GESCHICHTE_N Industrialisierung_Konzept

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GESCHICHTE_N

provisorischesBild

Materialien für den Unterricht Sekundarstufe II

Die Industrialisierung KONZEPT

Konzept für Lehrmittel GESCHICHTE_N Industrialisierung

Materialien für den Unterricht Sekundarstufe II

Basel 2020

überarbeitet 2023

Konzept/Text/Gestaltung/Illustration Christian Benz christianbenz.net

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1. Idee und Zwischenstand 4

1.1 Worum geht es? 4

1.2 Warum dieses Lehrmittel? 4

1.3 Wie ist es dazu gekommen? 6

1.4 Wie könnte dieses Lehrmittel aufgebaut sein? 6

1.5 Wohin soll es kurzfristig gehen? 7

1.6 Wohin könnte es längerfristig gehen? 7

1.7 Wie ist der Stand der Dinge? 7 2. Literatur 8 3. Fragen und Feedback

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INHALT
Konzept_
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IDEE UND ZWISCHENSTAND

Es handelt sich um ein Lehrmittel für das Fach Geschichte auf Sekundarstufe II zum Thema Industrialisierung, welches sich im Entwurfsstadium befindet. Das Lehrmittel trägt den Arbeitstitel GESCHITE_N INDUSTRIALISIERUNG (GSn/I). Neben dem «herkömmlichen» Inhalt (Sachtexte, Quellen, Statistiken etc.) ist GSn/I mit fiktionalem Inhalt angereichert. Dazu gehören etwa Kurzbiografien von fiktiven Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, Auszüge aus literarischen Texten, Filmausschnitte, Schreibübungen, Aufgaben für Gruppenarbeiten/-experimente und vieles mehr. Sie alle sollen mögliche Antworten auf eine bestimmte Frage liefern: Wie könnte eine Person/Personengruppe zu einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort aus einer bestimmten Schicht und/oder in einer bestimmten Lebenssituation/ Verfassung gelebt, gedacht und gehandelt haben?

Diese fiktionalen Inhalte sollen als Ergänzung zur fachlichen bzw. analytischen Auseinandersetzung mit dem jeweiligen historischen Themenbereich fungieren.

1.2 WARUM DIESES LEHRMITTEL?

GSn/I setzt sich zum Ziel, einen spielerischen und «praxisbezogenen» Zugang zur Geschichte zu ermöglichen. An dieser Stelle ein Vergleich zum Schulfach Physik: Als eine exakte Wissenschaft geniesst die Physik den Vorteil, dass sich ihre Erkenntnisse genau überprüfen und – für den

1 Sauer, Geschichte unterrichten, 128.

2 vgl. Lehrplan 21.

Schulunterricht besonders wertvoll – oftmals mittels praktischer Experimente und meistens direkt vor Ort veranschaulichen und entsprechend verifizieren lassen. Solche Erfahrungen «aus erster Hand und mit eigenem Sinn»1 bleiben den Schülerinnen und Schülern im Geschichtsunterricht verwehrt. Das einzige Hilfsmittel der Geschichtswissenschaft ist die Quelle und mit ihr die Erkenntnis, «dass wir immer aus der Gegenwart heraus Vergangenes rekonstruieren, um Orientierung für die Zukunft zu gewinnen.»2 Quellen bilden also das Fundament, sie allein ermöglichen eine Geschichtsschreibung. Doch selbst die grösste Quellensammlung kann niemals die Frage vollends beantworten, wie sich ein historisches Ereignis tatsächlich zugetragen hat. Die Quellen wie auch die daraus erfolgten Schlussfolgerungen aus der Forschung sind letztlich Dokumente, die – ob bewusst oder unbewusst – immer von persönlichen Sichtweisen geprägt sind.3

Mit diesem Dilemma ist auch der Geschichtsunterricht4 konfrontiert. Der Einsatz von Fiktion (unter der Bedingung, dass die fiktionalen Inhalte als solche gekennzeichnet und vermittelt werden) soll hier Abhilfe verschaffen. Mit anderen Worten: Die Fiktion kann als bereichernde Ergänzung zu den geschichtswissenschaftlichen Erkenntnissen, den «unbezweifelbaren Fakten»5, zum Einsatz kommen und nicht zuletzt als interessante Antwort auf die Frage fungieren, wie sich in einer be-

3 Reinhart Kosselek kommt in diesem Zusammenhang zum Schluss, dass Geschichte «nie in Sprache» aufgehe: «Wir befinden uns in einer unaufhebbaren Spannung, die es verhindert, daß irgendeine Sprachhandlung jemals geschichtliche Wirklichkeit einholen kann.» (Kosselek, Fiktion und geschichtliche Wirklichkeit, 47.)

