Kunststoffe und Membranen in der Architektur
A 25
A 26
A 27
A 28 A 29
Fuller entsteigt einem Necklace-Dome, Black Mountain College, Asheville (USA) 1949, Richard Buckminster Fuller Union Tank Car Company, Kuppel mit 130 m Spannweite, Baton Rouge (USA) 1958, Richard Buckminster Fuller Brass Rail Restaurants auf der Weltausstellung in New York (USA) 1964 a Außenansicht b Innenansicht Dach Inland Revenue Centre, Nottingham (GB) 1994, Michael Hopkins Einfamilienhaus, Tokio (J) 1996, FOBA
gegen ein bewährtes Baumwolltuch ausgetauscht werden. Für die Überdachung des Freilichttheaters in Wunsiedel (1963), ein wandelbares Dach in Cannes (1965) sowie für den Deutschen Pavillon in Montreal (1967) setzt Frei Otto erstmals PVC-beschichtete Polyestergewebe ein. Um 1970 kann sich dieses Gewebe dann als dauerhaftes, flexibles und kostengünstiges Standardmaterial im Membranbau durchsetzen (siehe PVC-beschichtete Polyestergewebe, S. 104). Glasfasergewebe Auch Glasfasergewebe werden schon früh als Alternative zu den UV-empfindlichen synthetischen Fasern eingesetzt. Dabei wird mit verschiedenen Beschichtungen experimentiert. Neben der bereits beschriebenen PUR-Beschichtung für die Membran des Eingangsbogens der Bundesgartenschau in Köln wird z. B. für den amerikanischen Pavillon auf der EXPO 1970 in Osaka eine PVC-Beschichtung verwendet (Abb. A 21, S. 18). Dieser wegweisende Bau regt zu einer Reihe ähnlicher Hallenkonstruktionen an, wie dem 1975 in der Nähe von Detroit errichteten Pontiac Silverdome vom Architekten Don Davidson und dem Ingenieur David H. Geiger. Hierbei wird erstmals ein PTFE-beschichtetes Glasfasergewebe eingesetzt, das sich gegen Ende des 20. Jahrhunderts als weiteres hochwertiges und zudem kaum entflammbares Standardmaterial des Membranbaus etablieren kann. Die pneumatisch gestützte Membran muss nach Schneeschäden allerdings bereits 1985 durch eine konventionelle Unterkonstruktion aus Stahlträgern ersetzt werden, was symptomatisch für den Misserfolg sehr großer pneumatischer Konstruktionen – sogenannter Airdomes – ist. Kunststofffolien Die Extrusion von Kunststofffolien aus Polyamid, Polyethylen oder PVC ist bereits seit den 1940er-Jahren bekannt. Transparente PVCFolien werden von Walter Bird, Richard Buckminster Fuller, Kenzo Tange und anderen eingesetzt. Sie eignen sich wegen des hohen Gasdiffusionswiderstands besonders für pneumatische Konstruktionen. Allerdings erreichen
A 28
A 29
sie nur geringe Festigkeiten, sodass sie lediglich für untergeordnete Bauteile mit weniger statischen Beanspruchungen verwendet werden können. Die stärkeren, beständigeren und UV-durchlässigen ETFE-Folien werden erstmals Mitte der 1970er-Jahre extrudiert. Sie dienen zunächst als Glasersatz bei Gewächshäusern, finden aber, nachdem sie 1982 bei einem Gewächshaus in Arnheim erstmals als Gebäudehülle eingesetzt worden waren, ihren Weg in die Architektur (siehe Folien, S. 94ff.).
In vielen Fällen führt dies zu sehr ausdrucksstarken Gebäuden, die in ihrer Gestaltung durch das Material bestimmt werden. Während es für den Einsatz von Membranmaterialien viele Beispiele großer Bauten gibt, wurden Entwürfe textiler Architektur eher selten für kleinere Projekte umgesetzt. Ein wichtiges Beispiel ist dabei ein kleines Wohnhaus in Tokio, das 1996 auf einer Grundfläche von 4 ≈ 21 m realisiert wurde. Die Hülle besteht größtenteils aus einem doppelt gekrümmten, transluzenten, PTFE-beschichteten Glasfasergewebe, wodurch das Haus »Licht atmet im 24-Stundenrhythmus der Stadt«, so die Architekten.
