Fassaden Atlas

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Solartechnik

C 3.27

Drehachse denkbar. Zweiachsig nachführbare PV-Module können theoretisch etwa doppelt so viel Solarstrahlung im Jahr nutzen wie optimal ausgerichtete starre Systeme. Da der Ertrag von zweiachsig nachgeführten Systemen wegen des dafür benötigten Energie­ aufwands nur unwesentlich höher als der von einachsigen Systemen ausfällt, sind bei der Konzeption dieser Anlagen neben der aufwendigeren Mechanik auch die zusätzlichen Anforderungen durch die Integration zu berücksichtigen. Bei nachge­führten Systemen ist es aus diesen Gründen wichtig, die Kosten-NutzenRelation genau zu prüfen, auch weil im Jahresmittel weniger als 50 % der Strahlungsmenge als Direktstrahlung anfällt.

biniert werden können. Somit bietet der Markt für die gängigen Fassadenkonstruktionen eine Vielzahl an praxis­erprobten Systemen [12]. Wesentlich ist, dass Kollektoren und PV-Module in die Haustechnik eingebunden werden müssen. Je nach Nutzungsart bedarf es dazu Leitungsführungen und zusätzlicher Apparatetechnik. Aufgrund der relativ schlanken Aufbauten und flexiblen Stromkabel mit kleinen Quer­ schnit­ten eignet sich die Photovoltaik besonders gut zur Integration in Fassaden. Wasserkollektoren weisen demgegenüber bereits deutlich größere Leitungsdurchmesser auf, zudem muss auf Dichtigkeit geachtet werden, und eine Anlage ist typischerweise mit Frostschutzmitteln gefüllt.

Für das Gelingen der Energiewende ist in Deutschland der Bausektor von großer Relevanz. Aufgrund des geringen Neubauanteils steht vor allem der Gebäudebestand im Fokus. Auch wenn hier die Nutzungsmöglichkeiten von Fassaden aus verschiedenen Gründen häufig eingeschränkt und die Energieerträge gegenüber optimal ausgerichteten Süddächer reduziert sind, lassen sich Kollektoren und PV-Module in nahezu jede Fassadenkonstruktion integrieren. Besonders vorteilhaft ist der Einsatz als hinterlüftetes Bekleidungsmaterial und als fester Bestandteil eines Glasfassadensystems.

Hinsichtlich formalästhetischer Kriterien gibt es bei den solartechnischen Systemen ein großes Spektrum an Gestaltungsoptionen für die Inte­ gration in die Gebäudehülle. Das Farbspektrum der Absorberflächen und die formale Vielfalt von Profilen beeinflussen das Erscheinungsbild der Anlagen ebenso wie die seitlichen An­­ schlusselemente an die Fassadenebene. Architekten gegenüber wird die große Bandbreite an Farben häufig als besonderer Pluspunkt der Photovoltaik ­hervorgehoben (Abb. C 3.27). Allerdings stellt der Einsatz zusätzlicher Farben wie auch Formen in der Gebäudehülle eine gestalterisch besonders sensible Aufgabe im Hinblick auf das Erscheinungsbild dar, was einer sorgfältigen und behutsamen Abwägung bedarf. In Verbindung mit der Farbigkeit besteht aktuell häufig auch die Anforderung nach einer möglichst störungsfreien Oberflächengestaltung gerade bei kristallinen PV-Modulen. Durch das Einfärben der Leiterbahnen (Busbars) oder durch Rückseitenkontakte wirken die Zellen als homogene Flächen, die im Modul in Ver­ bindung mit gleichfarbigen Folien oder Glas­ beschichtungen nahezu nicht mehr als solche ablesbar sind (Abb. C 3.25 und C 3.26). Eine architektonische Integration solartechnischer Systeme in die Gebäudehülle bedeutet jedoch weit mehr. Sie bezeichnet das Einfügen in Dach und Wand in baukonstruktiv und funk­ tional überzeugender Weise – und das in einer auch ästhetisch schlüssigen Form, welche die spezifische Charakteristik des Gebäudes

