Szene 7 – Magazin HMT Zürich

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carte blanche – unsere Speaker’s Corner in gedruckter Form für Kultur-begeisterte, welche Kulturbegeisterten ihre Meinung sagen wollen – zum Thema Kultur in all seinen Facetten. Ob satirisch, lyrisch oder dadaistisch: weg mit dem Blatt vor dem Mund, beschriften und als carte blanche einreichen an daniela.studer@hmt.edu. Kürzungen vorbehalten. «Li Shu» von José López Montes bemerkten nicht alle, dass die Klänge aus den Lautsprechern ein besonderes Ereignis waren. Ansonsten hat sich die lockere Atmosphäre der Lokalbühne aber als durchaus geeignet für zeitgenössische Musik erwiesen. Schauspieler-, Jazzmusiker-, klassische Musiker- und TänzerInnen haben alle etwas gemeinsam: Im stillen Kämmerlein, unter Ausschluss der Öffentlichkeit widmen sie sich stunden-, nein, tage-, wochen- oder jahrelang einer Tätigkeit, die ihren wirklichen Sinn erst dann erreicht, wenn sie in Interaktion mit einem Gegenüber tritt. Alle sind sie Bühnenkünstler, und als solche brauchen sie ein Podium, Zuhörer und Zuschauer, und schliesslich einen Anlass, bei welchem sie ihre Künste zur Schau stellen können. Die Lokalbühne bietet allen Studierenden der HMT die Möglichkeit, einmal so richtig aus sich heraus zu kommen und ein wirklich eigenes Programm auf die Beine zu stellen. An der Lokalbühne gewinnt man Einblick in die Arbeit der Studierenden innerhalb der verschiedenen Departemente der Hoch-

schule, hier besteht die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, seien diese beruflichen oder privaten Charakters. Interdisziplinäre Feste Jede Lokalbühne entwickelte sich bis anhin zu einem «interdisziplinären» Fest! Zwischen den Jazzmusikern und den klassischen Musikerinnen scheint das Eis allmählich zu brechen, lassen sich doch gerne zu später Lokalbühnenstunde Studierende der beiden Musikrichtungen zu spontanen Jam-Sessions hinreissen. Schön und erstrebenswert wäre es, auch über den Rahmen der Lokalbühne hinaus spartenübergreifende Zusammenarbeit der Studierenden zu bewirken. Der Zusammenschluss der verschiedenen Hochschuldepartemente stellt eine hervorragende Chance für künstlerische Zusammenarbeit dar. Dem geplanten Zusammenschluss mit der HGKZ (Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich) sind wir von der Lokalbühne sogar einen Schritt voraus, wurden doch im Januar 2003 zwei Kurzfilme der Filmklasse gezeigt, mit Filmmusik des Kompositionsstudenten Martin Skalsky. L