4 Michael Sauer sieht in diesem Dilemma eine «elementare Einsicht», die der Geschichtsunterricht vermitteln müsse, denn die Lücken, welche Quellen sowie historische Abhandlungen mit sich bringen, könnten für Lehrpersonen eine Herausforderung darstellen, wenn es darum gehe, Schülerinnen und Schüler für das Fach Geschichte zu interessieren. (Sauer, Geschichte unterrichten, 81.)

5 ebd.

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1.1 WORUM GEHT ES?
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stimmten historischen Zeit das Leben der Menschen zugetragen haben könnte.6 Die fiktionalen Inhalte in GSn/I sollen dabei eine höchstmögliche Plausibilität7 erzeugen und so die Sensibilität sowie das Interesse der Schülerinnen und Schüler für den jeweiligen historischen Sachverhalt wecken, ja als Türöffner dienen, als Motivation für eine fundierte Auseinandersetzung. In einem weiteren Sinne könnten diese Inhalte sogar als geisteswissenschaftliche Alternative zum vorhin erwähnten Physik-Experiment gesehen werden. Anders als die (unwiderlegbaren) Gesetze der Physik sollen die fiktionalen Inhalte in GSn/I zwar widerlegbar bleiben, dafür aber wertvolle Anstösse geben, wenn sie, analog zu bestehenden literarischen Texten, «vor dem inneren Auge von Leserinnen und Lesern Vorstellungswelten entstehen» lassen, «in denen sie historische Lebenssituationen miterleben, am Denken und Fühlen der Menschen unmittelbar teilhaben und emotionale Beziehungen zu ihnen aufbauen.»8

Neben den vielen Vorteilen, die der Einsatz von fiktionalen Inhalten mit sich bringt, soll in GSn/I aber genauso auf dessen unbestreitbare Gefahr hingewiesen werden, etwa wenn Fiktion in Form von Verschwörungstheorien oder anderen ideologischen Einstellungen missbraucht wird und somit in einer unwissenschaftlichen und destruktiven Illusion mündet.9 Dieser Umstand soll im Unterricht aber nicht nur als Warnung, sondern auch (mittels Textbeispielen und Aufgaben) als zusätzliche Anregung zum kritischen Denken vermittelt werden10, als

Veranschaulichung für folgende Erkenntnis: Die Geschichtswissenschaft in einer demokratischen Gesellschaft musste immer schon eine äusserst verantwortungsvolle Rolle wahrnehmen. Eine Rolle, die im digitalisierten Zeitalter, in Zeiten von Fake News, Echokammern und ChatGPT, immer wichtiger wird.

Mit dem Einsatz solcher fiktionaler Inhalte setzt sich GSn/I zum Ziel, «Lernprozesse anzustossen, zu begleiten, zu sichern».11 Selbstverständlich soll das Lehrmittel dabei weiteren Anforderungen gerecht werden: von den Kriterien der kantonalen Lehrpläne auf Sekundarstufe II über jene der interkantonalen Lehrmittelzentrale (levanto) bis hin zu den gängigen Prinzipien und Methoden der Lehrmittelentwicklung12 sowie der Geschichtsdidaktik. Im Gegensatz aber zu anderen Lehrmitteln soll GSn/I mit fiktionalen Inhalten (Kurzgeschichten, Aufgaben, Schreibübungen, Gedankenexperimente etc.) ausgestattet sein, die in geografischer sowie in sozialer Hinsicht den Blick nicht nur auf die «üblichen Verdächtigen» der Industrialisierung in Europa und Nordamerika legen, sondern auch auf Regionen und Menschen ausserhalb des industriellen Rampenlichts.

