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Wien, am 09.05.2021, 52x/Jahr, Seite: 9 Druckauflage: 57 160, Größe: 60,24%, easyAPQ: _ Auftr.: 8420, Clip: 13560909, SB: Ischgl 0 INLAND

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Der stolpernde Marathonmann Als Günther Platter 2008 Landeshauptmann von Tirol wurde, war er ein farbloser Politiker. Mit der Zeit ist er zum populären Landesvater geworden, geriet zuletzt aber wegen der Coronakrise unter Druck. Trotzdem will er 2023 noch einmal kandidieren. Ø VON N O R B E R T R I E F

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s war ein recht spontaner Konzertauftritt im Einkaufszentrum Inntalcenter in Telfs in Tirol. „Gib mir amol die Gitarre“, sagte Günther Platter zu einem Mitglied der kleinen Band. Platter zupfte ein wenig an den Saiten, drehte an den Stimmwirbeln und dann hob der Landeshauptmann von Tirol an: „I left a good job in the city, working for the man every night and day . . .“ Es gab zweifellos schon bessere Coverversionen von „Proud Mary“. Aber auch bedeutend schlechtere. Das war im Februar 2018, zwei Wochen vor der Landtagswahl in Tirol, und der Auftritt passte zu dem Günther Platter, den man in diesem Wahlkampf erlebt hat: ein selbstbewusster Politiker, der Spaß an seinem Job hat, gern unter Menschen ist und auch über sich selbst lachen kann. Das völlige Gegenteil von dem Menschen, der am 1. Juli 2008 die Funktion des Tiroler Landeshauptmanns übernommen hatte. Mittlerweile ist Platter seit 13 Jahren „Landesvater“ – länger, als alle anderen Landeshauptmänner von Tirol, abgesehen natürlich von Eduard Wallnöfer, der das Land 24 Jahre lang geführt hat – übrigens immer mit absoluter Mehrheit. In seiner letzten Amtsperiode vor seinem Rücktritt 1987 mit einem Stimmanteil von 64,6 Prozent. Platter ist seit 2013 in einer Koalition mit den Grünen.

Unglückliches Timing. Platter, der heuer im Juni 67 Jahre alt wird, wandelt auf den Spuren Wallnöfers. „Ja, ich werde 2023 wieder kandidieren“, antwortete er am Mittwoch dieser Woche auf eine Frage eines Journalisten. Gestellt wurde sie bei der Pressekonferenz zur Präsentation der zwei neuen Landesräte Anton Mattle und Annette Leja. Sie folgen Patrizia Zoller-Frischauf und Bernhard Tilg nach, die mitten in der breiten öffentlichen Diskussion über die Vergabe von Coronatests an das Unternehmen eines Wiener Urologen von ihren Funktionen zurücktraten.

Der Zeitpunkt der Rücktritte von Zoller-Frischauf und Tilg war schlecht gewählt. Nicht das beste Timing, weil es in der Öffentlichkeit den Eindruck vermittelt, dass es zwischen dem möglichen Testskandal und den Rücktritten der beiden Landesräte einen Zusammenhang gibt. Dabei waren die Rücktritte seit Monaten im Gespräch und hätten schon vor Wochen erfolgen sollen, was aber an einem Skiunfall Platters scheiterte. Leja bereitet seit Februar ihren Abschied als Geschäftsführerin des Sanatoriums Kettenbrücke vor. Aber eigentlich passt die Art und Weise, wie dieser Wechsel erfolgt ist, genau in das wenig glückliche Krisenmanagement Tirols der vergangenen Monate. Da erklärte beispielsweise die Landessanitätsdirektion, dass sich das Coronavirus nicht in Bars verbreiten könne und deswegen das Après-SkiPartyleben in Ischgl ruhig noch ein paar Tage weitergehen könne. Dann machte sich Tilg österreichweit zur Lachnummer, als er als Gesundheitslandesrat im TV-Interview breit lächelnd wiederholt erklärte, man habe in Ischgl und in der Pandemiebekämpfung alles richtig gemacht.

