DUHwelt 2/2017

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magazin

DU

Deutsche Umwelthilfe e.V. und Global Nature Fund

www.duh.de, www.globalnature.org

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Artenvielfalt ade? Was kommt nach der Kohle?

Bienenseuche lauert am Altglas-Container

Umweltmigration hat viele Facetten


3 0 Jahre

BIO-Schokolade NEU!

Fairer Genuss 1987 brachte Rapunzel die weltweit erste Bio-Schokolade auf den Markt. Seit damals unverändert: Mit viel Liebe, Sorgfalt und Erfahrung werden kontrolliert biologische und fair gehandelte Zutaten nach alter Herstellertradition zu feinen Schokoladen veredelt. Entdecken Sie jetzt tolle Angebote in Ihrem Bio-Laden!

Wir machen Bio aus Liebe.


Auf ein Wort

Prof. Dr. Harald Kächele Bundesvorsitzender Deutsche Umwelthilfe e.V.

Liebe Leserin, lieber Leser, wie geht es Ihnen, wenn Sie von einer Reise nach Hause zurückkehren? Ehrlich gesagt, bin ich zwar gern unterwegs, dennoch liebe ich mein Zuhause im Grünen von Berlin auch sehr. Das liegt natürlich an den Menschen dort, aber auch an vertrauten Spazierwegen, dem Garten und den netten Ecken im Viertel. Doch viele Menschen haben keine lebenswerte Heimat. Neben politischen und wirtschaftlichen Faktoren sind es immer mehr auch die Folgen des Klimawandels und schleichender Umweltveränderungen, die Menschen dazu nötigen, ihre Heimat zu verlassen. In diesem Heft stellen wir Ihnen das komplexe Thema Umweltmigration vor und zeigen, wie es mit hoffnungsvollen Projekten des Hand in HandFonds verknüpft ist. Auch hierzulande ist keinesfalls alles gut. Zum Zehnjährigen der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt ist die Bilanz erschreckend: Arten und Lebensräume unserer heimischen Natur sterben in rasantem Tempo. Die Politik hat ihre eigene Vision blockiert. Jetzt brauchen wir ein beherztes und schnelles Umsteuern. Mit konkreten Forderungen haben wir Umweltverbände uns deshalb an die Bundesregierung gewandt. Lesen Sie mehr dazu in unserem Titel-Artikel ab Seite 8. Dass tatkräftiges Zusammenwirken von Naturschutzbehörden und -organisationen sich lohnt, zeigt ein Beitrag des Global Nature Fund. Er macht in diesem Heft auf das Steinhuder Meer als Lebendigen See des Jahres 2017 aufmerksam. Wir fordern unsere Politiker mit vielen unbequemen Themen, damit sie den Natur- und Klimaschutz ambitioniert angehen. Müllvermeidung und mehr Recycling, saubere Luft und die bestmögliche Reinigung von Autoabgasen rufen wir immer wieder ins Gedächtnis. All das kann der Heimat helfen und übertragbare Modelle liefern. Schließen Sie sich uns an und werden Sie Fördermitglied unter www.duh.de/foerdermitglied. Ob zu Hause oder auf Reisen, ich wünsche Ihnen einen schönen Sommer und grüße Sie freundlich. Ihr

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Inhalt

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20 In Zahlen

Aktuell 6

Nitratverschmutzung stoppen

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Pflanzen und Tiere digital bestimmen

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Gärten für die Zukunft

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Surf-Aktion gegen Plastik-Vermüllung

Europa arbeitet an der Energiewende

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Vom Dach in die Steckdose

Verpackungsabfall vermeiden

Das Mieterstromgesetz kann der Energiewende helfen und Mieter entlasten.

Themen 14

Keine Riesen-Lkw! Auf Deutschlands Straßen wird es mehr Gigaliner geben.

20 Was kommt nach der Kohle? Die DUH begleitet die politische Diskussion in ehemaligen BraunkohleBergbauregionen.

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85 Maßnahmen gegen den Klimakollaps

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VW nutzt weiterhin Abschalteinrichtungen

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Energieversorger schummeln bei Stromherkunft

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Das Diesel-Wintermärchen

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Die DUH hat den Schadstoffausstoß moderner Diesel-Pkw gemessen.

Wir gratulieren: Steinhuder Meer ist Lebendiger See des Jahres 2017

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Schüler für lebendige Flüsse

Titel 8 Für die Natur wird es eng Vor zehn Jahren hat Deutschland eine Nationale Strategie für Biologische Vielfalt ausgegeben. Positives bewirkt hat sie erschreckend wenig.

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Im Rahmen von DUH-Workshops entwickeln Jugendliche Aktionen zum Thema Wasser und Flüsse.

„Herstellerangaben werden in den USA kontrolliert!“ Margo T. Oge, ehemalige Abteilungsleiterin bei der US-Umweltbehörde EPA, über den Dieselgate.

25 Bienen am Altglascontainer 25

Termin: Flüsse-Workshop an der Donau


Inhalt

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Nicht ohne meinen Schwarm!

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Schokolade füttert den Fonds

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Mangroven, Bollwerk gegen Naturgewalten

Der Atlantische Hering ist eine häufige Fischart, doch nicht überall ist seine Welt heil.

Themen 28

Unter den Teppich gekehrt

Menschen für Natur 33

Nachruf: Wir erinnern an Dr. Günther Vock

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Am Anfang war das Wort…

Was geschieht mit entsorgten Teppichböden? 29

Kleiner Aufwand – große Wirkung

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Wie hängen die Projekte des Hand in Hand-Fonds mit Umweltmigration zusammen?

www.duh.de, www.globalnature.org

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Mit langem Atem für die grüne Lunge in der Stadt Artenvielfalt ade?

DUH-Mitarbeiterin Silke Wissel ist Naturschützerin mit Leib und Seele.

DUHmarkt

30 Damit die Heimat lebenswert bleibt

Deutsche Umwelthilfe e.V. und Global Nature Fund

DUH Intern

Das Handysammelcenter ist ein Beitrag zum Ressourcenschutz. 29

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Unbekannte Tierart

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Impressum

Was kommt nach der Kohle?

Bienenseuche lauert am Altglas-Container

Umweltmigration hat viele Facetten

Titelbild: Der Kiebitz ist als Bodenbrüter von Grünlandumbruch und früher Mahd betroffen. Er ist ein Symboltier für das Artensterben, ausgelöst durch intensive Landwirtschaft.

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Aktuell UNS REICHT'S!

ES GRÜNT SO GRÜN

Nitrat-Verschmutzung stoppen

Gärten für die Zukunft

Überdüngung schadet den Böden und dem Wasser.

Zehn Institutionen, darunter die DUH, haben am 14. Juni 2017 eine Petition gestartet, die von der Bundesregierung ein verschärftes Düngerecht, Überwachung von Gülle-Importen, verpflichtende Stoffstrombilanzen für Agrarbetriebe und eine umweltfreundliche AgrarSubventionspolitik fordert. Die massive Überdüngung der Felder, vor allem mit Gülle, gefährdet zunehmend das Grundwasser. In einigen Regionen sind die Nitratwerte alarmierend. Das schadet der Umwelt und kostet die Verbraucher dreifach: Für die Wasserversorger wird es in vielen Regionen Deutschlands aufwendig, die gesetzliche Trinkwasserverordnung einzuhalten. Dort droht ein Anstieg des Trinkwasserpreises um über 60 Prozent. Die EU-Klage gegen Deutschland

wegen Verstoßes gegen die EU-Nitratrichtlinie könnte zu hohen Strafzahlungen führen, die letztlich die Steuerzahler finanzieren würden. Hinzu kommen die Subventionen zugunsten der industriell geprägten Landwirtschaft. An der Initiative „Stoppt die Gülle-Verschmutzung – Schützt unser Wasser!“ des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft wirken mit: Aktion Agrar, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Deutsche Umwelthilfe, Deutscher Naturschutzring, Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches, Germanwatch, Greenpeace, GRÜNE LIGA und Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. (ak, jk)

Mit der Übergabe ihrer vier Modellgärten in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt hat die DUH das mehrjährige Projekt „Gärten für die Zukunft“ im Juni 2017 abgeschlossen. Aktive Gärtner werden diese nachhaltig weiter bewirtschaften und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Unter anderem erproben sie hier die Nutzung von Sonnenenergie für die Bewässerung sowie die Nährstoffrückgewinnung durch Kompostwirtschaft. Angelegt wurden die Gärten in Zusammenarbeit mit 25 Bildungseinrichtungen. „Unser Planet stößt an seine Belastungsgrenzen. Das Sterben vieler Arten und die Klimakrise sind zwei deutliche Alarmsignale dafür, dass wir unsere Art zu leben überdenken müssen. Der Garten ist ein kleiner, aber wichtiger Teil in unserem gesamten Ökosystem. Auf lokaler Ebene ist er ein Anknüpfungspunkt für nachhaltige Lebensstile. Es ist schön, dass es nun weitere Gärten für die Zukunft gibt, in denen Menschen zusammenkommen und sich engagieren“, sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. (jk)

Schließen Sie sich dem Protest an: www.guelleverschmutzung-stoppen.de

MITMACHEN!

Pflanzen und Tiere digital bestimmen Mit der App „Naturblick“ des Berliner Naturkundemuseums können Smartphone-Besitzer die Artenvielfalt erkunden. Nimmt man Vogelstimmen auf, identifiziert eine automatische Lauterkennung die Art. Anhand von Abbildungen und Tipps zu Erkennungsmerkmalen kann man verschiedene Tiergruppen wie Säugetiere, Schmetterlinge, Amphibien und Reptilien bestimmen sowie Bäume, Wildblumen und -kräuter identifizieren. Für Berlin als Pilotstadt

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gibt es zusätzlich eine Kartenfunktion, die an Naturorte führt. Seit Ende März ist die App für Android-Telefone über den Google Play Store kostenlos erhältlich. Das Bundesumweltministerium fördert dieses Projekt. Wissenschaftler und Programmierer entwickeln die App kontinuierlich weiter. (jk) Mit einem Feedback oder Verbesserungsvorschlägen kann jeder Nutzer weiterhelfen. Schreiben Sie eine E-Mail an: naturblick@mfn-berlin.de.

Förderer:


Aktuell IST DRIN, WAS DRAUFSTEHT?

ABENTEUERLICH

Surf-Aktion gegen Plastik-Vermüllung Am 4. Juni startete Merijn Tinga, der „Surfer in der Plastiksuppe“, am Bodensee eine 1.200 Kilometer lange Reise auf dem Rhein. Sein Surfbrett besteht aus im Meer gesammelten Plastikflaschen und Verschlüssen. Darauf will der Biologe und Aktionskünstler bis in die niederländische Stadt Leiden an der Nordseeküste paddeln. Die DUH und Tinga rufen mit dieser Aktion gemeinsam zur Vermeidung von Plastikabfall und zum Schutz der Ozeane auf. Denn rund zehn Millionen Tonnen Müll gelangen jährlich in die Weltmeere, davon sind etwa drei Viertel aus Plastik. Die Surf-Aktion soll auch Aufmerksamkeit auf den Brausegiganten Coca-Cola lenken. Als größter Getränkeabfüller weltweit trägt der Konzern Mitverantwortung für die meisten Plastikflaschen in den Ozeanen. Ein Ende 2016 veröffentlichtes internes Strategiepapier belegt, dass Coca-Cola Mehrwegflaschen, Pfandsysteme und höhere Recyclingquoten bekämpft. Die Botschaft der DUH und des Plastiksuppen-Surfers an den europäischen

Coca-Cola-Chef Damian Gammell lautet: wiederbefüllbare Mehrwegflaschen einsetzen und die Einführung von Pfandsystemen unterstützen. (jk)

Protestieren Sie mit uns! www.duh.de/ meer

KLARE WORTE

85 Maßnahmen gegen den Klimakollaps Konkrete Schritte für alle Bereiche des Energieverbrauchs wie Wärme, Verkehr und Strom benennt die DUH in einem Positionspapier vom 1. Juni 2017. Deren Umsetzung ist notwendig zur Erreichung der Klimaschutzziele, zu denen Deutschland sich verpflichtet hat. Zu den erforderlichen Maßnahmen zählen Voraussetzungen für technische Innovationen und ein angepasster Gesetzesrahmen. Der unverbindliche Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung muss in ein Klimaschutzgesetz einfließen, um den Weg hin zur treibhausgasneutralen Wirtschaft bis 2050 sicherzustellen. Als Kernstück nennt die DUH den Einstieg in den Kohleausstieg. Wesentlich ist eine drastische Senkung des Energieverbrauchs. Energetisches Sanieren von Wohngebäuden sollte über steuerliche Förderung vorangetrieben werden. Daneben fordert die DUH die Anpassung bestehender Energiesteuern, damit Heizöl nicht länger attraktiver ist als treibhausgasarm erzeugter Strom.

