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Anno dazumal

Damals vor 100 Jahren So wie der ÖGV selbst blickt auch sein Verbandsmagazin auf eine lange Tradition zurück: Beide gibt es – wenn auch unter anderem Namen – seit 1872. Der Vorgänger des „cooperativ“ hieß „Die Genossenschaft“, herausgegeben vom Allgemeinen Verband der auf Selbsthilfe beruhenden Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Österreichs. Für die Rubrik „Damals vor 100 Jahren“ öffnen wir unsere Archive und blicken zurück. Wir bringen Wissenswertes, aber auch Schmankerl von anno dazumal. „Deutschösterreich“ - unter diesem Schlagwort wurde im Verbandsmagazin das bevorstehende Ende der k.u.k. Monarchie zur Anzeige gebracht. Bei der Meldung handelt es sich um einen Abdruck aus der „Volkswirtschaftlichen Wochenschrift“. Der Text stellt fest, dass es politisch in dieselbe Stoßrichtung wie im Revolutionsjahr 1848 gehe. Der deutlichste Unterschied zu damals bestehe in der fragmentierten Vorgehensweise aufgrund der enorm wichtig gewordenen Nationalitätenfrage. Wenn die einzelnen Teilvölker der Monarchie sich wieder zu einem Gebilde zusammenfügen würden, allein schon aus rationalen und ökonomischen Interessen, habe das alte österreichische Staatsgebilde eine Zukunft. Andernfalls müsse eine Eingliederung Deutschösterreichs in Deutschland in Erwägung gezogen werden, prophezeite die Wochenschrift. * Der Reichsratsabgeordnete Otto Steinwender gab ein Plädoyer zum Halten der Kriegsanleihen. Er argumentierte, dass ein eklatanter Unterschied in der Bewertung von Staatsanleihen und Kriegsanleihen existiere. Im Insolvenzfall seien jedoch sämtliche Staatspapiere in gleicher Höhe vom Wertverlust betroffen. Außerdem würden dann Banknoten und teils auch Sachwerte ebenso in Mitleidenschaft gezogen. Durch eine breite Verteilung des Verlustes in der Bevölkerung gingen „moderate“ 15 bis 20 Prozent des Volksvermögens verlustig. „Man behalte also, was man hat, und verliere nicht den Kopf und das Geld dazu“, so die Empfehlung Steinwenders. *

und „unklarer politischer Verhältnisse“

Absage des Allgemeinen Vereinstages aufgr

Aufgrund der politischen Umwälzungen konnte der alljährliche Allgemeine Vereinstag nicht abgehalten werden. Stattdessen publizierte Verbandsanwalt Karl Wrabetz einen „politisch farblosen, rein sachlichen, sich auf das Gebiet des Genossenschaftswesens beschränkenden Jahresbericht“, wie er etwas selbstironisch anmerkte. In diesen bewegten Zeiten müsse man sich als Allgemeiner Verband mehr denn je auf die wirtschaftliche Zukunft der Mitgliedsgenossenschaften fokussieren. Wrabetz beklagte in diesem Zusammenhang offen die seiner Meinung nach schlechte Umsetzung der Verordnungen zur Preistreiberei und die „weit überzogenen und ungerecht ausgestalteten“ Steuergesetze. * Die vom deutschösterreichischen Staatsrat erlassenen Verordnungen für deutlich strengere Schutzbestimmungen für Angestellte wurden im Verbandsmagazin in der Ausgabe vom 14. Dezember 1918 publiziert. Insbesondere wurden den im Krieg dienenden Arbeitskräften arbeitsrechtliche Vorzüge wie etwa die Berücksichtigung der Militärzeit in der Bemessung von Entgelt und Ruhegenuss gewährt. Zusätzlich hat man für alle dem Handlungsgehilfengesetz unterliegenden Angestellten die Kündigungsfristen zu deren Gunsten neu geregelt. * In der nächsten Ausgabe von „Damals vor 100 Jahren“ geht es um die Anfänge der Ersten Republik aus Sicht des Allgemeinen Verbandes und seines Verbandsmagazins. 

Markus Rothenbach

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