich verlieben. Ein Ort, an dem über

Denn ich spüre, dass sie da sind. Das italienisch-spre-

Tode geweint und über Politik gestritten wird. Hier

chende Paar im Eck wirkt zufrieden miteinander in

beginnen Ären, und gehen unter Lachen und Wei-

ihrer gemeinsamen, ab und zu durch oberflächliche

nen zu Ende. Es schließen sich Freundschaften fürs

Gespräche durchbrochenen Stille, wie ich es selten bei

Leben und Feindschaften fürs Leben. Hier werden

Paaren in ihrem Alter gesehen habe. Bei Paaren aus

Revolutionen geplant und wieder zerdacht. Hier

der Generation Ehe-bis-zum-Tod/alternativlos.

trifft alt auf jung, rechts auf links, oben auf unten,

Kultur

so abgeschottet von der Welt. Ein Eckchen, an dem

ich auf dich, Vergangenheit auf Zukunft, und erzeugt

Ort, der für ihn so anders ist als für mich. Die-

in dieser Kollision das, was wir Gegenwart nennen,

ser Ort dessen illusionierte Isolation er bereits

schreibt das Präsens in das Gemenge der stickigen

als Filter trägt, um sie nicht mehr wahrnehmen

Luft der Präsenz der Menschen. Das Paar macht im-

zu müssen. Und ich stell mir vor, dass dieser

mer noch Bilder voneinander, die anschließend in

Ort mitsamt den Personen, die wie Fabelwesen

zufriedenem Schweigen, sich gegenübrsitzend, aber

sind und zum Inventar gehören, wie die Mar-

weit voneinander entfernt in unterschiedlichen Wel-

mortischchen und die dunklen Kleiderständer

ten seiend, bearbeitet werden, geposted werden. Ein

es tun, aufhört zu existieren, wenn irgendwann

Moment wird künstlich kreiert werden, auf Kosten

nach Unendlichkeiten die Lichter ausgeschaltet

des Momentes, der es eigentlich hätte sein können,

werden. Aber heute noch lange nicht, denn noch

aber dessen Potential von erleuchteten Displays

brummt hier der vibrierende Motor des Abends

überstrahlt wurde

der von den Möglichkeiten der bevorstehenden

„Zwa Kaffeetschal die Heaschoftn?“

Nacht beflügelten wird, und angetriebenen wird von den Menschen auf der Suche nach Zerstreuung, oder etwas anderem, jemand anderem

Gemeinsam mit dem lauten Ruf zieht ein süßer Duft

oder sich selbst. Ich kann in diesem Wirrwarr

durch den Raum, der nacheinander die Köpfe der

treiben was ich möchte, mich treiben lassen auf

Menschen in dessen Richtung und ihre Augen groß

dem Aufwind der Wärme der Bewegung.

wie die von Kindern an Weihnachten werden lässt,

Ich will mich darin verlieren, und am besten et-

die es nach dem Zucker hinter den Schaufenster-

was finden, mit dem ich nicht gerechnet habe.

scheiben verzehrt.

Mein verlorenes Ich vielleicht. Das ich im selben Tempo verloren habe, wie sich die Tische

Die Tische leeren und füllen sich, der Zigaretten-

leerten, unmerklich, bis sie alle leer sind, bis auf

rauchgeruch ist nie aus den alten Polstermöbeln

zwei oder drei Paare, die sich noch in den Ecken

verschwunden. Der Kellner mit den weißen Hand-

herumdrücken. Der Abend scheint wie durch ei-

schuhen und der schwarzen Weste verschwindet in

nen Dimmer langsam, aber sicher abgedreht zu

einer Kammer. Ein Mann kommt kurze Zeit später

werden. Dann sind nur mehr ich und ein alter

wieder heraus, mit einem Adidas Hoodie, einer Jog-

Mann da und ich bin mir sicher, dass er immer

ginghose und einer Baseballkappe. Ich bin irritiert

der Letzte hier ist. Dass er der Letzte ist, der den

und irgendwie persönlich angegriffen und weigere

Heimweg durch die unerbittliche Stille der gro-

mich zu glauben, dass es sich um die gleiche Person

ßen Stadt antritt, sich an dem Gefühl wärmend,

handelt, in dem kindischen Trotz in dem ein Kind

der Letzte gewesen zu sein, und morgen wieder

weiter an den Weihnachtsmann glaubt, auch wenn

als erster die Welt des Cafés in der engen Gas-

man ihm bereits alle zuvor aufgebauten Träume

se betreten zu können und wieder nach Hause

wieder zerschlagen hat. Und auch dieser Mann da

kommen zu dürfen.

zerstört mir meine Illusion einer fehlenden Außenwelt, wie in einem Film, in dem es für mich keine

Ich nicke ihm zu, er mir auch, ich ziehe meinen

„Hinter den Kulissen“ geben soll, weil ich ihn schaue,

langen schwarzen Mantel über meine warme

um ihm zu glauben - um mich belügen zu lassen, um

Haut, wickle meinen Schal um den Hals und

Eskapismus zu betreiben. Also bleibt für mich der

trete dem kalten Luftschwall entgegen, der mir

Kellner in dem Cafe, und Adidas Pullover darf hinge-

die Kälte der Welt in Erinnerung ruft, als ich

hen, wo es ihn hinzieht. Vermutlich weg von diesem

aus der Tür trete und in die Nacht entsteige.

Kultur

41

Alma Mahler-Werfel

Muse und Femme Fatal oder doch unterdrücktes Genie:

© Matei Tulban

geschrieben von Nicole Kaßberger Auf die verschiedensten Arten versuchte Alma Mahler-Werfel in der männerdominierten Kunstgesellschaft ihren Weg zu finden und anerkannt zu werden: Sie war Muse für Künstler wie Gustav Klimt, Franz Werfel oder Oskar Kokoschka, genoss Klavierunterricht, komponierte wie die großen Meister und war belesen wie keine andere. Bis zuletzt hielt sie ihre Rolle der Salonnière und Herrscherin über Mahlers Musik aufrecht und spielte bis zu ihrem Tod eine Figur, die sie nie war. Über Leben, Schaffen und Wirken von Alma Mahler-Werfel.

42

Kultur

Alma

Mahler-Werfel,

geborene

teilnehmen und genoss beziehungs-

Paar in der Karlskirche. Mahler war

Schindler, wurde am 31. August

weise litt bereits als heranwachsen-

zwar vom musikalischen und kom-

1879 als Tochter des Landschafts-

de Frau unter der Aufmerksamkeit

positorischen Talent seiner jungen

malers Emil Jakob Schindler und

berühmter Männer.

Ehefrau angetan, machte aber vor

der Hamburger Sängerin Anna So-

der Eheschließung deutlich, dass

fie Bergen in Wien geboren. Schon

„Gustav Klimt war als die erste gro-

das Arbeiten und Komponieren

früh kristallisierte sich eine musi-

ße Liebe in mein Leben gekommen,

seine Aufgabe seien, während sie

kalische Begabung heraus, die von

aber ich war ein ahnungsloses Kind

lediglich seine Gefährtin sein soll-

mehreren Seiten gefördert wurde.

gewesen, ertrunken in Musik und

te. Alma Mahler fügte sich diesem

Sie erlernte Klavier, doch ihr ei-

weltfern dem Leben. Je mehr ich

Wunsch und stellte ihre eigenen

gentliches Interesse galt der Kom-

an dieser Liebe litt, desto mehr ver-

Kompositionen zurück. Die Ehe

position. Neben der Musik schlug

sank ich in meiner eigenen Musik,

war gezeichnet von Almas starken

ihr Herz auch für die Literatur. In

und so wurde mein Unglück zur

Drang nach Ausbruch und Selbst-

ihrem Elternhaus verkehrten zahl-

Quelle meiner größten Seligkeiten“,

verwirklichung. So begann die Su-

reiche Intellektuelle und Künst-

schrieb sie einst in ihr Tagebuch,

che nach etwas Neuem bereits vor

ler*innen, was ihren Interessen

doch ihr Stiefvater Carl Moll verbot

dem Tod ihres ersten Ehemannes.

sehr entgegenkam. Die Begegnun-

diese Liebe. Klimt war einer der

Gesucht, aber schlussendlich doch

gen mit Persönlichkeiten wie Max

ersten, der in ihren Bann gezogen

nicht gefunden, hat sie dies in der

Eugen Burchkard, Gustav Klimt

wurde. Im Laufe ihres Lebens gab

Liebesbeziehung zu dem Berliner

und anderen prägten ihr Verständ-

sie sich vielen heute allseits be-

Architekten Walter Gropius.

nis von Musik, Kunst und Literatur

kannten Künstlern sowohl sexuell,

nachhaltig und führten nicht selten

manchmal auch emotional hin. So

Einige Jahre nach dem Tod Gustav

zu Liebschaften.

verdrehte sie Oskar Kokoschka den

Mahlers im Jahre 1911 heirate-

Kopf, der aus Verzweiflung, dass

te Alma Mahler den Architekten

sie sich nicht an ihn binden woll-

Walter Gropius, zu dem der Kon-

te, eine lebensgroße Alma-Puppe

takt seit der Affäre im Jahr 1910

Im April 1897 wurde in Wien die

anfertigen ließ, die er eines Nachts

nicht abgerissen war. Da Gropius

„Vereinigung bildender Künstler

im Rausch in seinem Innenhof ent-

kurz nach der Eheschließung an

Österreichs Sezession“ gegründet.

hauptete. Doch auch Paul Kamme-

die Front beordert wurde, war die

Gustav Klimt wurde zum Präsiden-

rer, der Biologe, und Musiker wie

Ehe von Anfang an von Trennun-

ten gewählt, Carl Moll – nun neuer

Alexander von Zemlinksy waren in

gen gekennzeichnet. Durch die ört-

Ehemann der Mutter und Stiefvater

ihrem Bann.

liche Trennung, die mit dem Krieg

Die großen Verehrer

Almas – war Vizepräsident, in dessen Wiener Villa die Mitglieder*

einherging, aber auch aus anderen

Zerrüttete Ehen

ein- und ausgingen: Joseph Maria

Gründen, konnte auch Gropius Alma nicht vollends glücklich ma-

Olbrich, der Architekt des Sezessi-

Viele umgarnten sie, nur wenige

chen, und so brach Alma erneut aus

ons-Gebäudes, der Architekt Josef

konnte sie halten. Einer davon war

den Zwängen der Beziehung aus.

Hoffmann, Koloman Moser und

Gustav Mahler, der wesentlich älte-

Sie flüchtete paradoxerweise er-

Alfred Roller. Und auch Alma. Sie

re Komponist, den sie im Salon von

neut in eine Liebschaft, diesmal mit

durfte bereits als junges Mädchen

Berta Zuckerkandl in Wien kennen-

dem zwölf Jahre jüngeren Dichter

an den gemeinsamen Abendessen

lernte. Im März 1902 heiratete das

Franz Werfel, der zu ihrem dritten

Kultur

43

Ehemann wurde, nachdem sie sich

nis zu (berühmten) Männern defi-

Kloake“, heißt es bei Marietta Tor-

1920 von Walter Gropius scheiden

niert und – je nach Standpunkt – als

berg. Und Claire Goll macht aus ih-

ließ.

Muse, Gattin, Geliebte oder Femme

rem Hass keinen Hehl: „Wer Alma

fatal stilisiert wurde.

Mahler zur Frau hat, muß sterben.

Aufgrund der jüdischen Abstam-

Franz Werfel ließ sich dabei etwas

mung Franz Werfels emigrierte das

Aber nicht nur durch ihre Ehen,

Zeit; Alma hatte beschlossen, ihn

Ehepaar Mahler-Werfel 1938 zu-

Affären und Beziehungen zu Män-

auf kleiner Flamme zu schmoren.“

nächst nach Frankreich, nach Ein-

nern erregte sie Aufsehen. Wider-

marsch der deutschen Truppen in

sprüchlichkeiten werden auch in

Zudem waren all ihre Ehemänner

Paris 1940 weiter nach New York,

anderen Lebensbereichen sichtbar.

und Liebhaber raumgreifende Per-

wo sie nach dem Tod Werfels den

So fiel Alma Mahler-Werfel durch

sönlichkeiten, gegen die sie sich be-

musikalischen Nachlass ihres ers-

antisemitische

auf,

haupten musste. Dazu verlangt es,

ten Mannes Gustav Mahlers sowie

obwohl zwei ihrer drei Ehemänner

ein gewisses Talent zu haben, auf

den literarischen Nachlass Franz

jüdischer Abstammung waren, sie

das man vertrauen kann, aber vor

Werfels verwaltete, Briefe und Er-

mit zahlreichen jüdischen Künst-

allem einen starken Charakter zu

innerungen an Mahler veröffent-

ler*innen

und

besitzen. Den hatte sie zweifellos,

lichte und ihre Autobiographie

schließlich 1938 gemeinsam mit

zusammen mit einer ungeheuren

„And the Bridge is Love“ (1958) [dt.:

Franz Werfel ins Exil ging. Dem Na-

Begeisterungsfähigkeit

„Mein Leben“ (1960)] verfasste. Sie

tionalsozialismus per se stand Alma

was mit Kunst zu tun hat. Die Ehe

verstarb im Dezember 1964 in New

Mahler-Werfel jedoch sehr ambiva-

an sich empfand sie dabei immer

York. Ihre sterblichen Überreste

lent gegenüber. Einerseits sah sie

als ein Gefängnis – vielleicht be-

wurden nach Wien überführt und

darin eine große Gefahr, gleichzei-

nahm sie sich darum auch immer

am Grinzinger Friedhof am 8. Feb-

tig hielt sie das nicht davon ab, sich

so wie eine auf Ausbruch sinnende

ruar 1965 beigesetzt.

mit namhaften Emporkömmlingen

Gefangene und suchte ihre Flucht

wie Anton Rintelen zu umgeben.

in neuen Affären. Ihr starker Unab-

Äußerungen

befreundet

war

für

alles,

hängigkeitsdrang machte sie in den

Polarisierend sprüchlich

und

wider-

Augen ihrer Umwelt zu einer skan-

Stark und doch unterdrückt

dalumwitterten Persönlichkeit.

Alma Mahler-Werfel wurde bereits

Durch die Nähe zu bedeutenden

Liest

zu Lebzeiten als polarisierende

Künstler*innen und ihren Kampf

„Mein Leben“, dann tritt einem

Persönlichkeit

man

ihre

Autobiographie

wahrgenommen.

um schrankenlose Selbstverwirk-

eine genau beobachtende und ur-

Die Figur der Alma Mahler-Werfel

lichung wurde sie als Witwe im

teilsfähige Frau entgegen, die mehr

diente, und dient nach wie vor, als

Wahn, femme fatale, unbezähm-

als eine bloße Muse ist – ein ihre

Inspiration für zahlreiche künst-

bare Muse oder sogar Windsbraut

Zeit prägender Charakter, der ei-

lerische Bearbeitungen; die Band-

bezeichnet. Rückwirkend betrach-

gene Kreise bildete und selbst The-

breite reicht von Theaterstücken,

tet, wirkt ihr Leben opulent, schil-

men setzte. In den von ihr geschrie-

über Romane und Filme bis hin

lernd, labyrinthisch und verbittert.

benen Worten überträgt sich auch

zum Kochbuch. Zahlreiche Biogra-

Die Urteile ihrer Zeitgenoss*innen

heute noch einiges von dem Zau-

phien beschäftigen sich mit dieser

waren erschreckend: „Sie war eine

ber, den sie verströmte, wie schon

Frau, die primär über ihr Verhält-

große Dame und gleichzeitig eine

im ersten Satz:

44

Kultur

„Mein Leben müsste ein Unvoreingenommener trostlos nennen, wären vor und hinter den Schlagschatten nicht so unzählige, brennende Glücksmomente gewesen.“

Man sollte das von Alma Mahler-Werfel verfasste Buch über ihr Leben lesen, denn in jedem Wort und jedem Satz steckt eine poetisch vibrierende Direktheit, die heute jedoch mit einem Grenzen überschreitenden, Vorurteile brechenden und feministischeren Blick wahrgenommen werden sollte. Ein Blick in die neue Biographie von Susanne Rode-Breymann zum Vergleich ermöglicht einen weiteren, bereits gegebenen feministischen Zugang zu einer Frau, die vom ersten Tag an als stark und talentiert galt.

Kultur

45 © Matei Tulban

TECHNIK UND ARCHITEKUR

VON DER KUNST IN

geschrieben von Nicole Kaßberger

Le Corbusier war Architekt, Architekturtheoretiker, Stadtplaner, Maler, Zeichner, Bildhauer und Möbeldesigner. Seine Werke sind heute weltberühmt, seiner Heimatstadt La Chaux-de-Fonds im Kanton Neuenburg hinterließ er sein kulturelles Erbe. Noch heute beeinflusst das große Schweizer „Universalgenie“ junge Nachwuchsarchitekt*innen. Zwei Leben, eine Leidenschaft: Le Corbusier und der Wiener Nachwuchsarchitekt Matei Tulban. „Das Haus ist eine Maschine zum

Artefakte, kleine, bis ins intimste

gut ausgestattete Werkstatt, in der

Wohnen“ – einer der bekanntes-

Detail ausgetüftelte Wohnhäuser

er Uhren emaillierte und ziselierte.

ten Leitsätze von Le Corbusier, der

in La Chaux-de-Fonds, seinem Ge-

Seine Mutter war Musikerin, von

am 6. Oktober 1887 als Charles-

burtsort, und am Genfersee, Villen

der er seine kreative Ader vermut-

Édouard Jeanneret in La Chaux-

und Ateliers in Paris und Umge-

lich erbte, war er doch auch später

de-Fonds im Kanton Neuenburg

bung, ein Schweizer Studierenden-

sehr angetan von der Arts and Crafts

in der Schweiz geboren wurde. Er

heim, ein Hospiz der Heilsarmee,

Bewegung und der Art Nouveau.

zählt zu den bedeutendsten und

der Sitz eines riesigen Gewerk-

Bereits in der Graveurschule merk-

einflussreichsten Architekten des

schaftsgebäudes in Moskau, eine

te er jedoch, dass ihm etwas fehlte

20. Jahrhunderts. Sein Pseudonym

Wallfahrtskapelle in den Vogesen,

und das Zeichnen von Blumen auf

Le Corbusier verwendete er erst

eine Klosterschule bei Lyon, ein

Uhrendeckel nicht ganz seine Lei-

ab 1920. Es stammt vom Namen

Komplex

Regierungsgebäu-

denschaft war. So wandte er sich

seines Urgroßvaters „Lecorbésier“.

den in Indien und viele mehr.

unter dem Einfluss eines Lehrers

von

der Architektur und Malerei zu, Le Corbusier gilt als Jahrhundert-

Seine Karriere begann er aber

wobei das Malen ihm zunächst im-

architekt. Zu seinen Schöpfungen

schlicht als Graveur. Nicht abwegig,

mer noch mehr Freude bereitete.

zählen jahrzehntelang gestaltete

hatte doch schon sein Vater eine

46

Kultur

PHILOSOPHIE UND STIL Seinen Stil beeinflusste vieles, seien

Le Corbusier“ und ein Konzept für

che „Notre-Dame-du-Haut de Ron-

es Kunstrichtungen, Personen, die

Proportionen namens „Modulor“,

champ“. Schon zu Lebzeiten Le

er traf, oder Orte, die er bereiste.

die Architekt*innen noch heute nut-

Corbusiers wurden Stimmen laut,

So zog es ihn nach Europa, und er

zen. Nicht zuletzt sein „Fünf-Punk-

da er mit dem Bau der Kirche sei-

besuchte alle wichtigen Kulturme-

te-Plan“ gestalterischer Prinzipien:

ne eigenen Prinzipien bei der Ge-

tropolen, wie jene in Norditalien, Ungarn, Österreich, aber auch der

staltung des stilistisch vollkommen Leich-

neu gedachten Gebäudes verraten

Gebäude

habe, denn die Kirche charakteri-

• ein offener Grundriss, ermög-

siert sich durch verspielte Formen.

