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ZUR GESCHICHTE DES STRASSENBAUS

Der bituminöse Strassenbau von 1900 bis heute

Von Niklaus Kornmayer Die Geschichte der Firma Cellere war seit der Gründung mit der Entwicklung des Strassenverkehrs im Allgemeinen und des Automobils im Speziellen eng verknüpft. Am Anfang stand die Bekämpfung des Strassenstaubes, später folgte die Herausforderung durch die immer grösseren Verkehrsbelastungen. In der Neuzeit stehen Ressourcenschonung, Umweltschutz und Lärmreduktion im Vordergrund.

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Zu Beginn des 20. Jahrhunderts baute man die meisten Strassen als Schotterstrassen aus mineralischen Baustoffen auf (Schotter, Kies, Splitt und Sand). Besonders gut hat sich dabei der Aufbau nach dem Prinzip des schottischen Ingenieurs John McAdam bewährt. Mehrere Schichten von Schotter, Kies, Splitt und Sand wurden dabei nacheinander eingebaut und verdichtet. Durch die Verkantung der meist gebrochenen Materialien entstand eine stabile Fahrbahn, die für den damaligen Verkehr genügte.

Auch Pflästerungen verwendete man als Strassenoberfläche, insbesondere für stark belastete Strassen. Die Pflastersteine wurden dabei vorwiegend in Sand verlegt und eingestampft. Diese Bauweise war jedoch sehr aufwendig und konnte sich deshalb auf untergeordneten Strassen nicht durchsetzen.

Diese Dampfwalze mit Baujahr 1920 stand bis 1965 im Einsatz!

Der Siegeszug des Automobils

Mit der Erfindung und der raschen Verbreitung des Automobils veränderte sich jedoch die Situation grundlegend. Damals konnte niemand voraussehen, wie schnell sich das Luxusprodukt «Automobil» zum Massenverkehrsmittel entwickeln würde. 1904 rechnete man für die ganze Schweiz mit insgesamt 9999 Autokennzeichen. So wurden dem Kanton Zug die Nummern 3301 bis 3400 zugewiesen. Besonders

Das Fahrzeug nicht beherrscht, Zug 1927

bedrohlich war das Tempo dieser «rasenden Motorkutschen, welche die bisherigen Strassenbenutzer – die Fussgänger, die Fuhrleute und Kutscher – in Gefahr brachten, sie an den Rand drängten, mit Staub einhüllten und durch Lärm belästigten» (aus dem Zuger Staatsarchiv). Eine regierungsrätliche Verordnung des Kantons Zug von 1902 begrenzte deshalb die Höchstgeschwindigkeit auf offener Strecke auf 25 und in der Nähe von Fussgängern und Fuhrwerken auf 12 Stundenkilometer. Auf der anderen Seite hatte sich aber auch das erschreckte Publikum zurückzuhalten. Es war ihm verboten, Hunde auf die Fahrer zu hetzen – eine nebst Steinewerfen, Peitschenhieben und Drohungen mit der Mistgabel übliche Form des Widerstandes gegen die neuen Herren der Landstrasse.

Nebst der Unfallgefahr wurde die Staubbelastung zu einer grossen Plage, welche die Entwicklung des Strassenbaus massgeblich beeinflussen sollte. Der Staub enthielt nämlich nicht nur feine Steinpartikel, sondern auch die Hinterlassenschaften der Pferde und andere organische Abfälle. Nach den Analysen eines Londoner Wissenschaftlers bestanden Strassenschlamm und Strassenstaub aus folgenden Stoffen: Steinabrieb 30%, Eisenabrieb 10%, Mist und organisches Material 60%. So war es kein Wunder, dass dem Strassenstaub eine lebensbedrohende Zusammensetzung nachgesagt wurde. Noch 1927 schrieb Dr. Rudolf Verres: «(…) der Strassenstaub ist in hygienischer Beziehung von grösster Schädlichkeit (…). Er ist daher die Ursache vieler schwerer Krankheiten.» Dieses Problem konnte man auch mit der Einführung der gepflästerten Strassenoberflächen auf stark befahrenen Strassen nicht restlos lösen.

