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Wirtschaft

zung als Kontroll-, Durchsetzungs und Vollstreckungskosten. Die mit einem Kreditgeber geschlossenen Verträge begannen sich spätestens dann zu „institutionalisieren“, als sich die Vertragsbeziehung wiederholte oder in eine neue Form überzugehen begann. Diese der ursprünglichen Vertragsbeziehung folgende Phase führt zur Vertragsanpassung mit Anpassungskosten. Die Dokumentation oder Sammlung von Daten kann helfen, die Kosten zu verringern, weil Erfahrungen einfließen, etwa dass der erste Kredit fristgerecht zurückgezahlt worden ist. An den Transaktionskosten jeder Phase wird deutlich, dass es in einem begrenzten Bereich nur für einen oder wenige Kreditgeber wirtschaftlich vertretbar sein konnte, Geld zu verleihen, da dieser Tätigkeit im Falle weiterer Kreditgeber oder eines größeren Gebietes zu hohe Kosten entgegengestanden hätten. Im Prinzip lässt sich das bis heute als Vorteil der regional begrenzten Tätigkeit eines Kreditinstitutes identifizieren.

Lokale Informationspools Die lokalen – realen und noch nicht virtuellen – Zusammenschlüsse der Kreditsuchenden zu Kreditgenossenschaften, die den Kredit ihrer Mitglieder förderten und einen Qualitätsvorsprung besaßen, können als innovative Alternative eingeordnet werden: Als „lokale Informationspools“ waren die Kreditgenossenschaften sicherer, weil sich die Mitglieder persönlich kannten, ihren Geschäftsbetrieb selbst und in der Regel ehrenamtlich verwalteten und sich Vertrauen in ihrer Gemeinschaft bilden konnte, das dazu beitrug, dass die Mitglieder eine solidarische Haftung übernahmen. Sie hafteten also persönlich für die Verbindlichkeiten ihrer Kreditgenossenschaft. Dadurch konnte man auf Risikoprämien verzichten. Von dieser Haft- bzw. Kreditbasis ging gegenüber den Einlegern eine Signalwirkung aus. Die Beziehung der Mitglieder zu ihrer Kreditgenossenschaft resultierte vor allem aus einer unmittelbaren Förde32

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rung durch die Vorteile des Leistungsangebotes und bestand in einer wechselseitigen Bindung. Die Kreditaufnahme über den „Markt“ verlagerte sich in diese neue Institution, die viele einzelne Kreditverträge bündelte.

Die Rolle der Pioniere Als initiierend und tragend für die Entstehung und Entwicklung erwiesen sich die Beobachtungen, die Lernbereitschaft und die Erfahrungen der genossenschaftlichen Pioniere. Einerseits ihr persönlicher Einsatz, andererseits ihre schriftlichen Entwürfe - etwa über geeignete standardisierte Gesellschaftsverträge (Musterstatuten) - verhalfen zu einer rascheren Verbreitung von Kreditgenossenschaften. SchulzeDelitzsch und Raiffeisen waren sich in weiten Bereichen einig und stimmten in zahlreichen Grundsätzen überein. Diese Grundsätze werden als genossenschaftliche Prinzipien bezeichnet und sind in die Statuten (Satzungen) eingegangen. Sie wurden maßge-

bend für die Organisation der Genossenschaft. Besonders deutlich wurde die Übereinstimmung daran, dass Raiffeisen Schulze-Delitzsch bei dem Vorhaben unterstützte, den Statuten einen übergeordneten rechtlichen Rahmen zu geben, der sich mit dem Genossenschaftsgesetz ab 1867 in Preußen und ab 1873 in Österreich verwirklichte. Schon einige Jahrzehnte nach den ersten Gründungen zeigte sich im ausklingenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, dass die Rechtsform nicht nur zur Förderung der Mitglieder beitrug, sondern auch die Kreditgenossenschaften als Institution schützte. Die ersten umgewandelten Kreditgenossenschaften waren sehr bald nach ihrer Umwandlung nicht mehr allein lebensfähig. Deshalb sprach man sich schon früh gegen eine Umwandlung in Aktiengesellschaften aus.

Sprung in die Gegenwart Vor diesem Hintergrund erweisen sich mit einer mutigen Perspektive


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