NICKEL, JHRG. 39, Nr. 1, 2024

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NICKEL MAGAZINE

DIE FACHZEITSCHRIFT FÜR NICKEL UND SEINE ANWENDUNGEN

NICKEL, JHRG. 39, Nr. 1, 2024

Nickel einfach überall

Nickelerz Laterite und Sulfi de Seetransport LNG-Umbau

Fragen und Antworten mit Heather Allain, Materials Technology Institute

FALLSTUDIE 30 GORDIE HOWE INTERNATIONAL BRIDGE

Für Entwurf, Bau, Wartung und Betrieb dieses Projekts im Wert von 6,4 Milliarden kanadischen Dollar ist ein Konsortium zuständig, dem ACS Infrastructure, Fluor, Aecon und Dragados Canada angehören.

Nach dem Abschluss der Bauarbeiten wird die Brücke sechs Fahrspuren sowie Fahrradund Fußgängerwege aufweisen, und die beeindruckende künstlerische Ausgestaltung wird ihre Attraktivität weiter erhöhen.

Gesamtlänge: 2,5 km

Breite: 37,5 m

Höhe: 220 m

Längste Spanne: 853 m

Die nach einem der robustesten und ikonischsten Eishockeyspieler aller Zeiten benannte Gordie Howe International Bridge steht vor allem für Großartigkeit. Sie ist eine rein von ihrer Optik her atemberaubende Transitroute über den Detroit River und verbindet Kanada mit den USA.

Die 2,5 km lange sechsspurige Brücke mit einer Hauptspanne von mehr als 850 m ist die längste Schrägseilbrücke in Nordamerika und verbindet Detroit, Michigan, mit Windsor, Ontario. Sie wird den in puncto Handelsvolumen betriebsamsten Grenzübergang in Nordamerika unterstützen.

Anfang der 2000er Jahre kamen beide Länder zu dem Schluss, dass die 1929 gebaute und in Privathand befindliche Ambassador Bridge dringend repariert werden musste und mit ihren vier Spuren mit dem zukünftigen Verkehrsaufkommen nicht mehr würde Schritt halten können.

Die Windsor-Detroit Bridge Authority (WDBA) gründete eine öffentlich-private Partnerschaft mit Bridging North America, einem Unternehmenskonsortium mit der nötigen Expertise für dieses massive Infrastrukturprojekt.

Die Bauarbeiten an der neuen Brücke, für die eine Lebensdauer von 125

Jahren vorgegeben wurde, wurden im Juli 2018 aufgenommen. Zur Sicherstellung, dass die richtigen Baumaterialien ausgewählt wurden, war ein umfassender Evaluierungsplan erforderlich. Wegen seiner hervorragenden Korrosionsbeständigkeit entschieden sich die Ingenieure der öffentlich-privaten Partnerschaft für ASTM 955-Edelstahl des Typs 2304 (UNS S32304) bzw. 2205 (S32205). Dieses Material gewährleistet eine lange Lebensdauer der kritischen Stahlbeton-Statikelemente, die Enteisungssalzen und ständigen Wasserspritzern ausgesetzt sind.

Nach der vorübergehenden Flaute während der Coronapandemie boomt der Handel zwischen den beiden Ländern wieder, weshalb der Abschluss der Bauarbeiten und die Eröffnung im Herbst 2025 heiß herbeigesehnt werden.

Ein Riesenerfolg für Kanada wie auch für die USA!

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© 2022 GORDIE HOWE INTERNATIONAL BRIDGE

EDITORIAL:

NICKEL EINFACH ÜBERALL

Nickel wird für seine einzigartigen Eigenschaften in unzähligen Anwendungen auf den verschiedensten Endanwendungssektoren geschätzt. In erster Linie wird Nickel zur Herstellung von Edelstahl für ein breites Spektrum von Endanwendungen genutzt. Es trägt zur Funktion und Nachhaltigkeit verschiedenster Anwendungen bei, von Verbrauchergütern bis hin zu großen Bauprojekten. Die höchste Wachstumsrate verzeichnet Nickel bei der Akku- und Batterieproduktion – auf diesem Markt ist seine Nutzung allein im Jahr 2022 um 30 % gestiegen.1

Nickelerstanwendung 2022 Nickelendanwendung 2022 Sonstige

Architektur, Gebäudebau

Verbraucherwaren, Catering, Lebensmittelverarbeitung

In dieser Ausgabe von Nickel präsentieren wir eine eindrucksvolle Vielfalt von Nickelanwendungen und werfen einen genaueren Blick auf einige der vielen Rollen, die dieses vielseitige Metall in verschiedenen Branchen spielt, von Anwendungen in der Technik bis zur Resilienzverbesserung.

Wir informieren Sie über ein bahnbrechendes Medizinprodukt, ein revolutionäres Batterie-Recycling-Verfahren wie auch über fischfreundliche Edelstahlanwendungen, spektakuläre Straßenkunst sowie Methoden zur Verlängerung der Lebensdauer von Brücken. Nickel spielt hier überall eine wichtige Rolle. Angefangen mit dieser Ausgabe präsentieren wir auch eine neue Serie von Artikeln zur Nickelherstellung. Wir werden Nachhaltigkeit, Behandlungsprozesse und innovative Entwicklungen besprechen. Los geht's auf Seite 6 mit Nickelerzen. Diese Ausgabe von Nickel erkundet die facettenreiche Welt dieses Metalls und verweist auf seine Unentbehrlichkeit bei der Gestaltung der Welt, in der wir heute leben.

Clare Richardson Redaktion, Nickel

Auf der Titelseite

Das Gewicht des 2,7 × 2,7 × 0,9 m großen Hoba-Meteoriten in Namibia wird auf über 60 Tonnen geschätzt. Klassifiziert wird er als ein Eisenmeteorit, der zu ca. 84 % aus Eisen und zu ca. 16 % aus Nickel besteht.