Platter war in dieser Zeit politisch massiv unter Druck und ist es noch. Ständig muss er Entscheidungen des Landes in der Coronapandemie erklären und Aussagen anderer relativieren. Ganz Österreich schüttelt den Kopf über das Bundesland und spottet über die Älpler. Es ist freilich eine Eigenheit der Tiroler, dass man näher zusammenrückt und sich hinter dem Attackierten sammelt, wenn es Angriffe von außen gibt – vor allem, wenn diese Angriffe aus Wien kommen. Mit seiner klaren Ansage, 2023 wieder antreten zu wollen, hat Platter jedenfalls jede potenzielle Personaldiskussion im Keim erstickt. Wobei die Frage ohnehin ist: Wer in dieser Tiroler ÖVP-Riege soll ihm gefährlich werden? Der Mann mit dem größten Ehrgeiz, Tirols Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser, ist ruhiggestellt. Er wurde, für manche überraschend, nicht in die Landesregierung berufen, um aus der Funktion des Wirtschaftslandesrats heraus die Nachfolge Platters vorbereiten zu können. Auch die Funktion des Wirtschaftskammerpräsidenten sei eine verantwortungsvolle, erklärte das Platter. Die Reaktion Walsers am nächsten Tag in einem Radiointerview: Treueschwüre und volle Unterstützung für den Landeshauptmann. Die Redaktion hatte sich vermutlich anderes erwartet. Mitarbeiter erzählen, dass Günther Platter in Krisensituationen „am besten funktioniert“, dass er in solchen Zeiten zur Hochform auflaufe. Dazu hatte er in seiner Amtszeit schon mehrmals die Möglichkeit. Gleich zu Beginn etwa, als er mit der Wohnungs- und Jagdausflugsaffäre eines Landesrats konfrontiert war und seine Begrüßung von Fußball-Nationalspieler David Alaba – „How do you do?“ – über Österreich hinaus für Schlagzeilen sorgte.

Hineinwachsen in den Job. „Er hat sich am Anfang in dem Job nicht sonderlich wohlgefühlt“, erzählt einer, der ihn seit vielen Jahren kennt. Platter kam nach vielen Jahren in der Bundespolitik nach Tirol, nach einem tragischen Asylfall (Arigona Zogaj) im letzten Jahr seiner Amtszeit als Innenminister angeschlagen und mit überschaubaren Beliebtheitswerten. Ein farbloser, hölzerner Politiker, der sein Publikum mit Stehsätzen langweilte. Platter hielt anfangs lieber Distanz zu den Menschen, er schien nicht recht zu wissen, wie er mit ihnen umgehen soll. In Erinnerung ist ein Empfang des Landes Tirol in Wien, als er an einem kleinen Stehtisch mit seinen Mitarbeitern plauderte, während ringsum Gäste den Kontakt zu ihm suchten. Sonderlich fördernd für das politische Selbstvertrauen war auch das Ergebnis seiner ersten Landtagswahl nicht, die 2013 für den Spitzenkandidaten Platter mit dem schlechtesten ÖVPErgebnis in der Geschichte Tirols endete (39,4 Prozent). Wobei damals die eigentliche Überraschung war, dass die ÖVP nicht noch weiter abgestürzt ist. Und mittlerweile? „Er ist über die Jahre in den Job hineingewachsen“, meint ein Wegbegleiter. Dass er sich in der Rolle des Landesvaters mittlerweile wohlfühlt, erlebt man, wenn man Platter begleitet. „Griaß Di“ da, „Hallo“ dort. „Du, Herr Landeshauptmann, wir kennen uns“, sagt mindestens jeder Zweite, wobei das vertrauliche Du nicht auf die vermeintlich alte Be-