Betrachtet man den baukonstruktiven Bereich der Integration solartechnischer Systeme, fällt zunächst auf, dass die Einbaubedingungen – insbesondere was die Befestigungsarten und der seitlichen Andichtung betrifft – seitens der Hersteller stetig verfeinert und verbessert werden. Neuartige Rahmenprofile ermöglichen neben der Vereinfachung des Zusammenbaus und Verkürzung der Montagezeit auch eine Verknappung von Profilhöhen und Ansichtsbreiten. Mittlerweile lassen sich Solaranlagen durch vielfältige Möglichkeiten relativ flexibel in die Gebäudehülle integrieren. Auch gibt es vermehrt Komplettlösungen, bei denen solarthermische und photovoltaische Systeme innerhalb einer Konstruktionstechnik besser untereinander und mit weiteren Elementen der Hülle kom-

berücksichtigt und sich mit ihr zu einer architektonischen Einheit verbindet, die sich aus den Merkmalen des Gebäudes und den (komposi­ torischen) Linien des solaren Energiesystems ergibt. Die Qualität des Einfügens wird beeinflusst durch Konstruktion, Material, Farbe und Oberfläche sowie durch Größe, Proportion und Gliederung der Komponenten, wobei stets das bauliche System als Ganzes im Blick behalten werden muss [13].

Anmerkungen:   [1]  PV-Module und Röhrenkollektoren wurden erstmals 1982 in der Wohnanlage in München, von Thomas Herzog und Bernhard Schilling mit dem FraunhoferInstitut für Solare Energiesysteme in Freiburg eingesetzt.   [2]  Krippner, Roland: Die Gebäudehülle als Wärmeerzeuger und Stromgenerator. In: Schittich, Christian (Hrsg.): Gebäudehüllen. Konzepte, Schichten, Material. 2. Aufl., München 2006, S. 48   [3]  Henning, Hans-Martin; Palzer, Andreas: 100 % Erneuerbare Energien für Strom und Wärme in Deutschland. Im Rahmen von Eigenforschung erstellte Studie. Freiburg 2012, S. 4f.   [4]  Koblin, Wolfram u. a.: Handbuch Passive Nutzung der Sonnenenergie. Schriftenreihe des BMI für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau 04, Bauund Wohnforschung. Bonn 1984, S. 93 – 99   [5]  Herzog, Thomas u. a.: Gebäudehüllen aus Glas und Holz. Maßnahmen zur energiebewussten Erweiterung von Wohnhäusern. Lausanne 1986, S. 8, 15   [6]  wie Anm. 4, S. 118, 135ff.   [7]  Goetzberger, Adolf; Wittwer, Volker: Sonnenenergie. Thermische Nutzung. Stuttgart 1993, S. 146f.   [8]  Nachtigall, Werner; Pohl, Göran: Bau-Bionik. Natur – Analogien – Technik. 2. Aufl., Berlin/Heidelberg 2013, S. 41– 46   [9]  Gelegentlich als transparente Wärmedämmung bezeichnet. Das Adjektiv »transparent« ist insofern irreführend, als diese Materialien zwar durchlässig für Strahlung sind, jedoch nur sehr eingeschränkt hinsichtlich der Durchsicht. Da im Bauen deutlich unterschieden werden muss zwischen »durchscheinend / transluzent« und »durchsichtig / transparent«, wird von transluzenter Wärmedämmung gesprochen. [10]  Herzog, Thomas: Transluzente Bauteile. Anmerkungen zu ihrer Wirkung. In: Almanach 90/92. FB Architektur der TH Darmstadt. Darmstadt 1992, S. 94ff. [11]  Krippner, Roland: Architektonische Aspekte solarer Energietechnik. In: 9. Symposium Thermische Solarenergie. Tagungsband. Regensburg 1999, S. 237 [12]  Krippner, Roland (Hrsg.): Gebäudeintegrierte Solartechnik. Detail green books. München 2016 [13]  Krippner, Roland: Solartechnik in Gebäudehüllen. In: Detail Green, 01/2012, S. 53 – 57

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