Atlas Naturstein

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Leitdetails Ansgar und Benedikt Schulz, Matthias Hönig

Detailzeichnungen beschreiben die Fügung von Bauteilen zu Konstruktionen. Sie haben die Aufgabe, die technisch richtige Ausführung zu definieren, damit Bauwerke ihren Zweck erfüllen können, im Regelfall über einen möglichst langen Zeitraum. Konstruktions­ details bestimmen ganz wesentlich den architektonischen Ausdruck von Gebäuden, ihre Anmutung und atmosphärische Wirkung. Ob Bauwerke elegant oder ruppig, präzise oder grob, zurück­haltend oder auffällig wirken, ist nicht nur von der Wahl der Baumaterialien und ihrer Oberflächenbeschaffenheit abhängig, sondern insbesondere von der Fügung der Konstruktionselemente. Architektonisches Entwerfen und Konstruieren bauen aufeinander auf – vom großen ­Ganzen zum »kleinen« Detail. Der architektonische Raum, den die Entwurfsidee auf abstrakte Weise beschreibt, gewinnt im Entwerfen schrittweise an Gestalt. Ebenso nimmt der Konstruktionsraum beim Entwickeln der Detaillösungen erst nach und nach konkrete Formen an. Daraus leitet sich die Methodik zur Entwicklung von Konstruktionsdetails ab: Aus­ gehend vom angestrebten architektonischen Ausdruck gilt es, die Größe der Konstruktionsräume zu ermitteln, die Anschlussgeometrien aneinandergrenzender Bauteile zu bestimmen und deren Schichtenfolgen aufeinander abzustimmen. Dieser Prozess ist iterativ, sowohl hinsichtlich der vom Detailmaßstab abhängigen Planungstiefe als auch durch den von Abwägungen bestimmten Findungsprozess architektonischer Lösungen. So sind die Leitdetails dieses Kapitels als Anhaltspunkte zu verstehen für mögliche ­Prinziplösungen beim Bauen mit Naturwerkstein. Die Zeichnungen zeigen typische Schichtenfolgen und sensibilisieren für die Anschlussprobleme in den Bereichen, in denen unterschiedliche Bauteile aufeinandertreffen. Für die Gebäudehülle beschreiben die abgebildeten Leitdetails daher die konstruktiven Nahtstellen Sockel, Fenster und Dachanschluss, also Traufe oder Attika. Dargestellt sind jeweils mögliche Lösungen für gemauerte Vorsatzschalen aus Naturwerkstein

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(siehe auch »Vorsatzschale«, S. 46ff.) und für vorgehängte hinterlüftete Fassaden, kurz VHF (siehe auch »Wandbekleidung«, S. 50ff.). Für Naturwerkstein-Bodenbeläge werden die gängigen Schichtenfolgen sowie typische Anschlüsse an aufgehende Wände dargestellt (siehe auch »Bodenbelag«, S. 58ff.), ergänzt um einen schwellenlosen Austritt auf die (Dach)Terrasse. Abgerundet werden die Leitdetails mit Prinziplösungen für Treppenbeläge aus Naturwerkstein auf Stahlbetontreppen (siehe auch »Treppenbelag«, S. 64f.). Für einige Details sind Varianten dargestellt, die auf grundsätzliche technische und architektonische Unterschiede verweisen. So gibt es für die Ausbildung des Sockels einer VHF zwei gegensätzliche Lösungen: Technisch mag es einfacher sein, die Fassade mit einem Abstand zum Boden auszubilden, gestalterisch entspricht der Einstand der Fassade im Boden eher ihrem massiven Erscheinungsbild. An der Attika ist die Frage entscheidend, wie die Mauerkrone abgedeckt wird. Die konstruktiv simple Abdeckung mit Blech passt häufig nicht zur Wirkung der Fassade. Alternativen bestehen in der Abdeckung mit Steinplatten oder in der nicht sichtbaren Befestigung des Blechs. Im Traufbereich hängt die Detailausbildung ganz wesentlich von der Position der Dachentwässerungsrinne ab. Diese kann mit oder ohne Dachüberstand vorgehängt, bündig mit der Fassadenvorderkante aufgesetzt oder in der Dachschräge verdeckt platziert werden. In dieser Reihenfolge nimmt auch die konstruktive Komplexität des Traufdetails zu. Die Unterschiede in den Bodenaufbauten von Naturwerksteinbelägen hängen vorrangig von der Beanspruchung des Bodens ab. Jeder Naturstein ist ein einzigartiges Baumaterial mit bestimmten Eigenschaften und Gesetzmäßigkeiten, so wie auch jeder Gebäudeentwurf eine singuläre Antwort auf Ort und Aufgabe ist. Die Konstruktionsdetails von Bauwerken und Bauteilen aus Naturwerkstein sollten daher individuell entwickelt werden, passend zum Material und zur architektonischen Idee.


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