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SIEBEN LEBEN FÜR DEN TOASTER

Ein Besuch im Reparatur-Café Freiburg

Produkte kaufen, die mit Klimaneutralität werben – schön und gut. Noch besser für Umwelt und Ressourcen ist allerdings der Versuch, Kaputtes zu reparieren. Genau das bietet das Reparatur-Café Freiburg. Ein kostenloser Service, der ankommt. Die ehrenamtlichen Frickler kommen oft kaum hinterher. f79-Autorin Lenja Kruck hat sich das angeschaut.

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Oft lassen sich Defekte mit ein wenig Kenntnis leicht beheben. Gerade bei Elektrogeräten geht das Reparieren nicht jedem spielerisch von der Hand und viele greifen doch lieber zu einem neuen Gerät. Genau das ist von den Herstellern gewollt: Das Stichwort lautet „Geplante Obsoleszenz“. Kleine Einzelteile eines Geräts gehen nach wenigen Jahren kaputt, die fürs Funktionieren essentiell sind. So werden mehr neue Dinge gekauft und die Gewinne gesteigert. Aber es werden eben auch Ressourcen belastet.

In Freiburg bietet sich allerdings seit 2014 eine weitere Möglichkeit, mit Elektroschrott umzugehen: das Reparatur-Café. Zweimal im Monat treffen sich hier Bastelbegeisterte, die einen Nachmittag lang versuchen, bis zu 40 meist elektronischen Geräten neues Leben einzuhauchen. Und das kommt an: Immer wieder bringen Menschen so viele Geräte vorbei, dass das Team kaum alles abarbeiten kann.

Ich will selbst herausfinden, wie das Café arbeitet. Also bringe ich meinen eigenen Reparaturfall mit zum heutigen Treffpunkt der Reparatur-Café-Crew: das „FreiLab“ in Freiburg an der Ensisheimer Straße. Dabei habe ich einen Discman, bei dem sich die CD zwar noch dreht, der allerdings keinen Ton mehr von sich gibt. Ist der noch zu retten?

Neben meiner Discman-Mission bin ich verabredet mit Martin Babutzka, einem der Ehrenamtlichen, die sich der versehrten Geräte annehmen. Seit vier Jahren ist der 37-Jährige nun schon dabei. Nachdem ich meinen Discman in die Obhut eines anderen Ehrenamtlichen gegeben habe, begleite ich Martin zu seinem Arbeitsplatz. Vor ihm liegt ein aufgeschraubtes Tablet.

Die Auswahl an Menschen, die hier anpacken, ist breit gestreut: Eine große Altersund Berufsspanne kann sich hier für GeräteWiederbelebung begeistern, berichtet Martin. Rund zehn Leute schrauben, löten, inspizieren. Egal ob Staubstauger, PC oder Drucker. Ob man ausgebildet ist oder „nur“ interessiert, spielt keine Rolle, erklärt Martin: Es ist jeder willkommen, der helfen möchte. Etwa zehn Männer schrauben an Geräten, versuchen ihnen neues Leben einzuhauchen. Frauen mit Schraubenzieher in der Hand sehe ich heute keine.

„Es ist auch ein Lucky Circle“, sagt Martin. Jede gelungene Reparatur motiviert dranzubleiben. „Man interessiert sich sowieso schon dafür, hat dann hier seine Erfolgserlebnisse und will weitermachen. Dadurch sammelt man Erfahrungen und wird eben noch besser und so weiter.“

Die meisten Geräte, die die Leute herbringen, haben unter hundert Euro Restwert. In einer professionellen Reparaturwerkstatt würde man vermutlich einfach zu einem neuen Gerät raten. Lohnt sich nicht. Aber gerade das wollen die Leute ja nicht, aus ganz verschiedenen Gründen: sei es eine persönliche Beziehung zum Gerät, die Ökologie oder auch das Geld, das eine Neuanschaffung kosten würde.

Nach dem Gespräch setze ich mich noch einmal rüber zu meinem Discman. Der ist schon auseinandergebaut und das Problem analysiert: Die Linse ist verschmiert. Ich bekomme ein in Alkohol getränktes Wattestäbchen in die Hand gedrückt, mit dem ich nun vorsichtig die kleine Lupe poliere, durch die der Mechanismus die feinen Rillen auf der CD liest. Dann setzen wir die Linse wieder ein, ziehen die Schrauben an, und siehe da: Das 3-Fragezeichen-Intro ertönt beim Ausprobieren wieder in voller Lautstärke.