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1 Benchmark Mineral Intelligence QUELLE: SMR GMBH WIKIMEDIA COMMONS
Nickelhaltige Edelstähle 66 % Mobilität und Verkehr 25 % Energie 12 %
28 %
12 % Verarbeitende Industrien 14 % Sonstige 4 % Sonstige Industriekomponenten 4 % | Akkus/Batterien 17 %
5 % | Legierungsstahl 3 % Nickelbasierte Legierungen 6 %
Plattierung
3 % |

INHALT

NICKEL

Das Nickel Magazine ist eine Publikation des Nickel Institute. www.nickelinstitute.org

Dr. Hudson Bates, Verbandspräsident Clare Richardson, Chefredakteurin communications@nickelinstitute.org

Mitwirkende: Gary Coates, Rick Husa, Richard Matheson, Geir Moe, Kim Oakes, Lissel Pilcher, Lyle Trytten, Benoît Van Hecke, Odette Ziezold

Entwurf: Constructive Communications

Das Textmaterial wurde zur allgemeinen Information des Lesers erstellt und sollte nicht als Grundlage für spezi sche Anwendungen verwendet werden, ohne dass vorher fachmännische Beratung eingeholt wurde. Obwohl das Textmaterial nach unserem besten Wissen korrekt ist, garantieren das Nickel Institute, seine Mitglieder, Mitarbeiter und Berater nicht seine Eignung für eine allgemeine oder spezi sche Anwendung und übernehmen keine Haftung oder Verantwortung irgendeiner Art im Zusammenhang mit den hierin enthaltenen Informationen.

0829-8351

In Kanada von der Hayes Print Group auf Recyclingpapier gedruckt

Bildnachweise:

Titelseite: iStock©fabio lamanna S. 4 iStock©selimaksan, S. 6 iStock©Nanang Sugianto, S. 8 iStock©DaveAlan, S. 13 iStock©pricelessphoto, S. 15 VectorStock FancyTapis,

Klappenevolution

Professor Dong Nianguo und sein Team am Peking Union Medical College Hospital haben erstmals erfolgreich eine „lebende“ Klappe entwickelt, die eine Endothelialisierung ermöglicht. Damit ist sie stärker und widerstandsfähiger als die heute üblichen Klappen, die ganz aus Schweinegewebe bestehen. Die Schweineklappe verkalkt im Lauf der Zeit, was dazu führt, dass die „Tür“ zum Herzen offen bleibt und das Blut zurückfließen kann. Um das zu korrigieren, stellten die Wissenschaft ler ein Skelett aus Nitinol (UNS N0155) mit Formgedächtnis-Eigenschaften her. Auf diese Weise schufen sie ein „Netz“, in dem die Schweineherzklappe nahe an der menschlichen Herzklappe verbleibt, sodass die Körperzellen langsam anhaften und in die Klappe hineinwachsen können.

Dank dieser „lebenden Klappe“ können letztlich alle Schweinezellen entfernt werden, sodass es zu keiner Verkalkung und möglichen Abstoßung der Schweineherzklappe kommt. Das Ergebnis: eine „Tür zum Herzen“, die sich kraftvoller öffnet und schließt und eine Gewebestruktur aufweist, die der menschlichen Herzklappe sehr ähnlich ist. „Wir haben nie aufgegeben und letztendlich einer neuen Hoffnung den Boden bereitet“, so Quiao Weihua, Mitglied des Forschungsteams.

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ISSN
Sergio34 02 Fallstudie Nr. 30 Gordie Howe International Bridge 03 Editorial Nickel einfach überall 04 Beachtenswertes zum Thema Nickel 06 Nickelverarbeitung Laterite und Sul de 08 Wasserentnahmeanlage e ektiv und schfreundlich 10 Materials Technology Institute Interview mit Heather Allain 12 Maritime Sanierung LNG-Umbau 13 Nickellegierungen Hitzebeständige Legierungen 14 Technische Fragen und Antworten 15 Warum Nickel? 15 UNS-Details 16 Eingeklemmte
Anish Kapoor
Bohne
BEACHTENSWERTES

Preisgekrönte

Lösung

GRST (Green, Renewable, Sustainable Technology) mit Sitz in Hongkong wurde Ende 2023 für die Entwicklung von umweltfreundlicheren Akkus mit einfach recycelbaren Komponenten für Elektrofahrzeuge (Electric Vehicle – EV) mit einem Earthshot-Preis ausgezeichnet.

Die von Prinz William 2020 ins Leben gerufene jährliche Preisverleihung würdigt innovative Lösungen für die drängendsten Umweltherausforderungen der Welt – Luft– und Wasserverschmutzung, Umweltschäden, Müll und Klimawandel. GRST entwickelte ein Verfahren zum Bau von Akkus mithilfe eines wasserlöslichen Verbundstoffes statt flüchtiger Lösungsmittel und schwer recycelbarer Materialien. Das Ergebnis: Am Ende der Lebensdauer des Akkus können Lithium, Cobalt und Nickel auf wirtschaft liche Weise wiedergewonnen und in einem anderen Akku wiederverwendet werden, wodurch die Nachfrage nach weiteren Abbauaktivitäten reduziert wird. Eine weitere wichtige Erfolgsgeschichte für EV und die Umwelt!

Knowing Nickel

Knowing Nickel (Nickel kennen) ist das neueste Video des Nickel Institute. Diese kurze Animation bietet eine Einführung in zwei wichtige wissenschaftliche Konzepte – Bioverfügbarkeit und Bio-Elution –, die der sicheren Anwendung von Nickel zugrunde liegen. Während die dahinter steckende Wissenschaft überaus komplex ist, will dieser Kurzfilm auf unterhaltsame Weise über Nickel informieren. Falls das Ihr Interesse geweckt hat, finden Sie ausführlichere Informationen auf der Website des Nickel Institute unter www.nickelinstitute.org

