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«Sinnvolle Lösungen, die funktionieren»
by CKW AG
Seit bald 30 Jahren arbeitet und forscht er in den Bereichen Energie und Gebäudetechnik: Urs-Peter Menti, Professor an der Hochschule Luzern (HSLU), spricht im Interview über Sanierungen, graue Energie und Fachkräftemangel. Ausserdem verrät er, was Gebäudelabels mit «Betty Bossi» gemeinsam haben.
Urs-Peter Menti, rund ein Viertel der Treibhausgasemissionen der Schweiz sind auf Gebäude zurückzuführen. Wie ineffizient sind unsere Gebäude? Da muss man unterscheiden zwischen Neubauten und Gebäudebestand. Bei Ersteren sieht die Gesetzgebung bereits einen hohen Standard hinsichtlich Effizienz vor. Viele Bauherren gehen sogar freiwillig über diese Standards hinaus. Hier sind wir auf einem guten Stand. Die grössere Herausforderung hingegen liegt in der energetischen Erneuerung alter, ineffizienter Gebäude. Da hinken wir hinterher.
Weshalb geht’s nicht schneller voran? Das ist oft eine Kosten- und Zeitfrage. Eine alte Ölheizung durch eine neue Ölheizung zu ersetzen, geht schneller und hat tiefere Investitionskosten zur Folge, als wenn man sie beispielsweise durch eine Wärmepumpe mit Erdsonde ersetzen würde. Über den gesamten Lebenszyklus hinweg betrachtet, würden diese Mehrkosten jedoch wieder kompensiert. Ein Grund für die tiefe Sanierungsquote ist daher auch fehlendes Wissen – auf Seiten der Gebäudebesitzer, aber auch der Ausführenden und der Planer.
Neben der Heizung ist auch die Gebäudehülle ein wichtiges Sanierungsthema. Aus finanziellen Gründen müssen viele Hausbesitzer die Erneuerung etappenweise angehen. Welches Vorgehen empfehlen Sie?
Wichtig ist ein Gesamtkonzept. Am Anfang sollte eine Bestandesaufnahme stehen, die einen Überblick gibt, welche Komponenten des Gebäudes erneuert werden müssen. Ein Gebäudeausweis (GEAK) ist hierfür sicherlich eine gute Ausgangslage. Danach gilt es, die Erneuerungsschritte zu definieren und diese sinnvoll aufeinander abzustimmen.
Neben Ihrer Tätigkeit für die HSLU engagieren Sie sich auch für den Verein Minergie und das Netzwerk Nachhaltiges Bauen Schweiz. Beide vergeben Gebäudelabels. Warum sind solche Labels wichtig? Zwei Aspekte stehen für mich im Vordergrund: Einerseits sind Labels in der Lage, eine Entwicklung anzutreiben. Wir wären mit dem Bauen heute nicht dort, wo wir heute sind, wenn der Verein Minergie vor 25 Jahren nicht Massstäbe gesetzt hätte. Diese erschienen aus damaliger Sicht ambitioniert oder gar avantgardistisch, sind heute aber vielerorts Standard. Andererseits sind Labels für mich so etwas wie «Betty Bossi» fürs Bauen.
Das müssen Sie erklären. «Betty Bossi» ist keine 5-Sterne-Gourmetküche, bietet Hobbyköchen aber gute, verlässliche und bodenständige Rezepte, bei denen man weiss: Da kann ich nicht viel falsch machen. Labels funktionieren ähnlich. Sie geben allen,
Urs-Peter Menti (53)
Nach seinem Diplom als Maschineningenieur an der ETH Zürich arbeitete Urs-Peter Menti zunächst für das Ingenieurbüro Amstein+Walthert AG in Zürich, bevor er 2004 an die Hochschule Luzern (HSLU) wechselte, wo er seither in verschiedenen Funktionen tätig ist. Heute ist er Dozent für Gebäudetechnik sowie Co-Leiter des 2017 neu gegründeten Instituts für Gebäudetechnik und Energie (IGE).

die energieeffizient bauen wollen, aber keine Experten sind auf diesem Gebiet, eine Art Werkzeugkasten in die Hand –eine Checkliste, die sie Punkt für Punkt umsetzen können. Keine «Spitzengastronomie», um beim Vergleich zu bleiben, aber eine gute, sinnvolle Lösung, die funktioniert.
