Dancer's Magazine Issue 2019

Page 5

wiener staatsballettdancer’s

Französisches Flair und Märchenhaftes French flair and fairy-tale magic Premieren des Wiener Staatsballetts in der Spielzeit 2018/2019 Premieres of the Wiener Staatsballett in the 2018/2019 season

I

n seiner vorletzten Saison als Direktor des Wiener Staatsballetts hat Manuel Legris erneut ein anspruchsvolles, abwechslungsreiches Programm zusammengestellt und präsentiert vier Premieren, jeweils zwei an der Wiener Staatsoper und an der Volksoper Wien.

“Sylvia” von Manuel Legris Nach Manuel Legris’ erfolgreicher Fassung von “Le Corsaire” (2016), die bereits 2017 in Madrid sowie 2018 in Tokio und Osaka gastierte, feierte am 10. November 2018 mit Léo Delibes’ “Sylvia” seine zweite abendfüllende Choreographie für das Wiener Staatsballett im Haus am Ring seine umjubelte Premiere. Wie bereits bei “Le Corsaire” bleibt Legris auch hier seiner choreographischen Linie treu, die dem klassischen Stil verpflichtet, aber mit rasanten Tempi, fordernden Schrittkombinationen, Leichtigkeit und Spielfreude dem heutigen Zeitgeschmack und den technisch starken Tänzerinnen und Tänzern seiner Compagnie angepasst ist. Die Uraufführung von “Sylvia oder: Die Nymphe der Diana” fand am 14. Juni 1876 im Théâtre National de l’Opéra in Paris statt nach einem Libretto von Jules Barbier und Baron Jacques de Reinach in der Choreographie von Louis Mérante, langjähriger Tänzer an der Pariser Oper, der für diese eine Reihe an Balletten schuf. Die Idee zum Ballett “Sylvia” bezogen die Librettisten aus Torquato Tassos Dichtung “Aminta”, einem Schäferspiel rund um die jungfräuliche Göttin Diana, die auch von ihren Dienerinnen, den Nymphen, – darunter die titelgebende Figur Sylvia – Keuschheit verlangt. Orion, ein mythischer Jäger, möchte die Nymphe Sylvia besitzen, diese wiederum liebt jedoch Aminta, einen Schäfer. Letztendlich werden die beiden Liebenden – auch Dank Eros, der immer wieder seine Finger im Spiel hat – mit dem Segen Dianas vereint. Der Erfolg des Balletts “Sylvia” ist in der Historie weniger der Choreographie oder der Handlung zuzuschreiben als vielmehr der meisterhaften Musik von Léo Delibes, der zu den beliebtesten Bühnenkomponisten der Romantik zählt und deutlich von Richard Wagner inspiriert war. Neben zahlreichen gängigen Melodien ist die “Pizzicato-Polka” in “Sylvia” wohl die berühmteste. Auf der Bühne der Wiener Staatsoper war “Sylvia” zuletzt 1985 in einer humorvollen Choreographie von László Seregi zu sehen, eine frühere Fassung gab es an diesem Haus noch von Carl Telle (1877). Darüber hinaus wurden lediglich Ausschnitte aus diesem Ballett gezeigt, darunter ein Pas de deux von George Balanchine (1991) und Ballettchef Manuel Legris selbst tanzte bei der “Nurejew Gala 2013” einen Pas de deux aus John Neumeiers “Sylvia” an der Seite von Aurélie Dupont. Die Partie des Aminta war von Neumeier für Legris für die Pariser Premiere 1997 kreiert worden. An der Volks-

TEXT/TEXT IRIS FREY

oper Wien wurde 1952 die “Ballettsuite Sylvia” von Erika Hanka mit dem Staatsopernballett präsentiert. Manuel Legris fühlt sich der französischen Traditionslinie des Balletts “Sylvia” verbunden – er sah in Paris oft die Fassung von Violette Verdy und Lycette Darsonval von 1979, aber auch Pierre Lacotte und Claude Bessy spielen eine große Bedeutung für seine Arbeit – und mochte die Atmosphäre dieses Balletts, insbesondere aber die Musik. Er bezieht sich auf das Libretto von Barbier und Baron de Reinach, das er mit seinem Librettisten Jean-François Vazelle überarbeitete, sowie die Original-Choreographie von Mérante. Zum besseren Verständnis und der Vorstellung der Charaktere, insbesondere von Diana, fügte Legris jedoch einen Prolog hinzu. Musikalisch hält sich Legris an die Partitur von Delibes. Er vertraute seinem bewährten Leading Team von “Le Corsaire”, allen voran seiner hochgeschätzten Ausstatterin Luisa Spinatelli (und deren Assistentin Monia Torchia), die in der Ballettwelt keine Unbekannte ist und unter anderem für Produktionen der Mailänder Scala, der Pariser Oper oder des Royal Ballet verantwortlich zeichnet. In Wien stattete Spinatelli neben “Le Corsaire” auch Roland Petits “Die Fledermaus” (2009) und Rudolf Nurejews Wiederaufnahme von “Schwanensee” (2014) detailverliebt und geschmackvoll aus. Der balletterprobte und seit 1995 der Wiener Staatsoper verbundene Dirigent Kevin Rhodes leitete mit viel Schwung und Umsicht die Premiere.

“Coppélia” von Pierre Lacotte Mit “Coppélia” in der Choreographie von Pierre Lacotte, dessen “La Sylphide” sich bereits im Repertoire des Wiener Staatsballetts befindet, gelangt am 27. Jänner 2019 ein weiteres Ballett aus der Feder von Léo Delibes an der Volksoper Wien zur Premiere. Zuletzt war dieses Ballett in der Fassung von Gyula Harangozó sen. im Jahr 2010 an der Wiener Staatsoper zu erleben, wo dieses Stück eine lange Aufführungstradition folgender Choreographen aufweist: Carl Telle (1876), Georgi Kjakscht (1920), Nicola Guerra (1921), Heinrich Kröller (1926), Erika Hanka (1945, Theater an der Wien) und Aurel von Milloss (1966). An der Volksoper Wien schufen 1944 Anatol Joukowsky und 1992 Susanne Kirnbauer ihre Versionen von “Coppélia”. Seit seiner Uraufführung am 25. Mai 1870 zählt das heitere Werk zu den absoluten Höhepunkten des Ballettrepertoires, sowohl auf die original von Arthur Saint-Léon stammende Choreographie wie auch die beschwingte, farbenreich instrumentierte Musik von Léo Delibes bezogen, die gespickt ist mit bekannten Ohrwürmern, darunter der “Stundenwalzer”. Der Franzose Pierre Lacotte – ehemaliger Premier danseur der Pariser Oper und gefeierter Spezialist für die Restaurierung großer Ballettklassiker – nahm sich 1973 dieses 2019

05


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.
Dancer's Magazine Issue 2019 by dancer’s – culture & lifestyle magazine - Issuu