Die hier präsentierten bzw. zu entwickelnden fiktiven Frauen, Männer und Kinder13 stammen aus verschiedenen Jahrzehnten und Kontinenten, gehören verschiedenen sozialen Schichten an und leben demnach verschiedene Leben. Sie sollen «Informa-

6 Kosselek sieht in der Fiktion, in dieser Suche nach möglichen Antworten, gar eine Notwendigkeit, «alle sprachlichen und schriftlichen Zeugnisse zu transzendieren», wenn uns «die Bedingungen möglicher Ereignisse ebenso interessieren wie die Ereignisse selbst.» (Kosselek, Fiktion und geschichtliche Wirklichkeit, 49.) Johannes Fried spricht in diesem Zusammenhang von einer maximalen Plausibilität, welche beim Transzendieren erzeugt werden könne. Die Geschichtsschreibung, so Fried, werde, neben der Sprache, durch Fantasie und konstruktive Einbildungskraft verfremdet. Historiker hätten dabei schon immer von der Fantasie Gebrauch gemacht, zumal ohne sie eine Geschichtsschreibung gar nicht möglich sei. (Fried, Wissenschaft und Phantasie, 303.) «Geschichte ist Wachs in den Händen des Historikers. Er formt sie, wie er sie will.» (ebd., 305.) Fried sieht dabei die Geschichtswissenschaft in einer verantwortungsvollen Rolle, die nicht zu unterschätzen sei, und warnt zugleich vor den Gefahren der Fiktion, die ebenso gut in einer unwissenschaftlichen und somit destruktiven Illusion münden könne. Dennoch kommt Fried zum Schluss, dass eine von der Fantasie geleitete Konstruktion authentischer sein könne «als das authentischste Protokoll.» (ebd., 309.) Schliesslich schrieben Historikerinnen und Historiker nicht für die Vergangenheit, sondern immer für die Gegenwart. «Damit erst erfüllt Geschichte ihren Sinn.» (ebd.) Die von Fried postulierte Plausibilität spiegelt sich in Hayden Whites Begriff der Kohärenz wieder. Die nach Whites Auffassung interessante Geschichtsschreibung strebe gar nicht erst nach absoluter Objektivität, dafür aber nach einer höchst möglichen Plausibilität. White sieht das Werk eines Historikers «als offensichtlich verbale Struktur in der Form einer Erzählung», die «zu allen Zeiten der Geschichtswissenschaft und der Geschichtsphilosophie» mit poetischen Elementen versehen wurde und heute noch wird. (White, Metahistory, 11.) White vergleicht dabei die Arbeit eines Historikers mit demjenigen eines Schriftstellers von fiktionalen Geschichten. Seinem Vergleich zufolge unterschieden sich die beiden Berufsgattungen lediglich in einem einzigen Punkt: Historiker arbeiteten mit Ereignissen, die einem bestimmten raum-zeitlichen Ort zugewiesen werden könnten und somit in der Regel beobachtbar oder wahrnehmbar seien. Fiktionale Autoren hingegen arbeiteten mit bestimmten raum-zeitlich zugewiesenen Ereignissen wie auch mit vorgestellten, hypothetischen oder erfundenen Ereignissen. Beide, Historiker wie auch Schriftsteller, gäben letztlich ein sprachliches Abbild der «Wirklichkeit» wieder, mit dem Ziel, eine Einsicht zu erzeugen und somit auch eine «Erhellung der menschlichen Erfahrung der Welt.» ( White, Auch Klio dichtet , 146.)

7 vgl. White, Metahistory, 9.

8 Sauer, Geschichte unterrichten, 128.

9 vgl. Fried, Wissenschaft und Phantasie, 309.

10 Peter Gautschi sieht in diesem Umstand eine Möglichkeit, die Lernenden durch eine solche «Gegenüberstellung von Mythen und Quellen zu irritieren oder sogar zu provozieren», aus der im Idealfall «eine intelektuelle Neugier» wachse, welche wiederum «Triebfeder einese Lernprozesses werden» könne (Gautschi, Geschichte lehren, 27.)

11 vgl. ebd., 95.