Um den Energiebedarf im Verkehr künftig aus erneuerbaren Quellen abdecken zu können, muss dieser bis zum Jahr 2030 um etwa die Hälfte gesenkt werden. Güterverkehr muss auf die Schiene verlagert, deren Infrastruktur ausgebaut und vollständig elektrifiziert werden. Im Pkw-Segment sind strengere CO2-Vorgaben notwendig. Die DUH fordert zudem, den öffentlichen Verkehr massiv zu stärken. Bis 2030 muss der Ausbau der Erneuerbaren Energien zu einem Anteil von mindestens 65 Prozent des Bruttostromverbrauchs führen, folgert die DUH. (pa, ds) Das Positionspapier „Die nächsten Schritte der Energiewende – Forderungen der Deutschen Umwelthilfe“ steht zum Herunterladen bereit unter: http://l.duh.de/energiewende

Energieversorger schummeln bei Stromherkunft Viele Versorger stellen ihren Strom sauberer dar, als er ist. Sie behaupten in ihrer Öffentlichkeitsarbeit, der von ihnen gelieferte Strom enthalte einen höheren Anteil an Erneuerbaren Energien als der bundesweite Durchschnitt, auch wenn das nicht zutrifft. Dies belegt eine Untersuchung von Ökostromanbietern und Umweltverbänden, darunter die DUH. Für den Ende März vorgelegten „Faktencheck Strommix“ wurden 40 von 1.100 Anbietern in Deutschland unter die Lupe genommen. Jeder Vierte von ihnen erweckt den Eindruck, er beschaffe und liefere mehr Grünstrom, als er es tatsächlich tut. Gleichzeitig wurden die Anteile von Kohle- und Atomstrom in den Stromtarifen kleingerechnet. Die Versorger liefern den Privathaushalten einen anderen Strommix als den Industriekunden. Indem sie allein den Privatkunden den Anteil aus regenerativen Quellen zuschlagen, rechnen sie deren Strommix schön. Die gesetzliche Stromkennzeichnung lässt solche Zahlentricks zu. Ihre Stromeinkaufspolitik müssen die Energieversorger den Verbrauchern bislang nicht offenlegen. Schummeleien fanden sich bei den Stadtwerken Kiel, Schweinfurth, Bochum, Düsseldorf, Leipzig, Unna, Dortmund (DEW 21), Fulda (Rhön Energie) und Frankfurt (Mainova) sowie bei Energiegut. Die DUH fordert eine Reform des Gesetzes zur Stromkennzeichnung, sodass die Versorger ihre Stromeinkaufspolitik ehrlich abbilden müssen. Zusätzlich sollen Stromkunden künftig genauer informiert werden, wie ihre EEGUmlage-Zahlungen den Ausbau der Erneuerbaren fördern. (jk)

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Für die Natur wird es eng Artensterben, Nitrat im Trinkwasser, Supermärkte auf der grünen Wiese – ist die Welt hierzulande noch heil? Was schulden wir der Natur? Es ist Zeit für eine Bilanz.

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■ von Jutta Kochendörfer

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erloren gegangene Biodiversität lässt sich nicht wiederherstellen – der Verlust ist irreversibel. Die klaren Worte sind nachzulesen in der Nationalen Strategie für Biologische Vielfalt. Beschlossen vom ersten Kabinett Merkel im Herbst des Jahres 2007. Damals und heute stimmen Umweltverbände dieser politischen Handlungsleitlinie durchaus zu; ihre Maßnahmen sind eigentlich zielführend. Doch in der Praxis sieht es anders aus: Die Beschlüsse wurden nur halbherzig umgesetzt. Die EU-Agrarpolitik be-

fördert naturzerstörende industrielle Landwirtschaft, weder Bund noch Länder nutzen jedes vorhandene Instrument für mehr Naturschutz. Es fehlt an politischem Willen in den Ländern, an Geld und Personal. Dass die Natur darunter leidet, ist messbar. Die Bundesregierung selbst veröffentlicht regelmäßige Berichte, die den Zustand der Biodiversität dokumentieren – eine erschreckende Bilanz: Jede dritte Tier- und Pflanzenart in Deutschland ist gefährdet, zwei Drittel aller Lebensräume sind


Titel

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bedroht. Besonders dramatisch ist die Situation bei Insekten und anderen wirbellosen Tieren: Knapp 46 Prozent der untersuchten Arten sind bedroht, extrem selten oder ausgestorben. Auch die Biomasse der Insekten geht massiv zurück.

Angemessenes Budget für den Naturschutz Die Naturschutzverbände BUND, DNR, DUH, NABU und WWF richteten sich am 29. Mai mit einem Forderungskatalog an die Bundes-

Bodenbrüter, Insekten und andere Feldbewohner haben ein gemeinsames Schicksal: Viele Arten sind gefährdet, weil Agrarmonokulturen ihren Lebensraum zerstört haben. Überdüngung mit Mist und Gülle trägt dazu ebenfalls bei.

regierung. Er enthält konkrete Forderungen bis 2020, denn die Natur braucht schnelle Hilfe. Rechtzeitig vor der nächsten Bundestagswahl kann nun jeder im Internet nachlesen, wo die Verbände dringenden Handlungsbedarf bei Bund und Ländern sehen. Zudem wendet sich die DUH immer wieder direkt an Bundestagsabgeordnete oder an Ministerien und macht Druck auf die Bundesregierung, beispielsweise für eine strengere Düngeverordnung. Naturschutz darf auch etwas kosten. Denn die Natur beschenkt

uns unentgeltlich mit sogenannten Ökosystemleistungen: sauberem Wasser, fruchtbaren Böden und Landschaften, in denen wir uns gern erholen. Deshalb brauchen wir eine engagierte Naturschutzpolitik und ausreichende Finanzmittel für deren Umsetzung. Die biologische Vielfalt in Deutschland und weltweit ist ein gesellschaftliches Gut. Ihr Schutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Den Forderungskatalog der Verbände zur Biologischen Vielfalt finden Sie unter: http://l.duh.de/cmpug

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Titel Titel

Naturschutz muss sich für Landwirte rechnen

begünstigt die Agrarriesen. Die Großbetriebe gibt es vor allem in Niedersachsen und in den ostdeutschen Ländern, sie bauen auf Tausenden Hektar Monokulturen an oder „produzieren“ 10.000 Schweine in einem Stall. Ein Umlenken ist dringend geboten, wir brauchen eine naturnahe Landwirtschaft. Die EU-Flächenpauschale muss abgeschafft werden. Stattdessen sollen Landwirte Zahlungen für gezielte Maßnahmen erhalten, die der Natur helfen. Ob das Anlegen von Gewässer-Randstreifen, eine späte Mahd oder weniger Vieh pro Fläche – es muss sich für die Landwirte rechnen. Öko-Landbau soll besser unterstützt werden. Die Politik muss außerdem dafür sorgen, dass Grünland und Moore erhalten bleiben. Vor allem letztere tragen erheblich zum Klimaschutz bei.

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Artenkiller Nummer eins ist die intensive Landwirtschaft. Das immer naturfernere Wirtschaften auf Wiesen, Feldern und in Ställen hat zu massiven Verlusten an biologischer Vielfalt geführt. Der negative Trend ist fast überall sichtbar, denn die Hälfte der deutschen Lande wird landwirtschaftlich genutzt. Brachen, Hecken und Feldraine, nasse Senken oder Einzelbäume fehlen vielerorts. Eine verheerende Wirkungskette lösen Pestizide aus. Das sind hochgiftige Insektenvernichtungsmittel, die nicht nur Kartoffelkäfer und Blattläuse töten. Bienen und andere Bestäuber werden dezimiert. Vögeln fehlt die Nahrung.

Auch intensives Düngen schadet der biologischen Vielfalt: Magerstandorte und ihre typische Pflanzenwelt mit Margerite und Flockenblume verschwinden. In Gewässern bis hin zum Meer führen ausgeschwemmte Nährstoffe aus Gülle, Mist oder Mineraldünger zu Eutrophierung. Gegen Deutschland läuft bereits ein Vertragsverletzungsverfahren der EU wegen überschrittener Nitratgrenzwerte. Die DUH tritt für strengere Dünge-Regelungen ein und wirkt bei einer Anti-Nitrat-Kampagne des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) mit. Mit ihren Subventionen befördert die EU-Agrarpolitik die Intensivierung. Eine allein von der bewirtschafteten Fläche abhängige Prämie

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Wir brauchen eine andere Landwirtschaft, die wichtige Biotope wie Feldraine, Hecken und Brachen erhält.

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Die Nationale Biodiversitätsstrategie feiert dieses Jahr ü Gr

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Fünfzig Prozent Ruhezone im Meer

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mit der Umsetzung hapert es. ensräume.

DUH-Bundesgeschäftsführer

Sascha Müller-Kraenner

Sascha Müller-Kraenner erklärt, was die neue Bundesregierung

Im Naturschutz an Nord- und Ostsee hat die Bundesregierung total versagt. Die Dorschbestände in der Ostsee sind überfischt, östlich des Darß gibt es nur noch 450 Schweinswale. Rastende Seetaucher, Meeresenten und andere Lebewesen teilen sich das Meer mit der Industrie. Die DUH fordert, dass mindestens fünfzig Prozent der gesamten deutschen Natura-2000-Schutzgebiete im Meer Ruhezonen werden. Sie sollen frei von jeglicher Fischerei sein. Ausbaggern und die Öl- oder Gas-Exploration dürfen hier nicht zugelassen werden.

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den zehnten Geburtstag. Doch

Biotope verbinden Den noch intakten Naturräumen Deutschlands droht die Isolation. Sie sind von Autobahnen, Bahntrassen und immer größeren Siedlungen eingeengt. Wir brauchen schnell wirksame Maßnahmen und Gelder für einen bundesweiten Biotopverbund. Waldkorridore müssen eingerichtet und Flüsse wieder durchgängig werden. Wildtiere brauchen Passierhilfen an Straßen: Grünbrücken, Krötentunnel und Bermen. Denn genetischer Austausch ist für die Populationen lebensnotwendig. Längst hat Deutschland einen Bundesverkehrswegeplan – analog dazu muss ein Bedarfsplan für Biotopverbünde geschaffen werden – am besten finanziert durch ein Prozent des Haushalts für die Bundesstraßen. 15 Prozent seiner Fläche soll jedes Bundesland für grüne Verbindungsstrukturen bereitstellen.

Städte sind vielfältige Lebensräume

Gärten, Friedhöfe, Mauern und Parks bieten ein einzigartiges Lebensraum-Mosaik. Hier fassen sogar seltene Tiere und Pflanzen wie Schwarzspecht und die Apfelrose Fuß. Solche Stadt-Biotope müssen wir schützen. Darüber hinaus besitzen Gemeinden Wälder und andere Freiflächen. Die DUH fordert, den jüngst beschlossenen Paragraphen im Baugesetzbuch, der das Bauen an Ortsrändern erleichtert, wieder abzuschaffen. Städte tragen zudem eine besondere Verantwortung für die Beziehung zwischen Mensch und Natur. Direkt vor der Haustür müssen Grünflächen geschaffen werden, die zum Erholen und Verweilen einladen. Wo es solche Gelegenheiten zur Naturerfahrung gibt, steigen die Akzeptanz und das Engagement für den Naturschutz. Für das Ausgestalten und die Neuanlage von Stadtgrün gibt es bereits geeignete Fördertöpfe im Rahmen der Städtebauförderung. ■

nach der Wahl konkret anpacken muss.

Wie kann die neue Bundesregierung den Naturschutz voranbringen? Die Bundesregierung muss endlich die Wurzeln des Artensterbens bekämpfen. Wir brauchen eine naturnahe Landwirtschaft und ein Ende der Massentierhaltung. Die Stickstofflast aus Düngung und Gülle muss drastisch gesenkt werden. Das im Schweinsgalopp vor der Wahl verabschiedete Düngerecht erfüllt die europarechtlichen Vorgaben nicht. Deswegen muss die Bundesregierung hier nochmal ran und strengere Vorgaben für Bilanzierung und Ausbringung von Stickstoffdünger verankern, sodass endlich die Grenzwerte für sauberes Trinkwasser eingehalten werden können. Auch der Flächenverbrauch ist deutschlandweit viel zu hoch. Hier hat sich in der vergangenen Legislaturperiode die Baulobby gegen den Naturschutz und eine nachhaltige Städteplanung durchgesetzt. Deswegen müssen Umweltverträglichkeitsprüfung und Ausgleichsregelung überall gelten und dies umgehend wieder ins Baurecht aufgenommen werden. Der Flächenverbrauch muss in der kommenden Legislaturperiode auf deutlich weniger als 30 Hektar pro Tag reduziert und mittelfristig auf null zurückgeführt werden. Aus welchen Quellen kann mehr Geld für den Naturschutz kommen? Statt an die bewirtschaftete Fläche gebundene EUSubventionen für Großbetriebe, dürfen staatliche Zuschüsse nur noch für eine naturnahe Landwirtschaft und die Sicherung sogenannter Ökosystemleistungen bereitgestellt werden. Also für sauberes Wasser, den Bodenerhalt oder die Artenvielfalt. Auch die Bundesmittel für biologische Vielfalt müssen so aufgestockt werden, dass beispielsweise das nationale Ziel von zwei Prozent Wildnisfläche erreicht werden kann. ■

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In Zahlen

5 Lösungen für weniger

Verpackungsabfälle

Verpackungsmüll 1. Unverpacktes Obst und Gemüse

2. Mehrweg

3. Konzentriertes Waschmittel

Spart 100 % Verpackung ein.

Im Jahr 2050 werden mehr Plastikteile in den Weltmeeren schwimmen als Fische, wenn wir an den anfallenden Verpackungsmengen nichts ändern. Weltweit sterben jährlich

1.000.000 Vögel

Spart bis zu 70 % der Materialien ein und vermeidet bis zu 40 % CO2-Emissionen.

und

100.000 Meeressäugetiere.

Spart bis zu 50 % Verpackung ein.

> 3/4* 4. Komprimiertes Deodorant

5. Dicht gerolltes Toilettenpapier

Spart bis zu 20 % (Aluminium) Verpackung und 50 % Treibgas.

Spart aufgrund eines geringeren Volumens bis zu 20 % Verpackung ein.

der deutschen Bevölkerung würden sich für ein ökologischeres Produkt entscheiden, wenn ausreichend Informationen zum Ressourcenverbrauch vorlägen.

*

(Quelle: Repräsentative Umfrage der ARIS Umfrageforschung im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe (2016))

In Deutschland werden jährlich etwa

320.000

3 Milliarden

Coffee-to-goEinwegbecher gehen in Deutschland pro Stunde über die Theke.

Kaffeekapseln verbraucht, welche circa

9.000 Tonnen Verpackungsabfall aus Kunststoff und Aluminium verursachen und

6.000 Tonnen Verpackungsabfall aus Papier.

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15 Minuten ist ein Einwegbecher durchschnittlich im Einsatz.

Einwegplastikflaschen


In Zahlen

vermeiden Die Tiere verheddern sich im Plastikmüll, verwechseln Plastikteile mit Nahrung und verenden qualvoll. Die Unterwasserwelt wird schwer geschädigt.

3,8 Milliarden

Jedes Jahr entsteht in Deutschland allein durch Getränkedosen ein gigantischer Müllberg mit einem Gewicht von mehr als

Plastiktüten werden pro Jahr in Deutschland verbraucht.

40.000 Tonnen.

Das entspricht

45 Tüten pro Kopf und Jahr. Aluminiumdosen benötigen (Quelle: gvm)

200 Jahre, um zu verfallen.

9 von 10 Plastiktüten werden in Europa nicht recycelt, sondern verbrannt, deponiert oder achtlos in der Umwelt entsorgt.

