Von Mannheim nach Istanbul

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Von Mannheim nach Istanbul Eine gezeichnete Reise von David Brose



Von Mannheim nach Istanbul Eine gezeichnete Reise


Ein illustrierter Reisebericht Ausgerüstet mit Rucksack, Skizzenbuch und einer Landkarte führte meine Route von Mannheim nach Istanbul. Dabei durchquerte ich in zwei Monaten die Balkanländer Slowenien, Kroatien, Bosnien, Serbien und Bulgarien auf dem Weg in die Türkei. Auf der Reise war ich mit Bus, Zug und Autos per Anhalter unterwegs. Bisher war ich in keinem dieser Länder und hatte nur eine vage Vorstellung von Orten wie Sarajevo, Belgrad oder Istanbul. Das hat es für mich umso spannender gemacht, dort hinzufahren. Auf der Reise habe ich meine Eindrücke in Zeichnungen und Illustrationen festgehalten. Mit Fineliner, Graphitstift, Aquarell und Tusche habe ich in den verschiedenen Ländern gezeichnet. Ich finde es spannend, unmittelbar vor dem Motiv zu zeichnen und die Stimmung vor Ort einzufangen. Meine Zeichenausrüstung ermöglichte mir dabei eine spontane Arbeitsweise. Jedesmal war es eine neue Herausforderung, das unübersichtliche Geschehen aufs Papier zu bringen. Mich interessierten die verschiedenen Lebensweisen der Menschen, die Architektur, Alltagsgegenstände und Landschaften. Durch meine Arbeitsweise sind auch viele Kontakte zu den Menschen vor Ort entstanden, die sich für meine Zeichnungen interessierten. Jedoch kostete mich das Zeichnen am Anfang Überwindung, wurde im Laufe meiner Reise aber freier. Über die Soziale Netzwerk Plattform Couchsurfing habe ich mit Menschen in den verschiedenen Ländern Kontakt aufgenommen, um einerseits einen Schlafplatz zu haben, vor allem aber, um durch sie das Alltagsleben im jeweiligen Land kennen zu lernen. So konnte ich viele Einblicke in die verschiedenen Kulturen der Balkanländer gewinnen. Ich war beeindruckt von der Herzlichkeit und Gastfreundlichkeit, mit der ich jedes Mal aufgenommen wurde. Diese Arbeit gab mir die Gelegenheit, meine Interessen für Reisen, fremde Länder und Kulturen durch freie Illustrationen in einem Buch zu verbinden. Mein Vorhaben, frei zu arbeiten und mehr über den Osten Europas zu erfahren, konnte ich auf dieser Reise umsetzen.





Ljubljana Meinen ersten Reiseabschnitt beginne ich per Anhalter. Quer durch Bayern, Österreich, über die Alpen gelange ich nach Slowenien. Einen vollen Tag und acht verschiedene Fahrer braucht es, bis ich spätabends in Ljubljana ankomme. Mein erster Gastgeber dort ist Damjan, der mich drei Tage in seiner Wohngemeinschaft aufnimmt. Er arbeitet in einer Druckerei und sieht das Couchsurfing als Möglichkeit, neue Leute kennen zu lernen. Da er am nächsten Tag arbeitet, werde ich mir erst einmal alleine einen Eindruck von der Stadt machen. Ljubljana ist mit seinen knapp 280.000 Einwohnern sehr ruhig und gemütlich. Die Stadt ist europäisch geprägt und könnte, wenn man die Architektur betrachtet, auch in Österreich liegen. Durch ihre Altstadt, die vielen Cafés am Fluss und das gemäßigte Klima besitzt sie jedoch auch mediterranes Flair. Über der Altstadt sitzt auf einem Hügel die Burg. Von ihr hat man einen guten Ausblick und sieht an klaren Tagen die Berge, die Ljubljana umschließen. Der Fluss Ljubljanica fließt vorbei an barocken Bauten mitten durch die Stadt. Daher ist die Stadt oft noch bis mittags in Nebel gehüllt. Um die historische Altstadt herum erstreckt sich die moderne Stadt mit ein paar herausragenden Hochhäusern und Industriegebieten an den Rändern. Der modernere Teil der Stadt liegt hauptsächlich auf der westlichen Seite der Ljubljanica, während sich östlich die Altstadt mit ihren engen Gassen und die Burg befinden. Beide Teile der Stadt sind durch viele kleinere und größere Brücken verbunden, von denen die größte und bekannteste die Tromostovje ist. Die Tromostovje besteht aus drei Brücken, die vom wichtigsten zentralen Platz, dem Prešernov Trg in Richtung Altstadt führen. In den nächsten zwei Tagen erkunden wir zusammen die Stadt. So gehen wir an einem Abend in die Metelkova, ein autonomes Zentrum für Politik und Kultur, das ursprünglich ein Kasernenkomplex war. Auf dem Gelände leben Künstler und Studenten und es finden viele Ausstellungen, Partys etc. statt. Von Damjan lerne ich, wie man Bureg macht, einen leckeren salzigen Strudel mit Quarkfüllung, der im ganzen Balkan verbreitet ist und mir in allen Ländern wieder begegnen wird. Der letzte Tag in Ljubljana ist ein Sonntag. Ljubljana war ein schöner Start meiner Reise, ich habe Damjan als netten und interessanten Menschen kennen gelernt. Doch nach drei Tagen entscheide ich mich weiter zu ziehen, gespannt auf die nächsten Städte. Nachmittags packe ich meinen Rucksack und wir fahren in die Stadt.











Ljubljana Eindrücke

Ljubljanski Grad

Die Burg aus dem Mittelalter ist das Wahrzeichen der Stadt.

France Prešeren

Dieses Denkmal zeigt den großen slowenischen Dichter des 19. Jahrhunderts.

Tromostovje

Die dreifache Brücke ist eine architektonische Besonderheit und ein Werk von Jože Plecnik.


Europa

Achtung Schulkinder!

Ljubljanski Zmaj

Markthalle

Slowenien ist seit 2004 Mitglied der Europäischen Union und orientiert sich sehr an Europa.

Der Drache ist das Wappentier der Stadt. Er sitzt auf der Drachenbrücke Zmajski most.

Manchmal trifft man in Slowenien auf originelle Schilder.

Die Stadt ist berühmt für ihre ˇ Gebäude von Jože Plecnik.


Zagreb Nach zwei Stunden Zugfahrt komme ich abends im Bahnhof von Zagreb an. Über Couchsurfing habe ich von Ljubljana aus schon Gastgeber in der kroatischen Hauptstadt gefunden. Ich fahre sehr lange mit der klapprigen Straßenbahn, wie es mir beschrieben wurde bis ans Ende der Linie. Graue Wohnblocks ragen in den Himmel, ein starker Kontrast zu Slowenien. Per Handy bekomme ich weitere Instruktionen. In letzter Minute finde ich den richtigen Bus, als er gerade losfahren will. Alles klappt wie vereinbart und ich werde von Dunja abgeholt. Bald darauf kommen wir in ihrer Wohnung an. Vom Vorraum geht es durch einen Bambusvorhang mit Marilyn MonroeMotiv in ein Zimmer, das überraschend modern eingerichtet ist, mit Plasmafernseher und Designerlampen. Mein Schlafplatz besteht diesmal aus einer Luftmatratze. Dunjas Freund Drago begrüßt mich freundlich und beim Bier unterhalten wir uns lange über den Balkan und meine Route. Ich erfahre, dass Drago und Dunja Studenten sind und große Filmfans. Am nächsten Tag gehe ich in die Stadt, die mit ihren knapp 800.000 Einwohnern deutlich größer als Ljubljana ist. Die Sava durchfließt die Stadt und teilt sie in Altstadt und Novi Zagreb. Der zentrale BanJelacic-Platz wurde nach dem kroatischen König benannt, welcher in der Mitte des Platzes als große Statue auf einem Pferd thront. Der Platz ist Hauptverkehrsknotenpunkt für die blauen Trambahnen und stellt auch die Verbindung zwischen Ober- und Unterstadt her. Die Häuser am Platz gehören zu den schönsten der Stadt, sind aber mit großen Werbebannern überzogen und von Banken- und Versicherungslogos verziert. Schräg hinter Ban Jelacic auf seinem Pferd führt eine Treppe bergauf. Über sie kommt man zum Dolac, dem Markt von Zagreb, für mich einer der interessantesten Plätze zum Zeichnen. Den ersten Tag bin ich hauptsächlich im Zentrum unterwegs und zeichne auf dem Markt und in der näheren Umgebung. In der ganzen Stadt gibt es viele Straßenmusiker, so treffe ich an einer Bushaltestelle zwei junge Leute mit Keyboard und Gitarre, ein paar Straßen weiter einen einsamen Schlagersänger mit Mikrofon und Verstärker. Vor einer Kirche werden christliche Devotionalien und Maroni verkauft.




