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Good vibrations

Was eine erfolgreiche Kooperation ausmacht.

„In nur einem Jahr gemeinsam etwas zu entwickeln, das bald in der Praxis eingesetzt werden kann: Das ist einfach schön!“

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Florian Dötzer, Ingenieur am ISAT

Die Partner bei Schmelzer: Helmut Keck und Dominik Wild. Foto: iTV Coburg

Wenn akustische Wellen ein Objekt in Schwingung versetzen, können die Ingenieure des ISAT der Hochschule Coburg daraus allerhand ablesen. Auf diese Weise lösten sie gemeinsam mit dem mittelständischen Unternehmen Schmelzer ein Problem, das in Getreide-Silos auftritt.

Bei der Ernte muss alles wie am Schnürchen laufen: Der Mähdrescher schneidet Roggen oder Weizen auf dem Feld, trennt die Körner von den Halmen, sie fließen über ein Rohr auf den Anhänger des Traktors und der Bauer fährt damit zum Vermarkter oder zu seinem eigenen Silo. Hier kippt er die Ladung in eine Schüttgosse, Spiralschnecken befördern das Getreide hinein und KorngebläseAnlagen oder Elevatoren füllen es über Rohre in den Speicher. „Funktionieren die Transportsysteme jetzt nicht fehlerfrei, ist das in der hektischen Erntezeit kritisch“, sagt Helmut Keck. „Das Getreide ist reif. Der Bauer will gleich die nächste Fuhre holen.“ Als Geschäftsführer der Schmelzer-Gruppe kennt Keck die Probleme der Landwirte. Das oberpfälzische Unternehmen wurde vor über 100 Jahren als Spenglerbetrieb in Waldershof (Kreis Tirschenreuth) gegründet und hat sich in verschiedenen Bereichen spezialisiert – unter anderem auf Anlagenbau und Landtechnik. „Uns beschäftigt seit Jahren, wie kritische Ausfälle hier verhindert werden können“, berichtet Keck. „Das Getreide saust durch Rohrsysteme“, ergänzt sein Mitarbeiter Dominik Wild, „mit ein bis fünf Metern pro Sekunde.“ Gerste, Roggen oder Weizen schießen mit bis zu 18 Stundenkilometern gegen die Rohrwand – und mit ihnen das ein oder andere Staub- und Schmutzpartikel: Das Metall wird geschmirgelt. Irgendwann ist ein Loch im Rohr.

Wer kennt sich mit Sensoren aus? Statt das komplette Rohrsystem auszubauen und das Problem zu suchen, soll der Verschleiß vorher erkannt und lokalisiert werden. Regelmäßige Inspektionen und vorsorglicher Austausch von Komponenten verhindern unerwartete Ausfälle, sind aber sehr aufwändig. Das Unternehmen suchte einen ganz neuen Ansatz, eine innovative Lösung. Ideal wäre eine kontinuierliche und automatische Überwachung durch Sensoren. Aber wer kennt sich mit so etwas aus? „Einer unserer Kunden aus dem Raum Lichtenfels hat uns das ISAT empfohlen“, erklärt Keck. Er hat selbst in den 1980er Jahren an der Hochschule Coburg Maschinenbau studiert und gute Erinnerungen an diese Zeit. „Ich war damals ja oben am Campus. Das Gelände unten kenne ich nur als Altes Brauhaus.“ Bei dieser Erinnerung lacht er: „Jetzt ist da so ein modernes Institut, unglaublich!“ Das Institut für Sensor- und Aktortechnik (ISAT) ist ein anwendungsorientiertes Forschungszentrum der Hochschule Coburg, das Akustik, Optik, Mikrofluidik und ihr Zusammenspiel erforscht – und sich dabei als Impulsgeber für Innovationen in Unternehmen versteht. Das ISAT-Leitungsteam aus Prof. Dr. Klaus Stefan Drese und Prof. Dr. Thorsten Uphues nahm sich Kecks Problem gerne an. Vielsagende Schwingungen Mitte 2020 startete das Projekt. Die entscheidende Frage war, wie sich Veränderungen im Rohr wahrnehmen lassen. „Immer dann, wenn Standardtechniken nicht mehr ausreichen, kommen geführte Schallwellen zum Einsatz“, erklärt Drese. Schallwellen bringen die Oberfläche des Rohres zum Schwingen. Verändert sich die Dicke des Materials, verändert sich auch die Schwingung – das erfasst ein Sensor lange bevor ein Loch entsteht. „Wir arbeiten mit Ultraschall, die Frequenz ist oberhalb des hörbaren Bereichs“, sagt Florian Dötzer. Der ISAT-Ingenieur hat in der Werkstatt mit Rohren experimentiert, Daten ermittelt und dargestellt. „Wir haben zuerst mittels eines Laser-Doppler-Vibrometers die Ausbreitung der akustischen Wellen in der Rohrwandung gemessen.“ Dann hat er, wie später im praktischen Einsatz, im Silo etwas Material am Metallrohr abgetragen und erfasst, wie das die Schwingung verändert. Die Sensoren stellen so Verschleiß fest, bevor er ernsthafte Probleme im Rohrsystem verursacht. Dadurch können anstehende Wartungsarbeiten auf einen passenden Zeitpunkt gelegt werden und es wird nur das ausgetauscht, was wirklich nötig ist

Gute Stimmung Details werden noch entwickelt. „Die Sensordaten werden zunächst auf einer Anzeige am Rohrsystem dargestellt, aber wir denken auch über eine App nach“, sagt Dominik Wild. Er betreut bei Schmelzer die praktische Umsetzung des Projekts und verständigte sich mit Dötzer regelmäßig über die weiteren Schritte. Die beiden Ingenieure trafen sich nur in Online-Konferenzen. „Zwischendurch haben wir mal telefoniert oder Kleinigkeiten per Mail abgestimmt“, erklärt Dötzer. Eine unkomplizierte, angenehme Zusammenarbeit – trotz Corona, und das für beide Seiten. Dötzer fand das Thema spannend: „Ich komme vom Dorf, aber von den Korngebläseanlagen und Rohrsystemen in Silos wusste ich bisher nichts. Es ist immer schön, etwas für so eine konkrete Anwendung zu entwickeln.“ Wild gefiel, dass im ISAT das Problem sofort verstanden wurde. „Die Arbeit an einer Lösung war gleich so praxisorientiert!“ Das Unternehmen hat schon öfter mit Hochschulen und Universitäten kooperiert. Eines fiel Geschäftsführer Keck aber diesmal besonders auf: „Wir hatten wahnsinnig schnell eine Lösung.“

Auszeichnung für hervorragende Zusammenarbeit Die unmittelbare Verwertbarkeit der Ergebnisse und der direkte Technologietransfer in den Mittelstand überzeugten auch die Jury des CREAPOLISAward. Die Innovations- und Vernetzungsplattform der Hochschule sieht den Preis als Gelegenheit, gelungene Kooperationen zu würdigen. Prof. Dr. Christiane Fritze, die Präsidentin der Hochschule Coburg, zeichnet damit einmal im Jahr herausragende Projekte aus: Diesmal ging die Auszeichnung an die Firma Schmelzer und das ISAT.