Reparatur-Café Freiburg

Jeder kann im Reparatur-Café Dinge zur Reparatur vorbeibringen. Der Service ist kostenlos. Eine Garantie auf ein neues Leben gibt es allerdings nicht. Auch wer mithelfen möchte beim Wiederinstandsetzen, ist willkommen. Das Café ist zweimal im Monat offen. Die Zeiten finden sich auf: www.reparaturcafe-freiburg.de

Der nächste Termin ist am 11. Juli ab 18 Uhr im FreiLab Freiburg, Ensisheimer Str. 4

Junge Cracks bauen Freiburg digital auf

Soll der Sandstein am Martinstor eine neue Farbe bekommen? Der Vorschlag wird abgelehnt, alles soll beim Alten bleiben. Aber die Gebäude neben dem Freiburger Wahrzeichen – die könnten eine Überholung vertragen. Nein, es steht kein Face lifting der Freiburger Innenstadt an. Stattdessen baut eine Gruppe Kinder und Jugendlicher die Breisgaumetropole nach – in Minecraft.

Wer den Begriff nicht kennt, wurde wahrscheinlich im vergangenen Jahrtausend geboren. Von keinem anderen Computerspiel gingen mehr Exemplare über die Theke als von Minecraft. Unter anderem können Nutzer*innen ganze Welten mit viereckigen Blöcken erschaffen.

Auch in Freiburg hat das Spiel viele Fans. 14 von ihnen treffen sich wöchentlich auf dem bei Gamer*innen beliebten Online-Portal Discord. Dort sprechen sie über ihr Projekt und werkeln an einer coolen Klötzchen-Version Freiburgs. Koordiniert wird „Freiburg City Building“ von Niklas Fimm. Der 33-Jährige ist Sozialpädagoge beim Jugendbildungswerk Freiburg. Ihm ist es wichtig, den 11- bis 15-Jährigen

Kompetenzen im Projektmanagement zu vermitteln. „Das kommt in der Schule leider zu kurz“, findet er. Deshalb hatte Fimm keine Einwände, als die jungen Baumeister den Plan schmiedeten, ganz Freiburg nachzubauen. „Dass das nicht machbar ist, haben sie schnell erkannt“, berichtet der Pädagoge. Der Kompromiss: Zunächst steht der Raum zwischen Martinstor und Dreisam im Fokus. Nach rund fünf Monaten hat das Team Ende Mai schon einiges zu präsentieren: Mehr als 1000 Blöcke sind in mühevoller Kleinarbeit verbaut. Allein der Aufbau eines Freiburger Wahrzeichens hat satte zehn Stunden gedauert – doch das hat sich gelohnt: Das Martinstor inklusive Mc -

Donalds-Schriftzug ist klar zu erkennen. Errichtet hat es JediWlanKenobi. Gesteuert wird der Avatar vom 15-jährigen Paul. Er ist mit anderen begeisterten Mitstreitern vergangenes Jahr im Haus der Jugend auf die Idee für das Projekt gekommen. Neben dem Martinstor stehen im MiniaturFreiburg bereits die Nachbarhäuser, das GoetheGymnasium und die ersten Meter der Fischerau sind ebenfalls auszumachen. Die jungen Baumeister arbeiten mit viel Herzblut. „Es ist toll, was alles möglich ist und wie viel wir bauen können“, sagt der 15-jährige Linus. Ähnlich sieht das Johnny: Der 14-Jährige findet es cool, mit Leuten, die er abseits des Spiels nicht kennengelernt hätte, die eigene Stadt nachzubauen.

Für „City Building Freiburg“ hat das Jugendbildungswerk einen eigenen MinecraftServer angemietet. Damit alles rundläuft, hat Fimm den 17-jährigen Joshua Herr als Administrator ins Boot geholt. „Ich bin zwar selbst Gamer, mit Minecraft kenne ich mich aber kaum aus“, sagt Fimm. Herr dagegen zockt das Spiel seit elf Jahren.

Fimm kann sich viele Einsatzmöglichkeiten für das Minecraft-Freiburg vorstellen: Dazu gehören nicht nur digitale Stadtführungen, sondern auch Beteiligungsverfahren. Sollte beispielsweise irgendwann der Holzmarkt umgebaut werden, könnten Jugendliche ihre Ideen direkt auf dem Server präsentieren. Das erinnert an ein Projekt in Cottbus: Dort haben Jugendliche während der Pandemie mit YouTubern ihre Stadt der Zukunft in Minecraft kreiert.

Eigentlich läuft das Projekt nur noch bis Mitte Juli. „Wir wollen es aber auf jeden Fall weiterführen“, sagt Fimm. Gerade kümmert er sich um die weitere Finanzierung. Die Nachwuchs-Baumeister haben derweil noch einiges vor. Auf die Frage, welches Freiburger Bauwerk sie unbedingt noch bauen wollen, haben fast alle die gleiche Antwort: Das Freiburger Münster braucht einen Doppelgänger auf dem Minecraft-Server.