Am zweiten Tag stehe ich früh auf, um auf den Flohmarkt in Novi Zagreb zu gehen. Lange fahre ich mit der Trambahn, vorbei an unzähligen sozialistischen Wohnblöcken, bis ich an der Endstation bin, von der aus man zu Fuß gehen muss. Ich treffe zwei Studenten, zusammen gehen wir unter Eisenbahnbrücken, durch Gestrüpp, über eine Schnellstraße und erreichen nach einem Kilometer den Flohmarkt. Er befindet sich auf einem großen Parkplatz und egal ob Gemüse, Radios, alte Gemälde oder Waffen, hier findet man alles. Die meisten Sachen sind auf Plastikplanen ausgebreitet, oft einfach lieblos auf dem Boden zerstreut. Die meisten Verkäufer sind Roma, die mit ihren Autos kommen und ihre Motorhauben als Präsentationstisch nutzen. Manche haben auch einen Grill mitgebracht und verkaufen Würstchen. Es gibt einen Kaffeestand, an dem man für ein paar Cents Kaffee im Plastikbecher bekommt, der zur Hälfte aus Kaffeesatz besteht. Ich bleibe lange auf dem Markt und finde viele interessante Dinge, die auch einiges über die Geschichte Kroatiens erzählen, wie z. B. ein altes kommunistisches Magazin „Frauen im Kampf “ aus den 40er Jahren, mit Lobliedern auf Tito neben Pulloverstrickmustern. Leider sind es zu viele Sachen, die ich nicht mitnehmen kann, da mein Rucksack zu schwer wird. In Kroatien fühle ich mich zum ersten Mal auf dem Balkan, im Gegensatz zu Slowenien, wo ich noch das Gefühl hatte, daheim zu sein. Die Vergangenheit des sozialistischen Jugoslawien ist in Zagreb noch präsenter als in Ljubljana. Nach drei Tagen verlasse ich die Stadt Richtung Süden nach Zadar.














Zagreb

Eindrücke

Trambahnen

Marktfrau

Flohmarkt

Cafés

Die Trambahnen sind zwar oft schon ein paar Jahre alt, aber in einem schönen Blauton.

Auf dem Flohmarkt in Novi Zagreb findet man unter vielen unnützen Dingen immer etwas.

Die Bronzeskulptur steht am Eingang des Marktes. Jeden Tag bekommt sie einen frischen Blumenstrauß.

Zagreb ist die Stadt der Cafés, bei schönem Wetter sitzen alle draußen auf den Straßen.


Straßenmusik

Plattenbau

Brennglas

Sozialismus

Dieser Schlagersänger ist einer der vielen Straßenmusiker Zagrebs.

Mit Hilfe einer Lupe und Sonnenstrahlen zündete sich ein Mann auf der Straße seine Pfeife an.

Typische Architektur aus jugoslawischer Zeit stellen die vielen Plattenbauten dar.

Zum Straßenbild gehören auch die Hinterlassenschaften des Sozialismus, wie dieses Denkmal vor der Uni.



Zadar Mit dem Bus überquere ich das Dinarische Gebirge und erreiche das mediterrane Zadar, eine kleine Stadt am Meer. Das Klima ist im Gegensatz zum herbstlich kühlen Zagreb warm, hier wachsen Feigen und Orangen. Bei einem alten Ehepaar finde ich ein günstiges Zimmer, habe gleich ein ganzes Haus für mich, das zur Hauptsaison voll belegt ist und jetzt von mir allein bewohnt wird. Vor dem Haus liegt ein großer Garten mit Reblaube, Palmen, Kiwis und Gemüsebeeten. Ich sitze morgens auf dem Balkon und zeichne, während meine Gastgeber mir die Wäsche waschen. Über eine lange Brücke komme ich vom modernen Viertel in die Altstadt. Die ist von einer großen Mauer umgeben und liegt auf einer Halbinsel im Meer. Die Straßen sind aus glänzendem Marmor, ebenso die Häuser. Alles wirkt hier sehr freundlich und hell. Das wohl bekannteste Bauwerk Zadars ist die Donatuskirche, eine der bedeutendsten byzantinischen Kirchen an der Adria. In den vielen schmalen Gässchen sitzen die Menschen bis spätabends in den Cafés und Bars. Die Stimmung ist entspannt, alles geht hier ein wenig ruhiger zu als in der Hauptstadt. An der langen Promenade am Meer gehen die Leute spazieren, essen Eis und unterhalten sich. Die Stadt hat einen großen Hafen, in dem die Fähren zu den zahlreichen nahe gelegenen Adriainseln und nach Italien ablegen. Am Hafen gibt es auch eine Meeresorgel, die durch Wellenbewegung eine Musik erzeugt, die an Walgesänge erinnert. Ich bleibe nur zwei Tage in Zadar und mache mich mit Bus auf den Weg nach Split.












Split Nach langer Fahrt entlang der Adriaküste komme ich mit dem Bus direkt im Hafen von Split an. Dort erwartet mich schon eine Gruppe älterer Leute, die mir alle durcheinander ein Zimmer anbieten wollen. Ich entscheide mich aber für ein Hostel mitten im historischen Zentrum, gegenüber dem großen Glockenturm. Die Hauptsaison scheint vorbei zu sein, denn außer mir wohnen nur zwei Australier hier. Ich stelle meinen Rucksack ab und gehe die Stadt erkunden. Im Gegensatz zum hektischen Hafen geht es in der Altstadt ruhiger zu. Man geht über weiße, von Sohlen, Salz und Wind glänzend polierte Steinplatten. Kein Auto hat Platz in diesem Gassengewirr. Mein erster Eindruck: Hohe, weißgraue Steinhäuser unter roten Dächern, verwinkelte Plätze, steinerne Bögen über den Gassen, Trinkbrunnen mit kühlem Bergwasser. Es ist ein Gewirr aus engen, verwinkelten Gässchen und Häusern. Etwa die Hälfte der Altstadt wird vom Diokletianspalast eingenommen, von dem aus sich die Stadt entwickelt hat. Um 300 wurde er vom römischen Kaiser Diokletian erbaut. Gleich daneben erhebt sich die majestätische Kathedrale Sveti Duje mit ihrem hohen Glockenturm, dem Wahrzeichen Splits. Direkt am Meer, entlang der Hafenbucht liegt die Riva, eine Flaniermeile mit Cafés und Bars, wo sich vor allem die Touristen aufhalten. Überragt wird die Altstadt vom Marjan, einem kleinen, von einem Park bedeckten Berg mit Stränden und Wanderwegen, der den westlichen Teil der Halbinsel von Split einnimmt. Geht man durch das alte Stadttor hinaus, kommt man auf den Markt. Hier herrscht ein buntes Treiben: Eine Wolke von Wespen umschwirrt die Stände mit Trauben und frischen Bienenwaben, es gibt Granatäpfel und Eier in Plastiktüten. Schafsköpfe liegen auf einem Biertisch zum Verkauf, verschiedenste Kräuter und Gewürze gibt es hier frisch. Eine alte Frau verkauft Kraut aus einem großen Fass, diese Situation erinnert an eine Szene aus dem Märchenbuch. Blätterteig und Brot gibt es in der Pekaria, frische Fische im täglich geöffneten Fischmarkt. Die Farben und Gerüche sind sehr intensiv und ich bekomme sofort Lust zu zeichnen. Der Markt gehört zu den interessantesten Märkten, die mir auf der Reise begegnet sind.