12 GSn/I orientiert sich am «Qualitätsquadranten für Lernziele und Lernaufgaben» von Rico Cathomas, der (basierend auf Benjamin Blooms Taxonomie sowie auf Jerome Bruners E-I-S-Prinzip) den Lernprozess in vier zu durchlaufende Qualitätsfelder unterteilt («in Beziehung setzen», «automatisieren», «adaptieren», «kreieren»), um so «qualitativ hochwertige Aufgaben und Ziele» zu ermöglichen, «die das Automatisieren, das Adaptieren und das praktische Anwenden von Wissen und Können unterstützen». (Cathomas, Der Qualitätsquadrant für Lernaufgaben und Lernziele, 6.); vgl. hierzu auch Bloom, The Taxonomie of Educational Objectivities.; Bruner, Entwurf einer Unterrichtstheorie.

13 In diesem Zusammenhang sei auch Klaus Begrmanns zu berücksichtigendes Prinzip der Personifizierung erwähnt, das sich als «Darstellung von Geschichte an ‹namenlosen› handelnden und leidenden Personen und aus der Sicht dieser Personen, die immer gesellschaftliche Gruppierungen vertreten» etabliert hat. (Bergmann, Personalisierung, Personifizierung, 299.) Bergmanns Personifizierung ist als Gegenüberstellung zum Begriff der Personalisierung zu verstehen. Zusammengefasst könnte man Personalisierung als Geschichtsvermittlung, als Deutung und Darstellung von Ereignissen beschreiben, die aus Perspektive grosser Persönlichkeiten veranschaulicht wird und die als gängiges Prinzip der Geschichtswissenschaft des 19. und frühen 20. Jahrhunderts galt. (vgl. auch Gautschi, Vom Nutzen des Biografischen für das historische Lernen, 171-172.)

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tion über die Lebenszusammenhänge» bieten, «in welche die Geschichte dieser Menschen eingebettet ist»14 und so auf authentische, nachvollziehbare Art und Weise Einblicke in Lebenswelten geben, die das Thema Industrialisierung erlebbarer machen.15 Damit aber nicht genug: Die Figuren sollen als Orientierungspunkte im Prozess der Industrialisierung fungieren, der bis heute anhält.16 Dieses Zusammenspiel aus fiktiven Beispielen und empirischen Erkenntnissen17, welche die hier entwickelten Figuren verkörpern, soll die Schülerinnen und Schüler letztlich dazu ermuntern, ihr eigenes Leben als Zeitzeuginnen und Zeitzeugen einer neuen Phase der Industriellen Revolution (Digitalisierung) festzuhalten. Eine Auseinandersetzung, die ihre narrative Kompetenz18 weiter stärken, sie zu einer kritischen Beobachtung auch ihrer selbst anregen und schliesslich dazu bringen soll, sich zu fragen, wie sie selbst einmal – oder vielmehr – in was für einer Welt sie leben und arbeiten möchten.

Die fiktionalen Inhalte in GSn/I lassen sich mit folgenden Eigenschaften zusammenfassen:

das Thema mithilfe der eingangs gestellten Frage (vgl. Kapitel 1.1) erlebbar und nachvollziehbar vermitteln mit dem Ziel, das Interesse am Fach Geschichte zu wecken und/oder zu verstärken namenlosen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die in keinen Quellen behandelt werden, eine möglichst realistische Stimme geben mit dem Ziel, ihre Lebenszusammenhänge nachvollziehen zu können19 , eine «innere Anteilnahme»20 zu erzeugen und so auch ein «Fragen nach ‹Sinn und inneren Wahrheiten›»21 zu ermöglichen, gerade wenn es darum geht, einen Zusammenhang zwischen dem Leben bzw. Handeln dieser Figuren und der eigenen Gegenwart herzustellen das «Handwerk» der Geschichtswissenschaft (und mit ihr die Erkenntnis, dass Geschichte mit ihren zahlreichen un-

14 Gautschi, Geschichte lehren, 64.

beantworteten Fragen immer wieder an ihre Grenzen stösst) näher bringen mit dem Ziel, Darstellungen von historischen Ereignissen – insbesondere in einem geschichtskulturellen Kontext (Filme, Romane, Podcasts etc.) – immer auch kritisch zu beleuchten auf die gesellschaftliche Bedeutung des Geschichte(n)erzählens sowie auf die damit verbundenen Gefahren hinweisen mit dem Ziel, das kritische Denken weiter zu fördern und somit auch eigene Ansichten und Vorstellungen stets zu hinterfragen.