• Tragende

Türkei und Rumänien. Er hat viel von der Welt gesehen und das Wis-

tigkeit

© Südwestrundfunk 2019

sen, die Formen und die Farben

Säulen

für

seiner

licht durch flexible Wände,

unseres Planeten förmlich in sich

• eine

Fassade,

Le Corbusier schaffte weitere be-

aufgesogen, um all diese Eindrü-

• lange, horizontale Fenster, für

deutende Werke und entwickelte

cke schließlich zur Entwicklung

gleichmäßiges Licht im Raum

bahnbrechende Theorien, zudem

seines ganz eigenen Stils zu nutzen.

• und ein Garten auf dem Flachdach.

trug er mehrere Ehrendoktortitel.

ebenfalls

freie

Viele seiner Werke, so umstritten Die darauffolgenden Jahre und die

Am

manifestieren

sie auch sein mögen, gelten heute

in dieser Zeit geknüpften Bekannt-

sich seine Prinzipien in der von-

als Weltkulturerbe. Im Jahr 1965

schaften waren Inspiration für die

ihm geplanten Villa Savoye, die

starb Le Corbusier. Der letzte Bau

Zeitschrift L’Esprit nouveau, die

heute als Ikone der Moderne gilt.

des

zum Manifest des Purismus wurde.

Ein weiteres bekanntes Gebäu-

Architekten, das Centre Le Cor-

Außerdem erstellte er ein Manifest

de, und das genaue Gegenteil zur

busier, steht direkt am Zürichsee.

seiner Farbenlehre „Polychromie

Villa Savoye, ist die Wallfahrtskir-

deutlichsten

weltberühmten

Schweizer

EINFLUSS IN DIE ZUKUNFT Dass Le Corbusiers Schaffen auch nach seinem Tod noch für viele inspirierend ist, beweist der Nachwuchsarchitekt Matei Tulban. Nach Schulabschluss in seiner Heimatstadt in Rumänien, zog es ihn nach Wien, wo er sein Studium der Architektur an der Technischen Universität Wien begann. Wir treffen uns in seiner Wiener Altbauwohnung. „Lass uns doch im Erker plaudern“, schlug er freudig vor. Und so kamen wir zwischen Aquarellen, Skizzen und Modellen ins Gespräch.

© Jonas Eckert

Kultur

47

Die Zeitlos: Le Corbusier beein-

Worin liegt dann das Schöne an

klassische Prinzipien der Vergan-

druckt dich und beeinflusst laut

seiner Architektur?

genheit ornamentaler, verkleideter

eigenen Angaben deinen Werde-

Die Reinheit und Funktionalität der

Fassaden und stellt sie gegenüber

gang. Wärst du gerne mit ihm be-

Gebäude. Er reagiert sehr direkt

den revolutionären Fortschritten

freundet gewesen?

auf das, was Leben ausmacht. Er

der Technik. Heute ist das anders,

Matei Tulban: Ich glaube nicht! Ich

befreit das Gebäude von Ornamen-

ich würde aber nicht sagen, dass

weiß sehr viel über sein Leben. Er

tik. Trotz der gerasterten Struktur

wir in einer Welt leben, die nur

war sehr auf seinen Erfolg fokus-

gibt es immer eine formale Geste,

noch auf Technik aufgebaut ist.

siert. Es gibt Geschichten von ihm

die wie ein Akzent funktioniert

und anderen Designer*innen, mit

und dazu im Gegensatz steht.

Glaubst du, dass die Weiterentwicklung der Technik oder die

denen er unsympathisch, fast schon verwerflich, umgegangen ist. Das ist

Le Corbusier war ein technikver-

Digitalisierung die Grundprinzi-

für mich moralisch nicht vertretbar.

liebter Mensch. Die Maschine fas-

pien seiner Architektur annul-

zinierte und inspirierte ihn und

lieren werden? Immerhin gelten

In anderen Disziplinen wie der

viele seine Entwürfe sind zurück-

diese als zeitlos.

Literaturwissenschaft sagt man

zuführen auf das Automobil oder

Nicht unbedingt. Ich glaube, dass

gerne, dass man das Werk vom/

den Schiffsbau. Er sah vor sich

diese digitale Technik, die wir ha-

von Autor*in trennen kann. Wür-

eine Welt basierend auf Technik.

ben, auch auf Prinzipien beruht, die

dest du das hier auch so sehen?

Sind wir in dieser angelangt?

stark verbunden mit den Grund-

Ich finde das kann man auch bei

Wir nehmen die Technik nicht mehr

prinzipien der Architektur der Ver-

Le Corbusier machen. Gestalterisch

so stark wahr. Während seines Le-

gangenheit sind. Technik kann viel

habe ich ihn immer geschätzt und

bens sind diese Dinge entstanden

zerstören, man kann aber auch viel

hat er mich beeindruckt, aber ich

und er hat sich als Architekt posi-

von ihr lernen.

habe es mit seinem Leben vermischt.

tioniert und die Rationalität der In-

Jetzt kann ich dies trennen und da-

genieur*innen in den Vordergrund

durch von seinem Werk lernen.

seiner Architektur gelegt. Er nimmt

48

Kultur

Wolltest du immer schon Archi-

Hast du dich dann bewusst

Und gibt es Personen oder Archi-

tekt werden?

dazu entschieden, den Weg der

tekturbüros, die Vorbilder dar-

Nicht unbedingt. Ich bin über das

Architektur einzuschlagen?

stellen in ihren Denkansätzen?

Zeichnen zur Architektur gekom-

Das war ein fließender Prozess.

Le Corbusier, natürlich, aber auch

men. Außerdem ist mein Vater

Vom Malen und Zeichnen über

Mies van der Rohe haben großen

Architekt, der während meiner

die Technik von Perspektiven

Einfluss auf mich. Ich studierte de-

Kindheit seine Doktorarbeit ge-

und konstruktive Zeichnungen,

ren Biografien sehr genau. Sie führ-

schrieben hat und ich dadurch ei-

bis ich schlussendlich bei Gebäu-

ten das aus, was sie liebten. Neben

nen Einblick in seine Architektur-

den angelangt bin.

dem Architekturbereich wäre da

bücher bekommen habe. Das hat

z.B. der Bildhauer Naum Gabo. Er

meinen Weg zur Architektur stark

Le Corbusier war Maler, Archi-

war in den Jahren der Revolution

geprägt und sicher auch geebnet.

tekt, Bildhauer. Du sagst selbst,

in Russland und kam dann in den

dass du von der Kunst zur

1920er Jahren nach Europa und stu-

Hast du dich dann bewusst dazu

Architektur kamst. Jetzt stu-

dierte hier. Er hatte einen Professor

entschieden, den Weg der Archi-

dierst du auf einer technischen

der Kunstgeschichte aus Zürich, der

tektur einzuschlagen?

Universität. Siehst du dich als

ihm sagte: „Wenn du die Kunst ver-

Das war ein fließender Prozess.

Künstler oder Techniker?

stehen willst, musst du durch Italien

Vom Malen und Zeichnen über

Man kann die Technik der Ar-

reisen“. Daraufhin ging er zu Fuß

die Technik von Perspektiven und

chitektur auch als Baukunst be-

von Zürich nach Florenz. Das hat

konstruktive Zeichnungen, bis ich

schreiben. Kunst ist nicht immer

mich nachdrücklich beeindruckt.

schlussendlich bei Gebäuden ange-

Malen oder mit frei abstrakten

langt bin.

Konzepten zu arbeiten. Kunst

Du hast schon einige Sachen ge-

ist für mich auch das Werk ei-

macht. Wie würdest du deinen

Le Corbusier war Maler, Archi-

nes Tischlers. Für mich ist der

Stil beschreiben oder hast du dei-

tekt, Bildhauer. Du sagst selbst,

technische

nen eigenen schon gefunden?

dass du von der Kunst zur Archi-

tig, daneben suche ich jedoch

Ich suche nicht unbedingt einen

tektur kamst. Jetzt studierst du

eine Freiheit in der Malerei.

Stil, sondern eher eine Sprache, die

Hintergrund

wich-

auf einer technischen Universi-

sich aus verschiedenen Elementen

tät. Siehst du dich als Künstler

Gibt es Kunstrichtungen, die

bildet, die für mich wichtig sind.

oder Techniker?

dich beeinflussen?

Seien es Erinnerungen oder Sa-

Man kann die Technik der Archi-

Ja, ich habe immer die russi-

chen, die ich gerne mag, oder ver-

tektur auch als Baukunst beschrei-

sche Avantgarde und den Kon-

schiedene

ben. Kunst ist nicht immer Malen

struktivismus bis hin zu Kan-

die ich richtig finde und einsetzten

oder mit frei abstrakten Konzep-

dinskys abstrakte Arbeiten sehr

will. Referenzen sind wichtig. Ich

ten zu arbeiten. Kunst ist für mich

geschätzt. Diese Geometrie ver-

glaube aber nicht an den Stilbegriff.

auch das Werk eines Tischlers. Für

stehe ich als Referenz und ver-

mich ist der technische Hinter-

wende

sie

als

Konzeptideen.

theoretische

Aspekte,

Hast du das Gefühl, dass es eine

grund wichtig, daneben suche ich

Konstante in deinem Design gibt?

jedoch eine Freiheit in der Malerei.

Einen Wiedererkennungswert?

z und verwende sie als Konzeptideen.

Ja schon! Es sind Eigenschaften, die

Kultur

49

sich über verschiedene Projekte

Potenzial in Gebäuden, bevor man

Gehen wir über zu deinen eige-

ziehen und sich dem Ort anpassen,

sie komplett abreißt. Auch das ist

nen Projekten. Welches hat für

in dem Details von einem Ort auf-

ein Grund, warum mich Leichtbau

dich eine besondere Bedeutung?

genommen werden. Ich suche ein

fasziniert, weil hier nur punktuell

Das spannendste war eine Grup-

Wechselspiel, eine Symbiose von

Stützen den Boden berühren und

penarbeit mit zwei Kommilitonen.

Ort und Bauwerk, wenn man so

nicht ein durchgehendes Funda-

Wir planten ein Universitätsge-

will. Das Gebäude darf nicht einfach

ment den Bodenkontakt hat, wie

bäude. Resultat war ein modular

umhüllt oder versteckt werden.

man es von herkömmlichen Bau-

gegliedertes

ten kennt.

im Einklang mit der Natur ist und

Kann man das auch in Materiali-

Konstrukt,

welches

durch seine Form „Rücksicht“ auf

en festnageln? Dass auch deren

Glaubst du, dass viele lieber Neu-

seine Umgebung nimmt. Man kann

Wahl einen Wiedererkennungs-

es bauen, weil sie diesen Drang

es sich als einen offenen Rahmen

wert hat?

nach Selbstverwirklichung ha-

aus (leider) Beton vorstellen, der

Bis jetzt habe ich vieles probiert.

ben und mit Bauen im Bestand

durch seine große Spannweite das

Bisher habe ich aber den Fokus

„nur“ etwas Umdefiniertes vor

bebaute

nicht auf ein Material gelegt. Stahl

sich haben?

Diese Rahmen funktionieren wie

fasziniert mich, wobei es hier ein

Jede*r will seinen Fingerprint ha-

eine Brücke, an denen verschie-

Problem der Nachhaltigkeit gibt.

ben oder seine Unterschrift unter

denste Räume angehängt sind. Da-

Das ist mir bewusst. Der Wiederer-

ein Gebäude setzten. Ich finde,

durch waren wir nicht nur sehr frei

kennungswert ist nicht unbedingt

dass das auch mit Bauen im Be-

in unserem Denken, sondern auch

materialabhängig,

eher

stand möglich ist. Viele verstehen

in der Planung. Hier konnten wir

vom Typ der Konstruktion. Einen

nur nicht, dass man auch als Ar-

Teile meiner Vorliebe für Leicht-

Leichtbau bevorzuge ich, also eine

chitekt*in Verantwortung für un-

bau anwenden, da das Gebäude

lineare, stabförmige Konstruktion

sere Zukunft hat. Man muss ein-

den Boden nur punktuell berührt.

über massive Betonblöcke. Ich fin-

fach Wege und Strukturen finden,

Für mich ist es ein poröses Gebilde

de gerade heute sollte man nach-

die so wenig wie möglich zerstö-

komponiert aus einer Raumvielfalt.

haltige Materialien oder recycelte

ren,

Materialien mehr in den Fokus

mit Ressourcen umgehen lernen.

sondern

einfach

Grundstück

umrandet.

verantwortungsvoll

rücken. Ein Leichtbau verbraucht

Hat

euer

Universitätsprojekt

auch einen Namen?

weniger Material, und wenn dieses

Hast du das Gefühl, dass in der

Ja, es heißt l’Université di Autopro-

Material recycelt ist, umso besser.

Welt der Architektur andere Ar-

grammazióne. Nicht nur in seiner

chitekt*innen auch dieses Thema

gebauten Gestalt, sondern auch in

Du sprichst die Nachhaltigkeit

von

dem Aufbau der Gedanken, die wir

an. Sie wird heute fast schon als

greifen?

hineingesteckt

Schimpfwort benutzt. Wie gehst

Ja, also Menschen, mit denen ich

mich dieses eigene Projekt bis heu-

du damit um, dass ein Gebäude

interagiere,

viele

te. Die Studierenden können selbst

immer unserer Natur Schaden

solcher Gedanken in ihren Ent-

entscheiden, wie sie Räume nutz-

zufügt?

würfen. Auf der Uni war das je-

ten. Es müssen auch nicht dezidiert

Dass ein Neubau wertvollen Boden

doch selten ein Thema. Ich ma-

Studierende sein. Das Gebäude

verbraucht, ist mir bewusst. Des-

che immer nur Witze über Leute,

lässt eine freie Nutzung zu. Ist es

wegen befürworte ich Bauen im

die viel mit zu massiv und zu

nicht toll, was man mit Architektur

Bestand, also das Erkennen von

schwer. Wohin wollen wir damit?

alles machen kann? (lacht freudig)

50

Kultur

Ressourcenschonung

machen

sich

auf-

haben,

fasziniert

„I PREFER DRAWING TO TALKING. DRAWING IS FASTER, AND LEAVES LESS ROOM FOR LIES.“

© Matei Tulban

- LE CORBUSIER

Kultur

51

Interesse: Das unerwartete Bild Phänomenologische Überlegungen zur Fotografie geschrieben von Claudia Ploner und Anton A. Kelderer Bestimmte Fotos lösen in mir ein seltsames Erstaunen aus, unerwartet brechen sie in den Alltag ein, um mich für ungewisse Zeit in ihrem Bann zu halten. Die wenigsten dieser Fotos können als fotografische Meisterwerke bezeichnet werden, die in der vielfältigen Rezeptionsgeschichte lebendig bleiben. Manche wurden amateurhaft angefertigt, von Fotografie-Liebenden und/oder Wagemutigen, die nur über rudimentäre Fachkenntnisse verfügen – und dennoch: Unversehens werde ich von einem Gefühl durchdrungen, das zugleich abenteuerlich und befremdend anmutet.

Manchmal ringe ich nach Sprache, um dieser seltsamen Faszination habhaft zu werden und sie mit anderen zu teilen. Jedoch bleibt dies oft ein erfolgloses Unterfangen – so bedeutet miteinander reden nicht immer einander verstehen.1 Wenn meine Sprache auch stümperhaft und unvollständig erscheint, angesichts der überwältigenden Bildkraft, so führt doch das Sprechen zu einer ersten Gewissheit: Nur in der Ich-Form wird der intime Bezug zu bestimmten Bildern deutlich; nur das Ich vermag das Unbehagen zu begrenzen, das durch die Unvollständigkeit der Sprache fortwährend neu erzeugt wird. Der Ich-Begriff ebnet den Weg für eine unsystematische und inkohärente Untersuchung (ars inveniendi et quaerendi) einzelner liebgewonnener Fotos.3 Dieser soll – weitaus bescheidener als Descartes erste Gewissheit im cogito – den Ausgangspunkt für die Beschreibung von Bildern im Lichte meiner persönlichen Gedanken und Gefühle darstellen.

52

Kultur

Keine Aufnahme geschieht so eilig, dass ke i n e Z e i t f ü r s We g l e gen einer Tasse bliebe.

modus An einigen Fotos fasziniert mich, dass ihre Konstruiert-

solcher Zugang verkennt, dass sich die Rede der Au-

heit sichtbar wird; wenn sie etwas Kalkulierendes und

thentizität selbst als kulturell wandelbare Erschei-

Artifizielles bergen, dringen sie als Kunstform in mein

nungsform gebart, die an eine immer schon vorrangig

Bewusstsein. Man sagt, gute Fotos müssten natürlich

gegebene Welt anknüpft. Gerade die darin zum Aus-

und lebendig wirken: Durch die Abwesenheit der Foto-

druck kommenden Sujets und Formen tragen zur He-

grafierenden werde der anwesenden Wirklichkeit die

rausbildung eines verallgemeinerten Imaginären bei,

Bühne überlassen. Dabei eignen sich Kunstschaffende

das einen Zirkel von Manipulation und rückwirken-

etliche Tricks und technische Feinheiten an, um Moti-

dem Bedürfnis auslöst, in der die Einheit des Systems

ve realitätsgetreu darzustellen sowie Models entspannt

dichter zusammenschließt.5

und in deren Posen spontan aussehen zu lassen. Ein

Kultur

53

Im Winter ist es in vielen Innenräumen zu kalt, um oberkörpferfrei zu sein.

Das unerwartete Element eines Fotos ist oftmals in sei-

dem verfestigten Diskurs zu entfliehen. Verkappter

ner Konventionalität zu suchen; nicht, weil das Foto die

Anspruch auf Individualität unter dem Banner der

üblichen Ausdrucksformen unreflektiert weiterführt,

Kritik? – Damit nähme dieser Bildtypus den Mythos

sondern weil es damit spielt, um diese überzeichnet,

des Besonderen und Einzigartigen unter umgekehr-

überspitzt, untertreibend oder bagatellisierend wieder-

ten Vorzeichen wieder auf. Demgegenüber ist der

zugeben. In diesem Sinne ist ein solches Bild nie voll-

Anspruch von offensichtlich konstruierten Bildern

ständig ungezähmt und es darf angezweifelt werden, ob

bescheidener, ihre anspruchsvoll überzogene Form

Fotografie jemals so ursprünglich und voraussetzungs-

vermag eine reflexive Distanz zum Selbstverständli-

los ist, wie die Rede von originellen Bildern nahelegt.

chen herzustellen; die Flucht vor dem Diskurs bleibt

Wo aber das „originelle“ Bild mit Selbstverständlichkeit

im Wesentlichen (und das ist nicht wenig!) eine geän-

dem ästhetisch gebildeten Empfinden entspricht, verzö-

derte Einstellung zu ihm. Im gebremsten Modus der

gert das konstruierte Bild den Wahrnehmungsprozess,

Wahrnehmung vermag das Subjekt seiner eigenen

entschleunigt den Modus der Aufnahme. Die Form der

vermittelnden Leistungen gewahr zu werden; seine

Darstellung wird dadurch selbst bedeutsam, innerhalb

eigene empirische Situiertheit sowie seine kulturelle

ihrer ästhetischen Eigenlogik bietet sie die Möglichkeit

Einbettung werden darin fraglich.2

6

54

Kultur

tempus Roland Barthes meint, die Fotografie trage das Signum (Abdruck oder Zeichen) der Zeit, was zu der von ihr ausgehenden Erschütterung beitrage. In diesem Sinne sei ihr etwas Anstößiges zu eigen, da sie sich nicht verändere und somit dem beständigen Wandel trotze (abgesehen davon, dass Fotopapier vergilbt oder digitale Festplatten gelöscht werden).1 Ist das Sujet einmal auf einem lichtempfindlichen Medium abgebildet, trennt es sich von der dargestellten Wirklichkeit, ist wie ein Aufkleber, der abgeht und ein seltsames Eigenleben entwickelt. Diese losgelöste und erstarrte Wahrnehmung nennt Barthes auch das spectrum, womit die Verbindung zum Spektakel gewahrt und überdies der fahle Beigeschmack erzeugt wird, der bei der Wiederkehr der Toten entsteht.1 Das spectrum – zwiespältige Emanation des Vergangenen – wird dabei in eine hybride Position versetzt, es befindet sich zwischen dem Blick der ursprünglich Fotografierenden und demjenigen späterer Betrachtenden; es ist irgendwo dazwischen (inter-est) als Objekt intentionaler Bezugnahme.