Zurück im Hostel, lerne ich die Chefin kennen, die auch hier wohnt. Auf den Tisch in der Küche stellt sie einen Topf mit heißem Wachs und eine große Flasche Jägermeister. Das ist die Ausrüstung, sagt sie, um sich die Haare zu wachsen. Der Jägermeister soll betäuben. Der Mittag wird länger, die Flasche leer und das Wachs im Topf wieder kalt. Dasselbe Ritual wiederholt sich auch am nächsten Tag. Ein Freund von ihr kommt zu Besuch, er war Kriegsfotograf im Bosnienkrieg. Während viel getrunken wird, erfahre ich einiges über den Krieg. So werden serbische Autos schon mal angezündet, wenn sie sich trauen, heute in Split zu parken. Split, die UNESCO-Kulturerbestadt ist heute voller Schuh- und Kleiderboutiquen, Sonnenbrillen- und Handyshops, Grillrestaurants und Cafés in historischen Gewölben. Split ist eine Stadt, die als Zwischenstopp berühmt ist. Für einen Nachmittag legt man hier einen Bummeltag in der Altstadt ein. Täglich spucken die riesigen Fähren aus Ancona und Venedig Passagiere aus, die nach Hvar, Korcula oder Dubrovnik weiterreisen. Kroatien hat 1.800 km Küste in Istrien und Dalmatien und über 700 Inseln. In Split lerne ich eine andere Seite des Landes kennen: Die Idylle der Stadt, das warme Klima, das Meer, die Landschaft bilden einen starken Kontrast zu meinem Aufenthalt in Zagreb. Das hohe Küstengebirge umrahmt die blaue Adria. Doch auch hier finden sich Spuren des Sozialismus. Denn umringt wird die Stadt von den typisch grauen und gleichförmigen Apartmentblocks. Erholt verlasse ich die Stadt nach drei Tagen und nehme den Bus weiter in Richtung Süden.
























Split

Eindrücke

Altstadt

Die engen, verwinkelten Gassen spenden im Sommer Schatten.

Fischer

Im Hafen von Split gibt es neben den großen Fähren auch viele kleine Fischerboote.

Promenade

Die Riva ist Splits gemütliche Uferpromenade.


Glockenturm

Stadtmauern

Straßenhändler

Maronihändler

Der byzantinische Glockenturm ist das weithin sichtbare Wahrzeichen der Stadt.

Auf der Straße werden handgefertigte, geklöppelte Spitzendecken angeboten.

Die alten Stadtmauern gehen auf den Diokletianspalast zurück. Innerhalb seiner Mauern siedelten sich die ersten Bewohner Splits an.

In der Altstadt findet man sie an jeder Ecke.


Dubrovnik Eine über vierstündige Busfahrt entlang der malerischen Adriaküste dauert es, bis ich abends in Dubrovnik ankomme. Wieder ist der Hafen meine erste Station. Ich gehe einmal um das Hafenbecken herum, zur Orca Bar, um wie verabredet Aleksandar, meinen Gastgeber, zu treffen. Der große, schlaksige Student mit Dreadlocks wohnt in einer Kellerwohnung in der Nähe. Spontan hat sich heute Abend bei ihm auch eine Französin einquartiert, die mit ihrem Fahrrad aus Albanien kommt. Aleksandar hat fast jeden Tag Backpacker und Couchsurfer aus allen Ländern bei sich zu Besuch. Wir essen zu Abend und hören uns die Abenteuer der Französin an, die alleine mit ihrem Rad durch Europa unterwegs ist und spontan bei Leuten übernachtet, die sie gerade trifft. Am nächsten Morgen geht ihre Tour weiter und ich mache mich mit Aleksandar auf den Weg in die berühmte Altstadt. Mit seinem Studentenausweis kann ich umsonst Dubrovniks Hauptattraktion, die Stadtmauer, betreten. Die Mauer geht auf eine alte Feindschaft zurück: Als Republik Ragusa war Dubrovnik 450 Jahre lang ein unabhängiger Stadtstaat und Rivale der Seemacht Venedig um die Vormachtstellung im Nordwesten der Adria. Zur Abwehr der Angriffe wurde um die mittelalterliche Stadt die zwei Kilometer lange, bis zu sechs Meter breite und stellenweise bis zu 25 Meter hohe Mauer errichtet. Sie ist mit ihren zahlreichen Bollwerken, Türmen, Bastionen und Mauertürmen sehr beeindruckend. Man hat einen weiten Ausblick über das Meer und die Landschaft. Vor allem aber kann man von oben auf die Gassen und Häuser, das Stadtgewebe des alten Dubrovnik hinunterblicken. Straßencafés, Restaurants und Boutiquen stehen neben Kirchen, Klöstern und Palästen der einst herrschenden Patrizier. Man bekommt von der Mauer aus auch Einblicke in den Alltag der Altstadtbewohner und das Treiben in den Hinterhöfen. Die Mauer war ein wichtiger Ort für mich zum Zeichnen. Fast 3000 Menschen wohnen heute in der Altstadt Dubrovniks, das insgesamt knapp 45.000 Einwohner zählt. Der Alltag innerhalb der Stadtmauern ist nicht immer leicht. Autos sind verboten − und würden durch die engen Gassen ohnehin nicht hindurchpassen. Von der Hauptstraße Stradun aus gehen viele kleinere Gässchen ab und ziehen sich dann steil den Hang bis zur Stadtmauer hinauf. Die Kehrseite des gemütlichen Dubrovniks ist, dass hier alles auf Touristen ausgerichtet ist. Jetzt im Herbst sind zwar nicht mehr die großen Massen da, aber dennoch sehr viele für eine so kleine Stadt. Vor allem Kreuzfahrtgäste stürzen sich, wie in vielen Mittelmeerstädten, am Morgen tausendfach auf die Sehenswürdigkeiten, verlassen am Nachmittag die Gassen aber genau so schnell wieder. Der Abend gehört denen, die länger bleiben.




