DETAIL 11/2016 - Transparent and Translucent

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DETAIL research

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Ultralight – Fenster der Zukunft Ein schlankes Fensterprofil und eine best­ mögliche Energieeffizienz – bisher ein klarer Widerspruch, denn strenge Energierichtlini­ en erzwingen die Konstruktion immer massi­ verer Fenster und Rahmen. »Wir müssen das Fenster wieder neu denken!« fordert das Team um die Professoren Armin D. Ro­ gall und Luis Ocanto von der FH Dortmund, das seit 2012 am »Fenster der Zukunft« ar­ beitet. Im Rahmen des Forschungsprojekts »Ultralight« wurde ein ultradünnes und ultra­ leichtes Fenster entwickelt, das Material ­einspart und zugleich den hohen Wärme-, Brand- und Schallschutzanforderungen ge­ recht wird. Dabei spielt auch das konstrukti­ ve Kleben eine wichtige Rolle. Das schlanke Design orientiert sich am puristischen Stil der Bauhaus-Ära. Den Anstoß für die Ent­ wicklung des »Ultralight«-Fensters gab ­ der Stand des Fensterbaus, der an einem Wendepunkt angekommen zu sein schien. Strengere gesetzliche Anforderungen verän­ dern den Fensterbaumarkt in den letzten Jahren stetig und führen zu mehr Material, größeren Bautiefen, zusätzlichen Kammern mit Wärmedämmung und Mehrfachvergla­ sungen. Die Folge sind breite Profile und viel zu schwere Fenster, deren Einbau vor allem in Altbauten ein großes Problem ist oder zum Teil nur noch mittels Kran bewäl­ tigt werden kann. Diese Entwicklung möchte das Hochschulteam mit Blick auf ein ästheti­ sches Design, steigende Energiekosten und knappe Ressourcen durchbrechen. Die Lö­ sung liegt in der Kombination aus glasfaser­ verstärktem Kunststoff (GFK) als Rahmen­ material und Vakuumisolierglas (VIG). Dabei werden zwei Floatglasscheiben aufeinander

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nimmt hierbei einen hohen Stellenwert ein. Zunehmend geht es um eine Architektur, die zwar konstruktiv ohne den Computer kaum denkbar ist, die jedoch erst aus einer pro­ duktiven Distanz zu der Welt des Digitalen ihre theoretische Lebendigkeit und ihre kon­ zeptionelle Originalität gewinnt. Die Rele­ vanz von Frei Ottos empirischer Modelläs­ thetik liegt darin, das enorme Potenzial des Objektwissens und seiner materialkulturellen Dimension herauszuarbeiten – zum einen, um weiterhin den Begriff der Ressource zwi­ schen Natur und Technik zu verankern, zum anderen, um die komplexen Wechselbezie­ hungen zwischen dem Digitalen und dem Analogen besser erforschen zu können.«, erörtert Georg Vrachliotis den Forschungs­ ansatz. Die Beschäftigung mit den realen sowie den Denk-Modellen führte zu der Aus­ stellung »Frei Otto. Denken in Modellen«, die ab 5.11.2016 im ZKM in Karlsruhe zu ­sehen ist. Parallel wird eine Publikation mit wissenschaftlichen Texten und umfangrei­ chem Bildmaterial zum Œuvre von Frei Otto im Verlag Spector Books erscheinen. Ziel der Ausstellung ist es, anhand des visionä­ ren Materials neue Fragestellungen zur ­Zukunft der gebauten Umwelt zwischen Ar­ chitektur, Technologie, Nachhaltigkeit und Gesellschaft zu diskutieren. Das Ausstel­ lungsprojekt wird durch die Stiftung BadenWürttemberg gefördert. Zitate stammen aus dem Fachbeitrag »Man muss mehr denken, forschen, entwickeln, erfinden und wagen...« in »Frei Otto – forschen, bauen, inspirie­ ren«, Edition DETAIL, Mai 2015

Informationen und Fotostrecke unter: www.detail.de/research www.saai.kit.edu, www.zkm.de 1 Frei Otto am Modell der Schwimmhallenüberdachung Olympiapark München, 1972 (Werkarchiv Frei Otto im saai) 2 Ausstellungsplakat »Denken in Modellen« 3 Frei Otto beim Fotografieren des Modells der Projektstudie »Schatten in der Wüste« (Werkarchiv Frei Otto im saai) 4 V.-Prof. Luis Ocanto präsentiert das leichte Ultralight-Fenster (Foto/Montage Franz Luthe)

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gefügt und am Rand dauerhaft dicht mit Glas oder Metallkomponenten verlötet. Das Ultralight-Fenster lässt sich durch VIG ex­ trem filigran bauen und wiegt deutlich weni­ ger als ein Fenster mit Dreifachverglasung. GFK dagegen bietet wegen seines geringen Gewichts und seiner hohen mechanischen Festigkeit viele Vorteile gegenüber Baustof­ fen wie PVC, Stahl, Aluminium oder Holz. Es ist korrosionsbeständig, thermisch isolie­ rend, langzeitstabil, energieeffizient bei der Herstellung und mit geeigneten Additiven oder Beschichtungen (z. B. Brandschutzfoli­ en) schwer entflammbar. Bei der Herausfor­ derung, dem GFK-Rahmen die nötige Stei­ figkeit zu geben, haben die Forscher auf die Expertise des Klebstoffspezialisten 3M ge­ setzt. Das Glas wird mit umlaufenden Hoch­ leistungsklebeband stoffschlüssig auf den Rahmen geklebt. Damit sichert es eine im Vergleich zu herkömmlichen Konstruktionen ausgesprochen steife und widerstandsfähi­ ge Verbindung bei geringem Gewicht. Das Ergebnis der Forschungsarbeit ist ein filigranes, ultraleichtes und schlankes Fens­ terprofil, das eine stilgerechte Lösung bei der energetischen Sanierungen ohne die heutige Mehrfachverglasung ermöglicht. Bis zur Marktreife ist es allerdings von der bau­ aufsichtlichen Zulassung und einer VIGScheiben-Produktion in Europa noch ein weiter Weg. Bis dahin wird das Dortmunder Forschungsteam das auch von der Politik vielbeachtete Projekt weiter vorantreiben. Weitere Informationen finden Sie unter: www.detail.de/research

www.fh-dortmund.de, www.3M.de


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