. . . i n e i n e r e w i g e n Ve r s c h m e l z u n g s t a g n i e r e n d .

Kultur

55

Es gibt Fotos, die bei mir die Illusion einer stockenden Zeit erwecken. In ihnen kommt die Zeit nicht vollständig zum Stillstand, sondern scheint zwischen zwei Achsenpunkten zu oszillieren, womit der Eindruck eines bebenden und zitternden Motivs vermittelt wird. Paradoxerweise dringt dadurch der Umstand der Uneinholbarkeit der Gegenwart verstärkt ins Bewusstsein: Mag das Bild seine Hände noch so weit in diese Richtung strecken, mag es noch so aktuell und lebendig wirken, an ihm bleibt immer etwas rätselhaft Altmodisches haften, eine seltsame Stauung, das vage Gefühl einer Vergangenheit ohne Zukunft.

Die Zentimeter zwischen den Händen werden für immer unverändert festgehalten.

56

Kultur

Du bist für die Farben, in denen ich spreche und fühle, farbenblind.

corpus Mein Körper ist das Gefäß, in dem der Eindruck des Bildes lange nachhallt. Wie ein Klangkörper verstärkt er den anfänglichen Stimulus, seine Schwingungen verleihen dem Bild jene vertraute Gestalt. Ohne ihn wäre das Bilderlebnis prinzipiell anders, der Unterschied vielleicht so tiefgreifend, dass sich ein vollständig neues Bild offenbarte.

Aber diese Debatte ist fruchtlos: Sehen ist mehr als eine Repräsentationsfunktion, mehr als die Summe psychischer Tatsachen.4 Sehen ist eine Erlebensweise, die immer schon einen Körper voraussetzt, mit seinen Hoffnungen und Enttäuschungen, seiner Geschichte und seiner Kultur. Sich auf ein Bild zu beziehen bedeutet, sich in einer bestimmten Form dazu zu verhalten, es im Zusammenklang mit den eigenen Leidenschaften und Stimmungen zur erfahren.

Und auch die Erinnerung an ein Bild schreibt sich tief in den Körper ein, hinterlässt eine Spur, die Schicht um Schicht durch andere Erfahrungen überdeckt wird. Der Körper bleibt der transzendentale Gesichtspunkt zur Welt, ein neuralgischer Punkt auf einer Landkarte, wo sich unterschiedliche Erfahrungen kreuzen.

Kultur

57

Edmund Husserl (dem vielleicht zu Unrecht ein übertriebenes Festhalten am theoretischen Bewusstsein vorgeworfen wird) lässt keinen Zweifel daran, dass auch Gefühle Formen des Bezuges sind, durch welche eine Ausrichtung auf Objekte stattfindet. Der Komplex der mannigfaltig wechselnden Spontaneitäten des Bewusstseins umfasst demnach auch die vielfältigen menschlichen Leidenschaften, dessen Affekte: „Gefallen und Missfallen, Sichfreuen und Betrübtsein, Begehren und Fliehen, Hoffen und Fürchten, Sich-entschließen und Handeln.“3 Sie alle umspannen das intentional gerichtete ego und sind demnach jene irreduzible Größe, die in jeder Bildwahrnehmung mitgegenwärtig ist und diese fundiert. Erst dadurch erlangt die Fotografie tatsächlich im Sinne Barthes’ ihre anstößige Wirkung: Sie vermag ihr eigenes Medium zu transzendieren und den Raum freizugeben, für eine unerhörte Verschränkung von Wirklichkeit und Wahrheit.1 Bestimmte Bilder sind wie ein Blitz, der mich durchfährt und das Verlangen über das hinausführt, was auf dem Bild explizit ist. Das Foto erzeugt eine Wirklichkeit beanspruchende Illusion, es wird durch meine sinngebenden Akte „beseelt“, sodass ich glaube, das „wahre“, „totale“ Foto gefunden zu haben, das Foto „an sich“ – lebend und unbeweglich zugleich.

O f f e n b a r t d e r u n g e s c h ü t z t e H a l s e i n Ve r l a n g e n n a c h Ve r t ra u e n u n d Unterwürfigkeit?

58

Kultur

Fotos und Text: Claudia Ploner und Anton A. Kelderer Models: Lea Wint und Fridolin Maier Literaturverzeichnis Barthes, Roland. 2009. Die helle Kammer: Bemerkung zur Photographie. Übersetzt von Dietrich Leube. 1. Aufl.. Bibliothek Suhrkamp. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

2 Bubner, Rüdiger. 1989. Ästhetische Erfahrung. Erstausg. Edition Suhrkamp. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

3 Husserl, Edmund. 1976. Ideen zu einer reinen Phänomenologie und Phänomenologischen Philosophie. Herausgegeben von Karl Schuhmann. Text der 1. Den Haag: Martinus Nijhoff.

———. 1977. Cartesianische Meditationen: eine Einleitung in die Phänomenologie. Herausgegeben von Elisabeth Ströker. Philosophische Bibliothek. Hamburg: Felix Meiner Verlag.

4 Merleau-Ponty, Maurice. 1974. Phänomenologie der Wahrnehmung. Herausgegeben von Georg Reimer und Karl J. Trübner. Übersetzt von Rudolf Boehm. 6. Berlin: Walter de Gruyter GmbH. 5 Sartre, Jean-Paul. 1971. Das Imaginäre: phänomenologische Psychologie der Einbildungskraft. Übersetzt von Hans Schöneberg. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.

6 Sklovskij, Viktor. 1971. „Die Kunst als Verfahren“. In Russischer Formalismus. Texte zur allgemeinen Literaturtheorie und zur Theorie der Prosa, herausgegeben von Jurij Striedter, 3–35. München: W. Fink Verlag.

1

Kultur

59

David Rodigan

An ambassador of reggae music

written by Tobias Goller

David Rodigan & Barry G at Crystal Palace Football Ground, London, UK (1985) © David Corio

„The track describes a man riding through town in a coffin and was written as a response to an event: In the late 1970s, a rumour swept the country that a coffin was travelling around Jamaica accompanied by two crows who kept asking for a Mr. Brown. Whenever news spread that the coffin was in town, hundreds of people were running outside and looking for the coffin!”

Those words interrupt my reg-

that. It forces the listeners to take a

late 60’s. Despite studying drama,

gae-experience when listening to

step back from the song to look at

Rodigan always kept his affection

“Mr Brown” by The Wailers on a

the background and the setup of the

for reggae-music alive and started

cosy Sunday afternoon. That cer-

track.

the first British reggae-radio-show

tainly was the gentle voice of none

in the 70s at Radio London, which

other than the British reggae-selec-

Sir David Rodigan himself was born

was called “Reggae Rockers”. Today

tor David RamJam Rodigan.

His

in 1951 in a military base in Han-

he has two sons and one of them,

passion for reggae-music is palpab-

nover, Germany and moved to Ox-

Jamie Rodigan, came in touch with

le in every single word when tal-

fordshire, England with his family

the sweet sound of reggae early on

king about the songs. Almost every

a few years later. His obsession

in his life through multiple trips to

track played in David Rodigan´s

with reggae-music started when he

Jamaica and has since become a

Sunday Reggae-show on BBC radio

first listened to the infectious “My

reggae musician himself, too.

1XTRA gets an introduction like

Boy Lollipop” by Millie Small in the

60

Kultur

Another interesting aspect about

In 2020, the Jamaican government

first idea of how much reggae-mu-

the man who describes himself as

even awarded Rodigan with the

sic means to David Rodigan.

a guy who looks like a dentist or

Order of Distinction for his global

a bank clerk is the fact that he’s a

promotion of Jamaican music. In

RamJam Rodigan acts as an ambas-

white man from England’s middle

his autobiography “Rodigan - My

sador of reggae-music to the non-Ja-

class who has become a legend in

Life in Reggae”, RamJam Rodigan

maican and especially the white

today’s Jamaican reggae-communi-

has put down his pure unadulte-

world without selling himself as a

ty. It’s pretty rare to see someone

rated passion in words. It’s a 308

part of it. His passion is expressed

who wasn´t born into Rastafara

page long demonstration of how

not only in his autobiography, but

culture change and influence the

following your passions, rather

especially in his regular Sunday-

whole genre as much as he did. His

than playing it safe, can result in

show on BBC´s radio 1XTRA. So

passion and effort for what he does

the most unexpected and fulfilling

maybe you´ll give it a try.

helped making reggae music popu-

lives. The opening pages describe

lar all over the world, although he

the moment when Rodigan first

often states he was just an outsider

met reggae-legend Bob Marley. You

celebrating this kind of music. No-

can literally feel his excitement

wadays he sees himself more as an

when he approaches Robert Nesta

ambassador of reggae and dance-

Marley through the written words.

hall music to the rest of the world.

In those few pages the reader gets a

David Rodigan @ Casa delle Arti 2013. Foto Francesco Zivoli - 16“ by Bass Culture is licensed under CC BY-NC 2.0

Kultur

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Genau hinsehen, was geschieht.

Ilse Aichinger

13. | 14. | 15. Mai 2022

Der internationale Journalismus ist in Innsbruck zu Gast Namhafte Journalistinnen und Journalisten aus Afghanistan, Belarus und der Türkei, die im Exil leben, werden Mitte Mai in Innsbruck erwartet. Die Stadt wird zum Forum für Debatten, Dok-Filme, Comics, Fotoreportagen und AudioFeatures. „Die Zeitlos“ ist mit dabei. „My red line is my pen“, sagt die afghanische Journalistin Farahnaz Forotan. Der Schreibstift, wie der im Logo des Festivals, stehe für „die Freiheit, mich ausdrücken zu können. Ich bin Journalistin und will es auch bleiben“. Die Frauenrechtsaktivistin hat für afghanische TVSender gearbeitet bis ihr im November 2020 geheimdienstlich geraten wurde, ihr Land zu verlassen. Forotan hat die Social-Media-Kampagne „MyRedLine“ gegründet. Sie kommt aus dem Exil in Frankreich zum Festival nach Innsbruck.

Im Exil lebt auch der türkische Journalist und Blogger Yavuz Baydar, Mitbegründer von P 24, einer unabhängigen

62

Kultur

Medienplattform in Istanbul. Baydar, der den European Press Price erhielt, wird ebenfalls in Innsbruck erwartet.

Beim 1. Internationalen Journalismusfest Innsbruck Mitte Mai 2022 steht auch die Lage in Belarus im Mittelpunkt: Die Ausstellung „Belarus lebt!“ zeigt die vielfältigen Protestformen der Demokratiebewegung.

Das staatliche Korsett für Medien in Ungarn und Polen wird ebenso Thema sein wie Fragen der Netzpolitik oder die internationale Recherche zu „Pegasus“, der weltweit gegen Menschenrechtler:innen eingesetzten Spionagesoftware.

Die Internationalen Tage der Information finden statt in Partnerschaft mit Qualitätsmedien wie der ZEIT, der Süddeutschen Zeitung, der taz, Le Monde Diplomatique, Christ & Welt, dem Standard, Falter, Ö1, Reportagen/Bern und Internazionale/Roma sowie dem ORFTirol, der Tiroler Tageszeitung, der APA und u.a. der Universität Innsbruck.

Alle Infos zum Journalismusfest Innsbruck: journalismusfest.org Twitter: journalismusIBK instagram: journalismusfest

YOU MAKE ME SO BLUE von Claudia Ploner

This is me and I like the dark now like the venom that carves it´s red streams into my body my skin my organs.

I used to be scared but now the pumping blood makes me feel more alive. fuck vampyrism.

I don‘t want you to bite; but to eat me alive. even though it hurts I am liquid in your glass shoe or should I say in your cold bottle. wax in your hands, that are soft with the diameter of my throat.

But I am not afraid, to be exposed to you. to the people on the streets with you lying on the streets on the ice cold stone of an autumn night Blue like the clothing of the hospital stuff, so I knew it wasn´t heaven where I woke up after not sleeping, but wanting to for the longest time. the so called forever but you were there. so heaven or hell, I stay.

And you sometimes do, too. rarely after a night, that tasted like red wine, the first glass, the whole bottle a shaky way home drunk kisses in white linen sheets the next cold morning alone in a bed for two. except you stay then in the middle of the bed,

always controversial to one side everywhere else. always the extreme, you want to lose yourself, but it is hard to outsmart the smart. it‘s hard to hurt the hurting you talk like metaphysics. but deep down you are art.

I like you the way I love my favourite poem..

I look at you the way you look at photographs. catching a glimpse of eternity Loving is lonely for a soul like mine. so you don´t.

I don‘t know who´s the brave one.

I don‘t know who´s the hurting one.

Je ne sais pas I´d say „you“ You‘d say “me”, always the same answer always close to the truth you live which isn‘t mine.

You‘d love to believe like a child, that was forced to grow up. no going back, just in circles, spirals, like the thoughts driving you mad sometimes.

I am afraid I will forever need a love that does not exist. the one I was made to believe in. extinct, they say you do not think that. you just think of the strangeness of the number 18 standing at the front door in the middle of the night. wet clothes hoping to be let in. the little prince lost in the layers of space always giving taking just for the act of it. left hand on your cheekbones.

Lyrik

63

©unsplash/ Claudio Schwarz

TESSA GANSERER: QUEER IM BUNDESTAG geschrieben von Merle Hubert

Seit der diesjährigen Bundestagswahl ist Tessa Ganserer neue Abgeordnete der Grünen im deutschen Parlament. Ihre Superkraft, wie sie selbst von sich behauptet: trans. Damit ist sie zusammen mit Nyke Slawik die erste transgeschlechtliche Frau im Bundestag. Die 44-Jährige möchte dazu beitragen, dass Politik nicht nur grüner, sondern auch bunter und diverser wird. Denn es bleibt noch viel zu tun für echte Gleichberechtigung für alle. Sie ist das Vorbild, das sie selbst nie hatte.

64

Gesellschaft

Acht Jahre war Tessa Ganserer bayerische Landtagsabgeordnete bei der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Vor drei Jahren outete sie sich offiziell. Die Transition vor den Augen der Öffentlichkeit durchzustehen, war alles andere als einfach für sie. Ungerechte Behandlung, Diskriminierung, Hass und abwertende Kommentare in den Medien erlebt sie noch immer täglich. Doch davon lässt Tessa Ganserer sich nicht unterkriegen – ganz im Gegenteil. Ihre größte Motivation für den Bundestag zu kandidieren: das entwürdigende und verfassungswidrige Transsexuellengesetz. Wer in Deutschland seinen amtlichen Personenstand ändern möchte, muss erst ein aufwendiges und langwieriges, gerichtliches Verfahren über sich ergehen lassen. Dazu gehört die Vorlage eines ausführlichen „Translebenslaufes“, sowie zwei psychologische Gutachten. „Das Gesetz ist entwürdigend“, kritisiert Tessa Ganserer, die das Verfahren selbst verweigert. Bei der Wahl musste sie sogar mit ihrem „Deadname“, also dem abgelegten Namen, auf dem Wahlzettel antreten. Es ist also höchste Zeit, diesem und allen anderen queer-feindlichen Gesetzen den Kampf anzusagen. Eine Aufgabe, der sich Tessa Ganserer und Nyke Slawik als Abgeordnete im Bundestag ab sofort stellen werden.

Ich hatte die Möglichkeit, mich mit Tessa Ganserer zu unterhalten.

Die Zeitlos: Sie schreiben zusam-

Menschen

marginalisierten

weil ich ihn selber nicht erlebe.

men mit der Grünen Abgeordne-

Gruppen bringen einen bestimm-

Politische Diskurse werden mit Si-

ten Nyke Slawik Geschichte. Sie

ten Erfahrungsrucksack mit sich,

cherheit besser werden, wenn das

ziehen als erste transgeschlecht-

der anderen Menschen fehlt. Die

Parlament entsprechend diverser

liche Personen in den deutschen

Folgen davon sind dann besonders

aufgestellt ist. Für echte Repräsen-

Bundestag ein und tragen maß-

für diese Gruppen täglich spürbar.

tation reicht es aber nicht bloß zu

geblich dazu bei, dass das deut-

Ein Beispiel ist die geschlechterge-

sagen, wir haben jetzt ja ein oder

sche Parlament diverser wird.

rechte Verkehrs- und Mobilitätspo-

zwei Menschen im Parlament, die

Wie sind Ihre Gefühle dabei? Wa-

litik. Dieser Politikbereich wird ext-

diese Gruppe vertreten. Das ist im-

rum ist ein vielfältig aufgestellter

rem stark von Männern dominiert,

mer noch zu wenig.

Bundestag wichtig?

obwohl es große geschlechterspe-

Tessa Ganserer: Für mich ist es eine

zifische Unterschiede beim Mobili-

War es schon immer Ihr Traum,

große Ehre im Deutschen Bundes-

tätsverhalten gibt. Wir haben in all

als Abgeordnete im Bundestag zu

tag Politik mitgestalten zu dürfen.

unseren Parlamenten eine viel zu

sitzen?

Unzählige Studien und Untersu-

geringe Frauenquote. Die Bedürf-

Nein, eigentlich nicht. Ich habe

chungen

Abstim-

nisse von Frauen finden oft viel zu

mich zuerst viele Jahre ehrenamt-

Diskurse

wenig Beachtung, weil Männern

lich engagiert, ohne für irgendwas

besser werden, wenn Teams vielfäl-

nicht denselben Erfahrungshori-

zu kandidieren. Auch Bundespoli-

tig aufgestellt sind. Das gilt zum Bei-

zont wie Frauen haben.

tik war auch nicht unbedingt von

spiel in der Wirtschaft und anderen

Auch Menschen mit Migrationshin-

Anfang an mein Ziel. Mein Wald-

Bereichen, aber eben vor allem in

tergrund sind im Bundestag stark

und Forstwirtschaftsstudium war

der Politik. Der Bundestag sollte

unterrepräsentiert. Ich selbst weiß

ausschlaggebend für mein Interes-

den Querschnitt der Gesellschaft

aber beispielsweise auch nicht,

se an Umwelt- und Verkehrspolitik.

möglichst gut abbilden. Gerade

wie sich Alltagsrassismus anfühlt,

Diese Themen liegen im Zustän

belegen,

mungsergebnisse

dass und

aus

Gesellschaft

65

digkeitsbereich der Landespolitik.

ale Gerechtigkeit und Aufbruch in

lesbische Co-Mütter diskriminiert.

Allerding wenn es um die Rechte

der Gesellschafts- und Queerpolitik.

Es geht aber nicht nur um die Rech-

von queeren Menschen und trans-

Erstens sind für mich als Grüne

te von queeren Menschen, sondern

geschlechtlichen Menschen geht,

Klimaschutz und der Erhalt der

viel mehr um die Frage, wie gehen

dann ist das Bundesgesetzgebung.

natürlichen Lebensgrundlage eine

wir als Gesellschaft miteinander

Deshalb habe ich mich dann ent-

sehr große politische Motivation.

um. Gerade mit Hate Speech in den

schieden für den Bundestag zu kan-

Ich würde gerne meine Arbeit im

sozialen Medien ist ein Problem

didieren.