Auf der Hauptstraße und auf kleinen Plätzen spielen Live-Musiker in den Bars und Cafés. Scheinwerfer und Straßenlaternen tauchen den weißen Kalkstein der Kirchen und Paläste in ein schönes Licht, das sich in dem über die Jahrhunderte blank polierten Straßenbelag spiegelt. Aleksandar und ich gehen in ein Pub in der Altstadt und treffen uns dann mit Freunden. Die Freunde wohnen hoch über der Stadt in einem kleinen Haus. Über die steilen Steintreppen und Pflasterstraßen kommen wir erschöpft bei ihnen oben an. Der Ausblick ist unglaublich, wir sehen die ganze Stadt, eingekreist von der Mauer und dahinter das weite Meer. Der Abend selbst wird eher langweilig, also nehme ich meine Stifte zur Hand. Während die Freunde auf der Couch sitzen und fernsehen, zeichne ich sie. Es war eine schöne Zeit in Dubrovnik, ich wundere mich nicht, dass die Stadt ein beliebtes Touristenziel ist. Doch auch hier gab es ein dunkles Kapitel: Als bei der Belagerung durch serbische Truppen 1991/92 tausende Artilleriegranaten einschlugen, erlitt die Stadt schwere Schäden. Von den Zerstörungen ist inzwischen kaum noch etwas sichtbar. Nur vereinzelte Einschusslöcher von Granaten zeugen von dieser Zeit. So malerisch und voller schöner Motive die Stadt ist, bleibe ich hier nicht lange. Dubrovnik ist mir etwas zu abgestimmt auf Touristen. Mich interessiert das alltägliche Leben der Einheimischen, was hier nicht einfach zu finden ist. Ich beschließe weiterzureisen und Kroatien zu verlassen. Mein nächstes Ziel ist Bosnien.








Dubrovnik Eindrücke

Pflanzen

In vielen Kübeln und Töpfen stellen Dubrovniks Bewohner ihre Pflanzen in den schmalen Gässchen auf.

Stadtmauer

Die mächtige, zwei Kilometer lange Stadtmauer ist Dubrovniks Hauptattraktion.


Touristen

Die Stadt ist ein beliebtes Touristenziel.

Luxusliner

Große Kreuzfahrtschiffe legen regelmäßig im Hafen an und füllen die Straßen mit Touristen.

Gässchen

Steil ziehen sich die kleinen Gässchen vom Zentrum zur Stadtmauer hinauf.


Mostar Die Einreise nach Bosnien zieht sich lange hin. Der Busfahrer kauft unterwegs Zigaretten, liefert in kleinen Dörfchen Pakete ab oder hat plötzlich Hunger und lässt den Bus eine halbe Stunde vor einer Gaststätte warten. An der Grenze werden alle streng kontrolliert, einige sogar aus dem Bus geholt, um ihr Gepäck zu öffnen. Es gibt mehrere Kontrollen, und obwohl ich nur mit einem Personalausweis unterwegs bin, gibt es keine Probleme. Ab jetzt fahre ich also durch Bosnien. Hier sieht alles viel ärmlicher aus, viele Häuser sind im Rohbau gelassen, die Ziegelmauern sind ohne Putz und überall findet man Spuren des Kriegs. In Mostar angekommen, treffe ich zwei Australier, die ins gleiche Hostel gehen und schon ein Zimmer gebucht haben. Die Hostelchefin holt uns mit dem Auto ab. Auf der Fahrt durch die Stadt sehen wir viele zerfallene Häuser und von Kugeln durchsiebte Fassaden. Ein Park im Zentrum, in dem früher Kinder gespielt haben, ist heute ein Friedhof. Es ist neblig, die Luft riecht nach Ruß und Schwefel – extremer hätte der Kontrast zur Urlaubsstimmung in Dubrovnik kaum sein können. Das Hostel liegt auf der kroatischen Seite der Stadt in einem Plattenbau. Es befindet sich im dritten Stock und ist eine einfache Wohnung, die im indischen Stil eingerichtet ist. Hier arbeiten drei ältere Frauen, die uns mit einem bosnischen Kaffee auf dem mit Teppichen verhängten Balkon begrüßen. Wir sind eine internationale Gästegruppe, es gibt Amerikaner, Kanadier und kurz nach uns kommen drei Schweden. Obwohl wir unsere Betten mit unseren Namen beschriften müssen, werden wir von den Frauen mit „Sweden“ oder „American Boy“ angesprochen. „Germany, do you want coffee or tea?“, fragt mich eine der Frauen. Mostar hat etwa 111.000 Einwohner. Das Wahrzeichen ist die alte Brücke, die Stari most, die sich über das türkisfarbene Wasser der Neretva spannt und 1556 von einem osmanischen Architekten erbaut wurde. Der Stadtname Mostar bedeutet Brückenwächter. Die alte Brücke wurde im Bosnienkrieg 1993 durch massiven Beschuss von kroatischer Seite zerstört. Nach dem Zerfall des sozialistischen Jugoslawien waren die ethnischen Spannungen auf dem Balkan gewachsen. 1992 erklärte sich Bosnien-Herzegowina schließlich für unabhängig – der Startschuss für einen Bürgerkrieg zwischen bosnischen Serben, Kroaten und Muslimen.



Über acht Jahre lang war Mostar auch nach Ende des Kriegs 1995 noch eine geteilte Stadt. Das Westufer der Neretva war kroatisch, das Ostufer muslimisch. Es gab zwei Stadtverwaltungen, zwei Feuerwehren, zwei Telefonsysteme, auch die Versorgung mit Wasser und Elektrizität war ethnisch getrennt. Erst 2005 wurde die Brücke wiederaufgebaut und gilt heute als Symbol der Wiedervereinigung beider Seiten. Heute ist die Brücke von Souvenirständen umgeben. Tücher, Teppiche, kupferne Mokkatässchen, Kunst und alte Tito Bilder werden den Touristen angeboten. Auch wenn die Menschen sich langsam wieder annähern, im selben Supermarkt einkaufen gehen, wird es wohl noch lange dauern bis hier Normalität einzieht. Daran wird auch die 2005 aufgestellte Statue von Bruce Lee nicht so schnell etwas ändern. Sie wurde auf Initiative einer Mostarer Jugendgruppe errichtet. Die Wahl fiel auf die Kung-Fu Legende, weil Bruce Lee vor dem Krieg bei allen Völkern und Stämmen Jugoslawiens gleichermaßen beliebt war. Die Altstadt ist schön, etwas dreckig und vieles wirkt improvisiert. Die Strom- und Telefonleitungen, die wirr über den Straßen hängen, gehören zum Stadtbild. Entlang der früheren Frontlinie, in der Nähe meines Hostels, sind viele Häuser nur noch Ruinen, überzogen von Einschusslöchern. Hier steht auch der berüchtigte Snipertower, der früher ein Bankhochhaus war, von dem nur das Stahlskelett übrig geblieben ist. Aus ihm schossen während des Kriegs die Scharfschützen. Patronenhülsen bedecken den Boden der oberen Stockwerke. Seitdem der letzte Soldat abgezogen ist, scheint die Zeit hier stehen geblieben zu sein. Nach zwei regnerischen, aber sehr interessanten Tagen steige ich in den Bus nach Sarajevo. Obwohl ich nur kurz hier war, war es eine sehr eindrückliche Zeit. Die Spannung in dieser vom Krieg erschütterten Stadt ist bis heute noch spürbar.











Mostar

Eindr端cke

Glauben

Minarette und Kircht端rme ragen 端ber die D辰cher der Stadt.

Mienen

Immer wieder trifft man auf Schilder, die vor Mienen warnen.

Kriegsspuren

Die Stadt ist gezeichnet von den Spuren des Bosnienkriegs.


Bureg

Den besten Bureg auf meiner Reise esse ich in Mostar.

Nachruf

Hier werden die Todesanzeigen, wie es auf dem Balkan weit verbreitet ist, an Wänden und Bäumen aufgehängt.

Souvenirs

Rund um Mostars berühmte Brücke gibt es viele lokale Spezialitäten zu kaufen.