Starke Armierung

Wir sprechen von einer absoluten Neuerung, die bei ihrer Implementierung die Festigkeit von Edelstahl und anderen Metalllegierungen steigern und zahlreiche neue Einsatzmöglichkeiten schaffen wird. Forscher am Oak Ridge National Laboratory (ORNL) im US-Bundesstaat Tennessee konnten nachweisen, dass eine Beschichtung mit hexagonalem Bornitrid (hBN) zu einem verbesserten Langzeitschutz vor umgebungsbedingter Korrosion sowie einer Reduzierung der Hochtemperaturoxidation in der Luft führte. Mit einem als chemische Dampfabscheidung bei Atmosphärendruck bezeichneten Verfahren werden die hBN-Beschichtungen aus einer Kombination von festem Bor und molekularem Stickstoff hergestellt. Diese zusätzliche hBN-Schutzschicht für Niund Fe-haltige Legierungen eröffnet viele Möglichkeiten für industrielle Anwendungen im großen Maßstab, um die Leistung von Produkten wie Solarzellen, Halbleitern und Turbinenschaufeln in der Luft- und Raumfahrt zu verbessern. Ivan Vlassiouk vom ORNL, der die Studie leitete, weist auf einen weiteren Vorteil hin: „Mit diesem Verfahren zur Synthetisierung von ein- oder weniglagigem hBN kann möglicherweise die Leistung neuer zweidimensionaler elektronischer und photonischer Geräte verbessert werden.“ Die Arbeit wurde in Advanced Materials Interfaces veröffentlicht.

GRST ADAM MALIN/ORNL/US-ENERGIEMINISTERIUM NICKEL, JHRG. 39, Nr. 1, 2024 | 5

NICKELINDUSTRIE TEIL 1 NICKELVERARBEITUNG LATERITE UND SULFIDE

Dies ist der erste einer neuen Serie von Artikeln über die Nickelindustrie, die aus der Insider-Perspektive verfasst und fundiertere Einblicke darin bieten werden, was wir tun, wie wir es tun und welche Herausforderungen bei der Produktion dieses wichtigen und vielseitigen Elements auftreten. Wir werden uns mit Erzen, Behandlungsverfahren, dem Thema Nachhaltigkeit sowie laufenden Entwicklungen befassen. Heute fangen wir mit Erzen an.

Nickel wird heute in erster Linie in zwei Bereichen verwendet: bei der Herstellung von Edelstahl und anderen Legierungen sowie bei chemischen Anwendungen wie Akkus. Edelstahl macht den größten Anteil am Nickelmarkt aus, während bei Akkus das schnellste Wachstum zu verzeichnen ist.

Um die globale Nickelnachfrage zu decken, wird Nickel aus zwei Hauptquellen erzeugt: frischen Erzen und recycelten Materialien. Recycling (ob von Edelstahl oder Nickellegierungen oder Akkus) ist ein wichtiger Bestandteil der Nickel-Wertschöpfungskette. Die sehr hohe Recyclingfähigkeit von Nickel ist ein wichtiger Aspekt seines Nachhaltigkeitsprofils, aber das Hauptaugenmerk des Nickelmarkts liegt auf dem in die Lieferkette fließenden Neumaterial. Insgesamt sind das zurzeit ca. 3 Millionen Tonnen pro Jahr.

Zwei allgemeine Arten von Erzen

Nickel kommt grundsätzlich in zwei Arten von Erzen vor: in Laterit (Oxid)-Erzen, die in erster Linie in tropischen und subtropischen Regionen zu finden sind, und in Sulfiderzen, die vor allem in gemäßigten bis subarktischen Regionen vorkommen. Auf der Karte sind die wichtigsten Produktionsstandorte abgebildet. Einige dieser Standorte bestehen aus mehreren Bergwerken, andere aus nur einem. Mehr als die Hälfte des heute hergestellten Nickels wird in Indonesien abgebaut. Das Erz wird oft in der Nähe der Förderstätte verarbeitet. Allerdings gibt es auch einen erheblichen regionalen und globalen Handel mit Nickellateriterzen sowie einen kleineren mit Nickelsulfidkonzentraten.

Lateriterze

Lateriterze kommen in Form von Oberflächenlagerstätten vor und werden in der Regel in zwei Haupttypen unterteilt: in Limonite (mit einem niedrigeren Nickelgehalt und einem höheren Eisenanteil) und in Saprolite (mit einem höheren Nickelgehalt und einem niedrigeren Eisenanteil). Limonite enthalten oft Cobalt – ein wertvolles Zusatzelement –, während der Handel mit Saprolit ausschließlich auf den Nickelanteil zurückzuführen ist.

Limoniterze werden heutzutage meist mittels Laugung behandelt. Dabei reagiert das Erz auf Schwefelsäure und das gelöste Nickel und Cobalt werden als Nickel-Cobalt-Zwischenprodukte gewonnen. Diese Zwischenprodukte können zu Nickelmetall oder direkt für die Akkulieferkette raffiniert werden. Diese als Hydrometallurgie bezeichnete Bearbeitung basiert auf dem Lösen in Wasser.

Saproliterze werden durch Schmelzen behandelt. Dabei wird das Erz getrocknet und geschmolzen, wobei Kohle oder Strom (oft aus Kohle erzeugt) als Energieträger genutzt wird, um das Nickel als eine Eisen-Nickel-Legierung zu gewinnen. Aus dieser Eisen-NickelLegierung wird dann in der Regel meist direkt Edelstahl hergestellt. Dank der wachsenden Nachfrage nach Akkus

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wird verstärkt wieder auf eine frühere Praxis gesetzt, bei der die Legierung in ein höherwertiges Material (Nickelmatte) für die Veredelung konvertiert wird. Die Verarbeitung basiert auf dem Schmelzen der Rohstoffe bei hohen Temperaturen und wird als Pyrometallurgie bezeichnet.

Sulfi derze

Sulfiderze können an (oder in Nähe) der Oberfläche oder tief darunter vorkommen und ermöglichen außer Cobalt oft zusätzliche Wertströme wie Kupfer, Platin und Palladium. Insgesamt können diese mehr wert sein als Nickel. Diese Erze werden anders behandelt als Laterite. Sie können fast immer direkt am Abbauort in ein transportfähiges Nickelkonzentrat umgewandelt werden, das dann in zentralen Anlagen behan-

delt werden kann. Die meisten von diesen sind Nickelhütten, wo das Konzentrat mithilfe der aus dem enthaltenen Schwefel und Strom gewonnenen Energie zu Nickelmatte geschmolzen und dann weiter veredelt wird. Es gibt aber auch direkte hydrometallurgische Anwendungsansätze.

