Horizont Ars Electronica Review 2016

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23. September 2016

Biologic – bei Ăœberhitzung Ăśffnen sich Luftschlitze am RĂźckenteil des Sport-Trikots. Š Tangible Media Group

Atmende Stoffe und raumschaffende Displays Die Verschmelzung von digitaler und physischer Welt zur smarten Materie stand im Fokus der diesjährigen Ars Electronica – diese bietet auch Chancen fĂźr die Werbung. Bericht von Daniela Krautsack

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ands are underrated. Eyes are in charge, mind gets the study and heads do all the talking. Hands only type and push mice around“, meinte der renommierte US-Professor Malcolm McCullough in „Abstracting Craft“ bereits Mitte der Neunzigerjahre. „20 Jahre später beklagen wir das immer noch“, meint Hiroshi Ishii, Leuchtfigur und Tangible Media Director an einer der weltweit angesehensten Universitäten, dem MIT Media Lab. Diese Frage ist seit jeher Kernaufgabe von Ishiis Forschungen: Wie stelle ich die digitale Information ausdrucksstärker, physischer dar? „Ich habe viele Millionen Pixel auf meinem Screen, aber eigentlich ist das ganze digitale Universum im Ausdruck vĂśllig reduziert auf eine flache Glasscheibe“, meint er. Worum es jetzt ginge, sei das bestehende Interface, das mit bewusster Wahrnehmung zu tun hat, zu durchlĂśchern und neue Verbindungen zu schaffen. „Und das in einer Form, die ich nicht bewusst aktivieren muss. Welche Form der Roboter oder Sensor hat, den ich bei mir trage, ist irrelevant. Ich sehe das Gerät nicht, ich spĂźre es nicht. Aber es arbeitet mit mir“, fĂźgt Ars-Electronica-Chef Gerfried Stocker hinzu. Und schon ist man thematisch mittendrin in den Kernfragen der diesjährigen Ars Electronica, in den Gesprächen mit den Pionieren unserer Zeit und im Gewusel der Post City, dem aufgelassenen Paketverteilerzentrum beim Linzer Hauptbahnhof und Veranstaltungs-Headquarter der Ars Electronica, das als Festival fĂźr Kunst, Technologie und Gesellschaft bezeichnet, liebevoll

aber „Gipfeltreffen der Nerds und Träumer“ genannt wird. Träumer, die an eine bessere Zukunft durch Entwicklungen in der Roboter- und Drohnentechnologie glauben oder zumindest eine, die schĂśn und von manchem Festivalbesucher mit groĂ&#x;en Augen verfolgt wird. Starre und dynamische Atome „Radical Atoms – and the alchemists of our time“ lautete der Titel der diesjährigen Ars Electronica. 842 KĂźnstler, Wissenschaftler, Designer, Technologen, Ingenieure, Entrepreneuere und Social Activists präsentierten ihre Konzepte. Radical Atoms stehen dabei fĂźr eine Verschmelzung der digitalen mit der physischen Welt; mit dem Ergebnis einer smarten Materie, die sich immer wieder neu modellieren lässt. Wenn Sie sich darunter nichts vorstellen kĂśnnen, denken Sie an die birnenfĂśrmigen Figuren der Zeichentrickserie Barbapapa aus den siebziger Jahren, die ihre Form immer dann verändern konnten, wenn es galt, Menschen und Tieren zu helfen. Ob Barbapapa oder die Idee der Teleportation aus Star Trek, es sind diese Quellen, die eine neue Generation von kreativen Wissenschaftlern und Ingenieuren als Inspiration fĂźr ihre Arbeit nennt. „Die Vorstellung war, ich greife auf der einen Seite rein und auf der anderen Seite kommt meine Hand heraus. Und der Wunsch, diese Hand ausdrucksstärker einzusetzen, als es das Hin- und Herbewegen eines CAD-Modells am Bildschirm vermag“, erklärt der OberĂśsterreicher Daniel Leithinger, dessen Prototyp „inForm“ als HĂśhepunkt der Radical-Atoms-Ausstellung galt. Per

