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INHALT WIE DIE UNTERNEHMENSGRUPPE ENTSTAND
bel an den sich wandelnden Bedürfnissen von Markt und Kundschaft orientieren. Die Cellere-Gruppe liefert den Beweis: Sie hat sich auf ihrem langen Weg durch die Wirtschaftsgeschichte der Schweiz weder durch konjunkturelle Schwierigkeiten noch durch harten Wettbewerb beirren lassen. Schliesslich braucht es Arbeitnehmende mit einem entsprechenden Rucksack an Fachwissen und der Bereitschaft, immer dort anzupacken, wo es kräftige Hände braucht. Die Wertschätzung dieser Leistungen ist für ein Unternehmen zentral. Ich gratuliere dem Unternehmen und seinen Mitarbeitenden zum 100. Geburtstag. Unsere Volkswirtschaft ist stark dank Leistungen, wie sie von der Cellere seit 100 Jahren erbracht werden. Wenn wir erfolgreich in die Zukunft schreiten wollen, dann brauchen wir eine stabile Grundlage, die nur gemeinsam von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft gelegt werden kann. Kreativität, Mut, Durchhaltevermögen führen zum Erfolg.
Doris Leuthard Bundesrätin Vorsteherin Eidg. Volkwirtschaftsdepartement
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Selbst wenn es denn wahr sein sollte, dass man aus der Geschichte nichts lernt, so werden wir alle unbestreitbar von Vorbildern geprägt, lernen wir aus Erfahrungen anderer Menschen und aus den eigenen. Schon deswegen lohnt sich der Blick zurück. Darüber hinaus gibt es etwas zu feiern – einen 100-jährigen Geburtstag. Dies ist in der Unternehmenswelt ein noch selteneres Ereignis als bei Menschen. Und wie für das Lebensalter des Menschen braucht es für runde Geburtstage keine grossen Begründungen, um von der Gegenwart her zurückzuschauen, in ganz bescheidener Weise zu feiern – und auch einen Blick in die Zukunft zu tun.
In dieser Sondernummer finden Sie einen Überblick über die heutige Cellere-Gruppe, über den IST-Zustand und die Geschichte der Regionalgruppen und deren Tochtergesellschaften sowie der Dachgesellschaft. Sie erfahren auch etwas über die Ziele, die wir in der Zukunft erreichen wollen. Sie erhalten Einblick in die Lebensgeschichte von Lodovico Cellere, des Gründers unserer Unternehmung, und erfahren Näheres über seinen unbeugsamen Willen und seine unternehmerische Gestaltungskraft. Sie lernen die Art und Weise kennen, wie Elio Cellere sen. in seine Verantwortung eingeführt wurde und wie er zusammen mit klug ausgewählten Führungspersönlichkeiten die Unternehmensgruppe ausgebaut und zum Erfolg geführt hat. Streiflichter auf die Geschichte und die Entwicklung des Strassenbaus runden diesen Blick ab. Und auf der letzten Seite begegnen Sie markanten Köpfen aus der Cellere Geschichte – einer beinahe willkürlichen Auswahl von Mitarbeitenden aller Stufen. Sie stehen für die Tausenden von Mitarbeitenden, die unserem Unternehmen in den vergangenen hundert Jahren ihre Arbeitszeit und Arbeitskraft zur Verfügung gestellt haben und durch deren Zusammenwirken ein Unternehmen entstand und weiterentwickelt wurde, das gesund und mit Zuversicht in die Zukunft blicken kann.
Ludwig Cellere Benno Schneider
Der Beitrag von Elio Cellere Unternehmensgruppe
Hundert Jahre Cellere Strassenbau sind auch hundert Jahre Familiengeschichte Cellere, geprägt von Lodovico Cellere, dem Grossvater, und von Elio Cellere, dem Vater der heutigen Generation, welche die Familiengeschichte weiterschreibt und auch an der Gestaltung der Unternehmensgeschichte entscheidend mitwirkt. Zwar sind die meisten der in diesem Extrablatt des Corriere beschriebenen Aktiengesellschaften der Cellere-
Gruppe «erst» vor rund 50 Jahren gegründet wor-
den. Die Geburtsstunde der Gruppe schlug aber tatsächlich im Jahre 1909, als sich Lodovico Cellere, später Ludwig genannt, selbständig machte und damit Unternehmer wurde: Er war ein Macher, der mit Initiative, Zielstrebigkeit und Beharrlichkeit auch manche Rückschläge überwand, aus einem Einmann-Unternehmen eine Strassenbaufirma mit mehreren Zweigbetrieben formte und so das Fundament für die heutige Cellere-Gruppe legte. Auf diesem Fundament baute sein Sohn Elio anschliessend weiter, unterstützt von sorgfältig ausgewählten Kadermitarbeitenden. Zuvor war er von seinem Vater schon früh in die Firma aufgenommen und in die Leitung des Familienunternehmens eingeführt worden. Seit 1977 ist mit Ludwig Cellere die dritte Generation in der operativen Leitung der Cellere- Gruppe tätig, die zusammen mit der Familie anfangs der Neunzigerjahre einen schweren Betrugsfall zu überstehen hatte und die im Gefolge dieser Wirren nach intensiver Lösungssuche in der Familie Schneider eine zweite wichtige Aktionärin neben sich hat. Die Familien Cellere und Schneider wollen zusammen die Unternehmensgruppe im Sinn und Geist der beiden Unternehmenspioniere als Familienunternehmen weiterführen und neben dem Erzielen wirtschaftlichen Erfolges vor allem auch Nutzen für die Mitarbeitenden und Kunden stiften. Die Cellere-Gruppe soll den Mitarbeitenden eine verlässliche und faire Arbeitgeberin bleiben und zu ihnen stehen. Ihren Kunden will sie weiterhin professionelle Leistung in einer Zusammenarbeit bieten, die von fachlicher Kompetenz, Zuverlässigkeit und Loyalität geprägt ist.
Beitrag von Ludwig Cellere und Elio Cellere zum Entstehen unserer Unternehmensgruppe
Ludwig Cellere, 1887-1973
Wie alles begann
Doch nun zurück zu den Anfängen. Wie alles begann, lassen wir Ludwig Cellere, geb. am 8. Mai 1887 im Elsass, in den «Memoiren meines Lebens» am allerbesten selber erzählen. Auf Seite 8 finden Sie diesen handgeschriebenen Text, den wir als Glücksfall betrachten und nur sanft redigiert und ganz leicht gekürzt haben. Lodovico Celleres Vater hatte zusammen mit seiner Frau die italienische Heimat verlassen, um in der Fremde ein Auskommen als Wanderarbeiter zu finden.
Nicht ohne meine Toscani!
Nach zahlreichen Umzügen führte sie 1901 der Weg erstmals nach St.Gallen, wo Lodovico Cellere eine dreijährige Pflästerer-Lehre bei Meister Angelo Palatini erfolgreich abschloss. Danach arbeitete er noch einige Zeit bei seinem Lehrmeister und trat anschliessend eine Stelle als Pflästerer beim städtischen Bauamt St. Gallen an. Aber als seine Vorge-
Elio Cellere, 1910-1994