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der Deutschen fühlen sich schlecht oder gar nicht über den Rohstoffverbrauch von Produkten und Verpackungen informiert.

Europameister beim Verpackungsabfall (Verpackungsabfälle pro Kopf und Jahr)

218 kg

1

185 kg

x 16 Die jährlich in Deutschland verbrauchten

150 kg

Deutschland

17 Milliarden Einwegplastikflaschen reichen übereinandergestellt 16 x zum Mond und zurück.

Frankreich Österreich

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Themen

Verkehr

Keine Riesen-Lkw! Auf Deutschlands Straßen wird man demnächst mehr Gigalinern begegnen. Die DUH und ihre Partner wehren sich, denn die übergroßen Lastwagen bringen Gefahren und Umweltprobleme ins Rollen.

m Alleingang hat das Bundesverkehrsministerium zum Jahresbeginn eine Verordnung erlassen, die Riesen-Lkw mit mehr als 25 Metern Länge und bis zu 44 Tonnen Gewicht in Deutschland für den allgemeinen Verkehr freigibt. Das bislang hierfür genehmigte Streckennetz von mehr als 11.000 Kilometern umfasst zu 70 Prozent Autobahnen, aber auch Bundes-, Landesund sogar Kreis- und Gemeindestraßen. Zuvor durften die übergroßen Lastwagen hierzulande nur in Ausnahmefällen unterwegs sein. Die DUH hat sich mit ihren Partnern Allianz pro Schiene und BUND entschlossen, den Einzug von Gigalinern auf deutschen Straßen auf dem Klageweg zu stoppen. Im April haben sie daher beim Verwaltungsgericht Berlin ihre Klage gegen die Bundesregierung eingereicht.

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72 % der Deutschen

NEIN

sagen zu Gigalinern

Umweltschädlich, teuer, gefährlich Mit den Gigalinern wird der Güterverkehr auf der Straße verbilligt. Die Befürworter versprechen sich eine Kostenersparnis im Lkw-Transport von bis zu 30 Prozent. Daher befürchtet die DUH nicht nur ein Abwandern von der Schiene auf die Straße, sondern darüber hinaus eine generelle Zunahme der Transportleistung. Eine Studie der TU Berlin und der TH Wildau rechnet mit zusätzlich 7.000 Lkw-Fahrten – pro Tag!

Die DUH wendet sich gegen diese unsinnige Lobbypolitik für den Straßenverkehr und fordert stattdessen deutlich verstärkte Anstrengungen, um den Güterverkehr auf die Schiene zu verlagern. Der nach wie vor bestehende Wettbewerbsnachteil zu Lasten der Bahn muss endlich aufgehoben werden. Zu unseren Forderungen zählt ein Sofort-Investitionsprogramm zum Ausbau und zur hundertprozentigen Elektrifizierung des Schienennetzes bis 2030.

Machen Sie mit bei unserer Aktion! Die Bundesländer legen fest, welche Straßen Gigaliner befahren dürfen. Schreiben Sie eine ProtestMail an Ihren Verkehrsminister:

www.keine-gigaliner.de 14 DUH welt 2|2017


Themen

Riesen-Lkw sind teuer für die Steuerzahler, weil größere Lastwagen kostspielige Infrastruktur-Investitionen nach sich ziehen. Für die Ertüchtigung von Tunneln und Parkbuchten wird der Steuerzahler zusätzlich zur Kasse gebeten, während das Bundesverkehrsministerium die Lkw-Maut gerade gesenkt hat. Geeignete Autobahn-Parkplätze für Riesen-Lkw sind kaum vorhanden. Die Mehrheit der Deutschen lehnt laut einer Forsa-Umfrage diese Lastwagen ab. Riesen-Lkw sind gefährlich für alle Verkehrsteilnehmer. Schon jetzt ist an jedem fünften tödlichen Unfall ein Lkw beteiligt. Auf Kreuzungen, beim Abbiegen und beim Überholen kommt es zu gefährlichen und unübersichtlichen Situationen. Für Radfahrer und Fußgänger ist das Risiko besonders hoch. Die Regelzulassung für die RiesenLkw verstößt gegen EU-Recht, gefährdet die Klimaziele Deutschlands und die Sicherheit im Straßenverkehr. Deshalb bauen die DUH und ihre Verbündeten Druck auf die Verkehrspolitiker auf. Schließen Sie sich uns an! (ds) ■

Gigaliner-Netz

seit 1.1.2017

11.600 Kilometer

70 %

70 %

Diesel-Abgasskandal

VW nutzt weiterhin Abschalteinrichtungen Volkswagen ist bereits der zweite große deutsche Autokonzern, der versucht, die DUH mundtot zu machen. Die Daimler AG ist 2016 mit ihrer Einstweiligen Verfügung gegen die DUH bereits gescheitert. Anfang April 2017 hat nun auch Volkswagen eine Einstweilige Verfügung gegen die DUH erwirkt. Diesmal wird der Umwelthilfe untersagt, Messergebnisse des DUH-eigenen EmissionsKontroll-Instituts (EKI) zu bewerten.

n dem Rechtsstreit geht es um das Software-Update eines VW Golf 6, 1.6 TDI Variant, ein Fahrzeug der Schadstoffklasse 5. Gemäß Messungen der DUH bei Straßen-Testfahrten lag der StickoxidAusstoß vor dem Werkstattbesuch bei 964 Milligramm pro Kilometer (mg/km). Nach dem Update lagen die Werte bei 602 mg/ km. Der Euro 5 Stickoxid-Grenzwert im so genannten Typprüfverfahren, das jedes Pkw-Modell durchlaufen muss, liegt bei 180 mg/km. Die Messungen zeigen eindeutig: Das Fahrzeug überschreitet den Prüfstands-Grenzwert nach dem Softwareupdate bei Straßenmessungen um ein Vielfaches. Die DUH hat daraus Schlüsse zur Unrechtmäßigkeit der erteilten Typgenehmigung gezogen. VW, wie auch das Landgericht Düsseldorf sind der Auffassung, dass es sich hierbei um eine unwahre Tatsachenäußerung handelt. Die Grenzwerte seien nur auf dem Prüfstand einzuhalten. Ein anderer Eindruck dürfe nicht erweckt werden. Das bestätigt das Landgericht am 31. Mai 2017 in seinem Urteil. Das ist einerseits absurd, denn natürlich sollen die Abgasgrenzwerte saubere Luft nicht allein im Prüflabor, sondern vor allem in unseren Städten sicherstellen und viele tausend Todesfälle verhindern. Andererseits ist es auch überraschend, zumal die DUH gleich mehrere juristische Veröffentlichungen vorlegen konnte, die ihre Auffassung bestätigen.

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» Wir lassen uns nicht einschüchtern! « Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer Deutsche Umwelthilfe e.V.

Wir klären auf Doch es kommt noch besser: Während des Verfahrens legte VW Unterlagen des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) vor, die bestätigen, dass VW auch nach dem SoftwareUpdate weiterhin Abschalteinrichtungen in vielen betroffenen Fahrzeugmodellen verbaut hat. Diese sollen nach Ansicht des KBA zulässig sein. Gründe für die Zulässigkeit werden nicht genannt. Im Gegenteil: Noch in der Verhandlung vor dem Landgericht leugnete die Prozessvertretung von VW die Existenz der Abschalteinrichtungen, obwohl sie durch die von VW selbst vorgelegten und uns bis dahin unbekannten Dokumente bestätigt wurden. Die DUH wehrt sich: „Wir legen selbstverständlich Berufung ein, weil die Aufklärungsarbeit von Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden durch die Meinungsfreiheit geschützt ist. Unliebsame Berichterstattungen zu verhindern und uns einzuschüchtern, nehmen wir nicht hin“, sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. (akb) ■

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Themen

Luftreinhaltung

Das Diesel-Wintermärchen Neuwagen mit Schadstoffklasse Euro 6 – zählen sie alle zu den saubersten auf Europas Straßen? Und werden Euro 6-Diesel-Modelle von Fahrverboten in Innenstädten ausgenommen sein?

ald sind es zwei Jahre, seit der Diesel-Abgasbetrug publik geworden ist. Mittlerweile steht fest: Aufgrund des rechtswidrigen Abschaltens der Abgasreinigung pusten auch moderne Dieselmotoren giftige Stickoxide in die Luft. Die DUH fordert deshalb Diesel-Fahrverbote in Innenstädten mit hoher Schadstoffbelastung. Als bislang einzige Umweltorganisation hat sie Abgaswerte auf Testfahrten ermittelt – mit alarmierenden Ergebnissen. „Generelle Ausnahmen von den Fahrverboten für Euro 6 Diesel-Pkw sind vor dem Hintergrund unserer Wintermessungen unsinnig“, sagt Dorothee Saar, DUH-Expertin für Verkehr und Luftreinhaltung.

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500X 2.0 Cross 4x4 mit einem Wert von 1.380 Milligramm Stickoxid pro Kilometer; der EU-Grenzwert liegt dagegen bei 80 Milligramm.

» Generelle Ausnahmen von den Fahrverboten für Euro 6 Diesel-Pkw sind vor dem Hintergrund unserer

Geht das Wohl des Motors vor?

Wintermessungen unsinnig. «

Die Hersteller schieben den Motorenschutz vor, der Bundesverkehrsminister schaut weg, wenn es ums Abschalten der Abgasreinigung geht. Mit ihren Tricks spart die Autoindustrie Kosten, doch die Schadstoffe aus den Abgasen belasten die Gesundheit der Menschen und die Umwelt. Dabei regelt die EU-Abgasvorschrift die Frage eindeutig: Sie verlangt auch bei Außentemperaturen von bis zu minus 15 Grad Celsius ein voll funktionstüchtiges Emissionsminderungssystem. Die Tests des DUH-eigenen EmissionsKontroll-Instituts fanden im Winter zwischen September 2016 und März 2017 bei typischen, niedrigen Außentemperaturen statt. Lagen die Stickoxidemissionen bei den Messungen im Sommerhalbjahr maximal 9,2-fach über dem Grenzwert von Euro 6, so stiegen sie bei den Wintermessungen erschreckend an: In einem Fall erreichten sie mehr als das 17-fache. Getestet wurden 15 Diesel-Pkw der Abgasnorm Euro 6 sowie ein Euro 5-Fahrzeug. Negativer Gesamt-Rekordhalter ist der Fiat

Dorothee Saar, Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung

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DUH stellt Ergebnisse bnisse zur Verfügung Die DUH stellt seit Oktober 2015 bis heute Behörden im In- und Ausland kontinuierlich Untersuchungsergebnisse zur Verfügung. Viele deutsche Behörden bleiben jedoch nach wie vor untätig. Hingegen haben die französischen und amerikanischen Behörden sowie die Staatsanwaltschaften in Stuttgart und München Ermittlungsverfahren gegen Autohersteller eingeleitet. Auch die EU-Kommission nimmt sich der Luftverschmutzung an: Sie hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien eröffnet. Denn Rom habe illegale Abschalteinrichtungen in der Abgasreinigung bestimmter Diesel-Modelle von Fiat nicht angemessen geahndet. (jk) ■

Nur wenn wir dranbleiben, werden wir Erfolg haben! Bitte unterstützen Sie uns in dem zähen, aber so wichtigen Kampf gegen Luftschadstoffe. Denn vor lauter technischen Details dürfen wir niemals vergessen, worum es hier eigentlich geht: um saubere Atemluft für uns alle. Wer an den stark befahrenen Straßen in den großen Städten leben muss, kann sich nicht gegen Stickoxide wehren.

Ganz herzlichen Dank! Weitere Informationen: www.duh.de/dieselabgase Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft Köln IBAN: DE45 3702 0500 0008 1900 02 BIC: BFSWDE33XXX


Themen

Verkehrspolitik

»Herstellerangaben werden in den USA kontrolliert!« Ehrliche Spritverbrauchsangaben und die Einhaltung von SchadstoffGrenzwerten: Margo T. Oge, ehemalige Leiterin der Abteilung Verkehr und Luftreinhaltung bei der US-Umweltbehörde EPA, war zu Gast bei der Deutschen Umwelthilfe und erklärte, wie wir von den USA lernen können.

n Deutschland weichen die offiziellen Spritverbrauchsangaben um gut 40 Prozent von dem real ermittelten Verbrauch ab – mit steigender Tendenz. Doch ebenso wie bei falschen Angaben zu Schadstoffemissionen bleiben die Behörden in Deutschland untätig. Mehr noch: Die Bundesregierung weigert sich, wirksame Maßnahmen gegen die illegalen Machenschaften der Automobilindustrie zu ergreifen. Im Gegensatz dazu gibt es in den USA wirkungsvolle Mechanismen: Wird bei einer amtlichen Nachkontrolle eine Abweichung zum offiziellen Verbrauchswert von mehr als vier Prozent festgestellt, müssen die Autohersteller ihre Angaben korrigieren.

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Wirksames Prüfsystem in den USA Wie lassen sich reale Angaben zu Spritverbrauch und Schadstoffausstoß von Pkw in Deutschland erreichen? Die DUH diskutierte diese Frage mit der ehemaligen Leiterin der Abteilung Verkehr und Luftreinhaltung der amerikanischen Umweltbehörde EPA (Environmental Protection Agency) Margo T. Oge, die im Rahmen des Projektes „Get Real: Für ehrliche Spritangaben“ in Berlin zu Gast war. Die EPA hat bereits in den siebziger Jahren ein wirksames Prüfsystem für Spritverbrauchskontrollen aufgesetzt und war maßgeblich an der Aufdeckung des VW-Dieselskandals beteiligt. Oge hat die Entwicklung und Verabschiedung von Emissionsstandards für Pkw in den USA entscheidend mitbestimmt. Sie machte deutlich, dass nur durch eine effektive Kontrolle der EPA und durch wirksame Sanktionen überhaupt eine Durchsetzung der Standards möglich war: „Wenn in den USA ein Hersteller gegen

» Die EU-Minister sollten zur Kenntnis nehmen, dass die Auto-Industrie längst saubere Technologien beherrscht. « Margo T. Oge

die Vorgaben verstößt, kann ihn das bis zu 36.000 Dollar pro Motor und Tag kosten. Die Europäische Union hat für solche Fälle keine Strafen dieser Art vorgesehen.“ Eine unabhängige Kontrolle der Herstellerangaben im Rahmen einer Marktüberwachung ist in der EU bislang nicht vorgeschrieben. Autohersteller führen Nachkontrollen selbst durch, meist in den eigenen Laboreinrichtungen. Dabei nehmen externe Prüfdienste ausschließlich eine Beobachterrolle ein.

