SUCCEED April/May 2011

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ittelosteuropa wird grüner. Das gilt nicht nur für den Energie Sektor mit seinen unzähligen neuen Windparks, Biomasse Anlagen und Solarpaneelen. Von einem sehr niedrigen Niveau aus ist in den letzten Jahren auch der Anteil der biologisch erzeugten Lebensmittel stetig angestiegen. „Die Wirtschaftskrise hat daran nichts entscheidend geändert“, weiß Bernhard Jansen, einer der kompetentesten Experten für diese Branche in CEE. Er leitet als Geschäftsführer den gemeinnützigen Verein EkoConnect – Internationales Zentrum für den ökologischen Landbau Mittel- und Osteuropas in Dresden. Vor allem im Auftrag der Europäischen Union hat er schon zahlreiche Studien zur Lage der Bio-Branchen zwischen Prag, Sofia und Kiew erstellt. „Wir können in der Region durchaus von einem Boom sprechen, die Krise hat nur einen kleinen Dämpfer bewirkt“, so der studierte Agrarökonom. Allerdings gelte auch in diesem Bereich: „Es gibt kein einheitliches Osteuropa, wir finden von Land zu Land erhebliche Unterschiede.“ Aber schon einige Schlüsselzahlen sprechen eine deutliche Sprache. Die nach ökologischen Grundsätzen bearbeitete landwirtschaftliche Fläche hat sich etwa in Polen von 2003 bis 2010 von 60.000 Hektar auf 450.000 Hektar mehr als versiebenfacht; im deutlich kleineren Tschechien sind es heute fast 400.000 Hektar, in Ungarn immerhin 160.000. Und auch die Zahl der Bio-Betriebe ist rasant gewachsen: In Polen sind es heute 20.000, vor wenigen Jahren waren es 2.500 gewesen, und in Tschechien produzieren immerhin bereits 3.500 Bauern nach ökologischen Vorgaben. Diese Zahlen werden freilich erst im internationalen – europäischen – Vergleich aussagekräftig. Dabei stehen etwa die 3 Prozent Öko-Landwirtschaftsfläche in Polen oder Ungarn rund 5,5 Prozent in Deutschland gegenüber. Die 10 Prozent in Tschechien liegen etwa in Reichweite der Schweiz. Nur Österreich kann sich mit seinen 18 Prozent deutlich absetzen. Seine mehr als 20.000 Produzenten entsprechen ziemlich genau jenen in Deutschland, einer allerdings zehnmal größeren Volkswirtschaft. „Natürlich muss man auch schauen, was auf diesen Flächen passiert“, schränkt EkoConnect-Forscher Jansen die statistischen Erfolge der Aufholjagd der osteuropäischen Biobauern vorsichtig ein. „In Tschechien ist etwa ein Großteil nur Grünland. In Polen arbeiten sehr viele Mini-Betriebe bloß im Nebenerwerb oder für die eigene Familie, die Ware kommt also gar nicht auf den Markt.“