1.3 WIE IST ES DAZU GEKOMMEN

Inspiration für die Idee von GSn/I war eine mehrmonatige Stellvertretung als Geschichtslehrer an der Alten Kantonsschule in Aarau im Jahr 2017, wo ich im Rahmen der Unterrichtsvorbereitung Aufgaben mit fiktiven Szenarien entwickelte. Das positive Feedback, das ich im Anschluss aus den verschiedenen Schulklassen bekommen habe, weckte in mir den Wunsch, ein eigenes Lehrmittel zu schreiben. Eine Weiterbildung an der Pädagogischen Hochschule Chur 2019/2020 (CAS Lehrmittelautor/in) bot mir die Möglichkeit, meine Idee fachlich prüfen zu lassen und in Form einer Abschlussarbeit auf Papier zu bringen. Ziel der Arbeit war es, Inhalte für Lern- und Lehrwerk zu erstellen, die sechs Lektionen innerhalb des Themenblocks Industrialisierung entsprechen.

Das positive und motivierende Feedback seitens meiner Betreuerin (das Lehrmittel verfüge über viel Innovationspotenzial) hat mich in meiner Absicht nochmals bestärkt, meine Idee zu einem Lehrmittel weiterzuentwickeln.

GSn/I sollte vorzugsweise aus vier Teilen bestehen, aus einem Lernwerk in gedruckter Form (LERNWERK_PRINT), einem Lehrwerk in gedruckter Form (LEHR-

15 Die hier entwickelten bzw. geplanten Figuren sollen nicht nur Johnannes Frieds Vorstellung von einer konstruktiver Einbildungskraft (vgl. Fried, Wissenschaft und Phantasie, 303.) gerecht werden, sondern auch Michael Sauers Forderung nach einer offenen und reflektierenden Darstellungsweise, die so «Multiperspektivität ins Spiel bringen, keine gradlinigen Helden- und Identifikationsgestalten, sondern ‹gebrochene› Figuren präsentieren, Distanzierungen erlauben, Situationen und Motive in ihrer Komplexität beschreiben» und nicht zuletzt «Erzählperspektiven differenzieren» könne. (Sauer, Geschichte unterrichten, 131.)

16 Den hier entwickelten bzw. zu entwickelnden Inhalten soll das biografische Verfahren zugrunde liegen und mit einem «fiktionalen Anstrich» versehen werden, ohne dabei die damit eihergehenden didaktischen Prinzipien Personifizierung, Narrativität, Exemplarität, Anschualichkeit, Perspektivität und Pluralität ausser Acht zu lassen. (vgl. Gautschi, Vom Nutzen des Biografischen für das historische Lernen, 172).

17 Peter Gautschi nennt diese Voraussetzung eine «innere Nähe zu einer Epoche», die bewusst geschehen solle, etwa indem sie «mit andern methodischen Zugängen wie der Interpretation von Quellen oder dem Umgang mit Statistiken gesichert oder in Frage gestellt» werde. (Gautschi, Geschichte lehren, 66.)

18 Gautschi unterteilt die narrative Kompetenz in die Bereiche Wahrnehmungs-, Erschliessungs-, Interpretations- und Orientierungslkompetenz (vgl. Gautschi, Vom Nutzen des Biografischen für das historische Lernen, 176).

19 vgl. Gautschi, Geschichte lehren, 66.

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ebd., 65. ebd., 66. 1.4 WIE KÖNNTE DAS LEHRMITTEL AUFGEBAUT SEIN?
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WERK_PRINT) sowie aus einem Lernwerk in digitaler Form (LERNWERK_DIGITAL) und einem Lehrwerk als eBook, das mit einer Online-Plattform (LEHRWERK_DIGITAL) verknüpft ist.