Die neuen Materialien werden aber auch bei anderen Projekten eingesetzt, die nur mittelbaren Bezug zum Bauen haben, wie z. B. das 1986 vom französischen Architekten Gilles Ebersolt in Zusammenarbeit mit dem Botaniker Francis Hallé entwickelte Wipfelfloß, mit dem sich erstmals die Wipfelzonen tropischer Regenwälder direkt erreichen und erforschen lassen. Die Struktur aus PVC-beschichteten Polyesterschläuchen, die mit Aramidfaser-Netzen zu einem Sechseck mit ca. 27 m Durchmesser verbunden sind, bildet eine Fläche, die als »schwimmendes« Laboratorium von sechs Personen genutzt werden kann. Ein Heißluftballon bringt das Floß an den jeweiligen Einsatzort. Dieses Beispiel zeigt, dass Konstruktionen aus Kunststoffmaterialien in besonderer Weise geeignet sind, hochspezifischen Anforderungen gerecht zu werden, wie sie sich z. B. bei temporären, mobilen Bauten für sehr spezielle Einsatzorte stellen. Auch für komplexe Gebäudehüllen werden Textil- und Folienmaterialien zunehmend genutzt, obwohl sich die Anforderungen an Gebäude nicht zuletzt aufgrund steigender Wärmedämmstandards laufend erhöhen. Durch zahlreiche Innovationen wird die Leistungsfähigkeit ständig verbessert. Hierzu zählen unter anderem funktionale Schichten, z. B. Low-E-Schichten (eine optische Funktionsschicht mit einem geringen Emissionsgrad), wie sie erstmals im neuen Flughafen in Bangkok (siehe Passagier-Terminal-Komplex Suvarnabhumi International Airport, S. 277ff.) eingesetzt wurden, neue transluzente Wärmedämmung (siehe Aerogele im Membranbau, S. 220) und integrierte Photovoltaik (siehe Photovoltaik, S. 122f.).
Bauten mit transparenten und transluzenten Hüllen Als sich viele Architekten und Ingenieure noch mit der Idee der industriell gefertigten Wohnzelle befassen, wendet sich Buckminster Fuller bereits neuen Themen zu. Schon seit den 1920er-Jahren hatte er mit den industriellen Fertigungsverfahren des Automobil- und Flugzeugbaus experimentiert und sich danach als Autodidakt mit geometrischen Studien zu Kugeln beschäftigt. Ende der 1940er-Jahre beginnt er mit Studenten des Black Mountain College, einer winzigen Kunstschule in North Carolina, seine ersten geodätischen Kuppeln zu realisieren. Er verwendet für die Eindeckung transparente Folien, da diese seine filigranen Stabstrukturen weder statisch belasten noch optisch beeinträchtigen (Abb. A 25). Für ihn sind Kunststoffe nicht »künstlich«, sondern er sieht in ihrem polymeren Aufbau eine Weiterentwicklung natürlicher geometrischer Ordnungsprinzipien. [8] Als 58-Jähriger erhält er schließlich 1953 mit der Überdachung der Ford-Rotunda seinen ersten richtigen Auftrag. Dabei verwendet er für die Eindeckung der Stabkuppel eine Vinylhaut, und schafft somit vermutlich das erste Bauwerk mit einer transparenten Kunststoffhülle (Abb. A 26). In der Folge entstehen zahlreiche geodätische Kuppeln, unter anderem auch sein berühmtestes Bauwerk, der Pavillon der USA auf der Weltausstellung 1967 in Montreal, dessen aufgelöste und exponierte Struktur der Kuppel einen
21