Fotos: Beigestellt, Getty Images

Handelsketten springen auf

Dennoch ist auch dieser mittlerweile so interessant geworden, dass ihn selbst große Handelsketten trotz schwächerer Kaufkraft in Mittelosteuropa erfolgreich bearbeiten. Billa International tut das von Österreich aus, auch wenn der Konzern Rewe in Deutschland beheimatet ist. Und das hat gute Gründe. Denn mit dem systematischen Aufbau der Biomarke „Ja! Natürlich“ galt Billa ab den frühen 90er-Jahren auch im internationalen Vergleich als Vorreiter. In Deutschland waren damals die grünen Lebensmittel noch fast ausschließlich auf spezialisierte kleine Läden beschränkt gewesen, Supermärkte und Einkaufszentren hatten sich noch nicht an die Nischenware herangetraut. Der Erfolg ließ dann Billa über die Grenzen expandieren, erst einmal ab 2002 nach Italien mit „Sì! Naturalmente“. Dann wagte man sich auch nach Mittelosteuropa. Billa-Sprecherin Corinna Tinkler erzählt: „Die Nachfrage nach biologischen Lebensmitteln in Tschechien und der Slowakei wurde immer stärker, daher haben wir 2009 auch in diesen beiden Ländern eine länderübergreifende Bio-Eigenmarke unter der Bezeichnung ‚Naše bio‘ (Unser Bio) gegründet.“ „Naše bio“ entwickelt sich laut Tinkler erfreulich und umfasst mittlerweile in der Tschechischen Republik rund 150, in der Slowakei rund 90 Produkte. Es gibt laufend weitere, neue Produkte der jungen Bio-Eigenmarke. Ähnliches berichtet der große österreichische Konkurrent der ReweGruppe, Spar. „Wir sind mit unseren Bio-Produkten ‚Spar Natur Pur‘ in Ungarn, der Tschechischen Republik und in Slowenien vertreten“, so SparPR-Leiterin Nicole Berkmann. In den letzteren beiden Ländern hinke die Nachfrage dem österreichischen Beispiel noch deutlich hinterher, der slowenische Markt lasse sich allerdings schon durchaus vergleichen.Berkmann:

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entral and Eastern Europe is getting greener.And this is not only true for the energy sector with its countless new wind parks, biomass plants and solar panels. Starting from a very low level, the proportion of organically grown food has also increased steadily in recent years. “The economic crisis hasn’t had a dramatic effect,” says Bernhard Jansen, one of CEE’s most competent experts in this field. He is the managing director of the non-profit association Organic Agriculture Moving East, based in Dresden. He has already done many studies – particularly for the European Union – on the state of the organic sector between Prague, Sofia and Kiev.“We can definitely describe it as a boom in the region; the crisis only put a small damper on it,” says the qualified agricultural economist. However, in this sector it is also true that “Eastern Europe is not uniform. We find considerable differences from country to country.” But some of the key figures already provide a clear indication. In Poland, the total area used for organic agriculture has increased more than sevenfold – from 60,000 hectares in 2003 to 450,000 hectares in 2010; in the much smaller Czech Republic there are almost 400,000 hectares today, and in Hungary some 160,000. The

»In der gesamten Region liegt der Anteil der Bio-Lebensmittel im niedrigen einstelligen Prozentbereich.« number of organic farms has also increased rapidly: there are 20,000 in Poland today – a few years ago there were 2,500 – and 3,500 farms in the Czech Republic. Of course, these figures only become significant when compared with other – European – countries. Three percent of land is used for organic agriculture in Poland and Hungary, while 5.5 percent is used in Germany. The Czech Republic is approximately level with Switzerland at ten percent. Only Austria has considerably more, with 18 percent. Austria has more than 20,000 producers,

Spar bietet unter seiner deutschsprachigen Bio-Marke „Spar Natur pur“ grüne Lebensmittel in mehreren Ländern an. Spar offers organic foods in several countries under its German label ‘Spar Natur Pur’.

a similar figure as in Germany, whose economy is however ten times the size. “Of course, one needs to look at what is being done on this land,” says researcher Jansen from EkoConnect, who is careful about interpreting the statistical successes of Eastern European organic farmers in their effort to catch up. “In the Czech Republic, for example, a large proportion is only grassland. In Poland, many small farms only operate as a sideline or for their own families, so the produce doesn’t even reach the market.” Chain stores join in

Nevertheless, the market has now become so interesting that even large chain stores are operating with success, despite the lower spending

»Over the entire region, the share of organic foodstuffs is in the low single-digit percentage region.« power in Central and Eastern Europe. Billa International is doing so from Austria, even though the Rewe Group is based in Germany. And for good reason. Because with the systematic establishment of the green brand ‘Ja! Natürlich’, Billa has been an international pioneer since the Succeed 02/11

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