Diese Verfahren und Techniken werden in kommenden Artikeln etwas näher beleuchtet werden. Wir werden auch einige der historischen und bis heute anhaltenden Verbesserungen, von der Branche zu bewältigende Nachhaltigkeitsherausforderungen und potenzielle alternative Möglichkeiten besprechen, die neben den heute üblichen kommerziellen Ansätzen zum Tragen kommen könnten.

Allgemeines Ablaufdiagramm für neu abgebaute Nickelmaterialien

Aufbereitung am Förderstandort

Verhüttung

Lateritbetriebe Sulfi dbetriebe

Lateritabbau

Laugung

Verhüttung und Veredelung

Eisen-Nickel -Legierung

Umwandlung

Zwischenmaterialien

Nickel kommt allgemein in zwei verschiedenen Arten von Erzen vor – in Laterit und in Sulfi d

Nickelmetall

Chemische Anwendung (Akku)

Edelstahl und Legierungsanwendungen

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Sulfi dabbau

EINE FISCHFREUNDLICHE WASSERENTNAHMEANLAGE

Der 2022 fertig gestellte Rangitata Diversion Race (RDR) spielt eine wichtige Rolle bei der Entnahme von Wasser aus dem Rangitata River auf Neuseelands South Island. Das Wasser dient das ganze Jahr über zur Bewässerung, Speicherung und Stromerzeugung aus Wasserkraft. Die Auswirkungen auf die einheimischen Fischpopulationen waren jedoch ein Problem, das den Anstoß zur Entwicklung einer innovativen neuen ScreeningLösung gab.

AWMA Water Control Solutions war für Entwurf und Bau eines der weltweit größten fischfreundlichen Wasserentnahmesysteme zuständig. Dabei kam nickelhaltiger Edelstahl zum Einsatz.

Um dieser Herausforderung zu begegnen, wurde ein nachhaltiges Umleitungssystem entworfen und gebaut, bei dessen Herstellung die nickelhaltigen Edelstahltypen 304 (UNS S30400) und 316 (S31600) zum Einsatz kamen. Diese Screening-Lösung erzeugt die nötigen Flussströmungen und gewährleistet gleichzeitig die sichere Passage von Angelfischarten wie Lachsen und Forellen, aber auch von verschiedenen bedrohten einheimischen Fischarten zurück in das Flusssystem.

Für das Projekt waren sieben T-Siebe erforderlich (insgesamt 14 Zylindersiebe), ein Flachsieb und eine Flachlegeschleuse, die alle aus Edelstahl hergestellt wurden.

Die drei für die Fischschutzsiebe priorisierten Hauptdesignmerkmale waren Öffnungsgröße, Näherungsgeschwindigkeit und Selbstreinigungsfunktion. Die Öffnungsgröße der Siebe wurde genau auf die vorhandene Wasserfauna

Nach umfassenden Forschungen fiel die Wahl auf ein physisches, selbstreinigendes Spaltsiebsystems, das sich schon seit Jahrzehnten bei verschiedenen Einsätzen bewährt hatte. Diese effektive Lösung umfasste eine Screening-Struktur aus Edelstahl, die nicht nur selbstreinigend und fischfreundlich ist, sondern auch für einen zuverlässigen Wasserfluss bei niedrigen Lebensdauerkosten sorgt.

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abgestimmt, wobei Fischarten und Brutmuster berücksichtigt wurden. Niedrige Näherungsgeschwindigkeiten, ein geringer Wasserfluss und eine gleichmäßige Verteilung auf den gesamten Screening-Bereich verhindern ein Eindringen und Aufschlagen von Verunreinigungen und Fischen.

Die Siebe aus Edelstahl-Spaltsiebdraht sind mit einer Selbstreinigungsfunktion versehen, die interne und externe Bürstenreinigungsmechanismen umfasst, um Verunreinigungen und Algen effi zient zu entfernen. Gleichzeitig werden der Schutz des Fischbestands und ein optimaler Durchfluss gewährleistet.

Die 14 Zylindersiebe wurden aus Edelstahl-Spaltsiebdraht des Typs 304 hergestellt und haben einen Durchmesser von 2,1 m und eine Länge von 3,0 m.

Die sieben 8,75 m hohen Bergungssysteme wurden jeweils mit Spindelkastenabdeckungen aus Edelstahl des Typs 304 ausgerüstet, um die Antriebswellen aus Edelstahl des Typs 316 mit einem Durchmesser von 100 mm zu schützen. Zum Senken und Anheben der Eingangssiebe waren 140 m lange Edelstahlseile des Typs 316 mit Edelstahl-Spannschlössern

und Fittings erforderlich. Das 8-Tonnen-Edelstahl-Flachsieb misst 30 m x 3,5 m (105 m 2).

Zur Herstellung der Flachlege-Wassersteuerungsschleuse am Ende des Umgehungskanals wurden ca. 1,8 Tonnen Edelstahl eingesetzt. Dadurch entstand eine fischfreundliche Überlaufschleuse zur Wasserregulierung und -steuerung. Vor der Installation wurden alle Edelstahlkomponenten gebeizt.

Insgesamt wurden bei der Herstellung des Screening-Systems mehr als 55 Tonnen Edelstahl verbaut. Edelstahl stellt die Widerstandsfähigkeit, Leistung und Langlebigkeit der Wasserentnahmeanlage mit einer erwarteten Lebensdauer von mehr als 50 Jahren in Süßwasser sicher. Die Kombination aus hochwertigen Edelstahlmaterialien und einem innovativen Infrastrukturentwurf hat zu einer umweltfreundlichen Lösung geführt, die hohe Wasserqualität, reduzierten Energieverbrauch und einen zuverlässigen Durchfluss bei gleichzeitigem Schutz der einheimischen Fischarten sicherstellt.

Artikel in gekürzter Form; ursprünglich erschienen im Australian Stainless Magazine, Ausgabe 78.