Bereich Verkehrspolitik, die ich jah-

aufgetreten, dass uns als Demo-

relang im Landtag machen durfte,

krat*innen nicht kalt lassen darf.

Wie sind Sie zur Politik und zu

im Bundestag fortführen. Im Hin-

Wir dürfen auf keinen Fall zulas-

den Grünen gekommen?

blick auf die Klimaschutzziele muss

sen, dass dieser Hass von den sozia-

Das war 1998: Die erste Bundestags-

man leider feststellen, dass der Ver-

len Medien auf die Straße schwappt

wahl, bei der ich mitwählen durfte.

kehrssektor als einziger in den letz-

und unsere freiheitlich-demokrati-

Während dem diesjährigen Wahl-

ten 30 Jahren so gut wie gar nichts

sche Gesellschaft vergiftet.

kampf-Sommer habe ich mich oft

an CO²-Einsparungen beigetragen

daran zurückerinnert, weil die Aus-

hat. Wenn wir hier nicht schnell die

Sie ziehen viel Aufmerksamkeit

gangssituation sehr ähnlich war. Es

Kurve bekommen, dann werden

auf sich, weil sie sich als transge-

lagen 16 Jahre Helmut-Kohl-Regie-

wir die Klimaschutzziele nicht ein-

schlechtlich geoutet haben. Stört

rung hinter Deutschland und ich

halten können. Der Verkehrssektor

Sie das manchmal auch oder se-

kannte nichts anderes - wie dieses

ist fast für ein Viertel der CO²-Emis-

hen Sie sich eher als Vorbild und

Jahr mit Angela Merkel. Für mich

sionen verantwortlich.

wollen ihren Standpunkt bewusst

war einfach klar, es ist jetzt an der

Zweitens ist mir als Arbeiterkind

nutzen?

Zeit für eine ökonomische, ökologi-

soziale Gerechtigkeit ein sehr gro-

Teils – teils. Das ist eine schwieri-

sche und gesellschaftliche Erneue-

ßes Anliegen. Für den gesellschaft-

ge Gradwanderung. Es ist immer

rung der Bundesrepublik Deutsch-

lichen Zusammenhalt ist es wichtig,

noch so viel Aufklärungs- und Ak-

land. Gerade Klimaschutz war mir

dass die Schere zwischen Arm und

zeptanzarbeit

wichtig. Da waren die Grünen als

Reich nicht noch größer wird. Al-

erlebe ich täglich. Die Hassnach-

politische

notwendig

–

das

naheliegend.

lein der armutsfeste Mindestlohn

richten, die ich auf sozialen Medi-

Und ich wollte auf Nummer sicher

von 12 Euro wird die Lebenssitua-

en bekomme, sind nur die Spitze

gehen, dass es diese Erneuerungen

tion von Millionen von Menschen

des Eisberges. Man muss sich nur

auch wirklich gibt. Mit einem Wahl-

deutlich verbessern. Auch Kinder-

die Kommentarspalten unter den

kreuz wollte ich mich nicht zu-

armut muss effektiv eingedämmt

Berichterstattungen

friedengeben, sondern mich auch

werden.

Es gibt leider einen gewissen Teil

wirklich selbst engagieren.

Der dritte Bereich ist der gesell-

in unserer Gesellschaft, bei dem

schaftliche Zusammenhalt und die

fehlende Akzeptanz sogar in tief-

Welche politischen Themen sind

Rechte von queeren Menschen. Hier

gehenden

Ihnen besonders wichtig? Was

muss dringend etwas getan wer-

mich ist es anstrengend, mich da-

sind Ihre Ziele?

den, wie zum Beispiel die Stärkung

mit rumzuschlagen und es ist auch

Es gibt drei Politikbereiche, die

der Rechte von transgeschlechtli-

anstrengend, immer wieder nach

mir besonders am Herzen liegen:

chen Menschen, aber auch die Re-

persönlichen Erfahrungen gefragt

Bekämpfung der Klimakrise, sozi-

form des Abstammungsrechts, das

zu werden. Aber ich bin der festen

66

Heimat

Gesellschaft

Hass

anschauen.

umschlägt.

Für

Überzeugung, dass es wichtig und über ihre Erfahrungen berichten, damit andere Menschen anfangen, zu verstehen.

Sie selbst erfahren also leider im-

©Büro Tessa Ganserer

notwendig ist. Menschen müssen

mer wieder Hass und Ablehnung.

Sie haben damals Ihr Coming-Out im

öffentlichen

Rampenlicht

durchgestanden, was alles andere als einfach gewesen sein muss.

Was hat Ihnen damals besonders als Stütze geholfen? Wie gehen Sie heute mit Hass-Kommentaren um?

Ich denke im Wesentlichen sind es die positiven Antworten und Reaktionen, die allein in der Anzahl weit überwiegen und die teils so herzerwärmend und persönlich sind. Die machen mir deutlich, dass Liebe stärker ist als Hass und deswegen werden ich mich da auch nicht un-

Also zusammengefasst: Gruppen-

umgehen. Die Politik ist auch ge-

terkriegen lassen.

bezogene Menschenfeindlichkeit.

fragt, aber kann das Problem nicht

Menschen

allein lösen. Wir können gruppen-

bestimmter

Gruppen

Hate Speech, Hetze, Gewalt und

wird aufgrund bestimmter Merk-

bezogene

Hassbotschaften im Netz nehmen

male von anderen das Recht abge-

nicht im Parlament per Beschluss

zu und sind ein nicht ungefährli-

sprochen, gleichberechtigt dazuzu-

aus der Welt schaffen. Hier braucht

ches Problem. Was muss die Poli-

gehören. Sie werden ausgegrenzt,

es Aufklärungsarbeit, Akzeptanzar-

tik dagegen tun?

benachteiligt und abgewertet. Teil-

beit und Demokratieförderung.

Wir haben es hier mit mehreren

weise schlägt diese fehlende Akzep-

Und betroffene Personen, die Be-

Problemen zu tun, bei denen es

tanz sogar in Gewalt um.

nachteiligung

sehr starke Parallelen gibt. Das al-

Über diese Probleme diskutieren

ermutigt und empowered werden.

les sind gesellschaftspolitische Pro-

wir alle seit Jahrzehnten, trotzdem

Deswegen braucht es eine Wei-

bleme, die die Politik nicht allein lö-

sind sie immer noch nicht aus der

terentwicklung

sen kann. Dazu gehören Sexismus,

Welt. Das heißt für mich aber nicht,

Gleichbehandlungsgesetzes hin zu

sexualisierte

Fremdenfeindlichkeit

erfahren,

des

müssen

allgemeinen

Gewalt,

Misogynie,

dass wir uns damit abfinden müs-

einem

Fremdenfeindlichkeit,

Rassismus,

sen – ganz im Gegenteil. Auch wir

rungsgesetz. Benachteiligte Men-

Antiziganismus,

als Gesellschaft müssen einen Bei-

schen müssen die Zuversicht und

Queer-Feindlichkeit.

trag leisten und gut miteinander

das feste Vertrauen haben, dass

Antisemitismus, Ableismus,

echten

Anti-Diskriminie-

Gesellschaft

67

der Staat ihnen hilft, ihr Recht ein-

Ehepartner*innen,

verursacht.

ihre Transgeschlechlichkeit erklä-

zufordern. Wenn ich mich nur auf

Hierfür braucht es eine Wiedergut-

ren und rechtfertigen müssen. Das

Queer-Feindlichkeit

beschränke,

machung und eine Entschuldigung.

führt auch zu Problemen im Berufs-

wissen wir, dass 90 Prozent der

Das gleiche gilt für alle Menschen,

leben. Deswegen muss dieses Ge-

Straftaten nicht zur Anzeige ge-

die bis 2011 ihre Personenstand-

setz dringend durch ein Selbstbe-

bracht werden. Dort wo fehlende

sänderung erst nach einer ge-

stimmungsgesetz ersetzt werden.

Akzeptanz in Gewalt und Hass um-

schlechtsangleichenden Operation

schlägt, braucht es konsequentere

bekommen haben. Bis dato musste

Mit welchen Klischees muss end-

Ahndung. Gerade bei Hate Speech

man laut dem Transsexuellen Ge-

lich aufgeräumt werden? Welche

gehört auch dazu, dass Plattfor-

setz nachweisen, dass man diese

Sätze können Sie nicht mehr hö-

menbetreiber*innen stärker in die

Operation vorgenommen hat und

ren?

Pflicht genommen werden.

unfruchtbar ist. Bereits vor zehn

Da gibt es jede Menge, ich weiß gar

Jahren hat das Verfassungsgericht

nicht womit ich anfangen soll.

Das veraltete Transsexuellenge-

diesen Eingriff in das Grundrecht

Also mein erster Flop: Queerpoli-

setz legt Ihnen und auch vielen

auf

Unversehrtheit

tik ist Identitätspolitik. Mit diesem

anderen queeren Personen gro-

als unzulässig erklärt. Seitdem ist

Framing wird bewusst davon ab-

ße Steine in den Weg. Ihnen ins-

dieses Gesetz aber nicht angepasst

gelenkt, worum es hier eigentlich

besondere auch während Ihrer

worden. Es ist ein Fakt, dass hier

geht. Es geht hier nämlich nicht um

Kandidatur für den Bundestag.

heute noch eine Vorgabe im Gesetz

irgendwelche Extravaganzen oder

Warum ist es so wichtig, dass die-

steht, die grundgesetzwidrig ist. So

Sonderrechte, sondern es geht um

ses Gesetz geändert wird?

lange wurde von der unionsgeführ-

die Rechte und die Würde von Men-

Das Gesetz war meine Motivation,

ten großen Koalition versprochen,

schen. Wir sind alle verschieden,

für den deutschen Bundestag zu

dass das Gesetz reformiert wird,

aber wir sind trotzdem alle gleich

kandidieren. Es ist in mehreren Be-

aber passiert ist gar nichts.

an Rechten.

schlüssen vom Bundesverfassungs-

Seit 2015, also seit 6 Jahren, for-

Zweitens der Satz: „Was wollt ihr

gericht

grundgesetzswidrig

dert sogar der Europarat von den

denn? Ihr dürft ja jetzt sogar heira-

erklärt worden. Es steht bis heute

Mitgliedsländern, dass sie einfa-

ten?“

aus, dass die Bundesregierung sich

che, unbürokratische und schnelle

Drittens: Alle Sätze, die damit an-

offiziell bei den Menschen entschul-

Verfahren zur amtlichen Personen-

fangen: „Ich habe ja nichts gegen,

digt, die deshalb Unrecht erfahren

standsänderungen einführen, die

aber …“

haben. Ich halte auch einen Ent-

auf

ver-

Viertens: Sätze, wie: „Wenn jemand

schädigungsfond für notwendig.

zichten. Betroffene Personen ohne

sein Geschlecht ändern möchte ...“

Im Jahr 2007 hat das Bundesver-

oder vor der amtlichen Personen-

oder „das biologische Geschlecht

fassungsgericht geurteilt, dass Ehe-

standsänderung erleben deshalb

kann man nicht ändern.“

scheidungen,

tagtäglich

Situatio-

Diese Sätze zeigen, dass wir es als

für die Personenstandsänderung,

nen. Sie können in diesem Land kei-

Gesellschaft immer noch nicht ge-

verfassungswidrig sind. Bis dahin

nen Leihwagen mieten, sie können

schafft haben, unser Weltbild den

mussten sich verheiratete trans-

keinen Mobilfunkvertrag abschlie-

entsprechenden Erkenntnissen an-

geschlechtliche

ßen,

Corona-Schnelltest

zupassen. Der Sexualwissenschaft-

scheiden lassen. Das hat massive

machen, ohne, dass sie gegenüber

ler Magnus Hirschfeld hat vor hun-

materielle Schäden, auch für die

anderen wildfremden Menschen

dert Jahren schon erkannt, dass das

68

als

als

Voraussetzung

Menschen

Gesellschaft

erst

körperliche

Zwangsbegutachtungen

demütigende

keinen

Geschlechtsteil nicht zwischen den

einer Vulva gibt, die Kinder zur

Anmerkung: Das Interview habe

Beinen sitzt, sondern zwischen den

Welt bringen und es ist ein Fakt,

ich am 12. November 2021 geführt.

Ohren. Geschlechtlichkeit lässt sich

dass es Frauen mit Penissen gibt.

Am 24. November haben SPD, Grü-

nicht allein von körperlichen Merk-

Das haben wir zu akzeptieren.

ne und FDP schließlich ihren Koa-

malen ausmachen. Deshalb bin ich

litionsvertrag

vorgestellt.

Dieser

auch nicht im falschen Körper ge-

Mir ist wichtig zu sagen: Ich möch-

verspricht viele Verbesserung für

boren. Ich bilde mir nicht ein, eine

te niemandem einen Vorwurf ma-

queere Menschen. So soll zum Bei-

Frau zu sein, ich bin es. Geschlecht-

chen. Ich habe einfach bei mir

spiel das Transexuellengesetz, das

lichkeit ist ein untrennbarer Be-

persönlich festgestellt, dass ich

Tessa Ganserer kritisiert, durch ein

standteil unseres Bewusstseins.

diese gesellschaftliche Transfeind-

Selbstbestimmungsgesetz

Wir haben die Welt von Klein auf

lichkeit so sehr verinnerlicht hatte,

werden. Mehr zu den queerpoliti-

nur mit einer rosa und hellblau-

dass ich mich früher unglaublich

schen Plänen der Ampelkoalition

en Brille betrachtet. Geschlecht ist

schwer getan habe, mich selbst zu

kannst du in meinem Online-Ar-

aber nichts Binäres. Trotzdem gibt

akzeptieren. Wir müssen als Gesell-

tikel auf der Website der Zeitlos

es einen wahnsinnigen Normie-

schaft endlich den Sprung schaffen

nachlesen.

rungsdruck in unserer Gesellschaft,

und gut miteinander umgehen. Da

sich mit einer geschlechtsanglei-

kommt man nicht mit dem Zeige-

chenden Operation daran anpassen

finger weiter, sondern mit einem

zu müssen.

gesellschaftlichen Dialog.

ersetzt

Es ist ein Fakt, dass es Männer mit

Infokasten Deadname: abgelegter, alter Name. Gerade für transgeschlechtliche Menschen, die sich einen neuen Namen gegeben haben, kann es extrem verletzend sein, sie mit ihrem Deadname anzusprechen.

Transsexuellengesetz: Gesetz über die amtliche Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechts©unsplash/hoch3media

zugehörigkeit.

Amtliche Änderung des Personenstandes: Änderung des Geschlechtseintrags im Zentralen Personenstandsregister. Durch Änderung des Personenstands (vormals „Geburtenbuch“) wird man offiziell im gelebten Geschlecht anerkannt und kann passende Dokumente erhalten.

CO-Elternschaft, CO-Parenting, CO-Mütter, CO-Väter: Unter Co-Parenting oder Co-Elternschaft ist eine Form der Familiengründung, bei der sich Erwachsene gezielt zusammentun, um (meist ohne Sex) ein Kind zu zeugen.

Mehr-Eltern-Familien oder auch Regenbogenfamilien sind bisher nicht rechtlich verankert. Bisher können in Deutschland aber nur zwei Personen rechtliche Eltern werden.

Abstammungsgesetz: Bei einer gleichgeschlechtlichen Ehe kann die Ehefrau der Mutter nur durch eine aufwändige und langwierige Stiefkindadoption der zweite rechtliche Elternteil des Kindes werden.

Ableismus: Diskriminierung wegen einer körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung oder aufgrund von Lernschwierigkeiten Misogynie: Frauenhass Antiziganismus: Abneigung gegen Sinti und Roma

Gesellschaft

69

© Danko Cvijanovic

EHRENAMTLICHES ENGAGEMENT OHNE GRENZEN geschrieben von Danko Cvijanovic Der Innsbrucker Reini Happ engagiert sich seit Jahren ehrenamtlich in sozialen Angelegenheiten. Sei es im Vinzibus, wo er regelmäßig abends Essen für in Not geratene Menschen ausgibt, oder in seinem eigens gegründeten Benefizverein. Sein unnachgiebiges Engagement für die gute Sache kennt keine Grenzen. Wir durften ihn besser kennenlernen und einen kleinen Ausschnitt aus seinem Leben aufnehmen.

Die Zeitlos: Lieber Reini, wie bist

Erfolg wurde. Mit der Zeit kamen

viel Spekulation betrieben. Die Co-

du denn zu deinen ehrenamtli-

immer mehr Veranstaltungsideen

rona-Pandemie hat es nicht besser

chen Tätigkeiten gekommen?

dazu und meine Unterstützer*in-

gemacht, sie schiebt nämlich die

Reini Happ: Früher bestritt ich zwi-

nen und ich fragten uns, wie wir

Folgen von finanziellen Engpässen

schenzeitlich zwei Jobs, trug somit

besser mit der Hilfsbereitschaft

nur auf die Seite. Betroffen sind

neben meinem Hauptberuf noch

umgehen könnten. Hier kam nun

- nicht überraschend - vor allem

Zeitungen aus, weil ich das Geld

der Benefizverein ins Spiel, mit

alleinerziehende Personen, aber

eben brauchte. Nach diesen Jobs

dem wir einige Politiker*innen und

auch immer mehr junge Personen,

wurde dann Zeit frei und ich frag-

Persönlichkeiten

durf-

welche sich die Miete nicht mehr

te mich: „Gut, was mach ich denn

ten, um uns zu unterstützen. Sogar

leisten können. Der „Verein für Ob-

jetzt mit der vielen Zeit?“. Das Rote

einen

Box-Kampf

dachlose“ in Innsbruck versucht

Kreuz kam mir eben in den Sinn,

durften wir für einen guten Zweck

hier gezielt Menschen in der Umge-

welches mich dann zum Vinzibus

veranstalten.

bung zu helfen.

es bei mir nicht, so bin ich mittler-

Wie hat sich die Wohnungslo-

Dein Verein hat eine Reise von

weile zehn Jahre beim Vinzibus ak-

sigkeit in Tirol - speziell in Inns-

Tirol nach Wien mit einer Lauf-

tiv. Wir hatten bereits mehrere grö-

bruck - die letzten Jahre über ver-

rikscha veranstaltet. Dabei seid

ßere Charity-Aktionen koordiniert.

ändert?

ihr zu Fuß Hunderte von Kilome-

Zum Beispiel ein Fußballturnier

Die Wohnpreise in Tirol und spe-

tern für eine spezielle Muskelbe-

mit unbegleiteten, minderjährigen

ziell in Innsbruck sind explodiert,

handlung eines Buben gelaufen.

Flüchtlingen, welches ein voller

meines Erachtens wird hier auch

Wie war die Reise und wie seid

einladen

spektakulären

weiterleitete. Langes Überlegen gab

70

Gesellschaft

ihr auf diese Idee gekommen?

ten wir über 36.000 Euro einneh-

Die Spendenbereitschaft war ei-

Das war eher spontan, ich war im

men. Unser Ziel von 10.000 Euro

gentlich schon immer recht gut,

Wohnzimmer beim Fernsehen und

wurde weit übertroffen.

ich sehe die Auswirkungen der

wurde dann auf Facebook auf den

Corona-Pandemie eben erst später

Fall von Elias aus Inzing, welcher

Empfindest du deine Tätigkeit

folgen. Grundsätzlich hat sich aber

dringend eine spezielle Muskel-

auch manchmal als anstrengend?

der

behandlung in den USA brauchte,

Eigentlich überhaupt nicht, ich

Viele Personen sind einkaufen ge-

hingewiesen. Überraschenderwei-

mache meine Tätigkeit sehr gerne.

gangen, haben bei der Nachbar*in-

se kannte ich zufällig seine Mutter

Mir geht es gut, ich habe einen gu-

nenschaftshilfe mitgeholfen und

aus meiner früheren Arbeit und

ten Job, meine Familie und ich sind

einfach auf ältere Mitmenschen

kontaktierte sie, wie man helfen

gesund. Mich freut es besonders,

geachtet. Das hat ein wenig ein Um-

könnte und was der Bub brauchte.

wenn man etwas bewegen und ver-

denken in der Gesellschaft bewirkt:

Mir kam eben eine Laufrikscha in

ändern kann.