Mit Teer gegen Strassenstaub

Ein leidenschaftlicher Kämpfer gegen den Strassenstaub war der Walliser Arzt Dr. med. Ernest Guglielminetti. Er stammte aus Brig und war von Jugend auf an klare, gesunde Luft gewöhnt. Deshalb widmete er sein Leben der Reduktion des Strassenstaubs. 1902 erreichte er beim Fürsten von Monaco, dass auf 20 km der schon damals wichtigen Touristenstrasse zwischen Nizza und Monte Carlo heisser Rohteer verteilt wurde. Die Phenole im Rohteer bewirkten die Keimtötung und der Pechanteil des Rohteers verklebte die Gesteinspartikel der Strassenoberfläche. Solche Strassenteerungen wurden anfänglich von Hand durchgeführt. Schon bald aber begann die Industrie, ausgeklügelte Arbeitsgeräte für die Verteilung des Teeres zu entwickeln.

Teerverteilmaschine, um 1910 Teerspritzmaschine, um 1920

Mit den abgebildeten Maschinen wurde der heisse Rohteer auf die Strassenoberfläche gespritzt. Mit Schubkarren brachten die Strassenbauer Splitt und verteilten ihn von Hand möglichst gleichmässig. Anschliessend drückte die Dampfwalze den Splitt in den aufgespritzten Teer. Der Splitt diente aber auch als Schutzschicht für die Fussgänger. Er sorgte nämlich dafür, dass der Teer auf der Strasse und nicht an den Schuhsohlen der Fussgänger und an den Fahrzeugrädern klebte. Der Erfolg war spürbar: Bei trockenem Wetter war die Staubplage und bei Regenwetter der Schlamm gebannt; die Fuhrwerke rollten leichter dahin und damit wurden auch die Zugtiere geschont.

Makadam – der erste bituminöse Belag

Zwar waren zu diesem Zeitpunkt die Pferdefuhrwerke und Pferdekutschen noch weit in der Mehrheit, aber die Motorisierung nahm ungeahnte Dimensionen an. Und so nahm auch die Belastung der Strassen weiter zu. Nun erinnerte man sich an den Strassenaufbau nach McAdam und versuchte, diese Bauweise mit Teer oder Bitumen zu verbessern. Dies führte zum sogenannten «Teermakadam», eine im Kornaufbau ähnliche, aber mit Teer oder Bitumen gebundene Strassendecke.

1908: Fahrbare Makadam-Mischanlage der Firma AMMANN, Langenthal

Nach dem Ersten Weltkrieg kamen erstmals gesundheitliche Einwände gegen Teer auf, was die Verwendung von Bitumen weiter ansteigen liess. Die Maschinenindustrie entwickelte neue Makadam-Mischanlagen. Mit der Entwicklung der Motorlastwagen stiegen nicht nur die Transportmöglichkeiten, sondern auch Beanspruchung und Belastung der Strassen.

Erster Kipper von Palatini & Cellere, etwa 1930 Erster Um-Kipper, 1932

Mobile Mischanlage bei Melide, 1930

Doch auch der Teermakadam stiess bei erhöhtem Verkehrsaufkommen an seine Grenzen. Es wurde viel Forschungsarbeit betrieben und man hoffte, mit einer Mischung von Teer und Bitumen eine Verbesserung der Standfestigkeit von Strassenbelägen zu erreichen.

Mobile Mischanlagen

Die Mischanlagen wurden ebenfalls weiterentwickelt. Dabei setzte die Maschinenindustrie auf Grund der beschränkten Transportmöglichkeiten vorwiegend auf fahrbare Anlagen, die man jeweils in der Nähe einer Baustelle aufstellen konnte.