Die Lehrmittelteile LERNWERK_DIGITAL und LEHRWERK_DIGITAL existieren derzeit als Ideen. In LEHRMITTEL_PRINT werden an einigen Stellen (Rubriken oder Arbeitsblättern) mögliche Inhalte skizziert. Hierbei aber handelt es sich eher um einzelne Momentaufnahmen, um mögliche digitale Erweiterungen, als um ein ausgereiftes Konzept. Dennoch lässt sich eines festhalten: LERNWERK_ DIGITAL soll eine Ergänzung sein zu seinem analogen Pendant und so geschichtsdidaktische Prinzipien zur Anwendung bringen, die in LERNWERK_PRINT aus Platzgründen nicht oder nur unzureichend berücksichtigt werden könnten. So sollen in LERNWERK_DIGITAL beispielsweise im Sinne der Multiperspektivität perspektivische Sichtweisen zur Verfügung gestellt werden, etwa, wenn es darum geht, ein bestimmtes Thema in seiner politik-, sozial- und kulturgeschichtlichen Dimension aufzuzeigen. Das kann mittels audio-visueller Quellen und Darstellungen ermöglicht werden, um so auch geschichtskulturelle Aspekte des jeweiligen Themas besser zu berücksichtigen.

Neben der Multiperspektivität sollen in LERNWERK_DIGITAL auch weitere didaktische Prinzipien wie die der Orientierung und der Transparenz zum Tragen kommen, beispielswiese mittels animierter Grafiken, die ein bestimmtes Thema besser veranschaulichen oder mittels beispielhafter Methoden-Tipps, die als Unterstützung bei der Quellenanalyse dienen. Zusammenfassend soll mit dieser digitalen Erweiterung das Fach Geschichte bzw. die Geschichtswissenschaft ganz generell «nicht als feststehende Narration» in Erscheinung treten und entsprechend vermittelt werden, «sondern als Konstrukt».22 Ähnlich verhält es sich bei LEHRWERK_DIGITAL. Die beretis erwähnte Online-Plattform für das Lehrwerk existiert derzeit ebenfalls nur als Idee und auch hier lässt sich vorweg Folgendes festhalten:

LEHRWERK_DIGITAL will nicht (nur) als eine digitale Version von LEHRWERK_PRINT fungieren. Vielmehr soll dieser Lehrmittelteil (eBook) mit einer Plattform verknüpft sein,

auf welcher Lehrpersonen ihre Unterrichtserfahrungen mit anderen teilen können, nicht zuletzt dann, wenn es darum geht, die dort aufgeführten Module zu ergänzen, bestimmten aktuellen Begebenheiten anzupassen oder auch auf spezifische Lernsituationen zuz schneiden.

Unmittelbares Ziel ist es, GS/nI in Form eines ausgereiften Konzepts und mit einer grossen Auswahl an fertig konzipierten/gestalteten/verfassten Seiten bzw. Themen-/ Unterrichtseinheiten für die Präsentation in einem Verlag zu entwickeln. Zu diesem Konzept gehört auch ein grob skizzierter Vorschlag, wie dieses Projekt zu einem «Gesamtlehrmittel» im Fach Geschichte weiterentwickelt werden könnte.

Längerfristiges Ziel ist die Entwicklung eines «Gesamtlehrmittels» im Fach Geschichte auf Sekundarstufe II (und allenfalls auch auf Sekundarstufe I), das auf demselben Konzept beruht bzw. dieselben Eigenschaften aufweist wie GSn/I (vgl. Kapitel 1.2).

1.7 WIE IST DER STAND DER DINGE?

Derzeit liegen Rohversionen des Lern- wie auch des Lehrwerks inkl. Layout- und Illustrationsskizzen vor. Zum Lehrwerk zählen sechs ausgearbeitete Lektionen in Textform sowie in gestalteter Form. Zum Lernwerk gehören erste ausgearbeitete Sachtexte sowie fiktionale Inhalte inkl. Layout, u.a. diverse Arbeitsblätter wie «Steckbrief» und «Familienbudget» sowie zwei Kurzgeschichten mit je einem Arbeitsauftrag (ebenfalls als Layout). Die beiden erwähnten Übungen gehören zu den Aufgaben, die während meiner Unterrichtstätigkeit an der Alten Kantonsschule Aarau erstmals zum Einsatz gekommen sind. Die Sachtexte wie auch die entwickelten Kurzgeschichten sind im Rahmen meiner CASArbeit entstanden (vgl. Kapitel 1.3).