Es muss nicht immer das teuerste

den Sinn – warum nicht einfach

Zusammenhalt

verbessert.

und größte Auto sein, es gibt Wich-

von Inzing nach Wien mit der Lauf-

Was hat sich durch die Coro-

rikscha laufen und auf den Fall von

na-Pandemie für dich/euch geän-

Elias aufmerksam machen? Meine

dert?

Was würdest du Menschen raten,

„schräge“ Idee wurde sofort posi-

Die Pandemie schränkt einen zu-

die sich sozial und ehrenamtlich

tiv aufgenommen, die Leute vom

nehmend ein, aber man kann

engagieren

Verein und die Angehörigen nah-

nichtsdestotrotz viel bewegen. Un-

nicht trauen den ersten Schritt

men sich spontan Zeit und Urlaub,

ser Vinzibus stand nie still. Men-

zu machen?

um sich an der intensiven Reise zu

schen brauchen eben unbedingt

Es muss nicht immer die große Or-

beteiligen. Wir sind circa 677 Ki-

was zum Essen. Für mich persön-

ganisation sein. Man kann auch

lometer zu viert gelaufen und pa-

lich haben sich Kleinigkeiten ge-

im kleinen Rahmen aktiv sein und

rallel immer wieder mit dem Rad

ändert, für unsere Klient*innen

kleine Erledigungen durchführen,

gestrampelt. Für mich hat es sich

wurde das Leben jedoch deutlich

wie zum Beispiel die Nachbar*in-

so wie ein Abenteuerurlaub ange-

schwieriger, warme Stuben und

nenschaftshilfe – die ist sicherlich

fühlt. Selbst ich war überrascht von

sanitäre Anlagen waren zwischen-

ein gutes Beispiel dafür. Diese „klei-

der großen Hilfsbereitschaft: Leute

zeitlich geschlossen - hierbei denke

nen“ Erledigungen sind genauso

auf dem Weg ließen uns kostenlos

ich ganz besonders an die Frauen,

notwendig wie Veranstaltungen im

übernachten, viele unterstützten

für die es ganz besonders schlimm

großen Rahmen. Außerdem ist es

uns bis nach Wien, wo wir in das

ist, wenn die Einrichtungen einfach

wichtig, sich in die Sicht von einem

Rapid-Stadion einlaufen und einen

geschlossen

eingeschränkt

Betroffenen einzufühlen, da ist die

Scheck vom Verein übernehmen

zugänglich werden. Unser Leitsatz

Überwindung für die meisten Men-

durften. Nicht zu vergessen ist das

war, dass der Vinzibus unbedingt

schen wesentlich größer nach Hilfe

großartige Benefizfrühstück, initi-

weitermachen muss.

zu suchen, als Hilfe zu leisten. Hier-

oder

iert vom Inzinger Bürgermeister,

tigeres.

wollen,

aber

sich

bei gilt es eben nie zu vergessen,

in der Heimatgemeinde von Elias,

Hat sich die Hilfsbereitschaft der

dass man selbst auch mal in so eine

welches nochmals Geschlossenheit

Leute nach der Corona-Pandemie

Situation geraten kann; es kann

und Gemeinschaft im Dorf symboli-

verändert?

sich ein Unfall ergeben, eine chro-

sierte und stärkte. Insgesamt konn-

nische Krankheit

Gesellschaft

71

oder auch finanzielle Engpässe, da-

meine Familie und mich. Ich hoffe zudem weiterhin auf so viel Unterstüt-

von ist wirklich niemand befreit.

zung von der Bevölkerung und als dritten Wunsch - dieser ist ein wenig konkreter - wünsche ich mir mehr Räumlichkeiten von der Stadt Innsbruck für

Was sind denn derzeit die drin-

unser Klientel, wo Menschen auch in der Corona-Pandemie zumindest im

gendsten Sachen, welche eure

Warmen essen können und ein wenig Schutz bekommen. Wer weiß denn

Klient*innen für den Winter be-

schon, wie lange diese Pandemie wirklich noch andauern wird.

nötigen?

Schlafsäcke werden am meisten angefragt, aber auch Socken, lange Unterhosen, Kapuzen und Jacken.

Oft einmal ist auch ein offenes, wärmendes Gespräch für viele Personen eine wichtige Stütze; sich eben genau dafür die Zeit zu nehmen. Manchmal - das klingt jetzt für viele Leute eventuell schräg - schenke ich den Betroffenen ein „Packl“ Zigaretten und nein, ich bin kein guter Suchtberater, aber so ein Bedürfnis ist eben auch menschlich. Der Verein „DOWAS für Frauen“ in Innsbruck kümmert sich hauptsächlich um Frauen, die in Not geraten sind. Hier werden beispielsweise Hygieneartikel verteilt

© Danko Cvijanovic

und immer wieder gerne angenommen. Hierbei muss man bedenken, dass ein Drittel der wohnungslosen Personen Frauen sind, welche sich oft über Zweckbeziehungen über Wasser halten. Das aktuelle Thema „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ macht auch auf viele Gewaltrollen aufmerksam, welche Frauen durchleiden. Dort ist die Dunkelziffer wesentlich höher.

Einen Blick in die Zukunft, wir nähern uns dem Jahresende: Was sind deine Wünsche für 2022?

Ich wünsche mir Gesundheit für

72

Gesellschaft

AUCH DU MÖCHTEST HELFEN? AUF DER WEBSEITE: reinihappundfreunde.at FINDEST DU MEHR ZU REINI‘S PROJEKTEN UND SPENDEN SOWIE MITMACHMÖGLICHKEITEN.

Alles wenn du ganz leise bist hörst du dich selbst keine stimme die schreit und bellt keine laute diec löcher reißen in deine welt nur du und dieses große universum zieht in dich ein du bist alles so vieles und doch wieder nichts größer oder kleiner als du jemals sein wirst Valentina Ranseder

Lyrik

73

Über eine Hochstaplerin. geschrieben von Eva Mattle

Hoch·stap·ler, Hochstaplerin /Hóchstapler/ Substantiv, maskulin [der] „Jmd., der durch betrügerisches Auftreten eine geachtete gesellschaftliche Stellung vortäuscht, um sich dadurch Vorteile zu verschaffen“

Der Anfang.

Im Dezember 2013 war der deutsch-polnische Historiker Bogdan Musial auf einer Weihnachtsfeier eines Mitglieds der High Society Münchens zu Gast. Dort begegnete er einer Frau, die sich ihm als Nicole vorstellte. Sie berichtete ihm von ihrer Tätigkeit als vatikanische Leibärztin und sagte, sie sei ungarische Gräfin und Virologin. Und zudem erzählte sie von Unterlagen ihres verstorbenen Großvaters. Dieser, so sagte die Gräfin, habe im Stammlager von Auschwitz als Häftlingsarzt gearbeitet - unter Josef Mengele, dem bekannten und grausamen SS-Arzt, der dort vor allem menschenverachtende medizinische Experimente an Häftlingen durchführte. Die Unterlagen, so behauptete Nicole, befänden sich zu dem Zeitpunkt in der Schweiz in einem Schließfach und könnten aufgrund einer Sperrfrist nicht geöffnet werden. Der Historiker und Wissenschaftler war begeistert – neue, noch unerforschte Dokumente aus erster Hand! Er konnte einer Zusage nicht widerstehen.

Und so konnte Bogdan Musial schließlich am 27. Januar 2015, dem Tag, an dem die Frist endete und der übrigens auch der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus ist, gemeinsam mit Nicole die Dokumente einsehen.

74

Gesellschaft

Der Betrug.

engagierter wurde – er hoffte, mehr

Prozent wurden aus anderen Do-

mithilfe von Nicole zu erfahren.

kumenten abgeschrieben, der Rest

Aber von Beginn an lief nicht al-

frei erfunden. Das war auch der

les ganz reibungslos. Die erste Un-

Im Dezember 2015, also fast ein

Grund, warum eine externe Per-

stimmigkeit fand sich schon bei

Jahr nachdem Musial die Doku-

son, die übersetzt, von ihr nicht er-

der Abholung der Dokumente. Ni-

mente von Nicole bekommen hatte

wünscht war – so wäre der Betrug

cole hatte Musial insgesamt sechs

und zwei Jahre nach dem Beginn

viel eher aufgefallen. Nicole bzw.

gesammelte

Dokumenten-Pakete

seiner Recherche, stößt er zufällig

Magdolna K., wie die falsche Gräfin

versprochen, im Schließfach befan-

auf ein Dokument, das alle Arbeit

wirklich heißt, belog die Münchner

den sich jedoch lediglich drei. Mit-

und Ergebnisse nichtig macht. Als

High Society und Bogdan Musial

arbeiter*innen des Vatikans hätten

er nämlich die Notizen des Großva-

nach Strich und Faden.

die anderen schon abgeholt. Eine

ters durchblättert, stößt er auf eine

zweite Schwierigkeit ergab sich da-

Folge von sieben Ziffern, die er als

durch, dass die Schriften auf Unga-

polnische Telefonnummer identifi-

Musial will nun Beweise gegen

risch verfasst waren und Musial so

ziert. Diese Form der Telefonnum-

Magdolna

eine zweite Person, die ihn bei der

mern existiert aber erst seit dem

spielt er ihr Spiel noch weiter mit.

Übersetzung unterstützen konnte,

Anfang des 21. Jahrhunderts – und

Er kann sie nämlich aufgrund von

hinzuziehen musste. Damit war

da war der Großvater schon lan-

fehlender und unsicherer Beweis-

Nicole

Datenschutzgründen

ge Zeit nicht mehr am Leben. Das

lage noch nicht anzeigen – er will

jedoch nicht einverstanden – sie

musste also zwangsläufig bedeu-

aber auch nicht, dass sie herausfin-

wollte die Dokumente lieber selbst

ten, dass die Dokumente gefälscht

det, dass er über ihre Hochstapelei

übersetzten. So ließ Musial seinem

waren.

Bescheid weiß und flieht. Und so

aus

Der Betrug des Betrugs.

sammeln

und

dafür

täuscht er die Betrügerin. Er weiß,

Helfer immer nur kleine Absätze zukommen. Aber alle Dokumente,

Jetzt beginnt Musial, der vermeint-

dass Magdolna sehr interessiert

die Nicole Musial gab, erschienen

lichen Gräfin auf den Zahn zu füh-

daran ist, einen Spielfilm über sich

authentisch – beispielsweise konn-

len. Nicole hatte sich bei Musial,

und ihren Großvater zu drehen.

te das Alter des Papiers als passend

wie bereits angesprochen, als un-

Gemeinsam mit einem Kamera-

identifiziert werden. Allerdings gab

garische Adelige mit weltweitem

team reisen Musial und Magdolna

es in keinen anderen historischen

Ansehen vorgestellt, die Leibärztin

Mitte April 2017 nach Budapest, um

Dokumenten, die aus dem Zweiten

im Vatikan und in Zürich als Uni-

mit

Weltkrieg

Erwähnun-

versitätsprofessorin tätig ist. Bei

sprechen und filmen diese Szenen

gen von Nicoles Großvater. Musi-

intensiverer Recherche fällt Musial

– Magdolna weiß zu diesem Zeit-

al, noch voller Enthusiasmus über

jedoch auf, dass nichts davon der

punkt nicht, dass ihr Betrug schon

seine neuen Entdeckungen, fand

Wahrheit entspricht: Nicole wuchs

aufgeflogen wird.

dafür aber eine Erklärung: Das

in einer serbischen Kleinstadt in

Schicksal der Häftlings-Ärzt*innen

ärmlichen Verhältnissen auf, hat

So fliegt Nicole aka Magdolna K.

sei erst wenig erforscht und daher

das Medizinstudium abgebrochen

Schritt für Schritt auf. Als dann

ist es nicht ungewöhnlich, dass eine

und ist eigentlich arbeitslos. Alle

noch ein weiterer Schwindel auf-

Person noch nicht dokumentiert ist.

Dokumente, die angeblich vom

gedeckt wird, ist sie endgültig als

Das ist sogar ein weiterer Grund,

Großvater stammen, sind durchzo-

Hochstaplerin entlarvt. Zusätzlich

warum Musial interessierter und

gen von Plagiaten und Zitaten, 60

zu den Dokumenten aus dem Kon

stammen,

Auschwitz-Überlebenden

Gesellschaft

zu

75

zentrationslager

betrog

Magdol-

wissenschaftlichen

bleibt, die sie mit aller Kraft auf-

na K. nämlich auch Barbara Riepl,

Forschungen im Weg und scha-

recht zu erhalten versuchen. Und

indem Nicole sie in der Zeit ihrer

den damit der Aufarbeitung von

manche Welten bleiben bis ins Er-

Trauer um ihren jung gestorbenen

Genoziden an Menschen, die im

wachsenenalter aufrechterhalten,

Sohn abfing und später Unwahr-

Zweiten Weltkrieg oder in ande-

werden fortwährend ergänzt und

heiten verbreitete, um an das Geld

ren Kriegen ihr Leben verloren

optimiert.

der Frau zu kommen. So erzählte

haben. Damit haben Fälschungen

wie es ist, sie selbst zu sein, wissen

sie ihr beispielsweise, dass Papst

auch

ge-

nicht mehr, wer sie ohne Lügen

Benedikt der XVI. dringend einen

sehen

Folgen:

sind und sind letzten Endes auch

Treppenlift und einen Massage-Ses-

Holocaustleugner*innen und Ver-

„niemand“ mehr, weil alles, was

sel brauchte und sie, wies sich ja als

schwörungstheoretiker*innen

se-

sie ausmacht und umgibt, erlogen

des Papstes Leibärztin aus. Barbara

hen darin ein gefundenes Fressen.

ist. Hochstapler*innen sehnen sich

Riepl überwies ihr im Zuge solcher

Einerseits natürlich, weil falsche

nach Anerkennung und sind in vie-

Lügen in einem Zeitraum von vier

Informationen verbreitet werden,

len Fällen auch sehr intelligent –

Jahren fast eine halbe Million Euro.

andererseits aber auch, weil Vor-

schließlich müssen sie dazu fähig

Für diese Tat wird Magdolna K. im

stellungen unterstützt werden, so-

sein, Lügen-Konstrukte aufzubau-

Mai 2018 für viereinhalb Jahre Haft

dass die gesamten Geschehnisse

en, die über Jahre hinweg geglaubt

verurteilt – für die Fälschung der

des Zweiten Weltkriegs als erlogen

werden.

Dokumente aus dem Konzentrati-

geglaubt werden. Durch diese Prob-

onslager wird sie jedoch in der Fol-

lematik sind sowohl Fake-News als

Über die Kindheit der Magdolna K.

ge nicht belangt.

auch Verschwörungstheorien vor-

lässt sich wenig herausfinden, doch

programmiert.

die Informationen, die zur Verfü-

doch

auch

gesamtgesellschaftlich schwerwiegende

Menschen

verlernen,

gung stehen, zeigen sie als arme, arbeitslose Studienabbrecherin. In

Das Problem.

Der Anfang.

Immer wieder werden Dokumen-

Die Frage.

dem Konstrukt, das sie aufgebaut hat, konnte sie ihre Probleme behe-

Aber warumHistoriker werden Menschen Im Dezember 2013 war der deutsch-polnische Bogdan Musial te der nationalsozialistischen Zeit ben,auf ihreeiner sozialeWeihnachtsfeier Stellung kurzzeitig eines Mitglieds der High Society zu Gast. Dort er einer Frau, die sich ihm zu Hochstapler*innen?

Imbegegnete Fall der gefälscht und es besteht selten das Münchens verbessern und vielleicht sogarals für Nicole vorstellte. berichtete ihm von Nicole ihrer Tätigkeit als vatikanische Leibärztin sagte, sie Gräfin spielte sicher Geld Bewusstsein der Sie Auswirkungen sich selbst ihren und eigenen Selbstsei ungarische Gräfin und Virologin. zudem erzählte sie von Unterlagen ihres verstorbenen eineUnd große Rolle, daneben Anerkenaufseiten der Täter*innen.

Der wert steigern.

Damit hat sie jedoch Großvaters.

Dieser, sagteAndie Gräfin, habe imWunsch Stammlager von Auschwitz Häftlingsarzt gearnung und der nach einem Holocaust wird für dasso eigene wertvolleals Zeit und Ressourcen verbeitet - unter dem bekannten und grausamen der dort vor allem menschenLeben abseits von 40 StundenSS-Arzt, Wosehen oder die Josef eigeneMengele, Bekanntheit schwendet, Menschen ausgenutzt verachtende medizinische Experimente an Häftlingen durchführte.

Die so behauptete chen und Mindestlöhnen.

Aber ist missbraucht. Damit werden Opfer, undUnterlagen, Leid verursacht.

Nicole, befänden sich zu Taten dem Zeitpunkt in nur derdas?

Schweiz in einem Schließfach und könnten aufes wirklich die tatsächlich die grausamen grund einer Sperrfrist nicht geöffnet werden. Der Historiker und Wissenschaftler war den begeistert miterlebt haben, verletzt und hinWenn du mehr über Fall er–tergangen. neue, noch Dokumente aus erster Hand! Er konnte einer Zusage nicht Der Berliner Psychiater Professor Ihr unerforschte Leiden wird negiert fahren willst, gibtwiderstehen. es eine ausUnd konnte Bogdan Musial schließlich am 27.

Januar dem an demReportage, die Frist endete und Hans Stoffels sieht einen2015, Grund in Tag, und so verharmlost.

Betrüger*innen führliche überall, wo der übrigens auch der die Opfer des Nationalsozialismus mit schwerenan Kindheitsdefiziten, wenn schaffen sich Vorteile auf Tag eine des Wei-Gedenkens es Podcasts ist, gibtgemeinsam unter dem Titel: Nicole die Dokumente einsehen.

Kinder so schwere Realitäten erlese, die moralisch und ethisch nicht Die falsche Gräfin. vertretbar ist.

ben, dass ihnen als einziger Aus-

Die Lügengeschichten stehen je-

weg die Flucht in eine Fantasiewelt

76

Gesellschaft

träume wundersame wesen wandern in unseren köpfen treiben unfug und träumen von liebe sie springen voll hochmut wohl ohne Gedanken zu fallen halten sich nicht fest treiben umher träumen und geistern fröhlich ohne wehmut trotzen den stürmen in unendlichen höhen treiben im winde warten abgeholt zu werden träume so schön wir wagen gar nicht sie zu denken von Valentina Ranseder

Lyrik

77

Heimat bist du groß geschrieben von Jonas Heitzer

Die

1980er-Jahre

laufbahn fühlt sie sich als Angehö-

zum ersten Mal Mutter, mit 21 zum

waren geprägt von großen Fort-

1970er-

und

rige der Arbeiter*innenklasse und

zweiten Mal, sie zieht mit ihrem

schritten, was die Stellung der

nimmt weiterhin an Veranstaltun-

Mann in eine Gemeindewohnung

Frau im österreichischen Recht

gen im Umfeld der Sozialistischen

der Stadt Wien. Innerhalb der Ehe

betrifft. Die meisten davon sind

Partei teil.

sind die Verhältnisse aber andere

vor allem mit dem Namen einer

als zu dieser Zeit üblich. Sie über-

Frau verbunden, die ihren Platz in

Beinahe wäre, trotz dieser frühen

redet ihren Mann, seine Stelle als

unserem kollektiven Bewusstsein

Politisierung, aus der jungen Jo-

Chauffeur aufzugeben und sich

verdient hat: Johanna Dohnal, Ös-

hanna Dietz die Hausfrau Johanna

bei den Wiener Linien zu bewer-

terreichs erste Frauenministerin.