Stellglied Schleuse

Festinstallierte externe Bürste

Für das Projekt waren sieben T-Siebe erforderlich (insgesamt 14 Zylindersiebe), ein Flachsieb und eine Flachlegeschleuse, die alle aus nickelhaltigem Edelstahl hergestellt wurden.

NICKEL, JHRG. 39, Nr. 1, 2024 | 9 AWMA WATER CONTROL SOLUTIONS. AWMA WATER CONTROL SOLUTIONS.
Rotierende Spaltsiebe Gesiebtes Wasser Interne Drehbürste

INTERVIEW MIT HEATHER ALLAIN, EXECUTIVE DIRECTOR, MATERIALS TECHNOLOGY INSTITUTE

Heather Allain ist seit 2008 beim MTI. Bevor sie sein Executive Director wurde, arbeitete sie 14 Jahre lang als Associate Director an der Unterstützung von Projekten und in der MTI-Region Europa.

Allain hat an der Rice University ein Bachelor-Studium in Werkstoff wissenschaften abgeschlossen. Ihr erste Arbeitsstelle war bei DuPont, wo sie vor dem Wechsel zum MTI 14 Jahre lang beschäft igt war.

Das Nickel Institute ist seit mehr als 20 Jahren ein leidenschaftlicher Unterstützer des Materials Technology Institute (MTI). Das NI trägt Informationen und Know-how zu Edelstahl, Nickellegierungen, Schweiß- und Fertigungsverfahren bei und erleichtert damit die erfolgreiche Anwendung dieser Legierungen in der Branche. Wir unterhielten uns mit Heather Allain, Executive Director des MTI, über ihr großes Interesse an Werkstoffen und die Bedeutung der Arbeit des MTI, das öffentlichkeitswirksam für eine sichere, zuverlässige und nachhaltige Materialanwendung eintritt.

F: Erzählen Sie uns doch bitte ein bisschen was über sich selbst und darüber, worauf Ihr Interesse an Werkstoffen zurückgeführt werden kann.

Chemie war schon in der Schule eines meiner Lieblingsfächer. Sie öff nete mir auch die Tür zur Rice University, wo ich Verfahrenstechnik studierte. Schon in meinem ersten Seminar zur Werkstoff wissenschaft war ich davon fasziniert, wie die grundlegenden Fakten zu Atomgrößen und -ladungen die kristallinen Strukturen von Metallen und die resultierenden Eigenschaften von Werkstoffen bestimmen. Das führte dazu, dass ich mein Hauptfach wechselte und Werkstoff wissenschaften studierte. Die Seminare in diesem Fachbereich, insbesondere zum Thema Korrosion, verstärkten mein Interesse an diesem Studienfeld noch weiter und führten mich Jahre später ans MTI.

F: Was ist das MTI und warum ist es wichtig?

Das MTI ist eine einzigartige, kooperative Organisation und besteht aus Mitgliedsunternehmen, die der verarbeitenden Industrie angehören. Es fi nanziert nicht proprietäre

Studien und Projekte zu typischen Problemen, die von Mitgliedern als Prioritäten angegeben werden. MTI-Projekte haben eine wichtige Rolle dabei gespielt, materialtechnisches Wissen zu dokumentieren und einer neuen Generation von Ingenieuren zur Verfügung zu stellen. Außerdem haben sie Ressourcen entwickelt, die sonst nirgendwo zu fi nden sind. Diese Projekte schließen Verständnislücken in Technik und Technologie, wobei die Betonung auf Sicherheit, Zuverlässigkeit und Nachhaltigkeit für die Prozessindustrien liegt.

F: Zum Beispiel?

Gute Beispiele sind unsere Buchreihe Materials Selector, die allgemein als Goldstandard für Informationen zu bestimmten Arten korrosiver Medien gilt, und eine Serie von Mikrostruktur-Atlanten (Atlases of Microstructures), die praktisch alle Produktformen für eine bestimmte Legierung oder Legierungsfamilie illustrieren.

F: Wer sind Ihre Mitglieder?

MTI-Mitgliedsunternehmen sind sowohl an der Herstellung chemischer Zwi-

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schenprodukte als auch an der Öl- und Gasraffinerie beteiligt. Dazu gehören Firmen, die die schwierigsten Prozesse überhaupt angehen und für die betriebliche Exzellenz und Sicherheit oberste Prioritäten sind. Dank unserer Struktur können wir unsere Mitglieder optimal unterstützen und in die Lage versetzen, auf der Basis unserer Ressourcen und unseres Netzwerks gute technische Entscheidungen zu treffen.

F: Was sind die Vorteile eines Beitritts?

Viele Unternehmen treten bei, weil sie an einem bestimmten Thema interessiert sind, zu dem das MTI Untersuchungen durchführt, oder um Forschungsprojekte vorzuschlagen. Dies ist das eigentliche Nutzenversprechen des MTI.

Wenn sie einmal beigetreten sind, erkennen sie schnell den Wert und die Unverzichtbarkeit unseres Netzwerks. Das MTI stellt ein Online-Forum zur Verfügung, auf dem Mitglieder Antworten auf ihre Fragen erhalten, und zwar oft innerhalb weniger Stunden. Im Jahr 2023 suchten mehr als 30 Mitgliedsunternehmen dort nach Lösungen und Informationen. Zudem gibt es mehr als 10.000 archivierte Diskussionsbeiträge, die leicht durchsucht werden können. Großer Wertschätzung erfreut sich auch unsere technische Ressourcenbibliothek. Die Mitglieder haben rund um die Uhr Zugriff auf unser Archiv von Publikationen, Vorträgen, On-Demand-Webinaren und mehr.

Und dann wären da noch bestimmte sekundäre, keineswegs aber unerhebliche Vorteile für Mitglieder, z. B. Branchenschulungen, Podiumsdiskussionen, einstündige technische Webinare und unser monatlicher Podcast Corrosion Chronicles, die für die Mitglieder besonders interessante Themen behandeln. Diese Angebote werden als Dienst an der Industrie auch Nichtmitgliedern zur Verfügung gestellt. Gary Coates vom Nickel Institute war an vielen unserer Veranstaltungen als Referent und Event-Leader beteiligt oder hat bei ihrer Ausrichtung mitgeholfen. Wir schätzen uns glücklich, in diesen verschiedenen Foren anderen sein Know-how anbieten zu können.

