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Bauen für die Bildungslandschaft

„Dieser Campus sollte Qualität und Bescheidenheit zeigen, er sollte zeigen, dass man die zeitgenössische moderne westliche Architektur kennt –und eine Verbindung dazu hat.“

Prof. Dr. Joachim Driller, Architekturhistoriker

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Interview: Natalie Schalk

Geschichte der Coburger Campus-Architektur

Die Nachkriegsmoderne gehört zu seinen Forschungsschwerpunkten: Prof. Dr. Joachim Driller ist Architekturhistoriker an der Fakultät Design. Im Interview spricht er über die alten Gebäude der Hochschule Coburg und ihre erkennbaren berühmten Vorbilder – von der Hochschule für Gestaltung in Ulm bis zum Gropius-Complex der Harvard University.

Bei historischen Gebäuden denken viele eher an Renaissance oder Jugendstil – ist Architektur aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts schon historisch? Joachim Driller: In der Öffentlichkeit werden diese Bauten immer noch – naja: sagen wir „selektiv“ wahrgenommen. Aber natürlich ist das historisch. Die Nachkriegsarchitektur ist ganz wesentlich für das Kulturbewusstsein der Bundesrepublik. Diese Bauten müssen vom kulturhistorischen Standpunkt aus und wegen ihrer oft großen architektonischen Qualität erhalten bleiben, sie müssen erst einmal aber auch vom baulichen her erhalten bleiben. Viele sind ja restaurierungsbedürftig.

Welche kulturhistorische Bedeutung hat die Architektur am Campus Friedrich Streib? Sie hat viel mit der Identität der Hochschule zu tun. Anfang der 1970er wurden die neu entstehenden Fachhochschulen meist aus anderen Schulen zusammengewürfelt; dabei wurden verschiedene Bauten übernommen. In Coburg war das anders: Hier war das Polytechnikum Kern der jungen FH und es hatte ja nicht einmal zehn Jahre vorher diesen neuen Campus bekommen. Maschinenbau und Elektrotechnik gehörten seitdem zur ursprünglichen Bau-Schule – und das sollte man sehen. Die Architektur ist Ausdruck der Bildungslandschaft, die da am Judenberg entstanden ist. Der Campus ist auch auf die stadträumliche Wirkung in der Ferne komponiert. Wenn Sie in Coburg im Hofgarten stehen, sehen Sie ihn: Genau zwischen einem barocken Turmhelm und dem klassizistischen Theaterbau erblickt man den Schornstein der Maschinenhalle. Ein Schornstein! Der Campus soll nicht monumental wirken. Ganz bescheiden und doch selbstbewusst steht er zwischen all dem Historischen und zeigt, dass wir etwas Technisches sind: Der Schornstein ist Symbol dieses Campus‘.

Wieso diese Art Architektur in Coburg? Coburg hatte keine große Tradition klassisch moderner Architektur. Dieser Campus sollte Qualität und Bescheidenheit zeigen, er sollte zeigen, dass man die zeitgenössische, moderne westliche Architektur kennt – und eine Verbindung dazu hat. Weil die Ausbildung von Architekten zu den Aufgaben gehörte, sollten die Bauten wesentliche Ideen der zeitgenössischen Architektur repräsentieren.

Und einen kreativen Ort für die Architektur-Studierenden schaffen ... Heute gilt eher der Campus Design als der kreative Ort. Hier entstand ein tolles Wechselspiel zwischen altem Baudenkmal und Neuem. Die Räumlichkeiten setzen ein enormes Maß an Kreativität frei. Beim oberen Campus waren die Ziele ähnlich – aber geprägt von der damals zeitgenössischen Moderne. Man schaute zu dieser Zeit natürlich vor allem auf die BauhausNachfolge. Wo findet sich diese Moderne am Campus? Der erste Campus in Coburg war sogar eine Art Musterbuch der Moderne. Wenige Jahre zuvor war in Ulm die Hochschule für Gestaltung, die HfG, fertig gestellt worden. Architekt und gleichzeitig Schulgründer war Max Bill, einer derjenigen, die wesentlich dazu beitrugen, den Bauhaus-Gedanken weiterzutragen. Die HfG besteht aus Blockbebauung, die durch andere Bauten verbunden ist: quergestellte, kleinere Blöcke, große Fenster, alles in eine Hanglandschaft hinein komponiert. In Coburg gibt‘s das im Kleinformat. Die Kuben, die frei in die Landschaft gesetzt sind, zeigen Offenheit, ein wenig Weltläufigkeit. Die Architektur verweist aber auch auf die Schularchitektur der Bauhaus-Leute selber. Viele waren ja in den USA, und die Bundesrepublik orientierte sich stark an den USA.

Es gibt Campus-Vorbilder in den USA? Wenn Sie das Graduate Center der Harvard University betrachten, ist es offensichtlich. Walter Gropius hat gegeneinander versetzte Blöcke gebaut, typisch sind auch die großen, einfachen Fenster. Dazwischen: Hofsituation mit Grün. Versetzte Blöcke mit Grün dazwischen verwendet auch ein anderer ehemaliger Bauhaus-Direktor: In Ludwig Mies van der Rohes Illinois Institute of Technology (IIT) in Chicago gibt es ebenfalls Elemente, die sich am Coburger Campus wiederfinden. Verschiedene Vorbilder wurden hier kombiniert – und nicht nur aus der Bauhaus-Nachfolge: Beispielsweise hat Gebäude 2 eine Eigenart, die der berühmte finnische Architekt Alvar Aalto für das Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge entworfen hat: nach unten versetzte, abtreppende Fenster. In Coburg zeigen sie, dass dahinter Auditorien nach unten gehen. Zweckorientiert wie die Moderne eben ist. Typisch sind auch Verbindungsgänge, so wie der noch erhaltene Gang zu Halle 3 an unserem Campus. Einiges ist im Laufe der Jahre verloren gegangen, als immer mehr Studierende und Fachbereiche dazu kamen und die Anforderungen sich veränderten. Der ursprüngliche Campus wurde stellenweise überbaut. Aber manche grundlegenden Dinge sind noch da: Die Maschinenhalle mit dem Schornstein ist fast unverändert erhalten.

Wie passt der Neubau des ITMZ dazu? Der Campus hat sich verändert. Das alte Konzept der in Längsrichtung angeordneten Pavillons und Blöcke ist passé. Das neue Gebäude setzt aber die Idee der Blockbebauung am Hang fort. Weil es den Campus zu der Seite abschließt, die bisher mit dem großen Parkplatz offen war, entsteht wieder eine Hofsituation mit Grün – wie beim Graduate Center.

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