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Herr Schmitt, wie war das damals?
Interview: Natalie Schalk
HERR DR. SCHMITT, WIE WAR DAS DAMALS MIT DER PROMOTION?
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Als Doktoranden an der Hochschule Pioniere waren
Als Jugendlicher machte Martin Schmitt in Bad Kissingen die Mittlere Reife. Er lernte weiter, studierte, und ein paar Jahre später wurde ihm der Doktortitel verliehen. Seine Arbeit war eine der ersten kooperativen Promotionen an der Hochschule Coburg. Heute gibt es sie an jeder Fakultät, aber die rechtliche Gleichstellung der Bachelor- und Masterabschlüsse von Unis und Hochschulen folgte erst auf die europäische Hochschulreform, die 1999 im italienischen Bologna unterzeichnet wurde. Wer einen Masterabschluss in der Tasche hat, ist heute grundsätzlich zur Promotion berechtigt, aber in Bayern durften bisher nur Universitäten den Titel verleihen. Mit dem Start des Bayerischen Wissenschaftsforums BayWiss wurden 2016 organisatorische Hürden bei der Zusammenarbeit von Unis und Hochschulen abgebaut. Martin Schmitt war ein Pionier. Er promovierte als Dipl.-Ing (FH) bereits von 2008 bis 2012 bei Prof. Dr. Leonhard Reindl an der Universität Freiburg und bei Prof. Dr. Gerhard Lindner an der Hochschule Coburg.
Sie haben Technische Physik an der Hochschule Coburg studiert – wie kamen Sie dazu? Martin Schmitt: Damals hieß das „Physikalische Technik“, und mich interessierte Technik. Mich interessierte Physik. Ich habe in Bad Kissingen den Realschulabschluss gemacht, dann an der FOS in Schweinfurt die Fachoberschulreife. Mein Physiklehrer hat an praktischen Beispielen Verbindungen zwischen Physik und Technik gezeigt. Das fand ich spannend. So etwas wollte ich machen. Das Internet war noch nicht so stark verbreitet, ich habe die Suchmaschine im Berufsinformationszentrum genutzt. Dann habe ich die Schnuppertage besucht. Und da war klar, dass ich nach Coburg gehe.
Konnten Sie sich da schon vorstellen, später zu promovieren? Nein, nein. Ich habe noch einen Dipl.-Ing.-Abschluss, aber das war genau die Zeit, in der auf Master umgestellt wurde. Damit wurden auch Promotionen Thema. Am Ende meines Studiums war ich als studentische Hilfskraft im Sensor Application Team von Prof. Dr. Gerhard Lindner, das später dann zum Institut für Sensor- und Aktortechnik ISAT wurde, ich hatte relativ gute Noten, und …
Sie waren der beste Absolvent in Ihrem Fach ... ... ich habe Professor Lindner auf eine mögliche Promotion angesprochen – er wusste schon Bescheid, wie es funktioniert und hat mir im Bereich Sensorik gleich mehrere Professoren an Universitäten in Deutschland genannt, die dafür aufgeschlossen sein könnten.
Und wie war das dann mit der Promotion? Als Dipl.-Ing (FH) musste ich ein Eignungsfeststellungsverfahren machen, um zur Promotion zugelassen zu werden. Das heißt, ich hatte innerhalb eines Jahres zusätzlich noch mal acht Prüfungen an der Uni Freiburg zu schreiben. Mit dem Master wurde es später einfacher für HochschulAbsolventen.
Mit dem Hochschulinnovationsgesetz bekommen Hochschulen für angewandte Wissenschaften in forschungsstarken Bereichen auch in Bayern ein eigenes Promotionsrecht. Warum auch nicht? Entscheidend ist, dass die nötige Laborausstattung vorhanden ist und die Betreuung funktioniert. Es braucht eine Arbeitsgruppe und der Professor, der sie leitet, muss viel Wissen auf seinem Forschungsgebiet haben. In der Wissenschaft ist die Diskussion wichtig, das Netzwerk. Ich hatte das in doppelter Hinsicht: Kontakt zur Arbeitsgruppe mit mikro-akustischer Sensorik in Freiburg und natürlich in Coburg immer vor Ort mit dem ISAT. Das war ein Vorteil.
Was war Thema Ihrer Arbeit? Die Detektion von Schichtbelegungen innerhalb flüssigkeitsgefüllter Rohre und Behältnisse durch Modenkonversion von Lambwellen. Es gab ein Projekt des Bundesforschungsministeriums (BMBF) zur Biofilmdetektion zusammen mit Fresenius Medical Care in Schweinfurt. Es ging darum, dass sich in Dialysegeräten ein Bakterienfilm ablagert und um die Frage, wie ich das mit Ultraschallwellen von außen detektieren kann.
Was machen Sie heute? Ich bin Projektleiter und technischer Projektleiter für Vorausentwicklung bei Valeo Klimasysteme in Bad Rodach und hier auch Experte für interaktive Bedienoberflächen. Wir machen nicht nur Klimaanlagen, sondern alles, was man im Fahrzeug bedienen kann, heute mit Smart Surfaces. Wir bieten zum Beispiel Innenraumsensorik an, Gestenkameras, Ambient Lighting. Wir beschäftigen uns mit neuen Technologien, damit, welche Bedienkonzepte der Zukunft es im Fahrzeug gibt. Danach entwickeln wir die Technologie zusammen mit den Kunden.
Hilft Ihnen die Promotion im Beruf? Auf jeden Fall. Aufgabe einer Promotion ist, den Stand der Forschung ein Stück zu erweitern. Ins Thema tiefer und tiefer einzutauchen erweitert das technische Verständnis noch einmal auf besondere Weise. Ich besuche Konferenzen oder gehe auf Messen, und wenn ich mit Kunden zum Beispiel darüber spreche, welche Technologie könnte zu diesem Bedienkonzept passen, dann ist das eine Diskussion auf hohem technischen Niveau. Der Ansprechpartner beim Autohersteller ist meistens auch ein promovierter Ingenieur, eine promovierte Ingenieurin.
Haben Sie heute noch Verbindungen zur Hochschule? Am Ende meiner Promotion war ich Dozent und ich bin der Hochschule bis heute verbunden. Beim Verein Deutscher Ingenieure (VDI) Coburg bin ich Bezirksgruppenleiter und da gibt es verschiedene Verbindungen zur Hochschule. Und wir haben bei Valeo immer wieder Praktikantinnen und Praktikanten und Studierende, die ihre Bachelor- oder ihre Masterarbeit bei uns schreiben.