setzten ihm das Rauchen seiner geliebten Toscani während der Arbeit verbieten wollten, machte er sich im Frühjahr 1909 selbständig. Dieser Schritt war die Geburtsstunde der Cellere-Gruppe, und er wäre wohl auch ohne Rauchverbot erfolgt: Zu stark sprühte Ludwig Cellere vor Ideen, sah interessante Geschäftsmöglichkeiten und wollte sein eigener Herr und Meister sein.
Die Weitsicht des Pioniers
Nach der Zeit des Ersten Weltkriegs, in der Ludwig Cellere mit einem Pflästerer-Auftrag in Italien sowie einem Steinbruch in Buchs Verluste erlitten und das Schweizer Bürgerrecht erworben hatte, erfolgte eine Umwälzung im Strassenverkehr: Das Automobil mit seinen Vollgummipneus tauchte auf – und besonders die Lastwagen strapazierten die Überlandstrassen in hohem Masse. Diese hielten der Belastung nicht stand; Staub und Schmutz beeinträchtigten die Lebensqualität. Ludwig
Lodovico Cellere auf Baustellenbesuch in St.Gallen

Kerenzerberg, 1937

Kaiserstuhl, 1936

Cellere hatte sich inzwischen mit seinem Lehrmeister Palatini zusammengetan; die Kollektivgesellschaft Palatini & Cellere setzte voll auf den Strassenbau und profitierte von einer eigentlichen Technologierevolution. Die bisherige Strassenbautechnik, die auf Kopfsteinpflaster oder auf wassergebundenen Kies- und Schotterdecken für die Strassenoberfläche beruhte, genügte den neuen Anforderungen nicht mehr. Die Firma konzentrierte sich deshalb mit ganzer Kraft auf die neue Technik des Asphaltierens. 1923 erledigte sie die ersten Asphaltieraufträge der Stadt St. Gallen an der Greith- und an der Bachstrasse. 1924 liess sich Lodovico Cellere in England in der Asphaltaufbereitung und Asphaltiertechnik ausbilden, und Palatini & Cellere kauften noch gleichen Jahres als eines der ersten Strassenbauunternehmen in der Schweiz eine moderne Asphalt-Aufbereitungsanlage. Das Unternehmen entwickelte sich erfreulich; es überstand dank des unermüdlichen Einsatzes und der Umsicht der beiden Patrons auch die Weltwirtschaftskrise anfangs der Dreissigerjahre in guter Verfassung.
Schlag auf Schlag
Inzwischen war die zweite Generation der beiden Firmengründer herangewachsen und im Unternehmen tätig. Die beiden Seniorchefs entschlossen sich 1941 aus Gründen, die heute nicht mehr eruierbar sind, die Kollektivgesellschaft hälftig zu teilen, worauf Ludwig und Elio Cellere am 4. April 1941 zusammen die Firma «Cellere & Co. Strassenbau-Unternehmung» gründeten. Von da an erfolgte die rasante Ausweitung des Tätigkeitsgebietes, vor allem nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. 1945 gab es schon drei Betriebe mit eigener Rechnung, nämlich St. Gallen, Frauenfeld und Zürich. 1948 stiessen der Aargau
Ludwig Cellere kanns nicht lassen!

und Zug dazu; 1950 übernahm Cellere auf Wunsch der Familie Palatini auch deren Unternehmung.
Ein grosser Wegmacher
Es folgte eine Phase, in der unter laufender Erweiterung des Aktionsradius‘ und der Ausweitung des Umsatzes die bestehenden Kollektiv- und Kommanditgesellschaften in Aktiengesellschaften umgewandelt wurden. In diese Zeit fiel auch die Gründung der LudwigCellere-Stiftung, die mit ihrer Tätigkeit und Zielrichtung als moderne leistungsfähige Pensionskasse das Zusammengehörigkeitsgefühl der Mitarbeitenden verstärkt hatte. Ludwig Cellere blieb bis 1967 als Patron an der Spitze des Unternehmens. An seinem 80. Geburtstag vertraute er das Steuer endgültig seinem Sohn Elio an, dem er schon vorher laufend Führungsverantwortung übertragen hatte. 1973 starb Ludwig Cellere – bis zuletzt hochverehrt von allen Mitarbeitenden und von der Öffentlichkeit als «grosser Wegmacher» gewürdigt.