USA: Serienfahrzeuge und Prototypen werden kontrolliert Der Unterschied zu den USA ist deutlich: Die EPA ist ermächtigt und technisch dazu in der Lage, Hersteller zu kontrollieren. Es werden sowohl Prototypen als auch Serienfahrzeuge aus dem Bestand stichprobenartig ausgewählt und auf ihre Angaben hin überprüft. Wird eine Abweichung festgestellt, muss der Automobilhersteller erklären, wie sie zustande kommt. Die EPA kann Rückrufaktionen anordnen und Strafzahlungen in bis zu dreistelliger Millionenhöhe fordern. „Die EU-Minister sollten zur Kenntnis nehmen, dass die Auto-Industrie längst saubere Technologien beherrscht, wie etwa Elektromotoren. Diese werden die Zukunft

der Industrie für Jahrzehnte bestimmen und die Politiker müssen einen regulatorischen Rahmen schaffen, der diesen Wandel befördert. Eine EU-Politik, die saubere Technologien unterstützt, wird nicht nur die Gesundheit der Europäer verbessern, sondern könnte auch ein Meilenstein dafür sein, dass die junge umweltbewusste Generation die EU wieder wichtiger nimmt“, so Margo T. Oge in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel am 29. Mai. Die EU hat einen Verordnungsvorschlag für ein neues Typgenehmigungsverfahren vorgelegt. Ein erster Ansatz, um die aktuellen Missstände zu verbessern. Doch ein Kompromissentwurf des EU-Wettbewerbsrats Ende Mai sah eine deutliche Abschwächung des ursprünglichen vor. Im Herbst werden Rat, Parlament und Kommission im Trilog über die zukünftigen Zulassungsregeln für Pkw abschließend verhandeln. Die DUH wird sich für stärkere Vorgaben einsetzen und mit Experten diskutieren, wie eine wirksame Marktüberwachung in Deutschland und Europa erreicht werden kann. In den USA wird die Zukunft zeigen müssen, inwiefern das Land unter Präsident Donald Trump seine Vorreiterposition in Sachen Spritangaben halten wird. (el, lh) ■ Weitere Informationen: www.get-real.org "Get Real" wird im Rahmen des LIFEProgramms von der EU-Kommission gefördert.

Margo T. Oge arbeitete von 1980 bis 2012 bei der US-Umweltbehörde EPA. 18 Jahre lang war sie Leiterin der Abteilung Verkehr und Luftreinhaltung.

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Themen

Klimaschutz

Europa arbeitet an der Energiewende 2017 wird ein wichtiges Jahr für die europäische Energie- und Klimapolitik. Die DUH engagiert sich für positive Weichenstellung und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund.

ost mit dem Absender ‚EU-Kommission‘ lag Ende April im Briefkasten der DUH – ein Antwortbrief auf eine gemeinsame Beschwerde von BUND und DUH aus dem Frühjahr 2016. Mit ihrer Beschwerde wollten die Verbände den Druck auf die Bundesregierung erhöhen, die Energiesparpolitik voranzubringen. Doch der Forderung, die von Deutschland angemeldeten Instrumente auf Wirksamkeit zu überprüfen, ist die Kommission nicht nachgekommen. Vielmehr lässt sie ihrem Antwortbrief zufolge den Mitgliedstaaten nahezu freie Wahl, welche Maßnahmen sie anrechnen lassen, um das Effizienzziel zu erreichen. Im Klartext: Die deutsche Lkw-Maut und der Emissionshandel gehen als Effizienzmaßnahmen durch, obwohl ihr Energiesparbeitrag fraglich ist. „Die Kommission riskiert ihre Glaubwürdigkeit“, sagt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH. „Sie muss Klarheit schaffen, welche Maßnahmen tatsächlich energiesparend wirken. Anders kann sie ihr 20-Prozent-Einsparziel bis 2020 nicht erreichen.“

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Effizienz hat Vorrang – Efficiency First Die zwei wichtigsten Punkte im europaweiten Klimaschutz, zu denen sich die DUH derzeit einbringt, sind die neue Richtlinie zur Energieeffizienz und die Förderung der Erneuerbaren Energien. Ende letzten Jahres hat die EU-Kommission nun ein 1000 Seiten umfassendes Gesetzespaket unter dem Titel „Saubere Energie für alle Europäer“ geschnürt. Über dieses sogenannte Winterpaket wird derzeit in den Gremien der EU verhandelt.

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Das Winterpaket folgt dem Prinzip der europäischen Energie- und Klimapolitik: „Efficiency First“. Daher werden die Energieeffizienz- und die Gebäudeenergierichtlinie auf europäischer Ebene auch als erstes behandelt. Die maltesische Ratspräsidentschaft, die das erste Halbjahr 2017 abdeckt, hat hier ihre Prioritäten gesetzt. Gemeinsam mit anderen europäischen Verbänden setzt sich die DUH für ein ehrgeizigeres Effizienzziel bis 2030 ein: Die Kommission soll ihren Vorschlag um zehn Prozentpunkte anheben. Ein verbindliches Ziel von 40 Prozent mehr Effizienz im Vergleich zu 2005 fordern die Verbände demnach. Außerdem sollen die Lücken geschlossen werden, die es zulassen, dass Deutschland zum Beispiel die Lkw-Maut als Effizienzmaßnahme anrechnen kann. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, beteiligt sich die DUH an Konsultationsverfahren und Arbeitsgruppen des Europäischen Umweltbüros (EEB) und pflegt Kontakte zu europäischen Parlamentariern und der Kommission. Auch auf NGO-Ebene ist die DUH gut vernetzt. Eine engere Zusammenarbeit zu den Themen Klimaschutz, Energieeffizienz und Erneuerbare Energien ist für dieses Jahr mit Umweltschützern aus Frankreich und Osteuropa geplant.

Hausgemachter Klimaschutz Jeder Verbraucher, Autokunde, Pendler oder Reisende kann sein eigenes Energiesparpaket umsetzen. Das Gesetzespaket der EU hilft dabei. Gerade wurde beschlossen, die Verbrauchskennzeichnung bei Elektrogeräten zu vereinfachen, um Verbrauchern die Kaufentscheidung zu erleichtern. Plä-

Im energetischen Sanieren steckt ein großes, bisher viel zu wenig genutztes Potential für den Klimaschutz.

ne, diese Kennzeichnung auf weitere Produktgruppen auszuweiten, liegen bereits vor. Eigentümern von alten Wohngebäuden rät die DUH zu einer Energieberatung und gezielten Sanierung. Der Austausch von Fenstern, das Dämmen von Kellerdecke, Fassade und Dach oder ein neuer Heizkessel sind Investitionen, die die CO2-Bilanz entlasten und längerfristig auch den Geldbeutel. „Damit energetisches Sanieren in Mietshäusern aber keine einkommensschwachen Mieter verdrängt, muss die Bundesregierung Regeln schaffen, die Mieterhöhungen abfedern“, betont Müller-Kraenner. Wie dies gelingen kann, ist auch Thema während der Verhandlungen im Europäischen Parlament, wo Energiearmut – das Risiko armer Haushalte, die Stromrechnung nicht mehr zahlen zu können – derzeit ganz oben auf der Tagesordnung steht.


Themen

Klimaschutz

Vom Dach in die Steckdose Mieterinnen und Mieter sollen in Zukunft von einer preiswerten und CO2freien Stromerzeugung profitieren. Dafür soll nun ein Modell zum Mieterstrom finanziell gefördert werden. Die DUH begrüßt das Gesetzesvorhaben.

ich als Mieter an der Energiewende zu beteiligen, war vor allem in städtischen Ballungsgebieten bisher schwierig. Denn im Gegensatz zu Eigenheimbesitzern konnten Mieterinnen und Mieter nicht von Solaranlagen auf dem Hausdach profitieren. Bislang war es für die Vermieter als Anlagen-Betreiber günstiger, den Strom ins allgemeine Netz einzuspeisen, statt ihn an die eigenen Mieter weiterzugeben. Dies soll sich durch ein entsprechendes Gesetz ändern. Der Vermieter bekommt nun einen Mieterstromzuschlag zwischen 2,75 und 3,8 Cent pro Kilowattstunde. Netzentgelte, Konzessionsabgaben und Stromsteuer fallen nicht an, nur die EEG-Umlage muss entrichtet werden. Das ermöglicht dem Vermieter, einen Strompreis anzubieten, der im Vergleich zu anderen Anbietern günstiger ist. Damit können mehr Menschen von der Energiewende profitieren.

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Nicht nur bei der Anschaffung von Elektrogeräten, sondern auch indem man beim Autokauf auf den Spritverbrauch achtet, kann man klimabewusst handeln. Wer vom Auto auf Bus und Bahn oder das Fahrrad umsteigt, leistet einen Beitrag zum Klimaschutz und zu sauberer Luft. (ses, jk) ■

Energiesparen bringt‘s! ■

Die europäische Coalition for Energy Savings hat berechnet, wie sich jedes zusätzliche Prozent an Energieeinsparung bis 2030 auswirkt: Ein Prozent Einsparung würde zu 336.000 neuen Arbeitsplätzen führen und den europäischen Privathaushalten durchschnittlich 29 Euro pro Jahr an Energiekosten ersparen.

Entwurf muss nachgebessert werden Um die positiven Auswirkungen eines Mieterstromgesetzes auf die Energiewende zu verstärken und den Kreis der geförderten Mieter zu vergrößern, sind aus Sicht der DUH Nachbesserungen am Gesetzentwurf notwendig. So sollte der bürokratische Aufwand für Besitzer kleiner Solarstromanlagen unter 10 Kilowatt Peak (kWp) abgebaut werden. Außerdem sollte die Förderung einer Solarstromanlage auf einem benachbarten Dach nicht ausgeschlossen werden. Der Entwurf deckelt den jährlichen Ausbau im Bereich Mieterstrom auf 500 Megawatt. Dies sollte durch ein flexibleres Modell ersetzt werden, um den Ausbau der Erneuerbaren Energien nicht unnötig zu bremsen. Das Gesetz muss zudem den gewerbesteuerlichen Vorteil von Wohnungsunternehmen

Künftig können Mieter hauseigenen Solarstrom zu günstigen Preisen beziehen.

wahren. Eine eventuelle Streichung dieses Privilegs könnte sich als ein Hemmnis für die Wohnungswirtschaft erweisen, Mieterstrommodelle zu realisieren. Voraussichtlich am 30. Juni 2017 wird das Gesetz im Bundestag beschlossen. (lh) ■

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Themen

Energiepolitik

Was kommt nach der Kohle? Kohlestrom muss nachhaltigeren Energieformen weichen. Das gilt in Deutschland und in ganz Europa. r ropa. Die Zeit drängt, über die Zukunft der Regionen nachzudenken, in denen viele Menschen bisher mit i it der Braunkohle ihren Lebensunterhalt verdienen. m Rheinland, in Mitteldeutschland und der Lausitz ist die Liste der Probleme lang. Besonders die strukturschwache Lausitz plagt die Abwanderung junger, gut ausgebildeter Menschen. Zudem gibt es zahlreiche Umweltprobleme bei der Renaturierung der alten Tagebaue.

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Gräben überwinden Mitten durch Familien und Dörfer geht ein Riss, der Befürworter und Gegner der Braunkohle trennt. Wo es keine Perspektiven gibt, verteidigen die Menschen die Reste des Althergebrachten.

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Seit Jahren fordern die DUH und andere Verbände deshalb eine umfassende Strukturpolitik für die Braunkohlereviere, welche die Bevölkerung einbindet. Dies geht nur mit finanzieller Unterstützung von Bundes- und EU-Ebene und unter Mitwirkung der Landesregierungen. Aber auch Zeit ist notwendig: In einem Gesprächsprozess von Politik, Verwaltung und Bürgerinnen und Bürgern müssen regionale Leitbilder erdacht werden. Die DUH bietet sich als erfahrene und neutrale Moderatorin an. Sie führt vor Ort bereits Gespräche auf politischer Ebene sowie mit Initiativen der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft. Wich-

tigstes Ergebnis: Es muss schnell gehen – die Zeit ist reif für einen Prozess, in dem man gemeinsam die Zukunft gestaltet.

Deutsch-tschechischer Dialog Seit Februar 2016 arbeitet die DUH auch grenzüberschreitend in einem deutsch-tschechischen Dialogprojekt zum Thema Braunkohle und Strukturwandel. Welche sozialen, ökonomischen und ökologischen Herausforderungen kommen auf die Tagebauregionen beider Staaten zu? In regelmäßigen Abständen treffen sich unter dem Schirm der Heinrich-Böll-Stiftung


Themen

Nach und nach ist das Wasser in den Tagebaurestlöchern auf das ursprüngliche Niveau angestiegen.

Wiedehopf (links) und Wolf brauchen ungestörte Landschaften.

und der DUH Vertreter der Politik, der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft sowie Umwelt- und Sozialexperten, um sich auszutauschen. Auf beiden Seiten der Grenze geht es um politische Entwicklungen und Lösungsansätze rund um Arbeitsplatzeffekte, Investitionen oder Umweltschutz. Die Treffen finden in den Braunkohleregionen selbst statt. Sie führen die Teilnehmer auch nach draußen, wo die Herausforderungen sichtbar sind. Man besucht Abbauflächen, Kraftwerke oder Bergbaufolgelandschaften und spricht vor Ort mit Gewerkschaftern und Bürgermeistern. Die wirtschaftliche Lage ist in den Bergbauregionen Tschechiens weitaus dramatischer als in Deutschland. Es gibt hohe Arbeitslosigkeit, zu wenige gut qualifizierte Arbeiter, wenig Produktion und Innovation. Alte Industrieflächen liegen brach, eine Re-

In der Lausitz hat der Tagebau Chancen für wilde Natur hinterlassen.

