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DETAIL research
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Ultralight – Fenster der Zukunft Ein schlankes Fensterprofil und eine best mögliche Energieeffizienz – bisher ein klarer Widerspruch, denn strenge Energierichtlini en erzwingen die Konstruktion immer massi verer Fenster und Rahmen. »Wir müssen das Fenster wieder neu denken!« fordert das Team um die Professoren Armin D. Ro gall und Luis Ocanto von der FH Dortmund, das seit 2012 am »Fenster der Zukunft« ar beitet. Im Rahmen des Forschungsprojekts »Ultralight« wurde ein ultradünnes und ultra leichtes Fenster entwickelt, das Material einspart und zugleich den hohen Wärme-, Brand- und Schallschutzanforderungen ge recht wird. Dabei spielt auch das konstrukti ve Kleben eine wichtige Rolle. Das schlanke Design orientiert sich am puristischen Stil der Bauhaus-Ära. Den Anstoß für die Ent wicklung des »Ultralight«-Fensters gab der Stand des Fensterbaus, der an einem Wendepunkt angekommen zu sein schien. Strengere gesetzliche Anforderungen verän dern den Fensterbaumarkt in den letzten Jahren stetig und führen zu mehr Material, größeren Bautiefen, zusätzlichen Kammern mit Wärmedämmung und Mehrfachvergla sungen. Die Folge sind breite Profile und viel zu schwere Fenster, deren Einbau vor allem in Altbauten ein großes Problem ist oder zum Teil nur noch mittels Kran bewäl tigt werden kann. Diese Entwicklung möchte das Hochschulteam mit Blick auf ein ästheti sches Design, steigende Energiekosten und knappe Ressourcen durchbrechen. Die Lö sung liegt in der Kombination aus glasfaser verstärktem Kunststoff (GFK) als Rahmen material und Vakuumisolierglas (VIG). Dabei werden zwei Floatglasscheiben aufeinander
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nimmt hierbei einen hohen Stellenwert ein. Zunehmend geht es um eine Architektur, die zwar konstruktiv ohne den Computer kaum denkbar ist, die jedoch erst aus einer pro duktiven Distanz zu der Welt des Digitalen ihre theoretische Lebendigkeit und ihre kon zeptionelle Originalität gewinnt. Die Rele vanz von Frei Ottos empirischer Modelläs thetik liegt darin, das enorme Potenzial des Objektwissens und seiner materialkulturellen Dimension herauszuarbeiten – zum einen, um weiterhin den Begriff der Ressource zwi schen Natur und Technik zu verankern, zum anderen, um die komplexen Wechselbezie hungen zwischen dem Digitalen und dem Analogen besser erforschen zu können.«, erörtert Georg Vrachliotis den Forschungs ansatz. Die Beschäftigung mit den realen sowie den Denk-Modellen führte zu der Aus stellung »Frei Otto. Denken in Modellen«, die ab 5.11.2016 im ZKM in Karlsruhe zu sehen ist. Parallel wird eine Publikation mit wissenschaftlichen Texten und umfangrei chem Bildmaterial zum Œuvre von Frei Otto im Verlag Spector Books erscheinen. Ziel der Ausstellung ist es, anhand des visionä ren Materials neue Fragestellungen zur Zukunft der gebauten Umwelt zwischen Ar chitektur, Technologie, Nachhaltigkeit und Gesellschaft zu diskutieren. Das Ausstel lungsprojekt wird durch die Stiftung BadenWürttemberg gefördert. Zitate stammen aus dem Fachbeitrag »Man muss mehr denken, forschen, entwickeln, erfinden und wagen...« in »Frei Otto – forschen, bauen, inspirie ren«, Edition DETAIL, Mai 2015
Informationen und Fotostrecke unter: www.detail.de/research www.saai.kit.edu, www.zkm.de 1 Frei Otto am Modell der Schwimmhallenüberdachung Olympiapark München, 1972 (Werkarchiv Frei Otto im saai) 2 Ausstellungsplakat »Denken in Modellen« 3 Frei Otto beim Fotografieren des Modells der Projektstudie »Schatten in der Wüste« (Werkarchiv Frei Otto im saai) 4 V.-Prof. Luis Ocanto präsentiert das leichte Ultralight-Fenster (Foto/Montage Franz Luthe)
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gefügt und am Rand dauerhaft dicht mit Glas oder Metallkomponenten verlötet. Das Ultralight-Fenster lässt sich durch VIG ex trem filigran bauen und wiegt deutlich weni ger als ein Fenster mit Dreifachverglasung. GFK dagegen bietet wegen seines geringen Gewichts und seiner hohen mechanischen Festigkeit viele Vorteile gegenüber Baustof fen wie PVC, Stahl, Aluminium oder Holz. Es ist korrosionsbeständig, thermisch isolie rend, langzeitstabil, energieeffizient bei der Herstellung und mit geeigneten Additiven oder Beschichtungen (z. B. Brandschutzfoli en) schwer entflammbar. Bei der Herausfor derung, dem GFK-Rahmen die nötige Stei figkeit zu geben, haben die Forscher auf die Expertise des Klebstoffspezialisten 3M ge setzt. Das Glas wird mit umlaufenden Hoch leistungsklebeband stoffschlüssig auf den Rahmen geklebt. Damit sichert es eine im Vergleich zu herkömmlichen Konstruktionen ausgesprochen steife und widerstandsfähi ge Verbindung bei geringem Gewicht. Das Ergebnis der Forschungsarbeit ist ein filigranes, ultraleichtes und schlankes Fens terprofil, das eine stilgerechte Lösung bei der energetischen Sanierungen ohne die heutige Mehrfachverglasung ermöglicht. Bis zur Marktreife ist es allerdings von der bau aufsichtlichen Zulassung und einer VIGScheiben-Produktion in Europa noch ein weiter Weg. Bis dahin wird das Dortmunder Forschungsteam das auch von der Politik vielbeachtete Projekt weiter vorantreiben. Weitere Informationen finden Sie unter: www.detail.de/research
www.fh-dortmund.de, www.3M.de