Sein Sohn Elio war schon 1929 nach einer Ausbildung als Tiefbautechniker am Technikum Burgdorf in die Firma Palatini & Cellere eingetreten und lernte nach gründlicher theoretischer Ausbildung den Beruf und das Handwerk des Strassenbauers nun auch von der praktischen Seite – und zwar von der Pike auf. Sein grosses Wissen über den modernen Strassenbau, seine zupackende, aber gleichwohl menschliche Art verliehen ihm eine natürliche Autorität, die ihn gegenüber der starken Persönlichkeit seines Vaters bestehen liess und ihm schon lange vor Übernahme der operativen Leitung Respekt und Zuneigung der Mitarbeitenden verschafft hatte.
Föderalismus als Grundprinzip
Nach Übernahme der operativen Gesamtverantwortung im Jahre 1967 strukturierte Elio Cellere die Unternehmensgruppe um und gründete 1968 als Dach aller Cellere-Betriebe die Aktiengesellschaft Cellere St.Gallen, die als Holding-Gesellschaft sämtliche Beteiligungen vereinigte. Gleichzeitig entstand die Cellere Verwaltungs AG, welche die zentralen Dienstleistungen an die Tochtergesellschaften zu erbringen hatte; Tochtergesellschaften, die – dem regionalen und lokalen Charakter des Strassenbau-Geschäfts entsprechend – regional und lokal stark verankert waren und in der Führung ihres Geschäftes grosse Selbständigkeit praktizierten und entsprechende unternehmerische Freiheit genossen. Elio Cellere bewies grosses Geschick in der Auswahl und im Coaching der Führungspersönlichkeiten an der Spitze der Regionalgruppen. Er formulierte das Organisationsprinzip der Cellere-Gruppe: Nur so viel zentrale Führung wie nötig – und so viel unternehmerische Freiheit und Selbständigkeit für die Regionalgesellschaften wie nur möglich. Und er lebte dieses Prinzip mit Konsequenz und beispielhafter Umsicht.
Ein Patron der «alten Schule»
Mit grossem Gespür für die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen führte er die weitverzweigte Gruppe nicht als «EinmannShow». Er bildete ein Führungsteam heran, in welchem, ohne dass der Patron die letzte Verantwortung aus der Hand gegeben hätte, arbeits- und verantwortungsteilig geführt und gehandelt wurde – ein sehr modernes «Management-System», in welchem sich die Stärken der Beteiligten voll entfalten konnten. Neben dem Unternehmen gehörten seine Liebe und Leidenschaft der Familie: 1947 hatte er Helene Beuter geheiratet und dieser glücklichen Ehe entsprossen Ludwig, Elio und Marina, die heutige dritte Cellere-Generation. Sein Herz schlug auch für den Fussballclub St.Gallen: In jungen Jahren traf er als schussgewaltige Stürmer, später war er Vorstandsmitglied, Präsident, Mäzen und schliesslich hochgeschätzter Ehrenpräsident.
Turbulente Neunzigerjahre
In die von ihm ausgewählte und herangebildete Führungscrew integrierte Elio Cellere als Vertreter der dritten Generation seinen Sohn Ludwig Cellere, der nach seinen schulischen und beruflichen Ausbildungsjahren verschiedene Funktionen in Tochtergesellschaften der Cellere-Gruppe erfüllte und seit 1986 Mitglied der Gruppenleitung ist. Die letzten Jahre von Elio Cellere nach seinem 80. Geburtstag wurden überschattet von einem unerhörten Betrugsfall. Seine grosse Stärke, nämlich Vertrauen zu schenken und Vertrauen zu empfangen, wurde hier zur Achillesferse, die sich der mit suggestiver Überzeugungskraft ausgestattete «Betrüger der Sonderklasse» zunutze machen konnte. Die Folge war, dass die unter der Führung von Elio Cellere in der Unternehmensgruppe aufgebaute Substanz zum Teil verloren ging, dass die Familie einen Drittel des Unternehmens an die Appenzell-ausserrho-
Belagseinbau auf der Kantonsstrasse in Niederurnen