Die nächste VideocallGeneration erlaubt ein Ballspiel mit dem Sohn, der Tausende Kilometer entfernt ist. Š Florian Voggeneder

Video Ăźbertragene Handbewegungen kĂśnnen damit Ăźber weite Entfernungen Objekte bewegen oder Prototypen, die gerade in Kollaboration mit Kollegen entstehen.Â

3D-Displays: nächste Generation „Wir wollten mit unserer Arbeit im MediaLab primär DenkanstĂśĂ&#x;e fĂźr jene liefern, die daraus Produkte fĂźr den Markt entwickeln“, sagt Leithinger, der letztes Jahr sein PhD-Diplom erhielt. Nun hat er Konkreteres geplant. Gemeinsam mit zwei MIT-Studienkollegen hat er im Sommer das in Boston ansässige Start-up-Unternehmen „Lumii“ (www.lumiidisplay. com) gegrĂźndet. Das Team arbeitet an einer neuartigen Technologie fĂźr 3DDisplays, die in „jedem Smartphone, Tablet oder anderen Geräten“ Anwendung finden, so Leithinger. Ziel sei es, hochauflĂśsende Displays mit räumlicher Tiefe zu entwickeln und zwar so, „dass der Betrachter beim Hinschauen kein Kopfweh kriegt“. Kein Kopfweh, sondern lediglich angestrengtes Nachdenken hat die Vortragsreihe von Wissenschaftlern verursacht, die im 20-Minuten-Takt Ăźber neueste biotechnologische Erfindungen und intelligentes Material referierten und damit Nicholas Negropontes Vision „Bio is the New Digital“ unterstrichen. Wie jene radikalen Atome, die dem Fermentationsbakterium Bacillus subtilis natto erlauben, sich je nach Luftfeuchtigkeit zusammenziehen oder ausdehnen zu kĂśnnen. Mit Biologic nutzt man dieses Anpassungstalent fĂźr smarte Textilien. So genannte Nattozellen aus dem Labor werden per Biodruckverfahren zu einer Art zweiter Haut verarbeitet,

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die der menschlichen Haut in puncto biologischer Fähigkeiten ähnelt: Das Gewebe Ăśffnet sich dort, wo aufgrund sportlicher oder anderer Anstrengung SchweiĂ&#x; und groĂ&#x;e KĂśrperwärme entstehen und sorgt fĂźr AbkĂźhlung. Auswirkungen auf Werbebranche? FĂźr Carlo Ratti, Direktor des MIT Senseable City Lab, verschwimmen die Grenzen zwischen der digitalen und physischen Welt auch bei der Anwendung von Technologien, die das Unsichtbare einer Stadt zum Vorschein zu bringen. Der MIT-Roboter „Luigi“ analysiert Abwässer, um Bakterien, Viren und Chemikalien ausfindig zu machen und trägt zur Ăœberwachung von gefährlichen Infektionskrankheiten und der Prognose von KrankheitsausbrĂźchen bei. Die Analyse erfolgt zusammen mit einem Programm, das sich „Underworlds“ (http://underworlds.mit.edu) nennt. â€žEine Analogie fĂźr die Werbung sehe ich in starker Individualisierung und InteraktionsmĂśglichkeit. Es geht um die ‚Idee des FĂźhlens‘“, fĂźhrt Leithinger weiter aus. „Menschen reagieren am meisten, wenn sie spĂźren, dass sie ihre Fähigkeiten mithilfe von Technologie multiplizieren kĂśnnen. Wie Magneto in X-Men, der mit seinen Gedanken Objekte bewegt. Bewege deine Hand und konfiguriere ein ganzes Gebäude um, wie ein Magier. Das wĂźrde die Werbung wieder TQBOOFOE NBDIFO i r

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