Titel Kriminalität
DROGENSUMPF IM KNAST Insider über ein Netzwerk, in das auch Beamte verwickelt sind
A
m 9. April verurteilte das Freiburger Landgericht eine Beamtin der Justizvollzugsanstalt Freiburg (JVA) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten. Wegen Beihilfe zum Drogenhandel. Wegen Bestechlichkeit. Ein 33-jähriger mitangeklagter Häftling bekam zweieinhalb Jahre. „Das ist nur die Spitze des Eisbergs, in den Drogenhandel sind mehrere Dutzend Bedienstete verwickelt“, behauptet der ehemalige Häftling Gero*. Für das baden-württembergische Justizministerium ist der Drogenhandel hinter Mauern „eine der wesentlichen Herausforderungen des Justizvollzugs“. Laut JVA-Leiter Michael Völkel lässt es sich „nicht vollständig vermeiden, dass Drogen eingebracht werden“. Die Freiburger Staatsanwaltschaft ermittelt auch nach dem Prozess weiter. Da diese Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind, kann die Erste Staatsanwältin Martina Wilke „nähere Informationen momentan nicht mitteilen“. Verfahren gegen weitere Bedienstete der JVA seien aber derzeit nicht anhängig. Die Drogen kommen auf vielen Wegen ins Gefängnis: Auf dem Postweg, durch Besucher oder Externe, im Lieferverkehr oder auch durch Mauerüberwürfe, listet Anstaltsleiter Völkel auf. Aber immer wieder eben auch durch eigene Bedienstete.
10 CHILLI JuNI 2021
2011 stand ein 45-jähriger JVA-Beamter vor dem Freiburger Landgericht, weil er für 1000 Euro einen Sicherheitsverwahrten im Dezember 2008 mit 26 Gramm Marihuana und 30 Subutex-Tabletten beliefert hatte. Die Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten wurde in zweiter Instanz um zehn Monate verkürzt und zur Bewährung ausgesetzt. Im Juni 2012 wurde ein Beamter wegen Beihilfe zum Drogenhandel und Bestechlichkeit verurteilt. Zwischen April 2006 und August 2007 hatte sich ein bis über beide Ohren verschuldeter Beamter mehrfach von Häftlingen bestechen lassen, die Insassen mit Tabak, Alkohol, Bargeld und Drogen versorgt – für 800 Euro Darlehen und 900 Euro in bar. Die jetzt verurteilte Beamtin bekam mindestens 2500 Euro. Bei ihr zogen die Ermittler 4000 Euro ein. Die verhältnismäßig geringen Summen, mit denen sich einige JVA-Mitarbeiter kaufen ließen, verwundern. Im mittleren Vollzugsdienst verdienen langjährige Beamte monatlich 4750 Euro brutto im Monat. „Es ist immer was da, du musst entweder Beziehungen nach draußen oder was zum Tauschen haben, Kaffee, Tabak oder Schokolade“, erzählt der Ex-Gefangene Berri* dem chilli. „Manche haben den ganzen Schrank voll damit“, sagt er. Das Monopol auf Zigaretten werde von den russischen Insassen
Fotos: © iStock.com/menonsstocks, Ralf Geithe, Neithard Schleier
Von Philip Thomas & Lars Bargmann