Stadtblatt 2016 12

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umwelt G RÜNE G ESI C H T E R

Christian Schlichting Museumspädagoge Eisenzeithaus Venne Ich engagiere mich für Natur und Umwelt, indem ich ... Menschen mitnehme in eine Zeit, in der unsere Anhängigkeit von der Natur noch unmittelbarer nach-

vollziehbar war und Fehler viel direktere Konsequenzen hatten. Eine meiner spannendsten Aktionen war ... mit Studenten im Stadtoutfit alles aus der Natur herzustellen, was man wirklich zum Leben bräuchte. Wenn mich jemand fragt, was er für die Umwelt tun kann, antworte ich als Erstes: Energie sparen, Müll vermeiden. Einige der größten Umweltsünder sind für mich: Mineralöl- und Erdgasförderung, Atomkraftwerke, Militär, ein Großteil der Modebranche, Fangflotten, Dieselfahrzeuge, Agrarindustrie. Wenn ich Bundesumweltminister wäre, würde ich ... wahrscheinlich verzwei-

So geht Umweltschutz

feln, weil ich die vorige Frage dann ja genauso beantworten müsste. Mir gibt Hoffnung, dass ... sich über das Internet nicht nur Schlechtes verbreitet. Ich wünsche mir eine Welt, in der … Menschen unterschiedlicher Nationen keine Angst mehr voreinander haben. Die Archäologie lehrt auch etwas über die Umwelt, indem sie ... zeigt, dass wir moderne Menschen das Ergebnis, nicht die Ursache des Klimawandels unseres Eiszeitalters sind, seit 7000 Jahren aber daran arbeiten, diesen Zusammenhang umzukehren. INTERVIEW: HARFF-PETER SCHÖNHERR

Die letzten Gallier Die Wagenburg des WabOS e.V. hat kürzlich den Umweltpreis der Stadt bekommen. Aber sie soll einem Baugebiet weichen. Wie passt das zusammen? Klar: Gar nicht. agenburg. Klingt ja ein bisschen wie aus der Zeit gefallen. Nach selbstverwalteter, hierarchiefreier Alternativgesellschaft, nach Ökopax-Frei- und -Rückzugsraum, nach Protest gegen NaturRaubbau, soziale Kälte und kapitalistische Gier. Aber so leben sie, die rund 10 Bewohner der Bauwagensiedlung des WabOS e.V., auf ihrem malerisch dschungelhaften 7000 qm-Grundstück zwischen den Hochhäusern an der Mozartstraße und dem Klinikum Finkenhügel, seit 1997. Und wer sie besucht, fühlt sich ein bisschen wie bei Asterix.

FOTO: HARFF-PETER SCHÖNHERR

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„Ein Träumchen ist das hier“, sagt Stina. In ihrem Wagen, liebevoll ausgebaut, umbaut, überbaut, stapeln sich Bücher. Hans und Klaus sitzen derweil im Gemeinschaftshaus vor einem Feuer, das in einem alten Teerfass brennt, im pittoresken „Wohnzimmer“ der Gruppe. Riesige Sessel stehen hier, auch eine Auto-Rückbank, drüber und drumherum Lampen aus Flaschen, einem Ofenrohr, einem Feuerlöscher, einer Konstruktion aus Topfdeckeln und Fahrrad. Verpächter ist die Stadt Osnabrück. Kürzlich ist WabOS mit dem Naturschutzpreis Osnabrück Stadt 2016 ausgezeichnet worden. Für seinen „wertvollen Beitrag zur Wiedergewinnung einer natürlichen Umwelt“. Eine gute Wahl. Strom kommt aus Photovoltaik. Geheizt wird mit Holzabfällen. Regenwasser dient zum Duschen, zum Bewässern, zum Trinken. Manch Häuserdämmung besteht aus Schafwolle.

Stina (li.), vor ihrem Bauwagen: „Unser Motto: More and more of less and less!“

Die Toilette funktioniert auf Kompostbasis. Äpfel und Kirschen werden geerntet, Hasel- und Walnüsse, Mirabellen und Minze, Hopfen und Kürbis. Es wimmelt von Vögeln und Insekten. Stina: „Wir überlassen die Natur weitestgehend sich selbst. Überall um uns wird Boden versiegelt, bei uns nicht.“ Kleine Pfade führen von Wagen zu Wagen, durchs Grün, vorbei an Skulpturen, Hängematten, Kräuterbeeten, einer Kinderrutsche. Fast alles ist selbstgebaut, fast alles besteht aus Recycling – hier Rolläden eines Kirmeswagens, dort Fußbodenreste einer Baustelle. Selbst Peter Lustigs legendärer „Löwenzahn“-Bauwagen sieht gegen die WabOS-Gefährte langweilig aus. Kreativität allerorten: Der Briefkasten, vorn am Tor, ist eine aufgeschnittene Gasflasche, und in Stinas Wagen hängt ein kleines Kärtchen: „Die fabelhafte Welt des Widerstands“ – Amelie reckt auf ihm die Faust. Ein Wohnprojekt mit Vorbildcharakter. Und nun die schlechte Nachricht: Geht es nach der Stadt, wird es geräumt. Für ein Baugebiet. Die Kündigung kommt wahrscheinlich im März. Der Naturschutzpreis? Interessiert da nicht mehr. WabOS wehrt sich, auch mit einer Infobroschüre: „Im Namen der Stadt sollen hier also (wieder einmal) wertvolle Lebensräume zerstört werden, weil die Natur sich nicht der herrschenden Verwertungslogik anpassen lässt.“ Ein Flugblatt spricht davon, dass „für Subkulturen immer weniger Raum bleibt“. Gut, die Stadt hat Alternativstandorte angeboten. Aber, so Klaus, „echte Alternativen sind das nicht“. Außerdem geht es WabOS nicht einfach nur um einen Ort, an dem ihre Wagen stehen können. Es geht um ihr Habitat hier oben am Berg. „Wir wollen bleiben.“ HARFF-PETER SCHÖNHERR www.change.org/u/wabos

klartext-grafik.de/weihnachtsgruss

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