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22 Bernhardt/Bunnenberg, Alter Wein in neuen Schläuchen oder Aufbruch zu neuen Ufern?, 148.; vgl. hierzu auch Barricelli, Narrativität, 273-277. 1.5 WOHIN SOLL ES KURZFRISTIG GEHEN? 1.6 WOHIN KÖNNTE ES LÄNGERFRISTIG GEHEN? _Hinweis Im Juni 2023 wurde GSn/I von Dr. Hans Utz gesichtet. Seine ersten Eindrücke zum Projekt hat er schriftlich festgehalten (vgl. Kapitel 3).

2 LITERATUR

Barricelli Michele, Narrativität, in: Michele Barricelli/ Martin Lücke (Hg.), Handbuch Praxis des Geschichtsunterrichts, Bd. 1, Frankfurt a. M. 2012, S. 255-280.

Bergmann Klaus, Personalisierung, Personifizierung, in: Klaus Bergmann/ Klaus Fröhlich / Annette Kuhn (Hg.): Handbuch der Geschichtsdidaktik, Seelze-Velber 1997, S. 299.

Bernhardt Markus/ Bunnenberg Christian, Alter Wein in neuen Schläuchen oder Aufbruch zu neuen Ufern? Kritische Überlegungen zu einem «digitalen Schulgeschichtsbuch» am Beginn des 21. Jahrhunderts, in: Wolfgang Buchberger/ Christoph Kühberger/ Christop Stuhlberger (Hg.), Nutzung digitaler Medien im Geschichtsunterricht, Innsbruck 2015, S. 148.

Bloom Benjamin S., The Taxonomie of Educational Objectivities, 2 Bde., New York, London 1956.

Bruner Jerome S., Entwurf einer Unterrichtstheorie, Berlin 1974.

Cathomas Rico/ Gessler Myriam, Der CAS Lehrmittelautor*in an der PH Graubünden. Lehrmittelentwicklung mittels Modellierung: Der Qualitätsquadrant für Lernaufgaben und Lernziele, in: ilz.ch, 1 (2021), 4-9.

Fried Johannes, Wissenschaft und Phantasie. Das Beispiel der Geschichte, in: Historische Zeitschrift 263 (1996), S. 291-316.

Gautschi Peter, Geschichte lehren, Lernwege und Lernsituationen für Jugendliche, Bern 2015.

Gautschi Peter, Vom Nutzen des Biografischen für das historische Lernen, in: Menschen mit Zivilcourage. Mut, Widerstand und verantwortliches Handeln in Geschichte und Gegenwart, Luzern 2015, S. 171-179.

Kosselek Reinhart, Fiktion und geschichtliche Wirklichkeit, in: Zeitschrift für Ideengeschichte (3, 2007), S. 39-54.

Sauer Michael, Geschichte unterrichten: Eine Einführung in die Didaktik und Methodik, SeelzeVelber 2010.

White Hayden, Auch Klio dichtet oder Die Fiktion des Faktischen, Stuttgart 1991, Kap. 5: Die Fiktionen der Darstellung des Faktischen, S. 145-160. [engl. orig. 1978]

White Hayden, Metahistory, Die historische Einbildungskraft im 19. Jahrhundert in Europa, Frankfurt 1991. [engl. orig. 1973]

Lehrplan 21: https://bs.lehrplan.ch/index.php?code=b|6|0&la=yes (aufgerufen am: 27.05.2023)

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3 FRAGEN UND FEEDBACK

Momentan stehen zahlreiche Fragen im Raum, die es zu klären gilt und die ich hier – in Themen unterteilt – zusammengetragen habe. Wichtig: Es handelt sich hierbei um eine Momentaufnahme, um eine provisorische Liste, die laufend korrigiert bzw. ergänzt werden soll. Hinzu kommt, dass einige der hier aufgeführten Fragen erst zu einem späteren Zeitpunkt beantwortet werden können. Im Juni 2023 wurde GSn/I von Dr. Hans Utz (PH Luzern) gesichtet. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Hans Utz für diesen wertvollen ersten Eindruck.