Sarajevo Als ich in der Stadt ankomme, zeigt das Thermometer am Bahnhof gerade noch zwei Grad und auf den umliegenden Hügeln liegt schon Schnee. Ich nehme eine Tram in die Stadt und treffe meinen Gastgeber Luke im strömenden Regen vor einer Kirche. Luke, den hier alle Luka nennen, ist Landschaftsarchitekt aus Pennsylvania und kam als Entwicklungshelfer nach Sarajevo. Er wohnt in einem Wohnblock am Südhang der Stadt in einer Wohngemeinschaft mit einem bosnischen Student. Die beiden empfangen mich herzlich und können mir viel über die Stadt erzählen. Sarajevo ist eine Stadt mit vielen Gesichtern. Sie ist umgeben von bewaldeten Bergen, der Fluss Miljacka fließt, von vielen Brücken überspannt, hindurch. Fährt man in das Tal hinein, kommt man zunächst durch eine Gegend mit vielen grauen Plattenbauten, lieblosen Glasund Stahlhochhäusern und vom Krieg gezeichneten Bauten. Darauf folgen martialische, sozialistische Betonblöcke aus der Zeit des früheren Jugoslawien. Erreicht man jedoch das Zentrum, ergibt sich ein neuer Eindruck: Prachtbauten aus der österreichisch-ungarischen Monarchie geben einem das Gefühl, in Wien oder Budapest zu sein. Wenn man schließlich am achteckigen Brunnen Sebilj, inmitten der türkischen Altstadt ankommt und die Gesänge des Muezin hört, fühlt man sich nach Istanbul versetzt. In der Fußgängerzone, der Ferhadija, trifft sich jeder, es wimmelt von wartenden, rauchenden, lachenden Menschen. Auf einem Platz spielen alte Männer Schach. Im heute mehrheitlich von Bosniaken bewohnten Sarajevo wird eine Vielzahl verschiedener Religionen ausgeübt. So findet man in der Stadt Moscheen, Kirchen und Synagogen nicht weit voneinander entfernt. Manchmal wirkt die Altstadt wie ein großes Dorf. Alles ist bequem zu Fuß erreichbar, die alten knatternden Trambahnen fahren oft nicht schneller als Schrittgeschwindigkeit. Im orientalisch geprägten Altstadtteil Bašcaršija gibt es viele kleine Läden und Werkstätten für Holz, Metallbearbeitung, Lederwaren, beschlagenes Silber, Kupferkännchen, Teppiche und dazwischen viele kleine Cafés.




Im Stadtmuseum sehe ich eine Ausstellung über die Belagerung von Sarajevo im Bosnienkrieg. Sie begann 1992 und endete erst 1996. Während der Belagerung waren serbische Truppen in einem Ring auf den Bergen um die Stadt postiert. Täglich schlugen durchschnittlich 300 Granaten in Sarajevo ein. In der Stadt waren auch Heckenschützen postiert, die sich vorwiegend in den hohen Gebäuden an der breiten Hauptverkehrsstraße versteckt hielten und wahllos auf Fahrzeuge und Personen schossen. Diese Straße wurde deshalb häufig Sniper Alley genannt. Im Museum sehe ich die selbstgebauten Waffen der Eingekesselten und lese, wie schwer es war, in dieser Zeit einfach nur zu überleben. Die Kriegsspuren sind auch im heutigen Sarajevo allgegenwärtig. An den Hängen der Stadt ziehen sich riesige Gräberfelder hinauf. Der nächste Morgen beginnt wieder kalt. Nach dem Frühstück begleite ich Luke ein Stück bis zum jüdischen Friedhof, der an einem steilen Hang liegt und zu einem großen Teil von Hecken und Sträuchern überwuchert ist. Wilde Hunde wohnen hier zwischen den Jahrhunderte alten Gräbern. Von hier aus hat man einen schönen Blick auf die Stadt, die zwischen den Hängen im Tal liegt. Insgesamt bleibe ich fünf Tage bei Luke, länger als geplant, denn Sarajevo ist zu spannend, um es nach drei Tagen schon wieder zu verlassen. Sarajevo hat sich als überraschend schöne, interessante Stadt gezeigt, in der man viel entdecken kann. Ich würde gerne noch länger zu bleiben, doch ich bin neugierig auf Belgrad, meine nächste Station.


























Sarajevo Eindrücke

Bosanska Kava

Hier trinkt man bosnischen Kaffee, der in einer kleinen Kanne aufgekocht und mit viel Zucker getrunken wird.

Souvenirs

Im Stadtteil Bašcaršija gibt es unzählige handgefertigte Andenken.

Eurocrem

Die Nutella des Balkans.


Caj

Minarette

Schach

Gräberfelder

Neben Kaffee ist auch Tee sehr beliebt. Ein Vorgeschmack auf Istanbul.

Gegenüber der Erlöserkirche treffen sich schon vormittags die Schachspieler.

Charakteristisch für die Altstadt sind die vielen Minarette.

Rund um Sarajevo ziehen sie sich die Hänge hinauf.


Belgrad Im Zug von Sarajevo nach Belgrad durchquere ich Bosnien, die Republik Srpska auf bosnischem Gebiet, Kroatien und Serbien. Die Fahrt ist angenehm, es ist ein schöner Herbsttag. Für zwei Konvertable Mark serviert mir der Schaffner eine Tasse Kaffee. Aus dem Bistrowagen kommt laute Folkloremusik, dort sitzen die Schaffner beim Kaffee und rauchen. Draußen ziehen die Dörfer und Felder vorbei, die Bauern fahren noch Pferdewagen, ernten Kürbisse und verbrennen ihren Müll auf großen Haufen. Nachts erreicht der Zug Belgrad. Ich wohne im Stadtteil Zemun bei Anna und ihrer Mutter zusammen mit zwei Papageien und der Hündin Laura. Anna überlässt mir ihr Zimmer. Um von Zemun aus ins Zentrum zu kommen, fährt man mit dem Bus durch Novi Beograd. Dieser Stadtteil mit seinen breiten, schnurgeraden Straßen und einförmigen Plattenbauten wurde nach dem Krieg durch jugoslawische Arbeitsbrigaden gebaut. Auf einer großen Brücke überquert man die Donau und kommt ins Zentrum. Auf der linken Seite liegt die Festung von Belgrad. Sie stammt aus dem 15. Jahrhundert und bildet den historischen Kern der Stadt. Die günstige Lage im Südosten Europas, an zwei Flüssen (Sava und Donau) sowie die Kreuzung mehrerer wichtiger Handelswege trugen Belgrad den Titel „Pforte des Balkans“ ein. Bis 1991 war Belgrad außerdem die Hauptstadt des sozialistischen Jugoslawien. Das erfahre ich von Ongjen, einem Freund Annas, der mir vormittags eine Stadtführung gibt. In der Altstadt Stari Grad kommen sehr viele Bauepochen zusammen und ergeben eine ungewöhnliche Mischung. Dort gibt es sogar noch wenige alte Häuser, die aus dem Mittelalter und der türkischen Epoche stammen. Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Belgrad eine kleinere, eher orientalisch als europäisch geprägte Stadt. Später kamen neue architektonische Strömungen wie Jugendstil, Bauhausstil und Neoklassizismus hinzu. Der moderne Ausbau Belgrads nach dem Krieg und die Rolle als Hauptstadt brachten wieder andere, repräsentative Bauwerke hervor.