F: Wie arbeitet das MTI?

Das MTI wurde 1976 in Nordamerika gegründet. Weil viele unserer Mitglieder global tätig sind, haben wir Anfang der 2000er Jahre auch in Asien und Europa expandiert. In der Regel treffen wir uns sieben Mal im Jahr bei Präsenz-Meetings unseres Technical Advisory Council (TAC). Bei jedem regionalen Treffen werden Schulungen und technische Inhalte angeboten, darüber hinaus aber auch Gelegenheiten zu Berichten über Probleme und Herausforderungen an bestimmten Standorten und Möglichkeiten, wie diese Schwierigkeiten gemeistert werden können. Zudem findet jedes Jahr ein der Öffentlichkeit zugängliches globales Symposium statt.

F: Worin liegt der Wert von PräsenzMeetings?

Brainstorming und Entwicklung des Umfangs, der Ziele und der erhofften Ergebnisse von Projekten sind Aufgaben, die am effizientesten und effektivsten angegangen werden können, wenn die Teilnehmer persönlich anwesend sind. Die MTI-Meetings beinhalten regelmäßig auch Networking- und Schulungskomponenten, die bei einer Präsenz der Teilnehmer mit größerer Wahrscheinlichkeit zum Erfolg führen.

F: Wie entscheiden Sie, welche Projekte finanziert werden?

Jedes MTI-Mitglied kann eine Projektidee vorschlagen. Unser Prozess sieht ein gründliches Screening durch die Mitglieder vor, was der Unterstützung insgesamt förderlich ist. Der zuständige Beauftragte im Unternehmen des Mitglieds (der „Champion“) präsentiert das geprüfte Projekt dem TAC, der dann über den technischen Wert abstimmt. Nach der technischen Genehmigung autorisiert das Direktorium die Mittelbereitstellung. Projekte werden oft innerhalb eines Jahres finanziert und in Angriff genommen. Die derzeit vom MTI finanzierten sowie potenzielle Projekte sind auf unserer Website mti-global.org zu finden.

Das MTI veranstaltet jedes Jahr mehrere Kurse und Podiumsdiskussionen zu verschiedenen Werkstoffthemen. Das vollständige Veranstaltungsprogramm ist unter www.mti-global.org zu finden.

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NICKEL MACHT SEETRANSPORTE SAUBERER

Prozessrohr

Vakuumverbindung

Vakuumisolierte Rohrleitungen werden aus zwei konzentrischen Rohren gefertigt: einem Innen- oder Prozessrohr, in dem die Flüssigkeit befördert wird, und einem Mantelrohr, in dem das Vakuum aufrechterhalten wird.

Eine Nachrüstung ist nicht einfach, weil die Teams auf sehr begrenztem Raum rund um die vorhandene Ausrüstung arbeiten müssen.

Seit Januar 2020 hat die International Maritime Organization (IMO) einen Grenzwert für Schwefel in als Treibstoff für Schiffe eingesetztem Öl festgelegt, um die Verschmutzung durch Schwefeloxide zu reduzieren.

Dieser neue globale Schwefelhöchstwert zwingt die Schifffahrtsbranche, ihre in drei Hauptkategorien eingestuften Treibstoffoptionen zu überdenken: alternative Treibstoffe, Treiböl mit niedrigem Schwefelgehalt und Behandlungsanlagen zum Entfernen von Schwefeloxiden aus Abgasen.

Zu den alternativen Treibstoffen zählen Ammoniak, Methanol, Wasserstoff und verflüssigtes Erdgas (LNG), ein Kraftstoff mit niedrigem Schwefelanteil. Cryospain, ein spanisches Fachunternehmen für kryogene Ausrüstungen, hat den Motor und das Treibstoffsystem eines Schiffes vor Kurzem auf LNG umgerüstet.

Bei einem Umrüstungsprojekt werden Rohrleitungen für LNG und Erdgas für den Transport, die Speicherung und die Versorgung der Motoren mit diesem Treibstoff bereitgestellt. LNG hat einen Siedepunkt von -162 °C, was die Verwendung von nickelhaltigem Edelstahl erforderlich macht. Cryospain stellt eine Typ-316L(UNS S31603)-Pipe-in-Pipe-

Technologie bereit, die sicherstellt, dass das LNG jederzeit flüssig bleibt. Typ 316L bietet Korrosionsbeständigkeit in Meerwasserumgebungen sowie Niedrigtemperatur-Resilienz.

Es wurden Rohrleitungen in einer Gesamtlänge von ca. 275 m verlegt, wovon 160 m vakuumisoliert sind (doppelwandig; die Luft zwischen den beiden Rohrschichten wird entfernt). Wenn Erdgas verflüssigt bleiben muss (z. B. beim Befördern von Bunkerstationen an Land in Bordtanks), sorgt die Vakuumisolation für die erforderliche Kühlleistung. Abschnitte, in denen das Gas nicht verflüssigt bleiben muss, z. B. Brenner an Bord, können mit doppelwandigen Rohren (ohne Vakuumdämmung) ausgestattet werden. Insgesamt wurden etwa 6 Tonnen Edelstahl vom Typ 316L verbaut.

Das betroffene Schiff ist jetzt sauberer, umweltfreundlicher und effizienter als je zuvor unterwegs.

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CRYOSPAIN CRYOSPAIN
Mantelrohr
Mehrlagig Kompensator Abscheider

HEISSES THEMA HITZEBESTÄNDIGE LEGIERUNGEN

Eine der ersten Eigenschaften, die uns beim Thema nickelhaltige Legierungen in der Regel einfällt, ist deren Korrosionsbeständigkeit in aquatischen Umgebungen, etwa bei Kontakt mit Meerwasser, bei der Lebensmittelverarbeitung und bei der Chemikalienherstellung. Es gibt aber auch eine Gruppe von Legierungen, die fast ausschließlich bei Temperaturen im Bereich von 540–1230 C eingesetzt werden und allgemein als hitzebeständige Legierungen (Heat Resistant Alloys, HRA) bezeichnet werden.