Auch die Firma Palatini & Cellere, Costruzioni Stradali, stellte das Mischgut bereits 1930 in Melide mit einer mobilen Aufbereitungsanlage her. Allerdings wurde das Belagsmaterial noch mit Schubkarren zur

Palatini & Cellere Costruzioni Stradali

Baustelle transportiert und von Hand verteilt. Belagseinbau in Melide, 1930

Um die Einbauleistung zu erhöhen und die Qualität der eingebauten Beläge zu verbessern, kamen kurz vor und in grösserem Stil nach dem Zweiten Weltkrieg Einbaufertiger auf den Markt. Diese waren bereits in der Lage, Mischgut in einer Mulde aufzunehmen und hinter der Maschine gleichmässig zu verteilen und zu verdichten. Bei guter Abstimmung zwischen Aufbereitungsanlage, Transportmittel und Einbaumaschine wurden so schon beachtliche Einbauleistungen erzielt.

Belagsfertiger, 1962

Innovation durch Autobahnbau

Der Start zum Nationalstrassenbau im Jahre 1958 löste nochmals einen Innovationsschub im Schweizer Strassenbau aus. Stationäre Mischanlagen ersetzten mehr und mehr die mobilen Aufbereitungsanlagen; die Tagesleistungen stiegen weiter. Für die erhöhten Verkehrsbelastungen suchte man stabilere Mischgutzusammensetzungen und stellte die notwendigen Rezepturen dafür bereit. Bereits 1980 brachte der damalige Leiter des PRÜFLABORS, Richard Häni, einen äusserst stabilen Deckbelag unter dem Namen DUROGRIP auf den Markt. Die Anwendung im grösseren Stil scheiterte aber leider am Konkurrenzdenken der Strassenbauer. Dass es sich um ein sehr gutes Mischgut handelte, zeigt sich daran, dass seit 2005 ein praktisch identisches Mischgut unter dem Namen Macrorugueux (Rauhbelag) in die VSS-Normen aufgenommen wurde.

Aufbereitung, Einbau, Verdichtung

Die Entwicklung ging in allen Bereichen rasant weiter; die für die Verdichtung des Belages notwendigen Walzen wurden verbessert. Nebst den Glattradwalzen verwendete man nun auch Vibrationswalzen, Oszillationswalzen und Gummiradwalzen. Jede hat, am richtigen Ort eingesetzt, ihre besonderen Vorteile.

Gummiradwalze Glattradwalze Vibrations-und Oszillationswalze

Auch im Bereich der Bindemittel forschte man weiter: Die polymermodifizierten Bitumen kamen auf den Markt. Zusammen mit der Verwendung gebrochener Mineralstoffe konnte so die Stabilität der verschiedenen Mischgutsorten erheblich verbessert werden. Heute stehen den Bauherrschaften über 40 Normbeläge zur Auswahl. Sie werden in modernsten Mischanlagen mit Leistungen bis über 200 to/h aufbereitet und zum Teil mit GPS-gesteuerten Einbaumaschinen und Walzen mit hoher Genauigkeit eingebaut und verdichtet.

Moderne Mischgutanlage mit Paralleltrommel Einbaumaschine mit GPS-Steuerung

Neue Herausforderungen

Die Entwicklung der Strassenbeläge ist noch nicht abgeschlossen. Gerade heute, wo die Erhöhung der Gesamtgewichte der Lastwagen wieder im Gespräch ist, wird man der Stabilität der Strassenbeläge, ihrem Widerstand gegen Verformungen im Sommer und der Vermeidung von Rissen im Winter noch vermehrte Aufmerksamkeit schenken müssen. Eine weitere Aufgabe ist die Schonung der beschränkt vorhandenen Ressourcen. Die Wiederverwendung von Ausbauasphalt ist heute Stand der Technik. Mischgut mit Anteilen an Ausbauasphalt erfüllt alle Anforderungen gemäss den gültigen Normen.

Die Qualität des Mischgutes wird entsprechend den seit 2005 gültigen europäischen Normen von akkreditierten Labors überwacht. Die PRÜFLABOR AG mit den zwei akkreditierten Labors in Mörschwil und Müllheim betreut derzeit 15 Mischanlagen, die jährlich zusammen rund 750 000 Tonnen bituminöses Mischgut produzieren. Um die Vergleichbarkeit der Laborresultate zu garantieren, werden – unter Teilnahme aller nahmhaften Labors der Schweiz – jährlich Ringversuche mit bituminösem Mischgut und bituminösen Bindemitteln durchgeführt.

Niklaus Kornmayer

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