Nachtkerzen besiedeln sonnige, trockene Standorte.

kultivierung von Flächen nach dem Kohleabbau findet kaum statt. Erste Aktionspläne der Regierung beziehen sich nicht explizit auf die Braunkohleregionen, sondern auf die Gesamtsituation des Landes: Bessere Ausbildungssysteme, Investitionsanreize und wirtschaftliche Entwicklung stehen im Fokus.

Wildnis in der Lausitz? Die ehemaligen Braunkohletagebaue sind ein vielfältiges Landschaftsmosaik, das schon heute Kranich und Wolf, Wiedehopf und Wechselkröte eine Heimat bietet. Straßenbau und Schifffahrtswege, verbunden mit einer kostenintensiven Sanierung der Landschaft und massiven Eingriffen in den Wasserhaushalt, stehen im Raum. Zwar sind die Pläne wider die Natur nicht komplett ad acta gelegt, doch die politischen Entscheider sind sich einig. Der Bundesfinanzminister, die Bundesumweltministerin und die Braunkohleländer Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben eine Zusammenarbeit besiegelt, die Wildnisentwicklungsflächen den Weg ebnet. Ein von der DUH erarbeitetes Gutachten zu den Natur-Potentialen hat die politische Diskussion positiv beeinflusst. Bereits 2015 hat das Naturschutz-Team der DUH eine umfangreiche Kartierung vorgelegt. Das Fazit: 15.000 Hektar Bergbaufolgeflächen eignen sich für eine Wildnisentwicklung. In der Lausitz handelt es sich dabei um aus Sicherheitsgründen gesperrte Flächen, sogenannte Innenkippen. Lässt man dort der Natur ihren freien Lauf, spart man unmittelbar Sanierungsmittel. Diese könnten dann für die behutsame Erschließung der Außenbereiche für einen sanften Tourismus und Naherholung eingebracht werden. Die DUH begleitet die politische Diskussion weiter. Vornehmlich in Sachsen engagieren wir uns für das Koppeln von Naturentwicklung mit nachhaltiger Regionalentwicklung. Und auch auf der böhmischen Seite überlegen Wissenschaftler und Umweltverbände inzwischen, wie Bergbaufolgelandschaften für Natur- und Wildnisentwicklung bereitgestellt werden können. Die Hoffnung bleibt: nach der braunen Kohle entwickelt sich eine grüne Zukunft. (jp, jk) ■ DUH welt 2|2017 21


Themen

Naturschutz

Wir gratulieren: Steinhuder Meer ist Lebendiger See 2017

Als größter See Niedersachsens ist es in ein weiträumiges Lebensraumnetzwerk eingebunden, das sich von der Elbe im Osten bis zur Weser im Westen erstreckt. Das Steinhuder Meer mit seiner jahrzehntelangen Naturschutzgeschichte hat der GNF jetzt als Lebendigen See des Jahres 2017 ausgezeichnet.

Seit 40 Jahren sind Menschen am Steinhuder Meer für den Naturschutz aktiv. Die Erfolge ihrer Arbeit können sich sehen lassen: Zur Jahrtausendwende siedelte sich das erste Seeadlerpaar an und gleichzeitg brüteten Kraniche erstmals seit einem Jahrhundert wieder am Steinhuder Meer. Die Zahl der rastenden Wasservögel, zu Beginn der 1990er Jahre auf dem Tiefpunkt, hat sich inzwischen verfünffacht. Zahlreichen Schutzmaßnahmen ist es zu verdanken, dass auch Fischadler, Wachtelkönig und

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Flussseeschwalbe wieder zu entdecken sind. Auch der Rückgang von Bekassine, Kiebitz, Ringelnatter, Moorfrosch, Krebsschere und vielen anderen Tierarten ist vorerst gestoppt und ein Resultat engagierter Naturschutzarbeit. Innovative, wissenschaftlich begleitete Wiederansiedlungsprojekte, zum Teil mit Projektpartnern wie dem NABU Niedersachsen, der Region Hannover und anderen, machten es möglich, dass heute wieder Laubfrosch, Karausche, Europäischer Nerz, Moorente und die Europäische Sumpfschildkröte im oder am See leben.

Vorzeigemodell für nachhaltigen Tourismus Die beeindruckende Artenvielfalt trifft im Naturpark Steinhuder Meer auf ausgedehnte Meerbruchwiesen, Moore, Feuchtwiesen, Röhrichten, Wald und Dünen. Nach der Ramsar-Konvention zum ganzheitlichen Schutz von Feuchtgebieten ist das Steinhuder Meer wichtig für den Erhalt der Biodiversität weit über die Grenzen der Region hinaus. Gleichzeitig ist es EU-Vogelschutzgebiet, und größere Teile des Sees und der umliegenden Lebensräume stehen unter EU- und Bundesnaturschutzrecht. Der Naturpark Steinhuder Meer gilt mittlerweile als bundesweit anerkanntes Vorzeigemodell für vorbildliche, erfolgreiche Besucherlenkung. Zweimal erhielt er die Auszeichnung „Qualitäts-Naturpark“. Der Naturpark Steinhuder Meer, die Steinhuder


Themen

Das Steinhuder Meer ist ein schillerndes Beispiel für erfolgreiche Naturschutzarbeit.

Meer Tourismus GmbH, das Regionale Umweltbildungszentrum und die Ökologische Schutzstation am Steinhuder Meer stellen jährlich ein gemeinsames Naturerlebnisangebot zusammen, zu dem Naturschutzverbände mit Exkursionen und Vorträgen beitragen. Der See ist damit ein Beispiel für eine erfolgreiche Zusammenarbeit: In einem konstruktiven Austausch mit den verschiedenen Nutzern können Naturschutzbehörden und -verbände gemeinsam viel erreichen.

Seltene Reptilien- und Amphibienarten wie die Sumpfschildkröte (oben) und der Moorfrosch (links) finden hier einen Lebensraum.

Der Europäische Nerz kehrt zurück Kleiner Kerl mit begehrtem Pelz: Seit über 100 Jahren gilt der Europäische Nerz in Deutschland als ausgerottet. Die verbliebenen Europäischen Populationen, vorwiegend in Osteuropa zuhause, sind stark in Bedrängnis. War ehemals die Jagd Grund für seine Ausrottung, so machen heute die Begradigung von Flussläufen, die Urbarmachung von Feuchtgebieten und die Zerschneidung von Lebensräumen dem Nerz das Leben schwer. Nun wird das auch als Sumpfotter bekannte Pelztier von der Organisation Euronerz und der Ökologischen Schutzstation Steinhuder Meer zurückgebracht. Euronerz koordiniert dieses europäische Erhaltungszuchtprogramm, im Rahmen dessen viele Tiere am Steinhuder Meer freigesetzt werden konnten. Es zeigt sich, dass Naturschutzbemühungen wie die EU-Wasserrahmenrichtlinie und die EU-Habitatrichtlinie wirken: Im vergangenen Frühling wurden am Lebendigen See 2017 erstmals nach 100 Jahren wieder Nerze in Freiheit geboren.

Anziehungspunkt für Naturliebhaber Um den Nutzungsdruck auf den See und die besonders sensiblen Lebensräume in seiner Umgebung, beispielsweise durch die zahlreichen Touristen und Tagesausflügler während der Hochsaison, zu reduzieren, wurde ein umfassendes Konzept für einen nachhaltigen Tourismus entwickelt. Zu den vielen wichtigen Maßnahmen, die bisher umgesetzt wurden, zählen Winterfahrverbote und die Verlagerung von Wegen. Die Besucherströme durch den Naturpark Steinhuder Meer werden gezielt gelenkt und auf weniger empfindliche Gebiete konzentriert: Vom Rundweg aus ist es über Erlebnispfade und Aussichtspunkte möglich, die Naturschätze behutsam zu erleben. Sensiblere Lebensräume bleiben somit ungestört. Eine intensive Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildungskampagnen konnten auch die ansässige Bevölkerung für die neuen Reglementierungen gewinnen. All dies ist Grund genug für das Netzwerk Lebendige Seen Deutschland anlässlich des Weltwassertages am 22. März das Steinhuder Meer zum „Lebendigen See des Jahres 2017“ zu ernennen und damit einen Fokus auf die Bedeutung der Seen und Feuchtgebiete in Deutschland und darüber hinaus zu legen. Wir gratulieren! (ts, lh) ■

Die Projektarbeit des Global Nature Fund wird unterstützt von:

Stiftung Ursula Merz

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Themen

Vier Schulklassen kommen beim River Links Vernetzungstreffen in Wetzlar zusammen.

Gewässerschutz

Schüler für lebendige Flüsse Schülerinnen und Schüler aus vier Städten kommen beim River Links Vernetzungstreffen in Wetzlar zusammen. Gemeinsam diskutieren sie über Flüsse, nachhaltigen Konsum und die Bedeutung sauberen Wassers.

enn 81 Fußpaare eine Jugendherberge im beschaulichen Wetzlar betreten, wird es vor allem erst einmal eines: laut. Zum großen Vernetzungstreffen reisen bei sommerlichen Temperaturen insgesamt vier Klassen aus Neuss-Norf, Erfurt, Hannover und Karlstadt an. Doch dem anfänglichen Gewusel folgt schnell gespannte Erwartung auf das Programm der nächsten drei Tage. Astrid Hölzer, Projektmanagerin bei der DUH und Koordinatorin im Projekt „River Links – 4x4 Flussverbindungen“ freut sich: „Für die Jugendlichen bieten wir viele verschiedene Workshops rund um die Themen Wasser und Flüsse. Wichtig war uns bei der Planung aber auch, genügend Freiraum für eigene Ideen und deren Ausgestaltung zu lassen. Dafür haben wir das demokratische Tagungsformat „Open Space“ gewählt, in dem die Jugendlichen eigene Themen vorschlagen und selbstständig dazu Arbeitsgruppen organisieren.“

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Gemeinsam denken, aktiv handeln Als Ergebnis des Vernetzungstreffens entstand am Ende der drei Tage ein volles Programm für den kommenden Sommer:

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In Karlstadt wird an einem EdutainmentKonzept am Main gewerkelt, bei dem Kieselsteine am Fluss Fragen aufwerfen und Passanten zum Nachdenken anregen. Die Antworten können dann per „Kieselcaching“ mit dem GPS im Handy gesucht werden. Parallel kümmert sich eine weitere Gruppe um eine Plastiktüten-Tauschaktion. In Erfurt wird eine Kampagne „Saubere Gera“ entwickelt, die aufgreift, dass die Gera im Zuge der BUGA 2021 umgestaltet wird. Die Flussrenaturierung im urbanen Raum soll mit Plakaten an Brücken, einer Aktion an der Krämerbrücke, dem Wahrzeichen Erfurts, und Informationen zum Problem Plastikmüll begleitet werden. In Hannover ist ein bunter Aktionstag für die Öffentlichkeit rund um das Thema Mikroplastik geplant, an dem die Schülerinnen und Schüler auch unternehmerische Ansätze für Gewässerschutz erproben und selbst hergestellte Naturkosmetik verkaufen wollen. Eine organisierte Straßenaktion in Neuss zum Thema Wasserverbrauch von Textilien soll die River Links-Themen in einer kreativen Protestform in die Öffentlichkeit tragen. „Wir sind begeistert von all den originellen Ideen! Schüler, die sich vorher

ln Workshops samme In selbstgestalteten die für en Ide ve ati die Schüler viele kre Flüsse-Arbeit.

noch nicht kannten, haben gemeinsam Konzepte entwickelt und Pläne geschmiedet. Einfach großartig!“, so Hölzer. Noch zwei weitere Projekttage soll es geben. Und auch für die Abschlussveranstaltung gibt es schon Ideen: Die Jugendlichen wollen ein Floß bauen, um auf ihr Thema aufmerksam zu machen. Die Abschlussveranstaltung soll im Frühjahr 2018 stattfinden. (sas, lh) ■ Förderer:


Themen

Artenschutz

Bienen am Altglascontainer An Altglas-Sammelstellen lauert eine tödliche Seuche auf unsere Honigbienen. Für uns Menschen ungefährlich, kostet sie ganze Völker das Leben. Dabei lässt sich die Seuche einfach eindämmen.

ancher Altglas-Container zieht Honigbienen magisch an. Der Grund sind unverschlossene Honiggläser, aus denen die Bienen Honigreste als Nahrung aufnehmen. Darin können Sporen der Amerikanischen Faulbrut enthalten sein, einer bakteriellen Brutkrankheit. Man sieht und schmeckt sie nicht und für den Menschen ist sie völlig ungefährlich. Doch die Honigbienen tragen die Sporen in ihr Volk und verteilen sie durch Körperkontakt und Futteraustausch untereinander. Auch der Honig wird auf diese Weise mit Sporen kontaminiert. Den erwachsenen Tieren schadet die Krankheit nicht, wohl aber dem Nachwuchs. Der Name Faulbrut deutet bereits darauf hin: Die Krankheit tötet die Larven, sie sterben in ihrer Zelle ab und werden zersetzt. Die Amerikanische Faulbrut zählt zu den anzeigepflichtigen Bienenseuchen. In der Regel richtet das Veterinäramt einen Sperrbezirk ein, um die weitere Ausbreitung der Seuche zu verhindern. Meist muss der Imker das gesamte befallene Volk verbrennen.

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Honiggläser spülen. Regional kaufen. Jeder kann auf einfache Weise zur Gesundheit der Honigbienen beitragen: Man sollte seine leeren Honiggläser und die zugehörigen Deckel gründlich mit warmem Wasser spülen oder sie in der Geschirrspülmaschine reinigen. Am besten werfen Sie die Gläser

mit dem Deckel verschlossen in den Altglascontainer. Die Amerikanische Faulbrut wurde und wird über Importhonig bei uns eingeschleppt. Wenn Sie heimischen Honig vom regionalen Imker kaufen, bleibt der Faulbrut-Erreger „draußen“. Am besten wählen

Sie Honig im Mehrwegglas, das Sie später – natürlich gespült samt Deckel – beim Imker oder beim Händler zurückgeben können. (jk)

Termin

Flüsse-Workshop an der Donau ■

Vom 5. bis 6. Oktober 2017 lädt die DUH ins Infozentrum Isarmündung bei Deggendorf an der Donau (Niederbayern) zu ihrem fünften FlüsseWorkshop ein. Das Angebot richtet sich an Ehren- und Hauptamtliche aus Naturschutzorganisationen, Vertreter aus Behörden und Politik sowie Bürgerinnen und Bürger. Thema sind die besonderen Herausforderungen in Grenzregionen, die bei der Revitalisierung von Flüssen und Auenlebensräumen bestehen. Wir freuen uns auf einen Austausch über Lösungsansätze und werden Strategien und Konzepte grenzüberschreitender Zusammenarbeit am Beispiel des Donau-Flusssystems vorstellen. Am Nachmittag des 4. Oktober bieten wir den Workshop-Teilnehmern zusätzlich eine Exkursion an. (jk)

Ab Juli finden Sie das Programm und Anmeldeinformationen auf www.duh.de. Kontakt: Deutsche Umwelthilfe | Ines Wittig Tel. 03496 2100-09 | wittig@duh.de Förderer:

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Unbekannte Tierart

Nicht ohne meinen

Schwarm!