kanntschaft zurückzuführen ist. In Tirol ist man generell per Du, auch mit dem Landeshauptmann. Nur Touristen, in manchen Regionen noch immer „Fremde“ genannt, werden mit Sie angesprochen. „Ja, griaß Di“, erwidert Platter dann, der den Gesprächspartner entweder tatsächlich kennt oder es nur gut vortäuscht. Den direkten Umgang mit den Menschen genießt er – und er beherrscht ihn mittlerweile mit seinem kernigen Akzent, einer sympathischen Art und einem feinen Humor. Er sei – im besten Wortsinn – leutselig, beschreibt ihn einer. „Er geht nicht zu Veranstaltungen, weil er hingehen muss, sondern weil er gern hingeht.“ Den Dank des Volkes erhielt er 2018, als die ÖVP bei der Landtagswahl um fast fünf Prozentpunkte auf 44,3 Prozent zulegen konnte. „Landespolitik ist eine völlig andere Art der Politik als Bundespolitik“, erklärte Platter einmal in einem Gespräch. Der Mensch mit all seinen persönlichen Stärken und Schwächen stehe auf Landesebene viel stärker im Mittelpunkt. Das sei ein Wechsel, auf den man sich erst umstellen müsse.

In Tirol ist man generell per Du, auch mit dem Landeshauptmann. Das musste er auf jeden Fall. Als er im Juli 2008 Landeshauptmann von Tirol wurde, war er mehr oder weniger der Anfänger in der Runde der Landeshauptleute. Erwin Pröll regierte damals schon 16 Jahre lang das Land Niederösterreich, Michael Häupl herrschte seit 14 Jahren über Wien, in Oberösterreich gab es seit 13 Jahren einen Landeshauptmann namens Josef Pühringer und in Kärnten war Jörg Haider noch ein paar Monate lang Landes-

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Günther Platter 2013 bei einer Klausur der Tiroler Landesregierung am Tramser Weiher in Landeck. ø Mühlanger / picturedesk.com

» Er ist über die Jahre in den Job als Landeshauptmann hineingewachsen « Ein Wegbegleiter über Günther Platter.

hauptmann. Alle zusammen trieben die Bundespolitik nach Belieben vor sich her und bestimmten maßgeblich, was in Österreich möglich ist und was nicht. Die Landeshauptleutekonferenz war damals eine Schattenregierung – mit dem Unterschied, dass sie nicht im Schatten agierte. Mittlerweile ist Platter mit 13 Jahren der längstdienende Landeshauptmann Österreichs. Aber die Lehrjahre mit Pröll und Häupl haben ihn nicht zum Machtpolitiker gemacht, der sich immer wieder in die Bundespolitik einmischt. Im Gegenteil: Platter hält sich mit öffentlichem Poltern gegen Wien zurück – vielleicht, weil Sebastian Kurz auch ein persönlicher Freund ist, vielleicht, weil er politisch in Wien sozialisiert wurde (er war von 1994 bis 2000 Nationalratsabgeordneter) und in seiner Zeit als Verteidigungsminister (2003 bis 2007) und Innenminister (2007 bis Mitte 2008) selbst erlebt hat, wie unangenehm die Zwischenrufe aus den Ländern sind.

Karriere wider Willen. Platters bisher 35-jährige Karriere als Politiker begann eigentlich gegen seinen Willen. 1986 wurde er vom damaligen Bürgermeister von Zams, Walter Fraidl, bei einer ÖVP-Versammlung im Gasthaus Gemse auf die Vorwahlliste für die Gemeinderatswahl gesetzt. Ohne sein Wissen und ohne seine Zustimmung, Platter war bei der Versammlung gar nicht anwesend. Der gelernte Buchdrucker und spätere Gendarm wurde Gemeinderat, dann Bürgermeister von Zams (1989 bis 2000), bevor seine landes- und bundespolitische Karriere begann. Eigentlich, erzählte Platter einmal, wäre er ja gern als Musiker auf der Bühne gestanden. Oder auch als Sportler. Zehn Marathons ist er schon gelaufen, den letzten 2002 in New York. Seither fehle ihm die Zeit zum Training. ø

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