
3 minute read
Hochschule bewegt oberfränkische Kitas
von Pia Dahlem
Dieses Forschungsprojekt bringt Action in den Alltag.
Advertisement

Das Institut für angewandte Gesundheitswissenschaften (IaG) erforscht, wie Kindertagesstätten einen aktiven Lebensstil fördern können: Im Projekt „Qualität entwickeln mit und durch Bewegung“ (QueB) wurden über mehrere Jahre hinweg Kitas in Oberfranken begleitet und als „Bewegte Kitas“ ausgezeichnet.
Draußen rennen, matschen, Fußball spielen, Natur entdecken, Bewegung erfahren, den eigenen Körper spüren. Mal richtig außer Puste kommen und dann wieder ruhen. So wachsen Kinder gesund auf. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt für Kinder 60 Minuten moderate bis intensive Bewegung pro Tag. Dass dieser Richtwert oft weit unterschritten wird, ist problematisch. „Wir haben in den letzten Jahren beobachtet, dass sich die Kinder immer weniger bewegen und in der Grob- und Feinmotorik Schwächen zeigen. Dem Trend wollten wir etwas entgegensetzen“, begründet Simone Schindhelm, Leiterin der Kindertagesstätte St. Marien in Rödental, die Teilnahme an dem Projekt QueB. Es hat sich schon etwas verändert: „Es ist ein positiver Trend erkennbar“, fasst Christina Müller vom Institut für angewandte Gesundheitswissenschaften der Hochschule Coburg die Ergebnisse zusammen. Schon in der ersten Förderphase (2015-2018) erforschte das IaG unter der Leitung von Prof. Dr. Holger Hassel, wie Kitas in Bewegung gebracht werden können. „In der zweiten Förderphase konzentrieren wir uns darauf, die erfolgreiche Intervention der ersten Phase zu verbreiten“, beschreibt Projektmitarbeiterin Christina Müller das Ziel. Schritt für Schritt zu mehr Bewegung Der Moment der Wahrheit kam mit der jährlichen Aktivitätsmessung: „Wir haben etwa 130 Kinder und 30 Erzieherinnen und Erzieher mit kleinen tragbaren Aktivitätsmessern, sogenannten Akzelerometern, ausgestattet. Diese haben über eine Woche hinweg alle Bewegungsaktivitäten aufgezeichnet“, erklärt Müller. Dabei wurden auch die unterschiedlichen Intensitäten gemessen: Bewegen sich die Kinder nur leicht, moderat, oder sind sie so aktiv, dass sie ins Schwitzen kommen und der Puls steigt. „Nach der ersten Messung im Jahr 2018 lag die moderate und intensive Aktivität der Kinder bei rund 41 Minuten.“ Nun waren alle Beteiligten - Erzieherinnen, Erzieher, Eltern, Kinder - gefordert, mehr Bewegungsangebote zu kreieren. In St. Marien gibt es eigens zwei Bewegungsbeauftragte, die sich um dieses Thema kümmern. „Wir haben die Kinder erst genau beobachtet, um festzustellen, wann sie Aktivität brauchen und wann sie Ruhephasen brauchen“, berichtet Bewegungsbeauftragte Alexandra Spindler. Das Ergebnis waren viele zusätzliche Bewegungsanreize – und zwar für alle Altersgruppen in der Einrichtung. Unter anderem wurden neue Spielgeräte und Fußballtore angeschafft. Außerdem haben die Mitarbeitenden gemeinsam mit den Eltern einen Barfußpfad errichtet. Das kam bei den Kleinen gut an. Bewegungsbeauftragte Mandy Brown berichtet: „Der Aufenthalt im Freien hat bei uns schon immer eine große Rolle gespielt und wird täglich umgesetzt. Nun bieten wir neben noch mehr freien, auch feste Bewegungszeiten im Tagesablauf der Kinder an“. So hat sich beispielsweise eine wöchentliche Yogastunde für die Kinder etabliert. Um dem

Bedürfnis nach Ruhe gerecht zu werden, hat man in St. Marien außerdem neue Rückzugsmöglichkeiten für die Kinder geschaffen.
Die Ergebnisse verbessern sich All diese Bemühungen tragen Früchte. „Bei der zweiten Messung im Jahr 2019 lag die durchschnittliche moderate und intensive Aktivität der Kinder bei 48 Minuten und bei der letzten Messung, Ende 2020 bei 57 Minuten“, fasst Christina Müller zusammen. Ein ähnlicher Trend ist bei den pädagogischen Fachkräften erkennbar. Müller ergänzt: „Es freut uns zu sehen, dass die erschwerten Bedingungen der Corona-Pandemie nicht zu einem Einbruch geführt haben und die Kitas weiter am Ball geblieben sind.“ Neben der Auszeichnung „Bewegte Kita“ für alle teilnehmenden Einrichtungen werden die beteiligten Kitas miteinander vernetzt. So können sie sich untereinander austauschen. Prof. Dr. Hassel ist wichtig, dass die guten Entwicklungen noch weitergetragen werden: „In Kooperation mit Fachberatungen und Fachakademien für angehende Erzieherinnen und Erzieher aus dem Regierungsbezirk Oberfranken entwickeln wir eine Multiplikatoren-Strategie. Fachberaterinnen und Fachberater sollen dabei unterstützt werden, das Thema „Bewegung“ aufzugreifen, Bedarfe zu ermitteln und passende Unterstützungsangebote zu vermitteln.“ Außerdem probieren derzeit Schülerinnen und Schüler aus drei Fachakademien in ihrem Praktikum eine Web-App zum Einstieg in das Thema „Bewegung“ aus.
Fotos: linke Seite: Prof. Dr. Holger Hassel (links), Christina Müller (rechts)