Wir gehen durch die Altstadt und kommen zur Kathedrale des Heiligen Sava, die sich seit 1935 im Bau befindet und eines der größten orthodoxen Gotteshäuser der Welt ist. Ongjen zeigt mir außerdem die Ruine des von der NATO bombardierten Innenministeriums. Abends gehen wir zusammen ins Sava Centar, ein Kongresszentrum mit sozialistischem Charme in der Größe eines Flughafens, das wie ein gigantischer Bunker aussieht. Da Ognjen Filmvorführer des Belgrader Filmfestivals ist, kommen wir umsonst in das 4.000 Plätze große Kino. Belgrad ist mit seinen 1,5 Millionen Einwohnern die erste richtige Großstadt auf meiner Reise. Hier wirkt alles viel mächtiger: Die Brücken, Hochhäuser und Regierungspaläste scheinen geradezu riesig im Vergleich zum beschaulichen Sarajevo. Aber es gibt auch sehr gemütliche Ecken, wie das alte Bohèmeviertel Skadarlija mit seinen zahlreichen alten Cafés und Restaurants aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert. Hier spielt sich das Leben vor allem auf der Straße ab. Es gibt Maronihändler, Straßenmusiker, alte Frauen, die ihre Stickereien anbieten. An der Universität werden alte Bücher auf der Straße verkauft. Tagsüber breiten einige Männer Schuhe, Parfum und andere Waren auf Pappkartons zum Verkaufen aus. Sie sitzen rauchend auf der Parkbank, manche spielen Schach. Nur selten bleibt jemand stehen, um sich ihre Sachen anzuschauen. Nachts sitzen bis spät junge Leute in den Parks und Cafés. Die Balkanska Straße führt steil den Berg hinauf und ist gesäumt von kleinen Geschäften. Hier gibt es einen Kofferladen mit einem einzigen alten Lederkoffer im Schaufenster. Nebenan verkauft man Grabplaketten mit schwarz-weiß Bildern. In rostigen Schaukästen stehen Lederschuhe an einer Ecke. Im nächsten Haus macht ein Konditor Süßigkeiten in Neonfarben. Die Straße erweist sich als wahre Fundgrube für Zeichenmotive. Ich habe Belgrad als lebhafte Stadt kennen gelernt und mich über die große Gastfreundlichkeit Annas gefreut, die mir einen Einblick in den Alltag und die Geschichte der Serben ermöglicht hat. Nach vier eindrucksvollen Tagen verlasse ich die Stadt und fahre nach Niš.



















Belgrad Eindrücke

Bücher

Auf den Straßen Belgrads kann man wie auf einem Flohmarkt gebrauchte Bücher kaufen.

Alphabet

In Serbien wird im kyrillischen Alphabet geschrieben, für mich eine große Umstellung.


Segel der Vojvodina

In Novi Beograd reihen sich zahllose identische Großwohnblocks aneinander, die im Sozialismus die Segel der Vojvodina genannt wurden.

Spielplatz

Ein Klettergerüst in Form einer Rakete gehört zur Austattung eines typischen, einfachen Spielplatzes.

Hunde

Immer wieder begegnet man in der Stadt wilden Hunden.


Niš Niš liegt 250 km südöstlich von Belgrad am Fluss Nišava. Hier gabeln sich die Hauptverbindungswege von Mitteleuropa in die Türkei und nach Griechenland. Auf meinem Weg nach Istanbul liegt es auf der Strecke, ich habe aber nicht vor lange zu bleiben. Trotzdem freue ich mich, eine kleinere Stadt kennen zu lernen. Obwohl Niš nur etwa 250.000 Einwohner hat, ist es nach Belgrad die größte Stadt in Serbien. Sonst gibt es in Serbien kaum mittlere Städte, was Belgrad als Hauptstadt umso bedeutender macht. Gegenüber meines Hostels, auf der anderen Seite des Flusses liegt die Festung von Niš. Sie wurde von den Osmanen auf den Überresten eines römischen Militärlagers gebaut. Innerhalb der Festung gibt es einen großen Park, eine alte Moschee und ein Amphitheater. Unter osmanischer Herrschaft brachten serbische Aufständische die Stadt unter ihre Kontrolle. Als Niš von den Osmanen belagert wurde und den Aufständischen die Munition ausging, sprengten sich 1809 über 1000 Aufständische selbst in die Luft. Die Osmanen erbauten daraufhin als Warnung an die Serben den Totenschädelturm Cele Kula, in dem die Schädel von 1836 gefallenen Aufständischen eingemauert wurden. Jeden Sonntagmorgen gibt es einen großen Flohmarkt entlang der Festungsmauer. Die Roma fahren hier noch mit Pferdewagen, es wird viel Seltsames und Verrostetes angeboten. Im hinteren Teil des Marktes kann man sogar Autos mit deutschen und französischen Kennzeichen kaufen. Um den Busbahnhof herum herrscht immer reges Treiben. Dort sitzen viele Leute am Straßenrand und verkaufen ihre Waren. Manchmal nur Taschentücher oder ein paar Klamotten, ausgebreitet auf einem Tuch. Viele bringen auch Kisten mit Obst und Gemüse aus ihren Gärten. Alte Frauen sitzen den halben Tag mit ein paar Rüben und Kürbissen, die es auch zwei Schritte entfernt in der Markthalle gibt. Es kommen Papiersammler, meistens Roma, die riesige Papierberge auf dreirädrigen Wagen sammeln. Ein mobiler Scherenschleifer ist unterwegs und schärft Messer.



In Niš gibt es nur wenige Sehenswürdigkeiten, dafür viele interessante Alltagsdinge, die sich von unseren unterscheiden, für mich spannende Zeichenmotive. Zum Beispiel gibt es ein Stadtviertel, in dem jeder Laden nur einen Artikel führt. Da findet man einen, der nur Auspuffe im Angebot hat in einer Straße, die nur aus Läden für Autozubehör besteht. In der nächsten Straße werden in einem Laden fast ausschließlich Fernbedienungen verkauft und in einem dritten gibt es nur gebrauchte Uhren. Die Haupteinkaufsstraße von Niš ist immer sehr belebt. Hier gibt es viele Läden, Bäckereien und Kneipen. Darunter gibt es zusätzlich eine zweite, unterirdische Passage mit Boutiquen, Supermärkten und Elektronikläden. Von Neonlicht beleuchtet, führt sie die gesamte Länge der Hauptstraße entlang. Nach zwei ruhigen Tagen mache ich mich per Anhalter auf den Weg nach Bulgarien.











Niš

Eindrücke

Recycling

Die Roma sammeln hier Altpapier und Kartons, um sie gegen wenig Geld einzutauschen.

Handel

Um den Busbahnhof herum sitzen viele ältere Menschen und verkaufen, was in ihrem Garten wächst.

Kopfbedeckung

Dieser Mann trägt eine typisch serbische Mütze.


Pferdewagen

In den Straßen sieht man manchmal noch Männer auf Pferdewagen fahren.

Läden

Hier findet man noch sehr kuriose Läden, die sich auf einen Artikel spezialisiert haben. Dieser verkauft nur gebrauchte Uhren.

Dienstleistung

Es gibt hier sogar noch mobile Scherenschleifer, die auf der Straße ihre Dienste anbieten.