Es wird zwischen zwei grundsätzlichen Arten von HRAs unterschieden, dem ferritischen und dem austenitischen Typ. Austenitische Legierungen werden am häufigsten eingesetzt, weil ihre Mikrostruktur Leitfähigkeit und Hochtemperaturfestigkeit bietet, die Kohlenstoffstahl überlegen sind. Diese Attribute sind auf den Nickelanteil zurückzuführen, der zwischen 8 und 75 % betragen kann und die austenitische Mikrostruktur erzeugt.

Die nachstehende Tabelle zeigt einige häufige HRAs. Die bekannteste davon ist Typ 304.

Bei erhöhten Temperaturen bildet Stahl durch die Reaktion mit Sauerstoff eine Oxidschicht (Schuppenbildung), die zu Metallverlust führt. HRAs besitzen hohe Chromanteile, was die Verdickung der Schuppen verlangsamt

und diesen Metallverlust reduziert. Durch die Erhöhung des Chromanteils wird die Beständigkeit gegenüber der Schuppenbildung verstärkt. Parallel dazu ist jedoch ein erhöhter Nickelanteil erforderlich, um die austenitische Mikrostruktur beizubehalten. Das Hinzufügen von Aluminium oder Silikon kann die Schuppenbeständigkeit durch Chrom noch verstärken. Nickel bietet aber noch weitere Vorteile. Es erhöht die Beständigkeit gegenüber einer Aufkohlung, zu der es in Wärmebehandlungsöfen und bei der Verarbeitung von Kohlenwasserstoffen kommen kann, und es widersteht Angriffen durch Halogengase wie Chlor.

Diese nickelhaltigen HRAs sind wichtige Legierungen, mit deren Hilfe Ausrüstungen bei hohen Temperaturen und bei der Herstellung wichtiger Chemikalien betrieben werden können.

Beispiele für HRA-Anwendungen:

• Wärmebehandlungsöfen

• Aufkohlungsöfen

• Müllverbrennung chlorierter Kunststoffe

Nominelle Zusammensetzung

Legierung Ni Cr Fe Sonstiges

Max. Temp.*

304 (S30400) 8 18 72 925 °C (1700 °F)

310 (S31008) 20 25 52 1150 °C (2100 °F)

330 (N08330) 35 19 43 Si: 1,25 1150 °C (2100 °F)

800H (N08810) 31 21 45 980 °C (1800 °F)

600 (N06600) 76 15,5 8 1090 °C (2000 °F)

601 (N06601) 61,5 22,5 14 Al: 1,4 1200 °C (2200 °F)

602CA (N06025) 63 25 9 Al: 2,2 1230 °C (2250 °F)

* Empfohlene Höchsttemperatur in Luft, Dauereinsatz

Zugabe von Nickel

Ferrit Körperzentriert, würfelförmig

Austenit Frontzentriert, würfelförmig

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Geir Moe P.Eng. ist der Technical Inquiry Service Coordinator beim Nickel Institute. Zusammen mit anderen Werkstoffexperten in aller Welt hilft Geir Moe Endanwendern und Spezifikateuren von nickelhaltigen Materialien, die technische Unterstützung benötigen. Das Team steht bereit, um kostenlose technische Beratungsleistungen zu einer breiten Palette von Anwendungen wie Edelstahl, Nickellegierungen und Vernickelung anzubieten, damit Nickel bedenkenlos eingesetzt werden kann. https://inquiries.nickelinstitute.org/

FRAGEN AN EXPERTEN

FAQ VON DER TECHNISCHEN

BERATUNGS-HOTLINE

DES NICKEL INSTITUTE

A F

F: Wir haben eine Platte aus Typ 304L (UNS S30403) mit einer Stärke von 10 mm zu einem elliptischen, gewölbten Deckel kaltgewalzt. Laut Druckbehältervorschriften ist nach der Formgebung keine Wärmebehandlung (Ausglühen) erforderlich. Unser Kunde hat einen Ferrithöchstwert von 3 % vorgegeben. Mit einem Fischer Feritscope® werden am Gelenkteil 35–45 % Ferrit gemessen; abseits vom Gelenkteil sind es dagegen weniger als 3 %. Eine positive Materialidentifi zierung ergibt, dass die Materialzusammensetzung der des Typs 304L entspricht. Wie ist diese große Varianz beim Ferrit zu erklären und was kann dagegen unternommen werden?

A: Ein Ferritscope misst nicht speziell Ferrit, sondern die Anwesenheit magnetischer Mikrostrukturen im Metall. Die bekannteste magnetische Mikrostruktur ist Ferrit. Austenitische Edelstähle wie Typ 304L sind im voll ausgeglühten Zustand aufgrund ihrer durch den Nickelgehalt bedingten austenitischen Mikrostruktur im Grunde nicht magnetisch.

NICKEL

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Der Austenit in 304 (304L) ist aber metastabil. Das bedeutet, dass ein Teil des Austenits in eine andere Mikrostruktur umgewandelt werden kann. Dies entsteht durch plastische Verformung (wie etwa durch Kaltwalzen) und wird daher als Verformungsmartensit bezeichnet. Dieser ist magnetisch. Ein Ferritscope kann nicht zwischen diesen beiden verschiedenen Mikrostrukturen (Ferrit und Martensit) unterscheiden, die beide magnetisch sind.

Auswirkungen des Kaltwalzens auf die magnetische Permeabilität von Chrom-Nickel-Edelstahlen

Andere Edelstähle mit höheren Nickelanteilen widerstehen, wie aus der Abbildung ersichtlich, dieser Martensitumwandlung.

Bei einem Test der Platte vor dem Formen hätten Sie festgestellt, dass die gesamte Platte einen Anteil von <3 % ergeben hätte. Der Ferritgehalt nimmt beim Kaltwalzen nicht zu. Wenn Sie den Martensit entfernen möchten, besteht die einzige Abhilfe in einem Ausglühen des Deckels, also einer Wärmebehandlung, bei der der Martensit wieder in Austenit umgewandelt wird, was bei 304L mindestens 1040 °C erfordert.

