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Kultur

A Lawn Being Sprinkled, 1967

Portrait of an Artist (Pool with Two Figures), 1972

Malerische Sichtweisen der Welt Der 80-jährige Brite David Hockney ist einer der anerkanntesten zeitgenössischen Maler. Er erfindet sich immer wieder neu, experimentiert mit verschiedenen Medien – und doch bleibt sein Stil unverwechselbar. Die „Tate Britain“ hat ihm eine grandiose Retrospektive gewidmet. Ein Besuch der Ausstellung und ein Porträt des Künstlers in Worten. Text: Hermann Fritzl Fotos: Richard Schmidt, Art Gallery of New South Wales/Jenni Carter, David Hockney

E

ines Tages erhielt der Kunstkritiker Martin Gayford eine SMS von David Hockney: „Ich sende dir die heutige Morgendämmerung am Nachmittag. Ein absurder Satz, ich weiß, aber du weißt, was ich meine.“ Dann kam sie: Rosagelb-orange Schleierwolken schwebten über der Küste von Yorkshire im ersten Licht eines Sommertages. „Es war so delikat wie ein Aquarell, leuchtend wie bunte Kirchenfenster und gleichzeitig High-Tech in der Kunst“, schreibt Gayford. Hockney hatte die Morgenstimmung auf seinem iPhone gezeichnet. Hockney wurde anfangs zur britischen Pop Art gezählt; er hat zu Beginn seiner Karriere - wir sprechen hier von den frühen 1960ern - in seinen Werken Kinderkunst, primitive Malerei und Mauerkritzeleien vermischt. Seine Kunst war oft mehr grafisch und skiz40

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zenhaft als malerisch. Er experimentierte mit der Perspektive, unterschiedlichen Malstilen und Konventionen der Bildbetrachtung. Sein damaliger Sager “Ich male, was ich will, wann ich will, wo ich will“ wurde als Programm kritisiert, das zwangsläufig zu einem weitschweifigen, unpräzisen Werk führen müsse. Diese Kritik sollte sich als unbegründet erweisen.

Mythos Kalifornien – „A Bigger Splash“ Ab 1964 lebte der Künstler in Los Angeles. Es war sein „gelobtes Land“, und es machte ihn zum Weltstar, so wie seine Bilder zu Ikonen Kaliforniens wurden. Werbung für ein mythisches Kalifornien in Form von bildender Kunst. Er malte die Spiegelungen auf

den mit reichlich Glas versehenen Häusern der reichen Kunstsammler (O-Ton: „Da das Klima und die offene Bauweise der Häuser mich an Italien erinnerten, borgte ich mir ein paar Ideen von Fra Angelico und Piero della Francesca“), er malte die gepflegten Rasen mit ihren Bewässerungsanlagen und immer wieder Swimmingpools mit Wasser in allen Arten und Schattierungen. Wie kann ein Maler die Essenz des Wassers, das ständig in Bewegung ist, erfassen? Die Bildtitel geben Auskunft über seine malerischen Forschungen: „Wasser, in einen Swimmingpool fließend, 1964“, „Gestreiftes Wasser, 1965“, „Vier verschiedene Arten Wasser, 1967“ oder „Tages-Pool mit drei Blautönen, 1978“. Kult wurde das Werk „A Bigger Splash, 1967“: flächig blauer Himmel,


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