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Das Talent ist da

Weibliche Perspektiven auf die große Leinwand bringen: Dafür brennt Lara Utian-Preston, Marketing-Expertin aus Südafrika. Als sie vor einigen Jahren für das Zanzibar International Film Festival (ZIFF) arbeitete, stellte sie fest, dass afrikanische Filmemacherinnen kaum vertreten waren. Sie gründete 2017 gemeinsam mit Edima Otuokon aus Nigeria die Ladima Foundation, die afrikanische Frauen im Filmgeschäft fördert.

Fragen Jasmin Rietdorf

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Jasmin Rietdorf: Mit der Ladima Foundation wollen Sie die große Geschlechterungleichheit in der afrikanischen Filmindustrie korrigieren. Wie sieht die Situation für Frauen gegenwärtig aus?

Lara Utian-Preston: Schlüsselrollen wie Regie oder Drehbuchschreiben, viele der technischen Aufgaben wie Schnitt und Kamera sind männlich dominiert. Daraus ergeben sich zwei Probleme. Die Filmbranche wächst schnell, sie schafft Arbeitsplätze und damit Chancen. Frauen sind aber von vielen dieser Möglichkeiten ausgeschlossen.

Das zweite Problem ist die Art der Darstellung von Frauen auf der Leinwand. Nehmen wir die Nollywood-Filme. Die nigerianische Filmindustrie ist die zweitgrößte weltweit, was den Output angeht. Die weiblichen Rollen in dieser Flut an Filmen sind sehr stereotyp: sie sind die Betrogenen, starke Frauen sind oft die Bösen. Im afrikanischen Kontext führt der Mangel an Frauen hinter der Kamera zu einer Menge sexistischer Inhalte. Das festigt das Patriarchat. Erzählen afrikanische Frauen ihre eigenen Geschichten, ist das eine ganz andere Perspektive.

Rietdorf: Kann der Film die Stellung der Frau in traditionellen afrikanischen Gesellschaften verändern?

Utian-Preston: Bilder sind alles. Videoinhalte werden überall und jederzeit konsumiert, ob auf YouTube oder Netflix. Wer diese Inhalte erstellt, ist wichtig: Es geht um Herkunft, Geschlecht, Diversität. Wenn Sie nur eine homogene Gruppe haben, die Geschichten erzählt, bekommen Sie auch nur eine Version. Visuelle Inhalte sind die mächtigste Form des gesellschaftlichen Einflusses. Damit meine ich nicht nur Filme, sondern auch Fernseh- oder Webserien. Es ist für afrikanische Frauen grundlegend wichtig, dort in ihrer Vielfalt gesehen zu werden.

Filmszene aus „Worlds Apart“ von Yehoda Hammond, einem der Beiträge des Wettbewerbs „African Women in the Time of COVID-19“.

Filmszene aus „Worlds Apart“ von Yehoda Hammond, einem der Beiträge des Wettbewerbs „African Women in the Time of COVID-19“.

© Ladima Foundation

Rietdorf: Hat das nur im afrikanischen Kontext oder auch global eine große Bedeutung?

Utian-Preston: Im vergangenen Juli veranstalteten wir gemeinsam mit der DW Akademie den Kurzfilmwettbewerb „Women in the times of COVID-19“. Etwa 200 afrikanische Filmemacherinnen nahmen teil. Es gab eine unglaubliche Vielfalt an Geschichten und doch verbinden sie uns alle. Auch jemand in Berlin kann sie nachempfinden: die Isolation, die Last der familiären Verantwortung, die gerade in Krisenzeiten auf den Frauen liegt. Aber auch die Hoffnung und Widerstandskraft der Frauen. Das sind universelle Erfahrungen. Für eine globale Frauenbewegung ist das von großer Bedeutung. In Afrika leben über eine Milliarde Menschen, die Hälfte davon sind Frauen. Sie müssen in die Lage versetzt werden, für sich selbst zu sprechen. Diese Stimmen müssen gehört werden: in Afrika und in der Welt.

Rietdorf: Was ist nötig, um Frauen im afrikanischen Filmgeschäft zu stärken?

Utian-Preston: Wenn wir Geschlechterparität und andere Genderfragen mitdenken, können wir etwas bewirken. Das gilt für Filmfestivals, staatliche Filmboards, Produktionshäuser internationale Geberorganisationen. Es beginnt mit der Zusammensetzung der Jurys und wie Ausschreibungen formuliert werden, geht über Kategorien und Auswahlprozesse bis hin zu der Frage, ob es funktionierende Mechanismen gegen sexuelle Belästigung gibt. All das beeinflusst, ob Frauen in der Branche Erfolg haben. Dafür müssen wir ein Bewusstsein schaffen. Und das ist ein Prozess, in den die Gate-Keeper einbezogen werden müssen. Wer bekommt Fördermittel, welche Filme werden finanziert, wer wird eingestellt? Die Mehrheit der Entscheider sind immer noch Männer. Ein Wandel ohne sie wird nicht möglich sein – und nicht von selbst passieren.