In großen Schwärmen zieht er durch die Meere. Als beliebter Speisefisch wird er seit Jahrhunderten in Nord- und Ostsee gefangen. Auch wenn die Bestände des Atlantischen Herings nicht mehr auf dem Tiefpunkt sind, ist mit neuen Gefährdungen zu rechnen. ■ von Melanie Fessler

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rientierung und Schutz vor Räubern finden Heringe im Schwarm. Sie schwimmen immer im gleichen Abstand zum nächsten Artgenossen, bewegen sich alle in die gleiche Richtung und weichen gemeinsam Hindernissen aus. Ohne seinen Schwarm ist ein Hering völlig gestresst und desorientiert. Bis ins Guinness-Buch der Rekorde hat es der Hering geschafft, als zahlenmäßig häufigster Fisch der Welt. Die Schwärme der atlantischen Art schwimmen im gesamten Nordatlantik einschließlich Nord- und Ostsee. Mehrere Tonnen Fisch tummeln sich in solch einem Schwarm und bilden silbrige Blasen im Wasser. Für Thunfische, Makrelen, Robben und Wale ist der Hering eine wichtige Nahrungsquelle. Der Körper des Atlantischen Herings ist langgestreckt und mit silbrigen Schuppen bedeckt. Sein Rücken glänzt in Schattierungen von blauschwarz über dunkelgrau bis grünlich. Schwanz- und Rückenflosse sind schwarz. Atlantische Heringe werden in der Regel 20 bis 25 Zentimeter lang, große Exemplare erreichen sogar 40 Zentimeter Länge. Ostseeheringe laichen im Frühjahr; die Bestände in der Nordsee im Herbst. Das Weibchen legt bis zu 50.000 Eier ab. Brutpflege betreiben die Eltern nicht. Nach 14 Tagen schlüpfen die Larven und steigen zur Wasseroberfläche auf. Zunächst ernähren sich die Larven aus ihrem Dottersack. Ist er aufgezehrt, fressen sie Planktonalgen und Krebstierlarven. Am Ende des ersten Lebensjahres ziehen die Jungfische in tiefere Gewässer. Mit rund drei Jahren werden die Tiere geschlechtsreif. Erst dann schließen sie sich den Wanderungen der großen Schwärme an.

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Fisch für die Masse Heringe sind wertvolle Speisefische. Sie enthalten Vitamine, Jod, Mineralstoffe und Omega-3-Fettsäuren. Schon im 13. Jahrhundert begann der „Siegeszug“ des Herings in die Küchen Deutschlands und Europas. Geräuchert und gesalzen ist er lange haltbar und war deshalb hervorragend geeignet für weite Transportwege und Schiffsreisen oder als Marschverpflegung für das Heer. Später galt der Hering als preiswerte „Armenspeise“ für die zahllosen Arbeiterhaushalte. Dafür wurden die Heringsbestände gnadenlos geplündert. Noch in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts war der Atlantische Hering stark dezimiert. Für mehrere Jahre wurde die Heringsfischerei in der Nordsee sogar gänzlich untersagt, die Bestände

Basstölpel


Unbekannte Tierart

Der Schwarm sichert das Überleben: Räuberabwehr und Nahrungssuche gelingen zusammen besser (links). Ins Netz gegangen (Mitte): Der Atlantische Hering zählt zu den beliebtesten Speisefischen in Deutschland. Aber er wird nicht nur vom Menschen gern gegessen: Der Hering ist auch ein wichtiges Glied in der Nahrungskette im Meer.

Zum Schutz des möglicherweise bald wieder gefährdeten Herings und anderer Meeresbewohner setzt sich die Deutsche Umwelthilfe seit Jahren ein: im Rahmen der Projekte Lebendige Nordsee und Ostsee sowie im Zuge ihres Langzeitengagements am Stettiner Haff – für nachhaltige Fangmethoden und auf europäischer Ebene für eine nachhaltigere Fischereipolitik, so zuletzt mit einem Aufruf an EU-Parlamentarier. ■

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Steckbrief:

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Atlantischer Hering (Clupea harengus)

erholten sich aber zunächst nur vorübergehend. Erst ein strenger Managementplan brachte dauerhafte Erholung für den Nordseehering: Fangquoten und verkleinerte Fischereiflotten haben für eine stabile Heringspopulation in der Nordsee gesorgt. Noch immer ist die Nachwuchsrate gering.

Bestand in Ostsee sinkt In der Ostsee hatten die Bestände in den 1990er Jahren stark abgenommen; erst seit einigen Jahren erholen sie sich, auch wenn es wenig Nachwuchs gibt. Im Greifswalder Bodden messen Fischereibiologen seit 40 Jahren den Larvenbestand. In den vergangenen zehn Jahren beobachten die Forscher ein vermehrtes Larvensterben, sie bringen eine geringfügige Erhöhung der Wassertemperatur und den Eintrag von Nährstoffen aus Düngemitteln damit in Zusammenhang. Sorgen macht den Fischereibiologen auch der abnehmende Seegrasbestand, weil die Heringsweibchen darin ihre Eier ablegen. Ist das Wasser durch milde Winter zu warm, schlüpfen die Larven zu früh und verhungern aufgrund des fehlenden Nahrungsangebots. Außerdem werden Ostseeheringe für die Produktion von Fischmehl und Fischöl gefangen.

Verwandtschaft: Der Atlantische Hering gehört zur Familie der Heringe (Clupeidae), zu der auch Sardinen und Sprotten zählen. Nahrung: Der Fisch filtert mit seinen Kiemen Plankton, Fischlarven und kleine Schnecken und Krebse aus dem Wasser. Fortpflanzung und Entwicklung: Zur Eiablage kommen sowohl die weiblichen als auch die männlichen Tiere aus tieferen Gewässerbereichen in die flacheren Küstenregionen. Die Eier sinken auf den Boden oder werden an Großalgen und Seegräser angeheftet. Nach rund zwei Wochen schlüpfen die Larven und bewegen sich an die Wasseroberfläche. Heringe sind mit ca. drei Jahren geschlechtsreif und können bis zu 25 Jahre alt werden. Vorkommen und Lebensraum: Der Atlantische Hering lebt im Nordatlantik, und sein Verbreitungsgebiet reicht von der nördlichen Biskaya über Nord- und Ostsee bis nach Spitzbergen und dehnt sich in westlicher Richtung über Island und das südwestliche Grönland bis an die Küste von South Carolina aus. Lebensweise: Die großen Heringsschwärme halten sich tagsüber meist in tieferen Gewässerbereichen auf, nachts schwimmen sie zur Nahrungssuche an die Oberfläche und nehmen ihre Nahrung mit weit geöffnetem Maul und durch die Kiemen auf. Gefährdung: Der Atlantische Hering gilt als nicht gefährdet.

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Themen

Recycling

Unter den Teppich gekehrt Deutschland präsentiert sich gerne als Recyclingweltmeister, eister, zum Beispiel für Verpackungen, Elektroaltgeräte oder auch Metallschrott. Doch hrott tt. Do D c was ch geschieht eigentlich mit den rund 400.000 Tonnen jährlich hrlich ausrangierten a Teppichböden? Die DUH forscht nach.

ie Füße lassen sich gern von den weichen Fasern tragen und auch so manches Haustier findet auf ihnen seinen Lieblingsplatz. Teppichböden verleihen Räumen Wärme und Behaglichkeit. Am Ende eines Teppichlebens steht meist der Sperrmüllcontainer auf dem Wertstoffhof. Jährlich sind es rund 400.000 Tonnen Teppichböden, die auf diese Weise entsorgt werden. Bei deren Verbrennung entstehen toxische Abfälle und klimabelastende Gase. Dabei enthalten die meisten Teppichböden große Mengen hochwertigen Kunststoffgarns, das wiederum zur Herstellung neuer Produkte genutzt werden könnte. Doch die Industrie interessiert das wenig.

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nungsanlagen vorhanden, die nur darauf warten, brennbares Material zu verfeuern. Und auch für die Hersteller ist die Verbrennung ein gutes Geschäft. Sie bleiben von Investitionen in die Herstellung recyclingfähiger Teppichböden und in den Aufbau von Rücknahmesystemen verschont und wirtschaften das gesparte Geld lieber als Rendite in die eigene Tasche. Als Folge gibt es hierzulande nicht eine einzige große Recyclinganlage für alte Teppichböden.

Keine Information, keine Rücknahme Wer heutzutage eine neue Waschmaschine bestellt, kann die alte in der Regel bei der Anlieferung gleich mit zurückgeben. Durch solche Rücknahme-Systeme finden die meisten Alt-Geräte den richtigen Weg in eine geordnete Entsorgung. Sie können professionell auf Wiederverwendung geprüft oder umweltfreundlich recycelt werden. Anders sieht die Praxis bei alten Teppichböden aus. Wer hier einen Abnehmer für ein umweltfreundliches Recycling sucht, der bleibt allein. Selbst vermeintlich nachhaltige Hersteller wie Desso und Interface nehmen nicht mehr als drei Prozent der von ihnen in Verkehr gebrachten Teppichbeläge wieder zurück. Recherchen der DUH ergaben, dass im Handel praxistaugliche und flächendeckende Rückgabesysteme für Teppichböden fehlen, die Verbraucher in Anspruch nehmen könnten. Das hat seinen Grund: In Deutschland sind zu viele überdimensionierte Verbren-

Umweltschutz auch bei Teppichböden Bei der Entwicklung eines funktionierenden Kreislaufwirtschaftssystems in der Teppichbranche sind in erster Linie die Hersteller gefragt, Verantwortung zu übernehmen. Weil in Deutschland jedoch seit vielen Jahren kaum Verbesserungen bei der Rücknahme und dem Recycling von Teppichböden erreicht worden sind, müssen Politiker Druck aufbauen und verpflichtende Regelungen zur Wiederverwendung und zum Recycling erlassen. Für die Kunden bleibt die Möglichkeit, stärker als bisher auf ökologische Aspekte von Teppichen zu achten und Rückgabemöglichkeiten durch die Hersteller und Händler einzufordern. (tf, lh) ■

Darauf sollten Sie beim Kauf von Teppichböden achten!

Kaufen Sie Teppichfliesen statt Meterware , damit einzelne Fliesen – falls notwendig – ersetzt werden können.

Bevorzugen Sie Teppichböden aus Recyclingmaterial und verzichten Sie auf Mischmaterialien. Fragen Sie im Handel außerdem nach der Recyclingfähigkeit.

Erkundigen Sie sich beim Händler über die verwendeten Zusatzstoffe . Meiden Sie umweltschädliche und schadstoffhaltige Produkte.

Verlegen Sie Teppichböden ohne Kleber . Falls Sie doch Klebstoffe verwenden, sollten diese ein problemloses Ablösen der Auslegware vom Boden garantieren.

Kaufen Sie gestempelte Ware , d.h. dass die verwendeten Materialien auf der Teppichrückseite angegeben werden. Das erleichtert den Recyclingprozess.

Fragen Sie gezielt nach Rückgabemöglichkeiten im Handel für ein 28 DUH welt 2|2017

Recycling der Auslegware.


Themen

DUHmarkt DUH Umweltschutz-Service GmbH Fritz-Reichle-Ring 4 | 78315 Radolfzell

Ihre Bestellung direkt: 07732 9995-0

Grafik: Telekom Deutschland, Quelle: BMBF: Die RohstoffExpedition (2012), Zahlen aktualisiert von IZMF (2014)

Kreislaufwirtschaft

Kleiner Aufwand – große Wirkung Mit dem Online-Portal Handysammelcenter ist es jetzt noch einfacher, ausrangierte Handys zu sammeln und so auf den "richtigen" Weg zu bringen.

Atlas der Umweltmigration Dina Ionesco, Daria Mokhnacheva, François Gemenne, oekom verlag München 2017, 176 Seiten Migration oder Flucht haben vielfältige Ursachen. Umweltveränderungen spielen dabei immer häufiger eine Rolle. Dazu liefert der Atlas der Umweltmigration eine Fülle von Informationen und Einordnungen, die auch in Karten und Grafiken anschaulich aufbereitet sind. 22,00 Euro zzgl. Versand 5,00 Euro Bestell-Nr. 2086

tellen wir uns 70.000 Sattelschlepper vor. Sie bräuchte man, um die 1,7 Millionen Tonnen Elektrogeräte zu transportieren, die in Deutschland jedes Jahr zu Abfall werden. Da es sich hier um eine besondere Fracht handelt, lohnt sich genaueres Hinschauen: Der Elektroschrott birgt einerseits Wertstoffe und andererseits enthalten viele Geräte Umweltgifte. Aus diesen Gründen ist es verboten, sie über den Hausmüll zu entsorgen. Viele Altgeräte könnten erneut genutzt oder recycelt werden. Doch nur etwa 40 Prozent des Elektroschrotts werden überhaupt ordnungsgemäß in Sammelzentren erfasst. Deshalb engagiert sich die DUH bereits seit 14 Jahren gemeinsam mit der Telekom Deutschland für die Handysammlung. Darüber hinaus setzt sie sich in Normungsund Gesetzgebungsprozessen für einen zukunftsfähigen Umgang mit Elektroaltgeräten ein. Das Ziel sind langlebigere Produkte und die Wiederverwendung ausgedienter Geräte. So lassen sich Abfälle vermeiden.