Sofia Das Trampen funktioniert auch in Serbien gut und ich schaffe es noch vor Sonnenuntergang an die bulgarische Grenze. Die überquere ich zu Fuß, da mein Fahrer sich in eine lange Warteschlange einreihen muss. Ich laufe zwei Kilometer über den Grenzstreifen bis zur nächsten Tankstelle. Dort versteht keiner der türkischen Fahrer englisch oder deutsch, trotzdem sitze ich noch vor Sonnenuntergang in einem Laster Richtung Sofia. Die Stadt liegt in einer weiten Hochebene, nahe der Grenze zu Serbien. Durch die östlichen Stadtviertel fließt der Iskar, der längste Fluss Bulgariens. Mein neuer Gastgeber wohnt im Zentrum, in der Nähe des Kulturpalastes. Er heißt Nikolai und spricht sehr gut deutsch, da seine Vorfahren aus Österreich kommen. Seine Wohnung ist schick und aufwändig eingerichtet, mit vielen Designermöbeln. Nikolai gibt mir am nächsten Tag eine ausführliche Stadtführung und bemüht sich, mir so viel wie möglich von seiner Stadt zu zeigen. Sofia besteht seit über siebentausend Jahren und ist eine Stadt mit wechselvoller Geschichte. Wir besichtigen die Synagoge, sehen uns viele römische Ausgrabungsstätten an und besuchen die Mineralquellen im Zentrum, an denen die Menschen seit der Antike ihr Wasser abfüllen. Unterwegs entdeckt Nikolai immer wieder bekannte bulgarische Schauspieler oder Politiker. Im Kulturpalast schauen wir uns am Abend die Premiere eines Films über Konfuzius an. Wie in Belgrad sitze ich nun in einem gigantischen Kinosaal mit sozialistischer Einrichtung. Vor dem Film hält der chinesische Botschafter eine lange Rede, gefolgt von der ebenfalls langen Rede des 44. Urenkels Konfuzius’. Im Anschluss gehen wir zum offiziellen Buffet in einen anderen Teil des Kulturpalastes. Durch Nikolai und seine Freunde lerne ich verschiedene Clubs und das Nachtleben von Sofia kennen. Es sind vor allem Szeneclubs mit schickem Publikum.




Am dritten Tag bin ich alleine unterwegs und fahre mit der Straßenbahn in die Vorstädte, wo ich lange Wanderungen mache. Hier sind die Leute ziemlich arm, es gibt zwar schöne Häuser, aber mangels Geld sind sie in sehr schlechtem Zustand. In Sofias Vororten leben viele Roma in dreckigen Slums aus Wellblechhütten, umgeben von Müll. Überall sind herumstreunende Hunde zu sehen. Zurück in der Innenstadt, gehe ich in die große orthodoxe Alexander-NewskiKathedrale. Drinnen ist es sehr dunkel und schwerer Weihrauch liegt in der Luft. Die Menschen zünden Kerzen an, es herrscht eine andächtige Stimmung. Wir frühstücken zusammen mit Polly, einer guten Freundin von Nikolai, die in Dresden studiert hat. Zwei Tage wohne ich bei ihr. Mit Polly und ihrer Familie fahren wir sonntags aufs Land, ich werde zum Essen eingeladen und wie ein Familienmitglied behandelt. Es ist schön nach den vielen Städten etwas Zeit auf dem Land zu verbringen. Überraschend ist, was ich in den Gesprächen beobachte: die Bulgaren schütteln den Kopf, wenn sie ja sagen und nicken beim Verneinen. Sofia ist als Hauptstadt Bulgariens überschaubar und dennoch kosmopolitisch. Ich wurde hier sehr herzlich empfangen und habe viele Facetten der Stadt kennen gelernt. Schließlich fahre ich nur ungern weiter, doch auf mich warten Plovdiv und Istanbul.














Sofia

Eindrücke

Orthodoxe Kirche

Ein typischer Anblick sind die runden Kuppeln der orthodoxen Kirchen.

Kellerläden

Eine ungewöhnliche Form des Verkaufs sind diese Läden, die bis in die Nacht geöffnet sind und wie ein Schrank geschlossen werden können.

Rakia

Rakia ist ein auf dem ganzen Balkan beliebter Schnaps.


Sonnenblumenkerne

Ja - Nein

Kabel

Popcorn

Sie sind ein beliebter Snack, man kann sie eingerollt in Zeitungspapier kaufen.

Hier sieht man, dass die Menschen vernetzt sind. Die Internetkabel ziehen sich wie Spinnweben um die Häuser.

In Bulgarien kann es leicht zu Missverständnissen kommen, da ein Nicken Nein und ein Kopfschütteln Ja bedeutet.

Gibt es nicht nur im Kino, sondern auch auf der Straße in kleinen Wagen zu kaufen.


Plovdiv Plovdiv ist eine sehr schöne und gemütliche Stadt mit etwa 400.000 Einwohnern. Sie ist die zweitgrößte Stadt Bulgariens und liegt mit ihren sechs Hügeln in der Thrakischen Ebene am Ufer der Mariza. Mit Taxi fahre ich vom Busbahnhof zum Hostel im Zentrum. Doch da es voll ist, werde ich in ein anderes Haus verlegt, wo außer mir nur ein graubärtiger Mann wohnt. Plovdiv ist eine Stadt mit langer Geschichte, sie ist eine der am längsten ununterbrochen bewohnten Städte Europas. Die Römer haben hier viele Straßen, öffentliche Gebäude, Tempel, Stadien und Theater gebaut. Unter osmanischer Herrschaft blühte hier das Handwerk und Plovdiv war ein wichtiges Tor zum Orient. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Stadt ein großes Wirtschaftszentrum im europäischen Teil des osmanischen Reichs. Geht man heute durch die Altstadt, kann man eine Architektur mit kunstvollen Steinornamenten und reich geschnitzten, hölzernen Balkonen sehen. Darin verbindet sich das osmanische Erbe mit der christlichen Orthodoxie. Das römische Stadion liegt heute unter der Einkaufsstraße, nur wenige Meter von der Moschee entfernt. Viele Fassaden in der Altstadt sind mit großen Wandbildern geschmückt. So ergibt sich ein interessantes Stadtbild, in dem die verschiedenen Kulturen zusammenkommen. Die Stadt hat aber auch andere Seiten, wie das Viertel Stolipinovo mit seinen heruntergekommenen Plattenbauten. Die Menschen leben hier unter katastrophalen Bedingungen. Es gibt in den Blocks kein fließendes Wasser, der Abfall wird nicht entsorgt, sondern wird aus den Fenstern auf die Straße geworfen. Meist wohnen hier Sinti und Roma oder Türken mit bulgarischen Pässen. Die genaue Anzahl der Menschen, die hier wirklich leben, weiß niemand genau. Die schöne Altstadt von Plovdiv scheint von hier unerreichbar. Nur selten sieht man Roma im Zentrum. Einige kommen zum Betteln oder fegen die Straßen mit Reisigbesen, um etwas Geld zu verdienen.




Auf einem der sechs Hügel steht eine große Statue, die ich von weitem nicht erkenne. Als ich eine Wanderung dort hin mache, erkenne ich, dass es ein gigantischer sowjetischer Soldat mit Maschinengewehr ist, der über die Stadt blickt. Ich erfahre, dass er im Volksmund Aljoscha genannt wird. Man hatte vor, dieses Symbol des Kommunismus abzureißen, aber viele Einwohner wehrten sich dagegen. Sie veranstalteten Demonstrationen und organisierten seine Bewachung rund um die Uhr. Russische Veteranen, die in Bulgarien leben, drohten mit Selbstverbrennungen, sollte Aljoscha zerstört werden. Ich bekomme den Tipp, mir das nahe gelegene Kloster Bachkovo anzuschauen. Ich mache dort eine lange Wanderung in den Bergen und zeichne abends in einer Kneipe die Leute aus dem Dorf. Danach fahre ich wieder nach Plovdiv zurück. Der Ausflug war ein kurzer Einblick in das ländliche Bulgarien. Mir gefällt Plovdiv sehr gut, ich bleibe hier fast eine Woche. Die beeindruckende Geschichte der Stadt, die vielseitige Architektur, in der sich die verschiedenen Kulturen widerspiegeln, geben Plovdiv eine besondere Atmosphäre. Ich verbringe die meiste Zeit bei sehr gutem Wetter draußen mit Zeichnen, an Motiven fehlt es mir hier nicht. Nach fünf Tagen kaufe ich mir ein Busticket nach Istanbul.
