Bei vielen Labels wird auch das Thema Kreislaufwirtschaft immer wichtiger. Welches Potenzial besteht hier? Ein riesiges. In den vergangenen 30 Jahren haben wir uns vor allem mit der Betriebsenergie beschäftigt. Also mit der Frage, wie wir weniger Energie brauchen, um Gebäude sicher und komfortabel zu betreiben. Ich wage die Behauptung, dass wir uns in den nächsten 30 Jahren vorwiegend mit grauer Energie beschäftigen werden. Also wie wir mit weniger Material bauen und wie wir mit alternativen Materialien bauen, die in der Herstellung weniger Energie brauchen als herkömmliche Materialien. Ein Ansatz ist hier die Kreislaufwirtschaft. Das heisst, Materialien und Komponenten werden möglichst lange im Gebäude genutzt und nach abgelaufener Nutzungszeit wieder in den Ressourcenkreislauf zurückgeführt. Dieses Thema wird die Baukultur der kommenden Jahre stark prägen. Heute stehen wir diesbezüglich erst am Anfang.
Stichwort Energiezukunft: Vor fünf Jahren hat das Stimmvolk der Schweizer Energiestrategie 2050 zugestimmt. Sind wir auf Kurs?
Die Energiestrategie 2050 hat sicherlich einiges in Gang gesetzt. Wenn wir unsere Ziele erreichen wollen, reicht es jedoch nicht, so weiterzumachen wie in den letzten fünf Jahren. Es braucht ein Engagement von uns allen. Dazu kommt: Die aktuelle Strommangelsituation trägt einerseits dazu bei, dass sich etwas bewegt. Andererseits stehen einige Massnahmen auch mit den Zielen der Energiestrategie 2050 im Widerspruch. Hier müssen wir gut abwägen zwischen kurzfristigen Massnahmen, um die aktuelle Mangellage zu bekämpfen, und längerfristigen Massnahmen, um das Klima zu schützen.
Eine Voraussetzung dafür sind gut ausgebildete Fachleute. Seit Jahren klagt die Branche jedoch über einen Mangel. Wie ausgeprägt ist dieser?

Die Anzahl unserer Studierenden in diesen Bereichen ist so tief wie nie – und eine Trendwende nicht in Sicht. Wir stehen also weiterhin vor der grossen Herausforderung, junge Menschen für technische Berufe zu motivieren. Hier sind insbesondere auch die Betriebe gefordert, in die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden zu investieren. Die Voraussetzungen sind eigentlich gut: Energie- und Gebäudetechnik sind Branchen, in denen man konkret und sichtbar etwas bewegen kann.
Sie selbst arbeiten seit 30 Jahren in diesem Bereich. Was fasziniert Sie am Thema?
Die Breite der Fragestellungen und die Interdisziplinarität. Als Gebäudetechniker arbeitet man an der Schnittstelle zwischen klassischen Ingenieursdisziplinen und der Architektur. Diese Vielseitigkeit macht den Beruf spannend und abwechslungsreich. Mit Gebäudetechnik beeinflussen wir die Art, wie wir ein Gebäude nutzen, und beeinflussen damit unser tägliches Leben. Wir beschäftigen uns mit Themen wie Brandschutz, Bauphysik oder Architektur, aber auch mit Gesundheit und sogar Psychologie. Letztendlich müssen wir immer für den Menschen bauen. Er muss sich im Gebäude wohlfühlen.
Können Sie dafür ein Beispiel aus Ihrer Forschung geben?
Wenn wir beispielsweise den vergangenen Hitzesommer betrachten, so ist bekannt, dass für die erhöhte Sterblichkeitsrate nicht die heissen Tage massgebend sind, sondern die Nächte, die nicht mehr abkühlen, weshalb sich viele Menschen ungenügend erholen können. Das hat uns zur Idee geführt, zur Verbesserung der Situation nicht mit viel Energie die ganze Wohnung zu kühlen, sondern aufs Schlafzimmer oder sogar nur aufs Bett zu fokussieren, was deutlich energieeffizienter wäre. So verbinden wir die Bedürfnisse des Menschen mit dem effizienten Einsatz von Energie.