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Machen Sie mit! Das Handysammelcenter ist eine OnlinePlattform der Telekom Deutschland, über die Umweltgruppen, Schulen oder Unternehmen kostenlos Sammelboxen für gebrauchte Geräte bestellen können. Bei der Rücknahme und der Aufbereitung der

Wer sein Handy spendet, hilft der Umwelt dreifach: Vollfunktionsfähige Geräte, die noch einen Marktwert haben, werden nach einer professionellen Datenlöschung weitergenutzt (ca. 15 Prozent). Die restlichen Geräte werden hochwertig recycelt, so werden wertvolle Ressourcen gespart.

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Schwermetalle und andere Schadstoffe landen nicht im Hausmüll oder der Umwelt, sondern werden fachgerecht entsorgt. Zudem spendet die Telekom Deutschland aus den Erlösen für Natur- und Umweltschutzprojekte der Deutschen Umwelthilfe.

Geräte, die weiter genutzt werden (ReUse), arbeitet die Telekom mit dem Unternehmen Teqcycle Solutions GmbH zusammen. Die Rückgabe sowie das Einsenden der Geräte sind kostenfrei. Wer sich nicht in einer Gruppe engagiert, sondern als umweltbewusster Verbraucher mitmachen möchte, findet hier auch eine Karte, die stationäre Sammelstellen zeigt. (ps, jk) ■ www.handysammelcenter.de

Wildbienen Die anderen Bienen Paul Westrich, Verlag Dr. Friedrich Pfeil 2015, 168 Seiten, Hardcover, 479 farbige Bilder Der Biologe und Bienenforscher Paul Westrich führt uns in die faszinierende Welt der Wildbienen. Wenn er deren Lebensweise schildert, schwingt immer die eigene Begeisterung mit. 19,80 Euro zzgl. Versand 5,00 Euro Bestell-Nr. 2084

Plötzlich Gänsevater Sieben Graugänse und die Entdeckung einer faszinierenden Welt Michael Quetting, Ludwig Buchverlag 2017, 256 Seiten, gebundenes Buch mit Bildteil Für ein Forschungsprojekt des Radolfzeller Max-Planck-Instituts bringt Michael Quetting Graugänsen bei, seinem Ultraleichtflugzeug durch die Lüfte zu folgen. Zunächst heißt es: brüten. Als die Küken schlüpfen, beginnt für Quetting ein völlig entschleunigtes Leben. 19,99 Euro zzgl. Versand 5,00 Euro Bestell-Nr. 2085

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Themen

Hand in Hand-Fonds

Damit die Heimat lebenswert bleibt Der jetzt erschienene Atlas der Umweltmigration liefert Einordnungen, Zahlen und Hintergründe, die einen differenzierten Blick auf umweltinduzierte Bevölkerungswanderungen ermöglichen. Viele Projekte des Hand in Hand-Fonds tragen dazu bei, Umweltbedingungen zu verbessern und so den Menschen das Bleiben in ihrer angestammten Heimat zu ermöglichen.

enn von Umweltmigration die Rede ist, kommen uns Naturkatastrophen oder der Klimawandel in den Sinn. Und tatsächlich: Viele, die hierzulande schnell als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnet werden, sind unterwegs, weil verschlechterte Umweltbedingungen sie nötigen, ihrer Heimatregion den Rücken zu kehren. Politische, wirtschaftliche und Umweltfaktoren der Migration sind eng miteinander verknüpft. Nicht jeder kann es sich leisten, die Heimat zu verlassen, denn die Reise und der Neuanfang woanders kosten Geld. Manche Bevölkerungsgruppen können nicht fliehen und sitzen regelrecht in der Falle. Ausgerechnet sie sind meist besonders verletzlich und mit den schlechtesten Voraussetzungen ausgestattet, sich an Umweltveränderungen anzupassen.

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Umweltmigration nimmt zu Die Gründe für Umweltmigration sind vielfältig: Unwetterkatastrophen, Überschwemmungen, Dürren, Ausbreitung von Wüsten, Austrocknung von Seen und Flüssen sowie steigende Meeresspiegel – die meisten Ursachen sind vom Menschen gemacht. Das 30 DUH welt 2|2017

gilt auch für die Vergiftung von Böden und Gewässern, die Überfischung der Meere, die Umweltschäden infolge der Vernichtung natürlicher Wälder und nicht zuletzt die großflächige Degradation von Böden durch zerstörerische Anbaumethoden. Die Liste ist lang und ließe sich noch fortführen. Es mag erschrecken, dass an all diesen sogenannten Umweltverschlechterungen der Mensch direkt oder indirekt entscheidenden Anteil hat. Doch es begründet auch einen Funken Hoffnung – schließlich gilt der Mensch als lernfähig. Nicht alle, die aus Umweltgründen ihre Heimat verlassen, wandern gleich in ein anderes Land oder suchen Zuflucht und neue Perspektiven im (globalen) Norden. Die meisten Wanderungsbewegungen finden innerhalb eines Landes statt. Doch diese Binnenmigration ist schwerer zu quantifizieren. Das sind Schlaglichter auf eine Entwicklung, deren Ausmaß zunimmt. Die Zahl der grenzüberschreitenden Migration weltweit hat sich in den letzten 30 Jahren verdoppelt. Wer mehr darüber erfahren möchte, findet im Atlas der Umweltmigration aus dem oekom-Verlag

(siehe DUHmarkt Seite 29) eine Fülle an Informationen, Einordnungen und Erklärungsansätzen. Auch politischer Handlungsbedarf und Lösungsstrategien nehmen einen breiten Raum ein. Der Atlas ist gut strukturiert, bietet Übersichtskarten, anschauliche Grafiken und Visualisierungen sowie Fallbeispiele.

Nachhaltig helfen Zu einer Landkarte der Umweltverbesserungen verbinden sich die Projekte des Hand in Hand-Fonds. Der Fonds, eine Gemeinschaftsinitiative von Rapunzel Naturkost und der Deutschen Umwelthilfe, fördert seit mittlerweile 19 Jahren ökosoziale Graswurzel-Projekte in Afrika, Asien und Lateinamerika. In gewissem Sinne leistet jedes dieser Projekte einen Beitrag zur Vermeidung oder Bewältigung von Umweltmigration. Erst im April hat der Fonds 200 von Erdrutschen und Überschwemmungen entwurzelten Familien einer peruanischen Kleinbauern-Kooperative ein Dach über dem Kopf und Zugang zu sauberem Wasser verschafft, um das Überleben bis zum Wie-


Themen

Das Abholzen von Küstenwäldern, wie etwa in Indien, zieht Umweltschäden nach sich (links). In Bolivien unterstützt der Hand in Hand-Fonds das Aufforsten von Regenwald, für die Dorfgemeinschaft eine Hilfe zur Selbsthilfe (rechts).

Schokolade füttert den Fonds Mehr als 100.000 Euro fließen jedes Jahr in die gemeinnützigen Projekte des Hand in Hand-Fonds. Woher kommt das Geld? Eine Antwort gibt uns Schokolade.

deraufbau zu ermöglichen. Solche Notfallhilfen hat der Fonds in den letzten Jahren immer wieder schnell und unbürokratisch geleistet. Etwa zum Wiederaufbau einer Gesundheitsstation für Nomaden in Tibet nach einem schweren Erdbeben. Im Kongo förderte der Fonds mehrfach ein Flüchtlingsprojekt zugunsten von Frauen und ihren Kindern, die aus den von Gewalt und Umweltzerstörung heimgesuchten Coltan-Abbaugebieten im Osten des Landes fliehen mussten. Unmittelbar ist der Zusammenhang auch bei Projekten, die sich der Bekämpfung von Wüstenbildung oder Erosion widmen, indem sie nachhaltige, standortangepasste Landwirtschaft fördern. In der Mongolei half der Hand in Hand-Fonds mehreren Familien am Onggi-Fluss in einer von der Ausbreitung der Wüste bedrohten Region. Dank der Unterstützung konnten sie Sanddornbäume anpflanzen, die weitere Erosion verhindern und das knappe Wasser in den Böden halten. (mha) ■

Kommen Sie zum Eine Welt-Festival!

A

uf der Suche nach Kakao aus biologischem Anbau, der zusätzlich auch nach fairen Kriterien hergestellt wird, stieß Rapunzel Naturkost Anfang der 1990er Jahre auf eine Lücke. Solcher Kakao war damals nirgends auf der Welt zu finden. Um die Schokoladen-Lücke zu schließen, entwickelte der Legauer Biopionier vor 25 Jahren ein firmeneigenes Siegel mit strengen Kriterien für fairen Handel: das Hand in Hand-Programm. Mit mittlerweile 19 meist langjährigen Rohstofflieferanten in Afrika, Asien und Lateinamerika schließt das Unternehmen Lieferverträge mit festen Abnahmemengen und -preisen. Obendrauf zahlt Rapunzel seinen Hand in Hand-Partnern prozentuale Prämien, mit denen diese selbstbestimmt Projekte finanzieren: den Schulbesuch von Kindern, eine Krankenversicherung oder einen Ausgleichsfonds, der bei Ernteausfällen einspringt. So wirkt das Hand in Hand-Programm seit 25 Jahren für nachhaltige Verbesserungen. Wir gratulieren zu dieser tollen „Erfindung“!

Mehr als 300 Projekte Schokolade war demnach die Geburtshelferin des Hand in Hand-Programms. Wenig später, 1998, wurde die Idee für den Hand in Hand-Fonds geboren. Getragen von DUH und Rapunzel fördert er im globalen Süden ökosoziale Projekte von gemeinnützigen Initiativen. Damit reicht der Fonds über die Handelsbeziehungen des Naturkostherstellers hinaus. Ob Schokolade, Cashewnüsse oder Kaffee mit Hand in Hand-Siegel – sie alle speisen den Fördertopf: Jedes Jahr spendet Rapunzel ein Prozent des Hand in Hand-Rohwarenwertes in den Fonds. Dieser hat seit Bestehen mehr als 300 Projekte mit insgesamt 1,3 Millionen Euro unterstützt. (jk) ■

Am Wochenende vom 9. und 10. September findet das Eine WeltFestival 2017 auf dem Betriebsgelände von Rapunzel in Legau (Allgäu) statt: ein bunter Markt des nachhaltigen Konsums. Dazu gibt es Konzerte, Vorträge und Kochshows als Rahmenprogramm. Anbaupartner aus dem Hand in Hand-Programm präsentieren ihre Produkte. Den Hand in Hand-Fonds stellt die DUH vor. Wir heißen Sie herzlich willkommen an unserem Info-Stand! (jk)

www.rapunzel.de/festival/ Die Teams von Rapunzel und DUH trafen sich im Mai am Bodensee, um über die zukünftige Zusammenarbeit zu beraten.

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Themen

Entwicklungszusammenarbeit

Mangroven, Bollwerk gegen Naturgewalten Die tropischen Gezeitenwälder sind faszinierende Lebensräume und leisten Beeindruckendes. Der Global Nature Fund (GNF) engagiert sich kontinuierlich für Mangroven-Projekte.

Alle paar Jahre trifft ein besonders schwerer Wirbelsturm das Grenzgebiet zwischen Indien und Bangladesch am Golf von Bengalen. Hier befinden sich die größten zusammenhängenden Mangroven der Erde, die Sundarbans. Der Wald wirkt als Schutzwall gegen die Sturmfluten, die als Folge der tropischen Zyklone die Küsten am Indischen Ozean erreichen. Noch, muss man sagen, denn anderenorts wurden solche Wälder massiv abgeholzt, um Platz für Garnelenfarmen oder Äcker zu schaffen. Als im Jahr 2009 der Wirbelsturm Aila über die Küste Ostindiens fegte, wütete seine Zerstörungskraft besonders dort, wo der Mangrovenwald bereits gerodet worden war: Dämme, welche die an der Hochwassermarke gelegenen Dörfer hätten schützen sollen, brachen. Meerwasser strömte ein und versalzte Felder und Trinkwasserbrunnen für mehrere Monate. Eine existenzbedrohende Situation für die überwiegend von Selbstversorger-Landwirtschaft abhängige, arme Landbevölkerung in den Sundarbans. Förderer:

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150 Hektar Mangroven Langsam setzt in Indien ein Umdenken ein: „Ironischerweise hat der Wirbelsturm Aila unsere Bemühung um die Mangroven-Wiederaufforstung befördert. Wir bekommen jetzt viel mehr Unterstützung für unsere Arbeit als vorher, besonders von der Bevölkerung vor Ort. Die meisten Dorfgemeinschaften wollen bei dem Wiederaufforstungsprojekt aktiv mitmachen“, sagt Ajanta Dey von der GNF-Partnerorganisation NEWS (Nature, Environment and Wildlife Society) aus Kalkutta. Der GNF arbeitet seit über zehn Jahren im Mangrovenschutz in Asien. Gemeinsam mit NEWS und drei Partnerorganisationen aus Indien und Sri Lanka startete er Anfang 2017 ein weiteres, breit angelegtes Mangrovenschutzprojekt. Zusammen werden sie 150 Hektar Mangrovenwald wiederaufforsten. Die Bevölkerung binden sie aktiv in das Projekt ein. Denn was die Dorfgemeinschaften vor Ort aus eigener Kraft anpflanzen, werden sie auch langfristig schützen, zeigt die langjährige Erfahrung des GNF und seiner Partner.

In den Sundarbans sind die Mangroven vielerorts abgeholzt.

Die Bevölkerung wirkt bei Arbeiten in der Baumschule mit.

Holzsparende Öfen helfen der Umwelt und den Menschen.