Dohnal geworden. Denn bereits

ben, während sie ihre politische

Das ist ihre Geschichte.

mit sechzehn Jahren lernt sie ihren

Karriere bei den Kinderfreunden

späteren Mann kennen, den da-

und den SPÖ-Frauen beginnt und

Johanna Dohnal kommt am 14.

mals 23-jährigen Chauffeur Franz

gleichzeitig ihre Erwerbstätigkeit

Februar 1939 in Wien-Penzing als

Dohnal. Schon bald folgt die Verlo-

fortführt. Die Kinderbetreuung und

Johanna Dietz zur Welt. Sie wächst

bung, mit achtzehn die Hochzeit,

Hausarbeit teilt sie sich mit ihrer

vor allem bei ihrer Großmutter auf,

und auch der erste Nachwuchs lässt

Großmutter, ihrer Mutter und - mit

eine starke Persönlichkeit, die für

nicht lange auf sich warten. Eine

ihrem Mann. Zur Erinnerung: Wir

sie ein erstes Vorbild wird. Trotz

Familiengründung strikt nach dem

sprechen von den 1960er-Jahren.

Wissbegierde und guter Leistungen

Ideal der 1950er-Jahre. Diese heu-

muss sie, wie viele junge Frauen in

te befremdlichen Umstände ent-

den 1950er-Jahren, schon mit vier-

sprachen dem Zeitgeist der späten

zehn Jahren die Schule beenden.

50er-Jahre.

Die Matura oder gar ein Studium wären für die Familie finanziell nicht zu stemmen gewesen. Nach einer Beratung beim Arbeitsamt, die ihre Großmutter organisierte, entscheidet Johanna Dohnal sich

Das Berufliche wird politisch Die

Erfahrungen,

die

Johanna

Dohnal dazu veranlassen, ihr poli-

„Was soll denn das heißen, eine Frau hat Mann und Kinder zu versorgen?

Sind Männer denn hilflos und unmündig?“

für eine Lehre als „Industriekauf-

tisches Engagement zu ihrer Hauptbeschäftigung zu machen, macht sie ein Jahr nach der Geburt ihres zweiten Kindes, als ihr Karenzurlaub endet und sie sich zu einem Berufswechsel gezwungen sieht.

mann“ – ein Glücksgriff, wie sich

Zunächst geht auch die junge Fami-

Ihre Tätigkeit als Beitragskassiere-

herausstellen sollte, denn ihr Chef

lie Dohnal zumindest von außen be-

rin für eine Versicherung und die

bezahlt für zusätzliche Ausbildun-

trachtet einen konservativen Weg

Sozialistische Partei führt sie in vie-

gen an der Volkshochschule. Trotz

mit getrennten Rollen der Eheleute.

le Privatwohnungen. Sie sieht die

dieser beginnenden Angestellten-

Mit zwanzig Jahren wird Johanna

ärmlichen Verhältnisse, in denen

78

Gesellschaft

ßer Töchter

Johanna Dohnal, Wien, 1992

Courtesy Studio Semotan © Elfie Semotan

Gesellschaft

79

ein großer Teil der Wienerinnen

ten ja durch die Teilnahme zu

ge Unterstützer*innen, unter an-

und Wiener zu dieser Zeit leben

„Emanzen“ werden und „Familien

derem

müssen. Ihre politische Sozialisati-

zerstören“. Johanna Dohnal wird

Hertha Firnberg und Justizminis-

on war demnach keine explizit fe-

dazu später in einem Interview

ter Christian Broda, für sich zu ge-

ministische, sondern eine klassisch

sagen: „Die Nachkriegszeit, bei der

winnen und ihre Position somit in

sozialdemokratische.

die Ideologie in den Hintergrund

der Partei durchzusetzen – auch

getreten ist, hat konservative Ein-

gegen die anfänglichen Bedenken

Ende der 60er-Jahre erwirbt Johan-

stellungen verstärkt. Bei manchen

von Kanzler Bruno Kreisky, der die

na Dohnal ihr erstes politisches

Älteren hat es da eine gewisse Ver-

gute Gesprächsbasis mit der ka-

Mandat und wird Bezirksrätin in

stocktheit gegeben gegenüber den

tholischen Kirche nicht gefährden

Penzing. Immer mehr Parteigenos-

Neuen Sozialen Bewegungen.“

wollte. 1972 folgt der Beschluss des

s*innen fällt ihre rhetorische und

Wissenschaftsministerin

Gesetzesvorschlags am Bundespar-

politische Begabung auf. Sie wird,

Reform des Ehe- und Familien-

teitag. 1973 beschließt die absolute

trotz ihrer anfänglichen Abnei-

rechts in den 1970er-Jahren

Mehrheit aus 93 SPÖ-Abgeordne-

gung gegenüber den Aktivitäten

ten das Gesetz als Teil der Großen

der SPÖ-Frauenkomitees , Anfang

Ein erstes großes Ziel der SPÖ-Frau-

Strafrechtsreform im Nationalrat,

der 1970er-Jahre Vorsitzende der

en unter der Leitung von Johanna

die Oppositionsparteien ÖVP und

SPÖ-Frauen im Bezirk Penzing und

Dohnal ist die Abschaffung von Pa-

FPÖ stimmten kollektiv dagegen.

damit auch stellvertretende Be-

ragraph

144 StGB, der die „Abtrei-

Die Einführung der Fristenlösung

zirksparteivorsitzende. Von diesem

bung der eigenen Leibesfrucht“ in

ist ein großer Erfolg für die Frauen-

Zeitpunkt an beschäftigt sie sich in-

jedem Fall unter Strafe stellte – ein

bewegung der 1970er-Jahre, welche

tensiv mit emanzipatorischer Frau-

Gesetz aus der „Postkutschenzeit“,

nun noch selbstbewusster auftre-

enpolitik.

dem Jahr 1802. Während viele Ak-

ten kann als zuvor.

tivist*innen außerhalb der Partei Reform der Wiener

eine vollständige Freigabe der Ab-

Dohnal weiß aber zu diesem Zeit-

SPÖ-Frauen

treibung ohne Kriterien fordern,

punkt bereits, dass der Kampf noch

setzen sich die SPÖ-Frauen für die

nicht geschlagen war. Der von der

Nach nur einem Jahr als Vorsit-

sogenannte Fristenlösung ein: Ab-

katholischen Kirche und der ÖVP

zende in Penzing steigt Dohnal

treibungen sollen jedenfalls bis zu

massiv unterstützte Verein Aktion

zur Wiener Landessekretärin der

drei Monate nach der Empfängnis

Leben machte auch nach Verab-

SPÖ-Frauen auf. Damit wird sie öf-

straffrei bleiben.

schiedung des Gesetzes mobil. Ihr

fentlich bekannt, und die Stelle ist

Die Gesamtpartei vertritt noch eini-

Volksbegehren für ein Bundesge-

bezahlt, sie kann sich also endlich

ge Zeit die sogenannte Indikationen-

setz zum Schutz des menschlichen

voll und ganz auf ihre politische Ar-

lösung: Schwangerschaftsabbrüche

Lebens war 1975 mit knapp 900.000

beit konzentrieren.

sollten nur aus medizinischen oder

Unterschriften eines der größten

Johanna

das

sozialen Gründen erlaubt - und

der 2. Republik , blieb jedoch in

Angebot der Wiener SPÖ-Frauen

somit vom Urteil (zumeist männli-

seiner Forderung nach der Ab-

durch Mütterklubs, Stammtische

cher) Ärzt*innen und Kommissio-

schaffung der Fristenlösung erfolg-

und Seminare zu feministischen

nen abhängig sein.

los. Der Zugang zu Einrichtungen

Themen und stößt dabei anfangs

Am Ende gelingt es Dohnal und

und Ärzt*innen, die Abtreibungen

auch auf Gegenwehr. Frauen könn-

den Wiener SPÖ-Frauen, wichti-

durchführen, ist aber wegen der

80

Dohnal

Gesellschaft

erweitert

Ambivalenz des Themas bis heute ein großes Problem in Österreich.

Minister und vier neue „weibliche Eine erste Folge der Reformen im

Staatssekretäre“. Erstere ohne gro-

Familienrecht ist die Etablierung

ße Diskussionen, zweitere gegen

Dennoch: Der feministische Zeit-

von Frauenhäusern in Österreich.

erbitterten Widerstand der Partei-

geist beeinflusst die Politik der SPÖ

Die erste Einrichtung, zunächst

basis und erst nach Androhung des

unter Kreisky weiterhin stark. Ein

nur eine größere Wohnung, wurde

eigenen Rücktritts als Vorsitzender.

weiterer bedeutender Meilenstein

1978 eröffnet, finanziert durch die

Einer der neuen „Staatssekretäre“:

ist das Gesetz über die persönlichen

Stadt Wien und autonom verwal-

Johanna Dohnal. Ihr Arbeitsplatz:

Rechtswirkungen der Ehe, verab-

tet. Johanna Dohnal war dabei das

das Bundeskanzleramt. Ihr Aufga-

1811-1976: §91 ABGB: Der Mann ist das Haupt der Familie.[…] §92 ABGB: Die Gattin […] ist verbunden, dem Manne in seinen Wohnsitz zu folgen […] und […] die die von ihm getroffenen Maßregeln sowohl selbst zu befolgen, als befolgen zu machen.

ab 1976: § 91 ABGB: Die Ehegatten sollen ihre eheliche Lebensgemeinschaft […] einvernehmlich gestalten. §92 ABGB: (1) Verlangt ein Ehegatte aus gerechtfertigten Gründen die Verlegung der gemeinsamen Wohnung, so hat der andere diesem Verlangen zu entsprechen, es sei denn, er habe gerechtfertigte Gründe von zumindest gleichem Gewicht, nicht mitzuziehen. (2) Ungeachtet des Abs. 1, kann ein Ehegatte vorübergehend gesondert Wohnung nehmen, solange ihm ein Zusammenleben mit dem anderen Ehegatten, besonders wegen körperlicher Bedrohung, unzumutbar oder dies aus wichtigen persönlichen Gründen gerechtfertigt ist.

schiedet 1976. Darin festgeschrie-

Bindeglied zwischen autonomen

benbereich: „Allgemeine Frauen-

ben: die rechtliche Gleichstellung

Aktivist*innen und der Stadtpolitik.

fragen“. Kreisky wird später in ei-

von Mann und Frau in der Ehe. Zu-

Ein Erfolgsmodell mit nachhaltiger

nem Kurier-Interview sagen: „Bei

vor war der Mann auch im juristi-

Wirkung: Heute gibt es in Öster-

der Todesstrafe und der Emanzi-

schen Sinn das Familienoberhaupt,

reich 26 Frauenhäuser, in denen

pation der Frau darf man die Basis

die Frau hatte seinen Anweisungen

2020 fast 3.000 Frauen und Kinder

nicht fragen. Denn die Basis ist [...]

zu folgen. Er konnte der Frau die

betreut wurden.

primär reaktionär.“ Wie weit der

Berufstätigkeit verbieten, über den

Weg, den die österreichische Ge-

Wohnort entscheiden und hatte –

Der weibliche Staatssekretär

kein Scherz – die alleinige Schlüs-

Johanna Dohnal

selgewalt über alle verschließba-

sellschaft zu diesem Zeitpunkt trotz umfassender

Gesetzesreformen

noch zu gehen hat, zeigen zahlrei-

ren Gegenstände im gemeinsamen

Die steigende Bedeutung von „Frau-

che geschmacklose und sexistische

Haushalt. 1977 folgte die Namen-

enfragen“ schlägt sich schon bald

Karikaturen in den Zeitungen, die

rechtsreform: Frauen ist es nun

auch in der personellen Zusam-

etwa Kreisky als Pascha mit den

möglich,

welchen

mensetzung der Regierung Kreis-

vier Staatssekretärinnen als Harem

Namen sie nach der Eheschließung

auszuwählen,

kys nieder. Im Herbst 1979 ernennt

zeigen.

führen wollen.

der SPÖ-Bundeskanzler zwei neue Gesellschaft

81

Kreiskys erster Auftrag an Dohnal

Die Novellierung des Staatsbür-

stützer*innen rechnet fest mit der

ist klar: Geh in die Bundesländer,

gerschaftsgesetzes,

dazu

Gründung eines Frauenministeri-

erzähl den Frauen, was sich alles

führte, dass Kinder nicht nur die

ums – ach elf erfolgreichen Jahren

geändert hat! Und Dohnal macht

Staatsbürgerschaft

Vaters

als Staatssekretärin ein logischer

genau das: Sie geht mit ihren bei-

übernehmen

sondern

Schritt, aber Vranitzky hält sich

den Mitarbeiterinnen auf Bundes-

auch die der Mutter;

die des

durften,

lange bedeckt. Erst als Dohnal mit

länder-Tour, spricht mit Frauen aus

ihrem Rücktritt droht und diesen

allen gesellschaftlichen Schichten,

Die Ermöglichung von Teilzeit-

bereits innerparteilich vorbereitet,

bietet

arbeit für beide Elternteile von

lässt sich der „Nadelstreif-Kanzler“

Kleinkindern.

überzeugen – die Nachricht über

„Frauenservicestellen

un-

terwegs“ an – und sorgt so dafür, dass

die

Gesetzesreformen

der

ihre Ernennung zur Frauenminis-

1970er-Jahre auch im Bewusstsein

Auch zur autonomen Frauenbe-

terin erfährt Johanna Dohnal aus

jener Frauen verankert werden, die

wegung hielt Johanna Dohnal als

dem Fernsehen.

zuvor keine Berührungspunkte mit

Staatssekretärin weiterhin engen

der neuen Frauenbewegung hatten.

Kontakt. Ab 1979 wurde die erste

Endlich Ministerin

sogenannte Frauenenquete abgeDie von Dohnal eingerichtete dau-

halten, mit dabei: 250 Vertreterin-

1991 wird Dohnal als Ministerin

erhafte Frauenservicestelle im Bun-

nen von verschiedenen Frauenor-

angelobt, doch außer der Berufs-

deskanzleramt ist ein durchschla-

ganisationen - und Bundeskanzler

bezeichnung ändert sich wenig. Ihr

gender Erfolg: Jährlich nutzen bis

Kreisky.

werden

Ministerium bleibt ein Anhängsel

zu 1.500 Menschen die Möglichkeit,

halbjährlich wiederholt und auch

des Bundeskanzleramtes, ihr Bud-

ihre Anliegen der Staatssekretärin

auf die Bundesländer ausgeweitet.

get ist klein und dessen Planung

persönlich

weitere

Ein weiterer wichtiger Schwer-

liegt nicht in ihrer Hand. Zum

6.000 melden sich jährlich schrift-

punkt in Dohnals Arbeit ist die Sen-

wichtigen Freund und Unterstüt-

lich oder telefonisch. Vor allem

sibilisierung für die Darstellung

zer innerhalb der Regierung wird

Dohnals Mitarbeiterinnen Christine

von Rollenklischees in den Medien.

Finanzminister Ferdinand Lacina.

Stromberger und Elisabeth Rosen-

Teil davon sind unter anderem die

Insgesamt wird der Gegenwind

mayr geraten an ihre Belastungs-

Aktion

und

vor allem innerparteilich rauer:

grenzen und berichten später von

ein Kinderbuchwettbewerb, wel-

Dohnal, seit 1987 stellvertretende

einem immensen Arbeitspensum.

cher in der Veröffentlichung des

Bundesvorsitzende, wird mit nur

Aus diesen vielen Gesprächen und

Buches Mädchen dürfen pfeifen,

70 Prozent wiedergewählt – eine

Anliegen erhält Dohnal wichtige

Buben dürfen weinen resultiert.

Reaktion auf die Erhöhung der

Einblicke in die Probleme, mit de-

1983 verliert die SPÖ die absolute

Frauenquote auf allen

nen Frauen alltäglich konfrontiert

Mehrheit, Bruno Kreisky tritt nach

sind – Einblicke, die auch konkrete

13 Jahren Kanzlerschaft zurück.

Kandidat*innenlisten

Änderungen nach sich ziehen.

Die SPÖ muss viele Stimmen an die

von 25 auf 40 Prozent. Trotzdem

Zu nennen sind unter anderem:

Grünen und später auch an das Li-

kann Österreichs erste Frauenmi-

berale Forum, die Vorgängerpartei

nisterin noch einiges umsetzen,

Die Ausweitung des Mutterschut-

der NEOS einbüßen. 1990 wird er-

beispielsweise das Bundesgleichbe-

zes auf Bäuerinnen und selbst-

neut der Nationalrat gewählt, und

handlungsgesetz, das die Gleichstel-

ständige Frauen;

Johanna Dohnal mit ihren Unter-

lung von Männern und Frauen in

82

vorzutragen,

Gesellschaft

Diese

Treffen

Medienbeobachtung

der

Partei

der Bundesverwaltung festschreibt,

der Regierung aus und schaffte so

das zur Ministerin aufstieg, wird

und das 1997 in Kraft getretene Ge-

einen Anlass für eine umfassende-

als „Professorin in Residence“ an

waltschutzgesetz, das es Opfern

re Regierungsumbildung. Johanna

die Universität Innsbruck berufen

häuslicher Gewalt ermöglicht, die

Dohnal und drei weitere Regie-

und hält eine Vorlesungsreihe an

gemeinsame Wohnung für sich zu

rungsmitglieder erfuhren aus den

der Fakultät für Politikwissenschaft

beanspruchen.

Medien, dass sie ebenfalls abgelöst

und Soziologie. 2009 wird sie von

werden sollten – das Kabinett sollte

Bundespräsident Heinz Fischer für

„verjüngt“ werden.

ihre besonderen Leistungen in der

Auch auf dem internationalen Parkett ist Dohnal als Frauenministerin

Frauen- und Bildungspolitik mit Nach der Politik

sehr aktiv. Als krönenden Abschluss ihrer bundespolitischen Karriere

dem Berufstitel „Professorin“ ausgezeichnet.

plant sie die UNO-Weltfrauenkonfe-

Johanna Dohnal wird von diesem

renz in Peking im Jahr 1995. Nach

vorzeitigen und ungeplanten Ab-

2010 stirbt Johanna Dohnal kurz

dieser Tagung und der Präsentation

schied aus der Politik überrascht

nach ihrem 71. Geburtstag an ei-

des Frauenberichts der vergange-

und ist vor allem von dessen Art

nem Herzleiden. Ihre Errungen-

nen zehn Jahre wollte sie sich im

und Weise schwer enttäuscht. Aber

schaften für die österreichischen

Herbst 1995 in Würde zurückzie-

nach der Politik warten unverhoff-

Frauen und die österreichische Ge-

hen. Doch Kanzler Vranitzky hatte

te Möglichkeiten auf sie: Johanna

sellschaft als Ganzes leben weiter.

andere Pläne. Finanzminister La-

Dohnal, das Arbeiterkind ohne Ma-

cina schied im Frühjahr 1995 aus

tura oder gar Hochschulbildung,

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Gesellschaft

83

keit

lich

Mensch

Menschlichkeit ist ein Begriff, der im öffentlichen Diskurs vielfältige Bedeutungen einnimmt. Ein Politiker, der Schwäche zeigt, sich für Fehler entschuldigt, zeigt sich von seiner menschlichen Seite. Eine Sportlerin, die nach einer Reihe von Glanzleistungen und Erfolgen eine Niederlage einfährt, ist eben doch nur ein Mensch. Irren ist menschlich. Die menschliche Imperfektion wird als etwas Positives, Wünschenswertes präsentiert, als ein Gegenstück zur gefühlslosen Welt der Roboter und künstlichen Intelligenz. Auch bei Appellen an das Gewissen wird der Begriff verwendet: Mehr Menschlichkeit in der europäischen Flüchtlingspolitik. Für mehr Menschlichkeit in der Arbeitswelt.

geschrieben von Jonas Heitzer

Was ist nun Menschlichkeit genau?