14 | NICKEL, JHRG. 39, Nr. 1, 2024
14 JHRG. 39, Nr. 1, 2024
Kaltverformung (%) Magnetische Permeabilität bei H=50 15 12 9 6 3 0 20 40 60 80 301 (6 % Ni) 304 (8 % Ni) 316 (10 % Ni) 310 (20 % Ni)
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Nickel ist in vielen Formen zu finden, von Nanodrähten bis hin zu Edelstahllegierungen. Aber welche Eigenschaften machen Nickel zu einem so grundlegenden Bestandteil vieler Alltagsobjekte?

Warum Nickel?

NICKEL IN IHRER KÜCHENSPÜLE

Edelstahlküchenspüle

Nickelhaltiger Edelstahl ist ein ideales Material für Waschbecken und Spülen. Er weist eine hervorragende Korrosionsbeständigkeit auf und kann aufgrund der Zugabe von Nickel wie bei Typ 304 (UNS S30400) zu einem tiefen Becken geformt werden.

Das Nickel in Typ 304 (S30400) erzeugt eine Struktur mit einer hohen Kaltverfestigungsrate, die Belastungen gleichmäßiger verteilt und besser geeignet ist als die von einfachem Kohlenstoff stahl und ferritischem Edelstahl.

tigkeit

Die hohe Kaltverfestigungsrate bedeutet, dass die Festigkeit beim Dehnen des Materials im gedehnten Bereich signifi kant zunimmt und sich letztendlich so sehr verfestigt, dass es einem weiteren Dehnen widersteht und stattdessen andere, schwächere Bereiche gedehnt werden.

Daher wird die Dehnung über einen größeren Materialbereich verteilt, wodurch ein tieferes Becken möglich ist, als wäre die Dehnung auf einen einzelnen Bereich konzentriert. Bei Werkstoff en mit einer niedrigeren Kaltverfestigungsrate bleibt die Dehnung auf einen lokalisierten Bereich konzentriert, was zum Bruch führt, bevor das Material ausreichend gedehnt wird.

UNS- DETAILS

Chemische Zusammensetzung (in Gewichtsprozent) der Legierungen und Edelstahltypen in dieser Ausgabe von Nickel.

NICKEL, JHRG. 39, Nr. 1, 2024 | 15
UNS C Co Cr Cu Fe Mn Mo N Nb Ni P S Si Ti N01555 S. 5 0,07 max. 0,05 max. 0,01 max. 0,01 max. 0,05 max. - -0,05 max. 54,0–57,0 - - - Rest S30400 S. 8, 15 0,08 max.18,0–20,0 - Rest 2,00 max. - -8,010,5 0,045 max. 0,030 max. 1,00 max.S30403 S. 14 0,030 max.18,0–20,0 - Rest 2,00 max. - -8,0–12,0 0,045 max. 0,030 max. 1,00 max.S31603 S. 8, 12, 16 0,030 max.16,018,0 - Rest 2,00 max. 2,00–3,00 -10,0–14,0 0,045 max. 0,030 max. 1,00 max.S32205 S. 2 0,030 max.22,0–23,0 - Rest 2,00 max. 3,00–3,50 0,14–0,204,50–6,50 0,030 max. 0,020 max. 1,00 max.S32304 S. 2 0,030 max.21,5–24,5 0,05–0,60 Rest 2,50 max. 0,05–0,60 0,05–0,203,0–5,5 0,040 max. 0,030 max. 1,00 max. -

SPEKTAKULÄRE QUETSCHBOHNE

Das von der Alexico Group initiierte Projekt ist ein glanzvolles Beispiel für Innovation in Kunst und Architektur.

Direkt unter dem Jenga Tower, einem außergewöhnlichen Wolkenkratzer, befi ndet sich jetzt die lang erwartete erste permanente Installation des britischen Künstlers Anish Kapoor in New York. Die als „The Half Bean“ – also die „halbe Bohne“ (nicht der offi zielle Name!) – bezeichnete Hochglanzskulptur scheint unter dem Gebäude des Architekturbüros Herzog & de Meurons unter der Adresse 56 Leonard Street im Stadtteil Tribeca eingeklemmt zu sein. Sie wurde im Januar 2023, ganze 15 Jahre nach der Auft ragsvergabe, enthüllt, was auf die Komplexität des Projekts, wirtschaftliche Faktoren und die Corona-Reisebeschränkungen zurückzuführen ist.

Performance Structures, Inc., eine Firma, die auch für die Herstellung von Kapoors Cloud Gate (liebevoll als „The Bean“ bekannt) in Chicago verantwortlich zeichnete, stellte sich den vielen Herausforderungen beim Schweißen und Verkleiden, um eine absolut nahtlose Skulptur zu schaffen. Jede einzelne Scheibe der Skulptur hat ihren eigenen Stützrahmen; die Rahmen für die unteren Teile sind im Bürgersteig verschraubt und die Scheiben selbst sind an Kabeln aufgehängt. Federelemente ermöglichen es der Skulptur, sich bei Witterungseinflüssen wie Wind, Schneelast und Temperaturschwankungen leicht zu bewegen.

Die 15 m lange und 6 m hohe 40-Tonnen-

Ballonform aus präzisionsgeschnittenen und polierten Edelstahl-Paneelen des Typs 316L (UNS S31603) mit spiegelpolierter Oberfläche ruht auf dem Asphalt. Das letzte Element wurde um eine massive Innenstruktur montiert, verschweißt, geschliffen und vor Ort poliert. Kapoor beschreibt seine „halbe Bohne“ so: „Dieses Werk suggeriert eine Form aus Edelstahl, die gleichzeitig weich und flüchtig ist. Spiegel bringen uns dazu, innezuhalten und auf eine Weise absorbiert und gezogen zu werden, die den Lauf der Zeit unterbricht und vielleicht auch verlangsamt. Es ist ein Material, das eine neue Art von immateriellem Raum schafft.“

NICKEL, JHRG. 39, Nr. 1, 2024
FOTO © IWAN BAAN

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