Plovdiv Eindrücke

Džumaja Moschee

Das schöne rot-weiß gemusterte Minarett ist ein auffälliges Wahrzeichen der Stadt.

Baustil

Die traditionellen Häuser wurden im 19. Jahrhundert im Stil der bulgarischen Wiedergeburt errichtet.

Wiegen

Ältere Leute verdienen sich gerne etwas dazu, indem sie gegen Gebühr ihre Waage anbieten.


Aljoscha

Der umstrittene russische Soldat wacht als monumentale Steinstatue über die Stadt.

Umgebung

Sechs Hügel schließen das Stadtgebiet ein, der siebte wurde abgetragen.

Wandbilder

In der ganzen Stadt findet man Häuser, die mit aufwändigen Wandbildern verziert sind.


Istanbul Die Stadt liegt noch im Nebel, als ich nach einer Nacht im Bus früh morgens Istanbul erreiche. Ich fahre nach Sultanachmet, wo ich die ersten Tage in einem Hostel gleich neben der Blauen Moschee verbringe. Istanbuls Straßen sind sehr lebhaft, Autos hupen, überall rufen die Straßenhändler ihre Waren aus, die Schiffshupen tönen, der Ruf des Muezin erschallt von vielen Moscheen gleichzeitig. Es riecht mal nach Gewürzen, nach dem Meer, gegrilltem Fleisch, an einer anderen Ecke nach Autoabgasen und Motorenöl. Überall drängen sich Menschen. Am Goldenen Horn, beim Fährhafen von Eminönü breitet sich das überwältigende Panorama von Moscheen und Häusern vor mir aus. Istanbul wird durch den Bosporus in eine europäische und eine asiatische Seite geteilt. Im europäischen Teil wird das alte Stadtzentrum durch das Goldene Horn auch von den nördlicher gelegenen Stadtteilen getrennt. Die zweistöckige Galatabrücke verbindet die Stadtteile miteinander. Oben donnern Autos und Trambahnen über die achtspurige Brücke. Am Brückengeländer stehen Angler Tag und Nacht dicht gedrängt mit Eimern voll kleiner Fische. Eine Etage tiefer befindet sich eine weitere Ebene mit Cafés und Restaurants. Auf einem Hügel auf der nördlichen Seite liegt Beyoglu, das Zentrum des modernen Istanbul. Hier liegt Taksim, ein sehr europäisch anmutendes Stadtviertel mit vielen Häusern im Jugendstil und Historismus. Vom Tünel-Platz führt die Istiklâl Caddesi, ein moderner Einkaufsboulevard mit Kaufhäusern und internationalen Geschäften, hinauf zum höchsten Punkt, dem Taksim-Platz. In Galata, westlich des Tünel, ziehen sich in enger Folge Geschäfte für Werkzeuge, Eisenwaren, Haushaltsgeräte, Baumaterial und Fischereibedarf den steilen Hang hinunter bis in den alten Hafen am Goldenen Horn. Unzählige Halbmondfahnen prägen das Strassenbild. Die Türkei ist ein sehr stolzes, patriotisches Land, überall ist der Staatsgründer Attatürk präsent. Er hängt in fast jedem Geschäft, beim Friseur, im Supermarkt, auf der Bank. Ebenso omnipräsent ist das Nazar, das blaue Auge, das dem Volksglauben nach den bösen Blick abwehrt. Eine schöne Abwechslung zum hektischen Leben auf der Straße bilden die zahlreichen Moscheen. Am Eingang zieht man seine Schuhe aus und tritt in eine andere Welt ein. Im Inneren ist alles mit prachtvollen Teppichen ausgelegt, die Wände sind bis unter die Decke reich mit Ornamenten verziert.




Im europäischen Teil liegt auch der große Kapalı Çarsı Bazar, der eine ganz eigene Atmosphäre hat. Hier gibt es alles in Hülle und Fülle: Teppiche, Taschen, Souvenirs, Antiquitäten, Gewürze, Essen. Die Händler rufen einem ununterbrochen Angebote zu, gönnen dem Besucher keine ruhige Minute. Es ist ein buntes, verwinkeltes Labyrinth aus vielen kleinen Gassen und mit über 4000 Geschäften. Nach drei Tagen im Hostel ziehe ich auf die asiatische Seite der Stadt, wo es insgesamt etwas ruhiger zugeht. Im Stadtteil Kadıköy wohne ich bei meiner letzten Gastgeberin Tulya und ihrer Mutter. Auch hier werde ich wieder völlig selbstverständlich und herzlich aufgenommen, auch wenn die Mutter kein einziges Wort von mir versteht. Sie führt ein Café und arbeitet nebenher als Wahrsagerin. Mithilfe von Karten und Kaffeesatz sagt sie ihren Kunden die Zukunft voraus. Kadıköy ist ein weltoffener Stadtteil mit Kinos, Restaurants, Cafés und Bars. Er ist geprägt vom Zusammenleben von Christen und Muslimen. An den Fährhäfen verkaufen buntgekleidete Frauen Blumen und Schuhputzer bieten ihre Dienste an. Vor den Läden sitzen Männer und trinken ihren Tee, während Lastenträger ihre Waren transportieren. Überall gibt es Essen, fliegende Händler verkaufen Simit, die beliebten Sesamkringel aus Hefeteig. Von hier aus fahren regelmäßig Fähren hinüber in den europäischen Teil. In der Nacht flackern überall bunte Lichter, der Verkehr fließt ohne Pause, die Straßen sind voller Menschen, die essen, trinken, rauchen und sich unterhalten. Die große Bosporus-Brücke von Europa nach Asien leuchtet in verschiedenen Farben, die Fähren sind kleine Lichtpunkte auf dem Wasser, die zwischen den Kontinenten pendeln. Fähren sind für mich das schönste Fortbewegungsmittel. Man kann an Deck gemütlich Tee trinken, über die Wogen des Meeres dahinfahren und das Panorama der Stadt genießen. Istanbul ist mit seinen 13 Millionen Einwohnern so groß und vielfältig, dass es schwer ist, in wenigen Sätzen auszudrücken, was dort alles passiert. Trotzdem habe ich nach fast zwei Wochen einen schönen Einblick in das Leben bekommen und war nicht nur Tourist, sondern habe durch Tulya und ihre Mutter auch viel vom Alltagsleben mitbekommen. Istanbul ist ein schöner Abschluss meiner Reise. Es ist Dezember geworden und in Deutschland liegt mittlerweile Schnee. Ich habe die Zeit hier sehr genossen und fliege voller Eindrücke wieder nach Deutschland zurück.












































Istanbul Eindrücke

Nazar

Fang

Taxi

Shisha

Das blaue Auge ist allgegenwärtig und in allen erdenklichen Formen zu finden, es soll vor dem bösen Blick schützen.

Um mit einem der gelben Taxibusse zu fahren, stellt man sich winkend an den Straßenrand, einen festen Fahrplan gibt es nicht.

Die Fischer auf der Galatabrücke füllen ihre Plastikeimer mit kleinen, gefangenen Fischen.

Das Rauchen der orientalischen Wasserpfeife ist in Istanbul ein alltägliches Ritual.


Simit

Ayran

Attatürk

Zensur

Die Sesamkringel aus Hefeteig werden von fliegenden Händlern verkauft, die sie in flachen, großen Schalen auf dem Kopf tragen.

Der Gründer des modernen, sekulären türkischen Staates ist überall im Form von Bildern und Statuen präsent.

Das salzige Joghurtgetränk ist beliebt und überall zu haben.

Im türkischen Fernsehen werden ganze Szenen herausgeschnitten. Rauchen oder Alkoholisches werden mit verschwommenen Punkten zensiert.




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