Serena Schranz, Studentin HMT mit Hauptfach Klavier

Der verhinderte Bürgerschreck Noch heute sitzt die Enttäuschung tief! Rund fünf Jahrzehnte sind vergangen, seit wir, eine Handvoll Gymnasiasten, uns anschickten, mit zügellosem Jazz Bürgerschreck zu markieren. «Negermusik!» sollten die Erzieher rufen und angewidert mit Fingern auf uns zeigen. In meinem Fall traf dieser Aufstand mitten in die traute Atmosphäre der Hausmusik hinein. Mein Vater, der als musikalischer Platzhirsch den Konzertmeister abgab, verteilte die Notenblätter und sass am Cello, eine gute Bekannte am Piano, Geige und Bratsche waren ebenfalls besetzt, und Mutter buk jedesmal die wunderbaren Haselnussbrötchen, deren Überbleibsel meinen Geschwistern und mir den so schrecklich ernsten Anlass versüssten. «Sollte mehr üben!» Ein Klavier war also vorhanden. Und alles schien seinen gewohnten Gang zu nehmen. Die schrillen Geigentöne meiner älteren Schwester brannten allen auf der Seele, also schickte man mich in die Klavierstunde ins Konservatorium. Unvergesslich die Eindrücke, wenn ich mich am Samstagnachmittag dem Haus an der Florhofgasse näherte, wo besonders im Sommer ein Tonfetzengewirr von Singstimmen und Instrumenten hinaus auf die Strasse flatterte: Die Mischung von Vorfreude auf den Sonntag und schlechtem Gewissen, weil ich viel zu wenig geübt hatte, ist heute noch präsent! Im ersten Zeugnis des Wintersemesters 1946/47 bescheinigte mir Lehrer Johner ein 5-6 (Fleiss) und eine 5 (Leistung), dann sanken die Noten kontinuierlich als Spiegelbild eines steten Kampfes zwischen mir («Ich möchte Count Basie spielen») und ihm («Dummes Zeug. Es wird Czerny geübt!»). Zweimal schrieb er unter Bemerkungen «Sollte mehr üben!», dann endete 1951 der Kampf mit dem altershalben Rücktritt des Lehrers. Also war, was meine Jazzambitionen betraf, der Zug abgefahren, denn für Blasinstrumente, Bass oder Schlagzeug, die mein Interesse ohnehin kaum zu wecken vermochten, war es zu spät. Bei Ferienabwesenheit meiner Eltern stellte ich die Stube, in der jene Hausmusikabende stattgefunden hatten, gelegentlich einer frisch gegründeten Amateurband namens «Metronome Five» für Proben oder Festchen zur Verfügung und starrte neiderfüllt auf deren fast handgreiflich spürbare Lebensfreude beim Spielen. Doch nicht einmal die Tatsache, dass eines Abends der Trompeter mit einem kernigen «Mit eso Arschlöcher schpil ich nüme» zornesrot unsere Stube verliess und sein Nebeninstrument, ein vom Orchester gemeinsam erstandenes Ajax-Vibraphon, notgedrungen stehen liess, änderte etwas an meiner Eifersucht. Erst Monate später schlug der berühmte (und leider so seltene) lebensverändernde Blitz ein. Als musikalischer «Näschtliputz» wurde ich aufgezogen, erlernte schlecht und recht das Vibraphon (die Töne entsprechen ja der Anordnung der Klaviatur!) und konnte beginnen, meine nähere Umwelt zu erschrecken.

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«Besonders im Sommer flatterte ein Tonfetzengewirr von Singstimmen und Instrumenten hinaus auf die Strasse.»

Ein Schlag ins Wasser Jahrzehnte sind seither vergangen, aus «Metronome Five» ist längst «Metronome Quintett» geworden. Erschrocken ist damals niemand, in dieser Hinsicht war es ein Schlag ins Wasser! Im Gegenteil: mit Ausnahme jener langhaarigen und bärtigen jungen Männer, die partout die in Frankreich grassierende Existentialistenkultur nachahmen wollten und in den fünfziger Jahren das Kellerlokal Trester Club gegründet hatten und so dem Attribut «Bürgerschreck» näher gekommen waren, wurde uns jungen Amateurjazzern ein durchwegs freundlicher Empfang bereitet. Manche Eltern waren sogar heilfroh, dass in den Sechzigern ihre Sprösslinge nicht ins Beatlager abrutschten und «nur» den guten alten Jazz spielten!

Foto: Moritz Müllenbach

«Manche Eltern waren sogar heilfroh, dass in den Sechzigern ihre Sprösslinge nicht ins Beatlager abrutschten und «nur» den guten alten Jazz spielten!»

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Musikinstrument oder Ventilationsaggregat? Geblieben aber ist das technische Unverständnis meinem Instrument gegenüber. Fast jederman meint, ein Xylophon (!) vor sich zu sehen und vermag mit den sich an Querachsen drehenden Klappen, denen man den vibrierenden Ton verdankt, nichts anzufangen. Manche meinen gar, diese glänzenden Plättchen, die das Licht reflektieren, wären Flämmchen und sind beunruhigt. Einige vermuten, diese Einrichtung diene der Ventilation! Seit ein paar Jahren habe ich immer hektografierte Blätter bei mir mit dem Titel «Eine kleine Instrumentenkunde», auf denen alles Notwendige steht, doch immer wieder wollen die Leute wissen, wie das Xylophon funktioniert. Mich, der es nie zum Bürgerschreck gebracht hat, erschrecken die Bürger! L

Ueli Staub

1.4.2009 15:59:34 Uhr


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