Menschheit, mit der sich Philoso-

2000 Jahre des Nachdenkens haben

Wir alle scheinen eine starke un-

ph*innen bereits seit mehr als 2000

fast ebenso viele Ansätze hervor-

terbewusste Vorstellung davon zu

Jahren beschäftigen. Es wird weni-

gebracht, das Besondere im Men-

haben. Diese in Worte zu fassen

ge überraschen, dass auch dieser

schen zu benennen. Wir wollen

ist aber schwierig. Vermutlich ist

Artikel keine definitive, objektive

dieses Thema an dieser Stelle aber

die Frage nach der Beschaffenheit

Antwort liefern kann. Vermutlich

aus einer anderen Perspektive be-

unseres eigenen Wesens auch des-

gibt es auch keine.

trachten als Aristoteles, Habermas

halb eine der großen Leitfragen der

84

Gesellschaft

oder Hannah Arendt.

Unsere Suche nach dem Wesen des

den als tatsächlich von Menschen

Müssen wir uns also Sorgen um die

Menschen führt uns in die Welt der

verfasste. Mittlerweile existieren

Zukunft der Menschheit und damit

künstlichen Intelligenz. In diesem

sogar KI-Systeme, mit denen Kom-

der Menschlichkeit machen?

Wissenschaftsbereich

entwickeln

munikation weit über die Anfor-

Wie bei den meisten Fragen die-

Forscher*innen, Programme, Mo-

derungen des Tests hinaus möglich

ser Art lautet die Antwort, zumin-

dell und Algorithmen, die Compu-

ist. Ein sehr anschauliches Beispiel:

dest meiner Meinung nach: Nein.

tern beibringen, zu denken und so-

Das „Videointerview“ des Entwick-

Alles,

gar zu „fühlen“ wie wir Menschen.

lers Eric Elliott mit dem 2020 ver-

künstliche Intelligenzen wie das

Wo, wenn nicht hier, sollten sich In-

öffentlichten Sprachverarbeitungs-

schon erwähnte GPT-3 füttern, ist

formationen darüber finden lassen,

system GPT-3, zu sehen auf einer

menschlich. Wir erzeugen dabei

was das Mensch-Sein ausmacht, als

bekannten Videoplattform.

nichts Neues, sondern führen den

dort, wo man versucht, es künstlich nachzubilden?

womit

gesamten

wir

umfassende

menschlichen

Erfah-

Es gibt durchaus außerhalb der

rungsschatz, oder zumindest den

Kommunikation noch Bereiche, in

digitalisierbaren Teil davon, samt

Der Turing-Test ist eines der ältesten

denen Maschinen Menschen nach

Beschreibungen

Verfahren zur qualitativen Über-

wie vor überlegen sind – sie werden

Emotionen zusammen. Trotzdem

prüfung künstlicher Intelligenz. Er

jedoch immer weniger. Das chine-

würde wohl derzeit niemand eine

wurde Mitte der 1950er-Jahre nach

sische Brettspiel Go war lange Zeit

künstliche Intelligenz als mensch-

einer Idee des britischen Wissen-

eine dieser Disziplinen. 2016 wurde

lich bezeichnen. Es fehlt das Ir-

schaftlers Alan Turing entwickelt.

es „geknackt“ – und wie. Die KI Al-

rationale, die kleinen Fehler, die

In der Versuchsanordnung kommu-

phaGo schlug den südkoreanischen

schlechten Angewohnheiten, das

nizieren Versuchspersonen schrift-

Profi Lee Sedol nach monatelangem

Lebendige, natürlich die Körper-

lich abwechselnd mit menschlichen

„Training“ an unzähligen von Men-

lichkeit, die Vergänglichkeit unse-

und simulierten Partner*innen. An-

schen gespielten Partien in einem

res Lebens. Vielleicht ist die For-

schließend geben sie an, ob sie glau-

Best-of-Five 4:1. Nur ein Jahr später

schung irgendwann so weit, dass

ben, mit einem Menschen oder mit

gewinnt die verbesserte AlphaGo

auch diese Eigenschaften perfekt

einer Maschine gechattet zu haben.

Zero nach nur dreitägiger Lern-

reproduziert werden können und

Schneidet die KI gleich gut ab als

phase gegen AlphaGo. Und zwar

die Grenze zwischen Mensch und

die Menschen oder gar besser, hat

mit 100 zu 0. Maschinelles Lernen

Maschine endgültig verschwimmt.

sie den Turing-Test bestanden und

von künstlichen Intelligenzen: Wo

Noch sind wir aber nicht so weit.

ihr „Denkvermögen“ wird als dem

ist die Grenze? Scheinbar gibt es

Menschlichkeit ist also vermutlich

Menschen

angenom-

keine: der Begriff Technische Sin-

mehr als die Gesamtheit mensch-

men. Durch die großen Fortschrit-

gularität stammt aus der Zukunfts-

licher

te auf dem Gebiet der künstlichen

forschung und bezeichnet einen

Wissens, menschlicher Verhaltens-

Intelligenz seit den 1950er-Jahren

Punkt, an dem künstliche Intelli-

weisen. Sie ist mehr als jene As-

wurde

der

ebenbürtig

menschlicher

Turing-Test

Emotionen,

menschlichen

mittler-

genz die menschliche Intelligenz

pekte unseres Daseins, die wir zum

weile mehrfach bestanden. Etwa

übertrifft. Man geht davon aus,

momentanen Zeitpunkt begreifen

2017, durch ein Programm, das Pro-

dass das Erreichen dieses Punktes

können. Vielleicht ist es eines Ta-

duktrezensionen verfassen konnte,

eine Zäsur in der Menschheitsge-

ges die Forschung zu künstlicher

die von Versuchspersonen häufiger

schichte bedeutet, mit ungewissen

Intelligenz, die uns zur Erkenntnis

als „menschlich“ eingestuft wur-

Auswirkungen auf unsere Zukunft.

bringt.

© Laura Burtscher

Gesellschaft

85

Interview mit Anna Schmidhofer

ZWISCHEN EXTREMSPORT UND CAMPUS geschrieben von Hannah Winkler

Für viele von uns ist das Studium allein schon Herausforderung genug. Jedoch finden sich immer wieder Menschen, die ihre Grenzen austesten und dabei Beeindruckendes schaffen. So auch Anna Schmidhofer. Sie studiert Mathematik und Physik auf Lehramt und ist seit heuer Teil des Ski-Willy Marathon Teams Austria. Und wohin würde so ein Lifestyle eher passen als auf den alpin-urbanen Campus in Innsbruck? Wir haben mit der angehenden Lehrerin darüber gesprochen, wie sie es in ihrem Alltag schafft, ihre Leidenschaft für den Sport und das Uni-Leben unter einen Hut zu bringen

Die Zeitlos : Hey Anna, erzähl uns doch mal, was dich ausmacht.

in meiner Heimat Osttirol, in den

dabei ist das Visma-Ski-Classics.

Bergen und draußen in der Natur.

Unsere Gruppe heißt Ski Marathon

Natürlich ist auch der Sport, vor

Team Austria, aber es ist kein Nati-

Anna Schmidhofer: Sich selbst zu

allem das Langlaufen, eine meiner

onalkader. Sie setzt sich nicht nur

beschreiben ist immer sehr schwer

größten Leidenschaften.

aus

(lacht), aber ich versuche es na-

Österreicher*innen

zusam-

men, sondern aus Personen unterschiedlichster Nationalitäten. Der

sogar ein wenig perfektionistisch.

Einige kennen das Ski-Willy-Marathon-Team Austria vielleicht nicht. Was ist das genau?

Das kann einem natürlich schnell

Grundsätzlich geht es um den

lich wie bei der Tour de France im

zum Verhängnis werden. Aber so-

Langlaufsport. Unser Team um-

Radsport.

wohl bei meinem Sport als auch in

fasst knapp dreißig Leute, die alle

meinem Studium ist es von Vorteil,

bemüht sind, bei Langlaufrennen

alles genau zu beobachten, auszu-

mitzumachen. Dabei geht es so-

führen und zu hinterfragen. Eine

wohl um Kurzstrecken- als auch

Wie bist du zu dieser außergewöhnlichen Sportart gekommen?

weitere Eigenschaft, die mich sehr

um

von

Natürlich spielt dabei meine Hei-

prägt, ist meine Natur- und Hei-

Volksläufen bis hin zu professio-

mat Osttirol eine große Rolle. Wer

matverbundenheit. Ich bin gerne

nellen Rennen. Die Königsklasse

dort aufwächst, wird beinahe auto-

türlich. Ich muss zugeben, ich bin auf alle Fälle ehrgeizig, vielleicht

86

Campus

Langstreckenrennen,

Name Ski-Willy-Marathon Team kommt von unserem Sponsor, ähn-

matisch mit vielen Wintersportar-

Unitechnisch lässt sich alles ja

VISMA-Ski-Classic-Pro-Tour

ten konfrontiert, vor allem mit dem

Gott sei Dank gut selbst einteilen,

ten. Das ist in gewisser Weise die

Skifahren. Das hat mir aber nie so

da man meist untertags trainiert.

Königsdisziplin bei den Lang-Dis-

zugesagt. Meine beste Freundin

Schwieriger sind die Rennen, aber

tanz-Rennen. Wenn man im Leben

hat damals, als ich sie kennenlern-

man darf ja manchmal fehlen und

eine solche Chance erhält, muss

te, das Langlaufen professionell

in den meisten Fächern ist auch

man sie einfach nutzen.

betrieben. Durch sie bin ich dann

keine Anwesenheitspflicht. Rennen

auch zum Langlaufsport gekom-

finden meist sowieso am Wochen-

men, jedoch relativ spät. Angefan-

ende statt. Das hilft natürlich da-

gen hat alles auch nur freizeit- und

bei, zeitlich alles hinzubekommen.

hobbymäßig. Erst mit der Zeit habe

Rein um das Ausmaß einschätzen

Sport ist sehr zentral in deinem Leben. Hast du dich deshalb für ein Studium in Innsbruck entschieden?

ich meine Leidenschaft für die

zu können, handelt es sich bei mir

Natürlich habe ich mich für Inns-

Rennen entdeckt. Zuerst habe ich

um bis zu 25 Trainingsstunden

bruck als Studienort in erster Linie

nur an kleineren Kurzstrecken teil-

die Woche, oft sieben Stunden am

aufgrund der Berge entschieden.

genommen, mittlerweile werden

Tag. Dabei ist natürlich auch der

Im Winter kann ich hier meinen

die Rennveranstaltungen aber im-

eigene Fokus sehr wichtig: Studi-

Sport auch während des Semesters

mer größer und die Rennstrecken

um oder Sport. Ich versuche aber

ohne Probleme ausüben. Ich brau-

länger.

immer, bei meinem Studium nicht

che zum Beispiel nur nach Seefeld

den Faden zu verlieren. Dass sich

oder in die Leutasch zu fahren, um

dort nicht alles aufschiebt, ist be-

zu einer tollen Langlaufloipe zu

sonders deshalb wichtig, da Ende

gelangen. Auch die Gletscher, wie

Februar bei mir nicht nur die

der Stubaier oder der Ötztaler sind

Prüfungsphase, sondern auch die

sehr nahegelegen. Dort kann man

wichtigsten

NATÜRLICH SPIELT DABEI MEINE HEIMAT OSTTIROL EINE GROSSE ROLLE. WER DORT AUFWÄCHST WIRD BEINAHE AUTOMATISCH MIT VIELEN WINTERSPORTARTEN KONFRONTIERT.

„

Die Hauptsaison ist also im Winter. Wie schaffst du es, das Langlaufen mit dem Studium zu vereinbaren und wieviel Zeit beansprucht der Sport?

stattfinden.

auch schon im Herbst langlaufen.

Durch das Training stellt sich auch

Neben der wunderschönen Berg-

eine gewisse Disziplin ein. Die soll-

kulisse spricht also auch das Sport-

te auch auf das Studium übertra-

angebot für mich für ein Studium

gen werden, damit sich das alles

in Innsbruck.

Rennen

gut vereinbaren lässt.

Man könnte von einer Art Interessenskonflikt sprechen. Was hat für dich Priorität?

Was machst du in den Sommermonaten ohne Schnee und in der trainingsfreien Zeit?

Trainingsfreie Zeit gibt es bei mir

Bis jetzt hatte für mich immer das

selten (lacht). Im Trainingsjahr

Studium Priorität, da ich dort auch

hat man nach den letzten Rennen

sehr um meine Leistung bemüht

einen Monat Trainingspause, also

war. Mittlerweile hat sich das aber

ist der Monat April eher ruhig. Zu

ein wenig geändert. Ich bekomme

dieser Zeit gehe ich nur gemüt-

durch den Sport wirklich großar-

lich langlaufen, genieße die Land-

tige Chancen. Im heurigen Win-

schaft. Aber Sport mache ich trotz-

ter darf ich zum Beispiel bei der

dem, weil es einfach ein wich

Campus

87

©Hannah Winkler

„

star-

übertragen als der Weltcup. Mein

Haupttraining findet aber in den

Du bist angehende Lehrerin.

Möchtest du den Sport in Zukunft weiterhin in diesem Ausmaß ausüben?

Sommermonaten statt. Was sich

Mein Fokus wird auch in Zukunft

ich mich überraschen.

dabei natürlich anbietet, ist das

eher auf dem Langlaufsport lie-

Training mit Ski-Rollern. Mit die-

gen. Ich habe im Laufe der Jahre

sen rollerskate-ähnlichen Geräten

angefangen, immer häufiger und

lässt sich die Technik des Langlau-

intensiver zu trainieren. Mich inte-

fens richtig gut imitieren.

ressiert, wie weit ich gehen kann.

Langlaufen denken die meisten zwar an einen Wintersport, das

„

„

DURCH DAS TRAINING STELLT SICH AUCH EINE GEWISSE DISZIPLIN EIN, DIE SOLLTE AUCH AUF DAS STUDIUM ÜBERTRAGEN WERDEN.

Du ziehst dein Training also auch im Sommer durch. Bleibt noch Zeit für andere Hobbys?

Ziel ist es, mich dort hochzuarbeiten. Aber da es sich heuer um meine erste Teilnahme handelt, lasse

Wenn ich nicht mehr professionell

Du lebst für deinen Sport, auch wenn deine Karriere in Zukunft vielleicht in eine andere Richtung geht. Warum hast du dich für die Fächer Mathematik und Physik und gegen Sportwissenschaften entschieden?

an den Langlaufrennen teilnehme,

Sport wäre schon interessant gewe-

möchte ich vielleicht auch eine

sen, aber andererseits begeistern

Ausbildung zur Langlauflehrerin

mich die Fächer Mathematik und

oder -trainerin machen. Das ließe

Physik sehr. In gewisser Weise hat

sich auch mit meinem Beruf als

die Beschäftigung mit diesen The-

Mathematik- und Physiklehrerin

menfeldern für mich etwas Ent-

gut verbinden. Eine Schule, an der

spannendes und Unterhaltendes.

ich gerne unterrichten würde, hat

Ich denke, es ist gut, dass ich mich

im besten Fall eine Sportausrich-

nicht nur mit Sport befasse, da es

tung. Da könnte ich meine Leiden-

manchmal auch etwas Ablenkung

schaft an junge Leute weitergeben.

braucht. Außerdem können die Fä-

Daher versuche ich mich von Saison zu Saison weiterzuentwickeln.

cher auch mit dem Sport verbunden werden. Meine Bachelorarbeit

Ich muss sagen, dass sportliche Ak-

Was möchtest du, bis es so weit ist, im Sport unbedingt noch erreichen?

tivitäten nicht nur mein Training,

Meine grundlegendsten Ziele wä-

Ski-Langlauf geschrieben. So las-

sondern auch meine Freizeit stark

ren

den

sen sich theoretische und physika-

prägen. Ich gehe gerne mit Freun-

Volksläufen in Mitteleuropa. Viel-

lische Gegebenheiten im Langlauf

den gemütliche Bergtouren oder

leicht ist sogar das ein oder ande-

erklären, was meinen Sport super

Ähnliches. Aber viel Zeit bleibt

re Mal ein Sieg möglich. Mein mo-

ergänzt

außerhalb des Sports tatsächlich

mentaner Fokus liegt aber auf der

nicht. Ich nehme mir aber natür-

Visma-Ski-Klassik-Pro-Tour. Dabei

lich auch Zeit, mich mit meinen

handelt es sich zwar nicht um den

Freund*innen zu treffen. Außer-

Langlauf-Weltcup, die Bedeutung

dem koche und backe ich richtig

ist aber nicht unbedingt kleiner.

gern. Vor allem, weil man das Er-

In den norwegischen Sendern wer-

gebnis danach auch selbst essen

den diese Rennen mittlerweile so-

kann (lacht).

gar öfter im nationalen Fernsehen

88

Campus

Top-Platzierungen

bei

habe ich zum Beispiel zum Thema

Physikalische Einflussgrößen im

©Hannah Winkler

tiger Teil meines Lebens ist. Beim

©Hannah Winkler

Campus

89

beyond

geschrieben von Marcia Hapig „So much of what you are is where you have been. “ Ein Zitat - eine Lebenseinstellung. Auf der Homepage des selbstständigen Fotografen und Travel Bloggers David Lohmüller finden sich Spendenprojekte und Reiseberichte - über sich selbst schreibt er jedoch wenig. Er lebt von und für die Fotografie, für das Reisen und für die Menschen, denen er begegnet. Das Gespräch mit David Lohmüller erscheint mir wie ein Fenster zu der spannenden und bewegenden Welt eines viel gereisten Menschen.

Nur wer wirklich vor Ort gewe-

reihen bis hin zu humanitären

das überhaupt noch könnte. Es

sen ist, kann von dem berichten,

Hilfsprojekten, denen er sich seit

ist immer spannend und es ist nie

was dort geschieht. Persönliche

einigen

wid-

selbstverständlich, dass irgendwie

Eindrücke

und

tergeben,

Menschen

vermehrt

wei-

met und auch verstärkt in diese

der Lebensunterhalt reinkommt,

aufmerk-

Richtung weiterarbeiten möchte.

aber man bleibt auch hungrig da-

berühren.

Auf meine Frage hin, ob er sich

durch. Klar, manchmal sehn’ ich

„Das würde den Rahmen hier

nicht auch einmal nach einem

mich so ein bisschen danach, so

sprengen“; „das ist nochmal ein

„normalen“ Alltag sehne, nach ei-

nach ein bisschen Ruhe. Man ist

Kapitel für sich“ - wer sich mit Da-

nem geordneten Job mit sicherem

schon immer getrieben irgendwo,

vid Lohmüller unterhält, merkt

Einkommen und einem entspann-

man muss immer am Start sein

schnell, wie viele Erlebnisse und Er-

ten Feierabendbier, spricht er von

oder irgendwas machen. Aber ich

fahrungen er in den letzten Jahren

sich selbst: „Ohne die Fotografie

mach das ja auch gerne und ich

zusammengetragen hat und wie

und ohne die Projekte, das würde

brauch das auch ein Stück weit.“

viel mehr es noch zu erzählen gäbe.

mir schon extrem schwerfallen.

Selbst wenn er seinem eigentlichen

Sein Tatendrang und seine Ide-

Ich hab das jetzt alles so aufge-

Studium gefolgt und jetzt als Lehrer

envielfalt

unbegrenzt.

baut und es sind gute Netzwerke

tätig wäre oder es vielleicht irgend-

Von Reiseportraits über Vortrags-

entstanden, ich weiß nicht, ob ich

wann noch sein wird, meint er,

sam

90

machen

Erlebnisse

Jahren

und

scheinen

Global

© David Lohmüller

© David Lohmüller

Looking

würde er wahrscheinlich trotzdem

es, ohne Flugzeug von Deutschland

„Einfühlungsvermögen,

„Tausend Baustellen aufmachen“,

nach Australien zu gelangen. Zu

und der Wille, hinter die touris-

einfach, weil es so viele Möglich-

dieser Zeit fotografiert David noch

tischen Attraktionen zu blicken“

keiten gebe und das Unterwegs sein

analog.