Jedes Jahr besuchte Ludwig Cellere (2. vorne links) seine alte Heimat und lud seine Gastarbeiter und Freunde ein. Birreria Pedavena, 1956.


Elio Cellere: Mit Herz und Kopf für den FC St.Gallen (St.Galler Tagblatt, 1934) dische Kantonalbank verkaufen musste, von wo er nach deren Übernahme durch die Schweizerische Bankgesellschaft letztlich bei der heutigen UBS landete. Weitere Aktien mussten verkauft werden, um verbliebene Bankschulden zu bezahlen.

Benno Schneiders Engagement
Als Käufer dieser Aktien wurde schliesslich Benno Schneider gewonnen, dem es gleichzeitig auch gelang, von der UBS das dort befindliche Drittelspaket der Unternehmensgruppe zu erwerben. Mit dieser nach mehreren erfolglosen Versuchen, aussenstehende Partner und Investoren zu finden, entwickelten Lösung konnten die Spätfolgen des Betrugsfalles für Unternehmen und Familie in partnerschaftlicher Weise bereinigt werden. Die Unternehmensgruppe selber war, in erster Linie wegen ihrer bereits erwähnten substantiellen Kraft und dem geschlossenen Zusammenstehen der Familie, aber auch wegen ihrer ausgezeichneten operativen Verfassung nie in Gefahr. Sie behauptete sich auch in den eher schwierigen Phasen, welche die Bauwirtschaft in den letzten Jahren durchzustehen hatte, im Konzert der grossen schweizerischen Bauunternehmen ausgezeichnet. Ihre Führung, welche die Familie Cellere mit Ludwig als Mitglied der Gruppenleitung und Verwaltungsrat und mit Elio jun. als Verwaltungsrat aktiv mitgestaltete, versuchte nach dem Vorbild der Gründerväter einerseits weit voraus- zudenken, andererseits im Tagesgeschäft den technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen entsprechend zu handeln und dabei den Tochtergesellschaften gute Voraussetzungen und freien Raum für selbständiges unternehmerisches Handeln zu schaffen. Und das ist auch in der dritten Cellere-Generation, wie der Zustand der Firmengruppe zeigt, sehr gut gelungen.
Soweit der Blick in die Vergangenheit. Die Zukunft des Unternehmens wollen die beiden Eigentümerfamilien weiterhin im Sinn und Geist der beiden Unternehmenspioniere Ludwig und Elio Cellere gestalten – nicht als Willensvollstrecker dieser beiden hervorragenden Unternehmerpersönlichkeiten, sondern mit ihnen als Vorbild – für ein initiatives, umsichtiges und sozial verantwortungsbewusstes Unternehmertum.
Jedes Jahr besuchte Ludwig Cellere (2. vorne links) seine alte Heimat und lud seine Gastarbeiter und Freunde ein. Birreria Pedavena, 1956. Ludwig und Maria Cellere-Perotto Elio und Helen Cellere-Beuter