Filmszene aus „2020“, einer von rund 200 Beiträgen des Kurzfilmwettbewerbs der DW Akademie und der Ladima Foundation.

Filmszene aus „2020“, einer von rund 200 Beiträgen des Kurzfilmwettbewerbs der DW Akademie und der Ladima Foundation.

© Ladima Foundation

Rietdorf: Manche sehen die Gefahr, dass Frauen als Quotenfrauen abgetan werden. Gibt es genügend qualifizierte Frauen?

Utian-Preston: Mit der Ladima Film Academy, die von der DW Akademie unterstützt wird, engagieren wir uns in der Aus- und Weiterbildung von Frauen. Das Ziel ist natürlich, dass mehr Frauen einen Einstieg in die Branche finden. Wir haben auch ein Online-Netzwerk: die A-List. Oft höre ich, „wir konnten keine Cutterin finden“. In der Datenbank haben wir über 2000 Frauen in 20 Disziplinen und aus 40 Ländern. Das Talent ist da – und man kann es finden.

Rietdorf: Sie haben Netflix erwähnt. Der globale Streaming-Riese investiert in Inhalte des afrikanischen Kontinents. Hilft das, die Frauenförderung in der Branche voranzutreiben?

Utian-Preston: Netflix stellt mit den African Originals afrikanische Produktionen ins Rampenlicht und arbeitet mit lokalen Kreativen. Viele Geschichten haben starke weibliche Protagonistinnen. Die meisten afrikanischen Filme werden aber nie auf Netflix landen. Die afrikanische Filmindustrie muss wie ein Ökosystem funktionieren: vom Kontinent für den Kontinent. Wir müssen nachhaltige Mechanismen finden, die viele Verbreitungsmodelle nutzen: von der digitalen Übertragung durch mobile Netzwerke und Streaming-Plattformen bis hin zur TV-Ausstrahlung. Ein Großteil der Bevölkerung hat kein Geld, um für Filme zu bezahlen. Wir haben aber mehrere Millionen potenzielle Zuschauer, auch mit kleineren Beiträgen ließe sich langfristig arbeiten. Die Regierungen haben nicht viel Geld, um Filme zu finanzieren. Nicht nur Filme, sondern jede Art von Kunst wird als Luxus und nicht als Notwendigkeit angesehen. Das ist eine ständige Herausforderung. Aber langsam setzt sich die Auffassung durch, dass afrikanische Institutionen den Kreativsektor besser finanzieren müssen.

Rietdorf: Was treibt Sie weiter an?

Utian-Preston: Der Kurzfilmwettbewerb im vergangenen Jahr hat mich begeistert. Inzwischen hat eine der Frauen ein Berlinale-Stipendium bekommen, eine andere wurde zum Frauengipfel „Forbes Woman Africa“ eingeladen, viele waren mit ihren Filmen auf anderen Filmfestivals. Der Erfolg kommt zu ihnen, und wir haben einen Anteil daran – das motiviert mich.

Ladima Foundation

Lara Utian-Preston (im Bild links) und  Edima Otuokon

Lara Utian-Preston (im Bild links) und Edima Otuokon

© Ladima Foundation

Die Ladima Foundation wurde 2017 von Lara Utian-Preston (im Bild links) aus Südafrika und der Politikberaterin Edima Otuokon (rechts) aus Nigeria gegründet. Die pan-afrikanische Non-Profit Organisation unterstützt und würdigt durch Partnerschaften und Kooperationen in mehreren Ländern afrikanische Frauen in Film, Fernsehen und anderen kreativen Branchen. In Zusammenarbeit mit der DW Akademie entsteht die Ladima Film Academy in Lagos/Nigeria. Einführungs- und Aufbaukurse – online und in Präsenz – in den Bereichen Schnitt, Kamera, Regie, Drehbuch, Animation, Produktion und Dokumentarfilm erweitern die beruflichen Möglichkeiten für weibliche Fachkräfte. 2020 veranstalteten beide Partner den Kurzfilmwettbewerb „African Women in the Time of COVID-19“ für afrikanische Filmemacherinnen. Die Dokumentation “The call – 1 pandemic, 20 countries, 172 filmmakers“ stellt 33 der eingereichten Filme vor und lässt zehn Filmemacherinnen zu Wort kommen. Sie diskutieren insbesondere das Geschichtenerzählen und die Filmindustrie aus der Perspektive afrikanischer Frauen. Die von der DW Akademie geförderte Dokumentation wird voraussichtlich ab Juni auf verschiedenen Filmfestivals zu sehen sein.

Twitter: @LadimaAfrica | ladima.africa