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Demilitarisierte Zone: Franziska Ohnheiser und Simon Brüwer mit Baby, „Bunkerbox“, in ihrem Weltkriegs-Bunker
Der Kunde kann kommen: Christian Engels und Vera Bergmann, „All Seasons Self Storage“, checken eine ihrer 380 Boxen
Leben in der Box Self-Storage: Seit ein paar Jahren boomt dieser Trend auch in Osnabrück. Wir haben zwei Boxenstopps gemacht. TEXT | FOTOS HARFF-PETER SCHÖNHERR
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eder kennt das: Da ist all das Zeug, das du eigentlich nicht brauchst, das dir die Schränke verstopft, den Keller, aber zum Wegschmeißen ist es einfach zu schade. Oder du bist Jobnomade. Oder deine neue Wohnung ist noch nicht bezugsfertig ... Dann heißt das Zauberwort: Self-Storage, angemieteter Lagerraum. Eine Boom-Branche, auch in Osnabrück. Wellblech-Halle, Zaun drum, Holzverschläge rein? Das war mal. Bewegungsmelder sind heute angesagt, Code-Pinpads, Schimmelsporen- und Rauch-Sensoren, Kameras mit Nachtsichtfunktion. Eines der kleineren Lagersysteme Osnabrücks: die acht Monate alte „Bunkerbox“ von Franziska Ohnheiser und Simon Brüwer an der Buerschen Straße. Ihr Name kommt nicht von ungefähr: Sie ist in einem Luftschutzbunker von 1941 untergebracht – ein gewaltiger Eisenbetonklotz, der seit 2014 auf seinem Dach zudem ein Öko-Penthouse trägt. Wände, gegen die selbst ein Kampfpanzer machtlos wäre – sicherer geht nicht. Vorbei an tonnenschweren Explosionsdrucktüren geht es rein; heute sind sie natürlich nur noch Deko. In einer ist ein Sichtfenster, ihn ihm hängt ein Nazar-Amulett. Franziska Ohnheiser: „Wehrt die Düsternisse der Vergangenheit ab.“ 85 Boxen, vom 1 m³-„Cube“ bis zum 15-qmRaum. Alles ist hell, freundlich. Die Mieter sind hauptsächlich Privatkunden. Brüwer: „Studenten,
die noch auf Wohnungssuche sind. Rentner, die sich verkleinern. Weltreisende, die temporär ihren Haushalt auflösen.“ Ohnheiser: „Wer ein bisschen Tetris spielt, kriegt auch in einen kleinen Raum viel rein.“ Natürlich nichts Feuergefährliches, Strahlendes, Giftiges, Ätzendes, Übelriechendes. Keine Chemikalien, keine Waffen, keine Drogen, kein Abfall. Theoretisch. Ob sich die Kunden dran halten? Simon Brüwer: „Eigentlich war es eine Schnapsidee, mitzubieten, als der Bunker verkauft wurde. Erst dachten wir an ein Wohnprojekt mit WGs. Aber
Bunker? Box! Im Bunker ist die beherrschende Farbe Türkis. Zufall? Das ist eine Erinnerung an die Wandfarbe, die wir vorfanden, als wir den Bunker übernahmen. Unser heutiges Türkis ist allerdings viel kräftiger. Auch mit dem Kies des Parkplatzes hat es eine ganz besondere Bewandnis? Der stammt aus dem Luftfilterraum im Keller. 40 Tonnen davon haben wir da rausgesaugt. Ein bisschen was davon liegt jetzt auch auf unserer Dachterrasse. Und dann ist da noch die Sache mit Ihrem neuen Haustier ... Genau, unsere Bunkerkatze. Grau natürlich, wie Beton. Während des Umbaus hat sie wohl im Bunker gewohnt. Heute wohnt sie oben bei uns.
Nazar-Amulett, „Bunkerbox“: „Das hängt jetzt hier und wehrt die Düsternisse der Vergangenheit ab.“
das wäre ein ungeheurer Aufwand gewesen, überall Fensteröffnungen reinzusägen.“ Schon die Entkernung war schwer. „Die alte Zivilschutz-Technik raus, die Betonfaserzementwände.“ Der „All Seasons Self Storage“, Hasepark, seit Mitte 2016 am Start, ist deutlich größer. 380 Boxen sind es derzeit, bis 1000 könnten es werden. Christian Engels, Regional Manager: „Bei uns unten drunter gibt’s übrigens auch einen Bunker. Gewaltige Ausmaße, 1 Meter 80 dicke Decke. Zu was der mal gedient hat, konnte uns keiner sagen. Rüstungsproduktion vielleicht. Wir haben ihn verfüllt, der Stabilität wegen.“ Auch hier reicht die Kundschaft vom Erbfall bis zum Umzug, Ärzte lagern hier Akten, Servicehandwerker ihre Ersatzteile, Handelsvertreter ihre Waren. Sogar Garagen gibt es. In einigen stehen Oldtimer. Engels: „Nur rumschrauben kann man an denen hier natürlich nicht.“ Vera Bergmann, Store Manager: „Wer zu uns kommt? Ein Kaleidoskop von Leuten!“ Rein kann jeder rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr. Was die Las Vegas-Skyline im Empfangsbüro bedeutet? „Da entstand die Idee zu unserem Unternehmen. In einem Appartement, 36. Stock.“ Auch die Gelb- und Braun-Töne des Gebäudes erinnern daran. Engels: „Das Gelb steht für die Wüste von Nevada, das Braun für die Berge.“ Und dann erzählt er, auch von anderen seiner Standorte. Von dem 92-jährigen Kunden, der sich einmal im Monat vor seine Box auf einen Melkschemel setzt, einen Schuhkarton herausholt: „Das sind die Briefe seiner Jugendliebe, die seine Frau besser nicht sieht.“ Oder dass mal ein Trupp Bandidos vorbeikam, die eine Box ausdrücklich „außerhalb des Kamerabereichs“ wollte: „Die haben wir dann natürlich abgewiesen.“ Ein Boom also, von „Yellow Tiger“ bis zum „Möbelparkplatz“. Engels: „In manchen dieser Boxen lagert ein ganzes Leben.“ STADTBLATT 12.2016 21