Menschen für Natur

Heute genießen und an morgen denken Dr. Günther Vock hinterließ mit seiner letzten Spende in Höhe von 60.000 Euro ein deutliches Lebenszeichen, das in der Arbeit der DUH weiterwirkt. ls Naturwissenschaftler widmete Seine Überzeugung lebte Günther Vock sich Günther Vock der Physik und stets in Taten. Als langjähriger Spender machte es sich zu eigen, die Dinge zu und Fördermitglied verfolgte er mit sehr ergründen und kritisch zu hinterfragen. großem Interesse den Umwelt- und NaZeit seines Lebens war er ein Freund der turschutz. Auch die Arbeit anderer OrgaNatur und ließ sich von ihr faszinieren. nisationen wie Greenpeace, der BUND, Sein Garten war für ihn eine Kraftquelle, der BUND Naturschutz in Bayern und die mit allem was kreucht und fleucht und Dolomitenfreunde lagen ihm am Herzen. wild wächst. Seine Naturbeobachtungen Am Ende seines Lebens hat er die Frage führten ihn zur Erkenntnis „Wildpflanzen „Was bleibt?“ mit einem großzügigen Geund -tiere brauchen Schutz und Fürsorschenk beantwortet: Seine Ersparnisse ließ ge“. Deshalb war es ihm in seiner Familie er zum größten Teil den Organisationen wichtig, dass die Kinder mit Werten wie zukommen, die mit ihrer Arbeit seine WerAchtsamkeit, Sparsamte für die folgenden Gekeit und Verantwortung nerationen weiterleben. aufwachsen. Seine kriDie Deutsche Umwelthilfe tischen Hinweise „Ist erinnert sich an ihn mit das wirklich nötig? Begroßer Wertschätzung denke die Folgen, wenn und dankt den Angehöridas jeder macht! Geh gen, die für die Erfüllung mit gutem Beispiel voseines letzten Wunsches ran!“ führten oft in lebSorge getragen haben. Dr. Günther Vock aus Bobingen, hafte Diskussionen zum (ab) ■ Landkreis Augsburg, verstarb am 15. Februar 2017. Thema Nachhaltigkeit.

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Das Projekt will der Bevölkerung darüber hinaus ihren Alltag erleichtern. In den Sundarbans leben die meisten Menschen in Hütten mit offenen Kochstellen ohne Rauchabzug. Vor allem die Frauen und Kinder sind täglich enormen Gesundheitsbelastungen durch den Rauch ausgesetzt. In einer neuartigen Bauweise werden nun zunächst 80 „Chulhas“, einfache Öfen aus Lehm, mit einem Rauchabzug ausgerüstet. Die neuen Öfen sind durch eine bessere Nutzung der Restwärme außerdem viel energieeffizienter, was Brennholz spart und somit die Wälder schont. „Wir hoffen, dass sich diese wirkungsvolle Technik durchsetzt und einen wichtigen Beitrag zur Verminderung des Nutzungsdrucks auf die Mangrovenwälder leistet“, erklärt Ajanta Dey. „Nur auf diese Weise können wir die Nachhaltigkeit unseres Projektes und den Fortbestand der Mangrovenwälder für zukünftige Generationen sichern.“ (tg) ■

Was bleibt?

11 Persönlichkeiten zur Frage „Was bleibt?“ – Günter Grass, Friede Springer, Reinhold Messner, Anne-Sophie Mutter u.v.a.

Foto: © bettinaflitner.de/Initiative „Mein Erbe tut Gutes.“

Bessere Öfen

Das Prinzip Apfelbaum. Ausstellungseröffnung in Erfurt und Dresden – Eintritt frei – 8. September bis 9. Oktober 2017 Haus Dacheröden Anger 37 99084 Erfurt 13. Oktober bis 16. November 2017 Kreuzkirche An der Kreuzkirche 6 01067 Dresden

Vernissage am 7. September und 12. Oktober, jeweils 18:00 Uhr. Anmeldung unter bernauer@duh.de oder Tel. 07732 9995-0

. Das Prinzip Apfelbaum bleibt?“ 11 Persönlichkeiten zur Frage „Was

Weitere Informationen: www.duh.de/legat.html Gäste der Deutschen Umwelthilfe erhalten bei der Vernissage den Bildband zur Ausstellung oder das Hörbuch als Geschenk.DUH welt 2|2017

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DUH intern

Mit langem Atem für die grüne Lunge in der Stadt Sie holt so viel Natur in die Stadt wie möglich. Silke Wissel ist Naturschützerin mit Leib und Seele. Und sie will echte Umweltgerechtigkeit. mweltgerechtigkeit.

hr Traum, naturnah zu leben und in einem Nationalpark zu arbeiten, führte Silke Wissel direkt nach dem Abitur für ein Freiwilliges Soziales Jahr nach Neuseeland. Zurück in Erlangen schickte sie als Auszubildende eines auf Neuseeland spezialisierten Reiseveranstalters erst einmal andere Naturbegeisterte in die fernen Nationalparks. Bis es der überzeugten Umweltschützerin zusehends widerstrebte, Fernreisen zu forcieren, damit Menschen Natur fernab ihres Alltags erleben können. Heute bringt Silke Wissel die Natur in die Stadt - dorthin, wo die Menschen leben. Seit 2009 verstärkt sie den kommunalen Umweltschutz der DUH. Nach ihrem Studium ‚Internationaler Naturschutz‘ in Neuseeland begann sie als Trainee in Radolfzell. Seit einem Jahr ist sie Leiterin des Teams Stadtnatur.

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es DUH-Wettbewerb ch im Rahmen ein Zu Gast in Anderna die Stadt baut im nn de n erlaubt“, Hier heißt es „Ernte für Jedermann an. Obst und Gemüse öffentlichen Grün

IMPRESSUM Zeitschrift für Mitglieder und Förderer der Deutschen Umwelthilfe e.V. und des Global Nature Fund ■ Herausgeber: Deutsche Umwelthilfe e.V., Fritz-Reichle-Ring 4, 78315 Radolfzell, Tel.: 07732 9995-0, Fax: -77, info@duh.de, www.duh.de duh de ■ V V.i.S.d.P.: i S d P : Jürgen Resch ■ Redaktion: Laura Holzäpfel (lh), Jutta Kochendörfer (jk), Andrea Kuper (ak) ■ Autoren: Peter Ahmels (pa), Annette Bernauer (ab), Ann-Katrin Bohmüller (akb), Melanie Fessler (mf), Thomas Fischer (tf), Michael Hadamczik (mha), Judith Paeper (jp), Thomas Schaefer (ts), Dorothee Saar (ds), Senta Schmatzberger (ses), Sabrina Schulz (sas), Philipp Sommer (ps), Thies Geertz (tg) ■ Gestaltung: Claudia Kunitzsch, Patricia Lütgebüter ■ Druck: ProWachter GmbH, Bönnigheim ■ Anzeigen: Jutta Kochendörfer; es gilt die Anzeigenpreisliste 2017 ■ Verlag und Vetrieb: DUH Umweltschutz-Service GmbH, Fritz-Reichle-Ring 4, 78315 Radolfzell ■ Gedruckt auf 100 % Recycling-Papier ■ Heftpreis: 1,50 Euro ■ Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft Köln | IBAN: DE45370205000008190002 | SWIFT/BIC: BFSWDE33XXX Deutsche Umwelthilfe und Global Nature Fund werden von zahlreichen Förderern finanziell unterstützt. Die Artikel der DUHwelt geben nicht in jedem Fall die Meinung der Förderer wieder. ■ Bildnachweis: Titel: Nick Vorobey/Fotolia; S. 3: DUH/Heidi Scherm; S. 4: czamfir/Fotolia (l.o.), Bettapoggi/Fotolia (m.o.), Stefan Ernst/Naturfoto-Online (r), rcfotostock/Fotolia (u); S. 5: Stefan Ernst/Naturfoto-Online (l), Hölzer/DUH (r.o.), GNF (r.u.); S. 6: Countrypixel/Fotolia (o), Wittig/DUH (u); S. 7: Holzmann/DUH; S. 8/9: Lutz Gerken/Naturfoto-Online (groß); S. 8: sid 221/Fotolia (o), Stefan Ernst/Naturfoto-Online (u); S. 9: bobby 310/Fotolia (l), Yvonne Stadtfeld/Fotolia (m), Stefan Ernst/Naturfot-online (r); S. 10: Stefan Ernst/ Naturfoto-Online (groß), Colette/Fotolia (Schweinswal), By Alastair Rae, London, United Kingdom [CC BY-SA 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)], via Wikimedia Commons (Schwarzspecht); S. 11: Mario Hagen/Fotolia (l), Heid Scherm/DUH (r); S. 12/13: DUH, Janis Abolins/Fotolia (Mülltonne); S. 14: Allianz pro Schiene/Kaufmann, Marco 2811/ Fotolia (HG); S. 15: Holzmann/DUH; S. 16: DUH/Heide Scherm (o), taborsky, Teodora_D/Fotolia (u); S. 17: DUH (o), 2014 Margo Oge (u); S. 18: nito/Fotolia (o), Kara/Fotolia (r); S. 19: Kara/Fotolia; S. 20: Peter Radke/LMBV (o), fotomaster/Fotolia; S. 21: Karin Jäkel, Liane M, Picture Partners/alle Fotolia (v.o.); S. 22: muellersdesign/Fotolia; S. 23: Bernhard Volmer, yod77/Fotolia, Silvio Heidler, GNF (2) (v.o.); S. 24: Holzäpfel/DUH; S.25: sumikophoto/stock.adobe.com, tornee, rcfotostock, Bergfee/alle Fotolia (v.o.); S. 26: Pitopia/André Crusius/2008 (o), Witold Krasowski/Fotolia (u.l.), Charles Masters/Fotolia (u.r.); S. 27: picture alliance/blickwinkel/F. Hecker (r), Dr. Hinrich Bäsemann/Naturfoto-Online (l.o.), haiderose/Fotolia (l.u.); S. 28: Syda productions/Fotolia (o), Will Rose (m), AHBE/Fotolia (u); S. 30: GNF (l), David Lamparter (r); 31: nomadphotographs (o), andriigoralko (m)/beide Fotolia, Kleemann/DUH (u); S. 32: Geertz/GNF; S. 33: privat; S. 34: Holzmann/DUH (o), Herbst/DUH; S. 35: Evangelische Gemeinde Steeden (o), Stiftung Lebendige Stadt (u)

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Menschen für Natur

Gartenwissen kompakt Von Silke Wissel kann man viel lernen über Gärten. Zum Beispiel, dass die Wilde Karde im Garten wichtig ist, weil der Distelfink sie braucht. Dass man aus Ringelblumen und Beinwell Salben machen kann. Dies alles wächst neben Tomaten, Grünkohl, Mangold, Paprika, Sonnenblumen und Kräutern in dem Kleingarten, den sie in ihrer Freizeit bewirtschaftet. Ökologische Nebeneffekte, wie das Überleben der Bestäuber zu sichern und die Artenvielfalt in der Stadt zu erhalten, hat sie auch beruflich im Blick. Wissel macht Platz für die Natur in Städten, vernachlässigten Räumen und vor allem in den Köpfen von kommunalen Entscheidungsträgern. Sie verbreitet gute Ideen, stellt Wissen aus gelungenen Modellprojekten zur Verfügung, bringt engagierte und motivierte Akteure in den Kommunen zusammen und stößt Neues an. Das macht sie zum Beispiel mit dem Wettbewerb „Gärten der Integration“, in dem die DUH bundesweit die Aufmerksamkeit auf Gartenprojekte lenkt, die in der Flüchtlingsarbeit aktiv sind.

und es folgte die Tat!

Am Anfang war das Wort...

Bibelworte zur Schöpfung setzten die 12 Konfirmanden der hessischen Kirchengemeinde Steeden ganz praktisch um: Sie bauten gemeinsam ein Insektenhotel für Wildbienen und Hummeln. Damit setzten sie ein aktives Zeichen für den Schutz von Lebensräumen. Mit der Kollekte der Konfirmationsgottesdienste, weit über 300 Euro, werden Naturschutz- und Wildbienenprojekte der Deutschen Umwelthilfe unterstützt. Damit blickt die Gemeinde von Pfarrer Andreas Krone weit über den eigenen Kirchturm hinaus. Ganz herzlichen Dank dafür! (ab) ■

Schulhöfe wie Parkplätze sind eine Erfindung von Erwachsenen Die bundesweite Initiative „deinSchulhof“ würdigt und fördert beispielgebende Schulhöfe, die zu Spielräumen für Kinder umgestaltet werden und Platz für Natur auf zum Teil engstem Raum bieten. Schulhöfe, geradlinig und zubetoniert wie Parkplätze, seien eine Erfindung Erwachsener, kritisiert die 37-Jährige. Der Alltag von Schülern hat sich stark verändert, viele sind bis zum späten Nachmittag noch in

der Schule. Angesichts solch langer Schultage wird der Pausenhof immer wichtiger als Aufenthaltsort, der gleichzeitig zum Spielen und Erholen einladen soll und den Kindern Naturzusammenhänge nahebringt. Die Nachmittage ihrer eigenen Kindheit hat sie als große Freiheit erlebt. Nach der Schule war sie draußen, genau

Silke Wissel bei der Auszeichnung der Pater-AloisGrimm-Gemeinschaftsschule in Kühlsheim als "Schulhof der Zukunft 2015".

wie die anderen Kinder. Mit dem Rad rund um Erlangen unterwegs, unbeaufsichtigt von Erwachsenen spielten sie im Wald und auf Äckern. Nach Hause ging es, wenn die Straßenlaternen angingen. Schon damals entdeckte sie ihre Liebe zur Natur. Als Posaunistin hat Silke Wissel einen langen Atem. Den braucht sie auch, um Umweltgerechtigkeit herzustellen. Menschen in sozial benachteiligten Stadtteilen sind durch Lärm und dreckige Luft meist höheren Umweltbelastungen und Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Mit Grünflächen in sozial benachteiligten Quartieren, Orten ohne Stress und Lärm, will sie Lebensbedingungen und Lebensqualität für die dort lebenden Menschen erhöhen. Durch ihre Arbeit bei der DUH erlebt Silke Wissel Stadt und Natur schon lange nicht mehr als Gegensätze. Und sie hat noch viele Ideen, was zu tun ist, um der biologischen Vielfalt weiter den Weg in die Städte zu bahnen. (ak) ■ DUH welt 2|2017 35


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Lebendige Erinnerung Ihr Testament für die Natur Legat für die Natur Deutsche Umwelthilfe e.V.

Die Deutsche Umwelthilfe ist Mitglied der Initiative „Mein Erbe tut Gutes. Das Prinzip Apfelbaum.“

Deutsche Umwelthilfe e.V. Fritz-Reichle-Ring 4 | 78315 Radolfzell Tel.: 07732 9995-0 | Fax: 07732 9995-77 E-Mail: info@duh.de | www.duh.de

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Spendenkonto Bank für Sozialwirtschaft Köln IBAN: DE45 3702 0500 0008 1900 02 SWIFT/BIC: BFSWDE33XXX

Gratis Nachlass-Sprechstunde Annette Bernauer Tel.: 07732 9995-60 E-Mail: bernauer@duh.de


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