- das zeichnet laut dem Organisa-

mittlerweile ein fester Bestand-

Eine weitere, „eher verrückte“ Un-

tions-Team der MUNDOLOGIA die

teil seines Lebens geworden ist.

ternehmung weckt schließlich das

Referent*innen aus.

Der Freiburger Fotograf ist in seinen

Interesse der Badischen Zeitung:

Zu diesem Zeitpunkt ist David noch

Beruf über die Jahre mehr oder we-

Gemeinsam mit einem Freund aus

mit einer halben Stelle als wissen-

niger hineingewachsen, er hat Chan-

dem Studium durchquert David im

schaftlicher Mitarbeiter an der

cen genutzt und Kontakte geknüpft.

November 2010 in vier Wochen Eu-

Sportuniversität Freiburg angestellt

Die Länder, die David bereist hat

ropa – auf dem Moped. Die durch-

und arbeitet zusätzlich als Fotograf

und die er immer wieder besuchen

schnittliche

Reisegeschwindigkeit

für eine Sporteventagentur ehema-

würde

besuchen

liegt bei 40km/h, Ziel ist die Sahara.

liger Kommiliton*innen. Langsam

wird, üben eine Faszination auf ihn

Der Roadtrip bis nach Marokko

baut er sich ein eigenes Standbein

aus, die er versucht, in Bildern und

wird für David durch die anschlie-

auf, sammelt neue Eindrücke und

Worten festzuhalten und wiederzu-

ßende Dokumentation inklusive In-

Ideen. In Amerika bereist er die Pa-

geben. Er erzählt von der unglaub-

terview mit der Badischen Zeitung

namericana, und ist quer durch den

lichen Gastfreundschaft, mit der er

zum Türöffner in die Welt der Foto-

Inselstaat Indonesien unterwegs.

beispielsweise in Syrien empfan-

grafie-Festivals und -events.

David dokumentiert und schreibt,

gen wurde, von der Herzlichkeit

Das Freiburger Reportage-Festival

filmt und fotografiert. Da seine

der Menschen dort und wie ihm

MUNDOLOGIA lädt ihn als Newco-

Vorstellungen auf der MUNDOLO-

immer wieder bewusst wird, wel-

mer mit seinem Vortrag über die

GIA regelmäßig ausgebucht sind,

ches Privileg es ist, überhaupt rei-

„Mofa-Safari“ für zwei Vorstellun-

wird man bald auch überregional

sen zu dürfen und zu können. Auf

gen ins Konzerthaus von Freiburg

auf David Lohmüller aufmerksam.

der anderen Seite sind die Armut

ein – beide Termine sind ausver-

Anderthalb Jahre nach dem Studie-

und die Lebensumstände der Men-

kauft. „So führte eins zum ande-

nabschluss wagt er schließlich den

schen mancherorts oft „kaum vor-

ren“, erzählt David, die Auftritte

Schritt in die Selbstständigkeit.

stellbar“ für unsere Gesellschaft.

sorgen für neue Anfragen und Auf-

und

teilweise

träge.

Von Reiseportraits zu

Als größtes Reportage-Festival in „Der Wille, hinter touristische Attraktionen zu blicken“

Respekt

humanitärer Hilfe

Mitteleuropa berichten auf der MUNDOLOGIA und

Journalist*innen

Fotograf*innen

von

Während unseres Gesprächs frage

ihren

ich David, wie sein Bezug zu den

Abenteuern und Reisen rund um

auf seiner Homepage vorgestellten

Den ersten öffentlichen Vortrag

den Globus, mit dem Ziel eines

Spendenprojekten entstanden ist.

hält David mehr der Idee von Fa-

„besseren Verständnisses fremder

Tatsächlich rücken die humanitäre

milie und Freund*innen folgend,

Kulturen und Lebensweisen“, so

Hilfe und Projekte dieser Art für ihn

nach seiner in eigenen Worten eher

schreibt die MUNDOLOGIA auf ih-

immer mehr in den Vordergrund.

„ausgestiegenen Weltreise“, die er

rer Homepage.

Entwickelt habe sich dieses Engage-

nach Abschluss des Studiums un-

Schicksale und Geschichten einzel-

ment während der Flüchtlingskri-

ternimmt. Das Ziel dieser Reise war

ner Menschen werden erzählt.

sen in Europa, erzählt er. „Aus

(MUNDOLOGIA)

Global

91

zuerst an der serbisch-kroatischen

terwegs. Während dieser Zeit fand

habe er während einer Reise ent-

Grenze und dann drei Monate spä-

er immer wieder die Gelegenheit

lang der Balkanroute im Jahr 2015

ter in dem riesigen Flüchtlingslager

und „sah vor allem die Notwendig-

als Helfer mit angepackt. Er woll-

Idomeni, für das er unter dem Na-

keit“, die Lage der Menschen vor

te „etwas zurückgeben“, erinnerte

men #LightenUp Idomeni mithil-

Ort zu dokumentieren.

sich an die Gastfreundschaft der

fe von zwei anderen Freiwilligen

Es entstand die Idee eines neuen

Menschen in Syrien und daran, wie

spontan ein eigenes Hilfsprojekt ins

Vortragsprojektes, um Erlebnisse

herzlich und wunderschön er das

Leben gerufen hat.

und Eindrücke weitergeben zu kön-

Land vor dem Bürgerkrieg erlebt

Insgesamt war David anderthalb

nen, und um zuhause ein Bewusst-

hatte. In das Thema sei er dadurch

Jahre als freiwilliger Helfer in ver-

sein zu schaffen, was vor Ort los

sozusagen „hineingerutscht“, war

schiedenen Flüchtlingslagern un-

war.

Die Rückkehr nach Freiburg fiel

Werk besser mitteilen zu können.

Deutschland unterwegs und ent-

David nach dem Aufenthalt in Ido-

So hatte die Idee nicht nur den

deckte in diesem Zusammenhang

meni extrem schwer, so berichtet

Vorteil, alle Interessent*innen zu

das Potenzial und die mögliche

er. „Du bist da unten und verstehst

informieren,

anschließende

Tragweite seiner Idee. „Da hab’ ich

die Welt nicht mehr.“ Zurückzu-

Diskussionen auf einer besseren

so richtig gemerkt, was man damit

kommen in die „Cappuccino-Blase“,

Grundlage zu ermöglichen, son-

bewegen kann und konnte wirklich

die stimmungsvolle Studentenstadt

dern auch das Geschehene in ihm

einen nachhaltigen Impact leisten.“

am Rand des Schwarzwaldes mit

selbst zu organisieren.

Über die Vorträge vermittelte er

um

all den Bildern im Kopf aus einer

Dutzende

von

freiwilligen

Hel-

„komplett anderen Welt“; daran ar-

Die Vortragsidee fand auch Unter-

fer*innen, die ihn oft direkt nach

beitet er lange.

stützung bei der Non-Profit-Orga-

seinen Vorträgen ansprachen und

nisation Amnesty International, die

sammelte Spenden für die laufen-

Die Arbeit an dem Vortrag half ihm,

sich weltweit für Menschenrechte

den Hilfsprojekte in den Camps.

alles noch einmal neu aufzuberei-

einsetzt. So war David in Kooperati-

ten, die Eindrücke zu verarbeiten

on mit Amnesty mit dem Vortrag an

Sein aktuelles Vortragsprojekt über

und als geordnetes, strukturiertes

Schulen und Universitäten in ganz

den Nord-Irak ist aus eben diesem

92

Global

© David Lohmüller in Idomeni

einem spontanen Impuls heraus“,

Gedanken heraus entstanden. Da

ropa zu gelangen, werden jedoch

eigenen Lebensunterhalt zu finan-

recht viele Menschen zwar großes

regelmäßig von der so genannten

zieren.

Interesse an dem Land zeigen, al-

libyschen Küstenwache abgefangen

lerdings nur sehr wenige wirklich

und wieder zurückgebracht. Auch

Vor Corona hatte er recht viele

dort gewesen sind, kann David hier

Zivilschiffe leisten teilweise keine

Buchungen, erzählt er. Sein Vor-

das Reiseporträt eines wunderschö-

Rettung und verstoßen dadurch

trag über den Nordirak hätte ihm

nen und einzigartigen Landes mit

gegen das internationale Seerecht.

so viele Anfragen eingebracht wie

persönlichen Themen und notwen-

Davids Aufgabe an Bord der Sea-

noch nie zuvor. Die MUNDOLOGIA

diger Hilfe vereinen.

Watch eigenen Flugzeuge besteht

Vortragsreihe wurde aufgrund der

darin, Verstöße wie diese festzu-

Pandemie wie alle anderen Events

Auf meine Frage hin, ob das Reisen

halten und zu dokumentieren. Die

und Festivals jedoch für lange Zeit

und Dokumentieren in Gebieten

Arbeit als fotografischer Helfer sei

erst einmal ausgesetzt.

und Ländern wie Kurdistan, Syri-

„sehr spannend, aber auch richtig

en oder dem Irak nicht auch sehr

anstrengend“, erzählt er. „Zu dritt

Das Corona-Jahr hat David genutzt,

gefährlich sei, reagiert David sehr

oder viert sitzt man in den kleinen

um Sachen zu erledigen, die sonst

überlegt und sachlich. Er erzählt

Maschinen und fliegt im Endeffekt

immer hinten angestanden und

mir von einigen aufreibenden Er-

über dem Mittelmeer einen Such-

„liegen geblieben sind, weil ich ein-

lebnissen, beantwortet die Frage je-

korridor ab, der vor Lampedusa

fach so viel unterwegs war“, wie er

doch aufgeklärt und objektiv: „Man

endet. Den ganzen Tag sucht man

erzählt. Auch die vermeintlich pro-

muss einfach wissen, dass es nicht

mit Ferngläsern die Wellen ab, sie-

fanen Dinge, wie als bestes Beispiel

der sicherste Fleck der Welt ist. Die

beneinhalb Stunden lang und wenn

die Steuererklärung müsse eben

großpolitische

sollte

man etwas entdeckt, wird versucht,

irgendwann einmal gemacht wer-

man immer ein bisschen im Auge

Rettung zu koordinieren und Schif-

den.

behalten. Um darüber berichten zu

fe dorthin zu schicken.“

Wetterlage

können, muss man allerdings einfach auch hingehen.“

Nach der Zwangspause sei er nun Auch durch Mali (Westafrika) ist

besser aufgestellt. Entspannter sei

David gemeinsam mit einem be-

es außerdem dadurch geworden,

Ein nächstes mögliches Vortrags-

freundeten

im

dass er sich ein sicheres Standbein

projekt beinhaltet die Mitarbeit

Frühjahr 2021 dreieinhalb Wochen

mit seinem „100%-Freiburg“- Pro-

auf Lampedusa, bei der gemein-

lang gereist, ein sehr gefährliches

jekt aufgebaut habe – mittlerweile

nützigen Initiative Sea-Watch e.V.,

Land, in das er allerdings unbe-

sein „bread-and-butter-job“. Unter

die sich laut eigener Aussage „der

dingt zurückwill, um dort weiter als

dem Leitmotiv, die „Stadt mit an-

zivilen Seenotrettung im zentralen

Helfer tätig zu sein und zu arbeiten.

deren Augen.“ entstand der Foto

Journalist*innen

Mittelmeer verschrieben hat.“ Insgesamt hat David letztes Jahr dort

Blog von und über seine HeimatCorona als Zwangspause

drei Monate verbracht. Als so be-

stadt bereits zu Beginn seiner Fotografie-Karriere. Auch beeinflusst

zeichneter Field Media Coordinator

Die Vorträge sind für David der

durch den Input von Familie und

war er für die Luftaufklärung im

beste Weg, um im gleichen Zug Be-

Freund*innen, die Ideen wie Kalen-

Einsatz zuständig. Viele Migrant*in-

wusstsein zu schaffen und Hilfe zu

der und Postkarten beisteuerten,

nen versuchen, auf dem Seeweg

leisten, aber auch um darüber den

wuchs das Projekt von Jahr zu Jahr.

über die italienische Insel nach Eu-

Da Reisen während der Pandemie

Global

93

Fest steht, mit so vielen Ideen wie

Wenn du mehr über seine Projek-

de, hat er die Zeit genutzt und sich

David Lohmüller im Kopf hat, wird

te lesen möchtest, dann kannst

voll auf das konzentriert, was er di-

er sicherlich noch so manchen Vor-

du dich auf folgenden Webseiten

rekt vor sich hatte. Außerdem hat

tragssaal füllen.

informieren:

er mittlerweile zwei Helfer*innen,

Ab Februar 2022 ist er auf großer

sodass Aufgaben auch mal weiter-

Tournee durch die Schweiz und mit

gegeben werden können und nicht

viel Glück schaut er vielleicht auch

davidlohmueller.com

alles ins Stocken gerät, wenn er

mal bei uns in Innsbruck vorbei.

lightenup.help

selbst auf Reisen ist. „Diese Sicher-

Ich wünsche ihm alles Gute und

heit lässt einem die Freiheit, Neues

freue mich schon auf den nächsten

auszuprobieren und weiteren Ide-

Zwischenbericht,

en nachzugehen.“, erzählt er.

dann bei einem Cappuccino in Freiburg.

94

Global

wahrscheinlich

© David Lohmüller bei der Panamericana

dann alternativlos unmöglich wur-

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Wer wir sind Die Zeitlos ist ein ehrenamtlicher Ver- einbringen und ausbauen. Neben dem ein, der jedes Semester eine Ausgabe Printmagazin des gleichnamigen Studierendenma- laufend

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veröffentlichen

Online-Artikel,

wir

n Redaktio

produzieren

gazins veröffentlicht. Alles, von den monatlich eine eigene Radiosendung, Artikeln, über die Gestaltung bis hin arbeiten an Videoprojekten, führen Inzur Finanzierung, wird dabei von Stu- terviews, organisieren, lektorieren und Layout

dierenden organisiert. Seit der Neu- designen – viele Möglichkeiten also, um gründung 2011 konnten fast 100 Mit- sich auszuprobieren und über sich hinglieder ihr Wissen und ihre Fähigkeiten aus zu wachsen!

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Alle Studiengänge sind bei uns herzlich willkommen.

Vorkenntnisse sind nicht vonnöten. Alles was du brauchst sind coole Ideen und Freude an dem, was wir zusammen gestalten wollen.

Radio

Global

95

©Harper Collins

Nancy Wake – war heroine geschrieben von Bettina Plangg

Nancy Wake, also known under the nickname white mouse is one of the highest decorated women in the allied army. She is known for her bravery, and she saved multiple lives.

Nancy Wake was born on 30th Au-

queer and disabled persons, Roma,

wife to the enemy. He was executed

gust 1912 in Wellington, New Zea-

Sinti, prisoners of war and so many

by the Secret State Police (Gestapo)

land, two years before World War

more. That was the crucial point

in 1943. Nancy Wake didn’t know

One started. She was the youngest

when she vowed to fight the Nazis.

that her husband was dead until

of six children. Her father had left

In November 1939, Nancy Wake

1944. But learning about Henri Fio-

the family early. So, her mother had

married Henry Fiocca, a wealthy in-

ccas death encouraged her to end

to get by alone. Nancy Wake left her

dustrialist, in Marseille. During the

the Nazi regime even more.

home when she was 16 years old

German Western Campaign (from

Nancy Wake got the nickname whi-

and worked as a nurse until 1932.

the 10th of May 1940 to the 25th of

te mouse by the Secret State Police,-

She left her home country and

June 1940) France was successfully

because they didn’t know for quite

boarded a ship to New York, from

invaded. A few months later, Nan-

a long time that the person, who

where she headed to Paris in 1933.

cy Wake and her husband joined

was a successful accomplice in an

There she worked for the Hearst

the Resistance. During this period,

escape, was a woman. The Secret

Newspaper group as a journalist.

Nancy Wake helped as an accom-

State Police kept looking for a man,

Three years later, in 1935, Nancy

plice in an escape. This got more

before they knew the truth. So, she

Wake first got in touch with the na-

dangerous day by day and after

couldn’t be captured on German

tional socialism in Vienna, when

some time Nancy Wake left France

checkpoints.

she had to write an article about

without her husband. Later, Henri

A year earlier Nancy Wake joined

Adolf Hitler. She was shocked when

Fiocca was captured and tortured,

the SOE, shortly for Special Ope-

she saw how the Nazis treated Jews,

but he didn’t betray his beloved

rations Executive, an intelligence

96

Global

agency. Originally, she wanted to

pards troops. The attack was quite

heard of. Maybe that’s why it’s cru-

be an agent of FFL (forces françai-

successful, the Resistance had to

cial to talk about her and other per-

ses libres). After the FFL rejected

flee and leave everything behind,

sons, who did extraordinary things

her, a friend of Nancy helped her

including the RT unit and the codes.

during threatening periods like

to join the SOE. She found out that

Those were important for the SOE

World War Two. Nancy Wake can

the Nazis were looking for her and

team because they were necessary

be a role model and an example for

because of that she left France. The

to communicate with Britain. The

how important it is, to stand up for

SOE sent her back as an agent in

Resistance, including Nancy Wake,

yourself and.

April 1944. Between May 1941 and

retrenched to Saint Satin. So, the

July 1944, the SOE sent 38 other

nearest radio operator as well as

Book recommendation: “Liberati-

women to France. 15 of them were

the nearest radio were in Châte-

on” is a novel, that is focused on the

imprisoned by the Nazis, twelve

auroux. Nancy Wake borrowed a

life of Nancy Wake during her time

were executed. Nancy Wakes missi-

bicycle and drove from Saint Satin

as a member of the Resistance and

on was to join the troop of Maquis,

to Châteauroux, got the radio, and

as an agent of SOE. Furthermore,

which was in the Auvergne and to

drove back. In 72 hours, she cycled

the relationship to Henri Fiocca is

help organizing the Resistance for

500 kilometres.

also a topic of the novel.

the D-Day (the 6th of June 1944).

Nancy Wake headed back to Lon-

When Nancy Wake joined the

don in October 1944. She was deco-

group, 3000 soldiers were part of

rated by the US, Britain and France

the troop, a little later they already

after the war ended. Two of her de-

were about 7500. After the 6th of

corations are the American Medal

June 1944 she was involved in the

of Freedom and the Legion d’Hon-

combat with German troops. At this

neur. She went back to Australia

point she found out about her hus-

five years later, where she ran for

band’s death.

the Liberal Party two times - unsuc-

There was a special event during

cessfully. Afterwards, she flew to

the period, in which Nancy Wake

Britain, where she married Royal

fought with the Resistance as a

Air Force (RAF) officer John For-

special agent of the SOE. To exp-

ward in 1957. She returned once

lain how all of this happened it is

again to Australia in 1959 with him.

necessary to get back in time. On

After a third attempt to join politics,

the 20th of May 1944 the Resistan-

the couple lived in Port Macquarie,

ce fighters got the order to mobilize

a city in Australia, until John For-

by Émile Coulaudon, also known

ward died in 1997. In December

as Gaspard. About 7000 men were

2001 Nancy Wake left Australia the

divided into three groups. Gaspard

last time - she headed to London,

wanted to demonstrate that the Re-

where she died on the 7th of August

sistance could liberate some areas

2011.

of France. But on the 2nd of June

War heroine Nancy Wake’s story is

1944 the Germans mobilized to at-

one of many inspiring stories but

tack the Resistance fighters of Gas-

also one, most people have never

Global

97

BE curious. exceptional. creative.

Be Zeitlos. ..

98

Global

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