Frage allgemein

Wie finden Sie das Konzept/die Idee?

(H. Utz)

«Mit der Verbindung von virtuoser Sprache und fundiertem Geschichtswissen (die mit dem innovativen Einbezug des Fiktiven zum Ausdruck kommt), mit der Verbindung von gestalterischem Geschick (Adobe Indesign längst nicht nur als Hobby) und dem Gespür für das, was die Schüler:innen interessieren könnte – mich hat es jedenfalls gleich hineingezogen. Die hybride Form des Lehrmittels überzeugt mich auf Anhieb (man müsste dann im Lernwerk noch in der Praxis abklären, wie sich Print- und digitaler Teil mit ihren jeweiligen Stärken ergänzen). Die Detailausarbeitung überzeugt mich also.»

Fragen betr. Inhalt

Wie genau soll das Lehrmittel thematisch aufgebaut sein?

Welche Themen müssen undbedingt berücksichtigt werden?

(H. Utz)

«Schweizbezug: Der Bezug zur Schweiz ist den aktuellen Lehrplänen in den Vordergrund gerückt und auch in den Lehrmitteln verstärkt worden.»

Braucht es eine Art Guideline/Regelkatalog für die fiktionalen Inhalte?

Weitere Fragen?

(H. Utz)

«Welche Art von Lehrmittel streben Sie an? Ein unterrichtsleitendes mit der Abdeckung des Unterrichtskanons oder ein Speziallehrmittel zu den technischen Revolutionen? In beiden Fällen: Ist das Konzept ‹Industrialisierung› als historische Epoche noch tragfähig? Der Lehrplan 21 und auch die Rahmenlehrpläne der Berufsschule und des Projekts WEGM gehen Richtung thematische Längsschnitte, beziehen also die Zweite und Dritte Technischen Revolution (LP 21: ‹Leben mit technischen Revolutionen›) ein. Stiglitz scheint – aus meiner Sicht zu Recht – in der Schule angekommen zu sein.»

Fragen betr. Wissenschaft

Welche weiteren Aspekte aus der Geschichtswissenschaft müssen unbedingt berücksichtigt werden?

Welche weiteren Aspekte aus der Geschichtsdidaktik müssen unbedingt berücksichtigt werden?

Weitere Fragen?

Fragen betr. Konzept

Wie genau soll das Lehrmittel thematisch aufgebaut sein?

Aus welchen Teilen soll das Lernwerk bestehen?

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Aus welchen Teilen soll das Lehrwerk bestehen?

Wie genau soll/kann sich LERNWERK_DIGITAL von LERNWERK_PRINT abgrenzen?

Wie genau soll/kann sich LEHRWERK_DIGITAL von LEHRWERK_PRINT abgrenzen?

Weitere Fragen?

(H. Utz)

«Adressatenausrichtung Schüler:innenstufe: Die Adressatenausrichtung wäre noch zu klären: Im Lehrwerk werden der Stufe entsprechende Unterrichtsvorschläge entworfen, im Lernwerk sind die Aufgaben noch auf einer niedrigen Bloomschen Taxonomiestufe angesetzt.

Adressatenausrichtung Lehrer:innenstufe: Was kann das Lehrmittel für Lehrer:innen attraktiv machen? Auf der Sekundarstufe 2 herrscht ja weitgehende Lehrmittelfreiheit, also muss man die Lehrer:innen gewinnen.»

Fragen betr. Zusammenarbeit

Welches Knowhow braucht es? (Redaktion, Konzeption, Grafik, Illustration, Praxis, Geschichtswissenschaft, -didaktik, Marketing, Lektorat, Korrektorat etc.)

Braucht es Unterstützung aus anderen Bereichen?

Was ist meine Funktion und was bringe ich mit?

Wie könnte unsere Zusammenarbeit aussehen?

Weitere Fragen?

Fragen betr. Umsetzung

Welche technischen Möglichkeiten gibt es bzgl. Online-Plattform?

Weitere Fragen?

Fragen betr. Vorgehen

Was wird alles benötigt, damit das Projekt bei einem Verlag o.ä. präsentiert werden kann?

Weitere Fragen? Noch etwas?

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Skizze

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